Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 26.11.1987; Aktenzeichen 5 Sa 965/87)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. November 1987 – 5 Sa 965/87 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

Der Kläger ist Fotograf und arbeitet seit dem 1. Januar 1968 für die Lokalredaktion Moers der „Rheinischen Post”, die von der Beklagten herausgegeben wird.

Die Beklagte zahlt an den Kläger für eine bestimmte Anzahl von Aufnahmen einen Pauschalbetrag und für darüber hinaus von ihr veröffentlichte Fotos des Klägers einen Stückpreis. Der Kläger hat zuletzt nach mehrfachen Erhöhungen eine monatliche Pauschale von 2.100,– DM für vierzig Bilder und 34,– DM für jedes weitere veröffentlichte Foto erhalten. Dadurch hat er über den Pauschalbetrag hinaus zeitweise monatliche Mehreinnahmen zwischen 3.500,– DM bis 7.000,– DM erzielt.

Daneben gewährt die Beklagte dem Kläger eine monatliche km-Pauschale von 504,– DM und einen Zuschuß von 40,– DM zu seinen Telefonkosten. Spätestens seit 1974 zahlt sie „ein Ausgleichshonorar” für die Urlaubszeit von zunächst 800,– DM monatlich und ab 1979 für eine Urlaubszeit von 18 Tagen neben der Pauschale das nach dem Durchschnitt der letzten drei Monate berechnete Zusatzhonorar. Der Kläger mußte den Urlaubszeitpunkt mit dem Redaktionsleiter und dem Chef vom Dienst abstimmen. In einem speziellen Krankheitsfall (Augenoperation) hat die Beklagte dem Kläger die Vergütung für sechs Wochen seiner Erkrankung bezahlt. Seit dem 1. Juli 1971 führt die Beklagte 12 % des Pauschalhonorars als Beitrag zur Altersversorgung des Klägers an das Versorgungswerk der Deutschen Presse GmbH ab, wovon der Kläger 10 % selbst trägt.

Die Zusammenarbeit zwischen den Parteien läuft folgendermaßen ab:

Die Beklagte teilt dem Kläger mit, von welchen Ereignissen sie Fotos benötigt und wann das Geschehen stattfindet. Die Fotos muß der Kläger so rechtzeitig anfertigen, daß sie für die vorgesehene Berichterstattung noch verwendet werden können. Sofern es in der Vergangenheit zu zeitlichen Überschneidungen kam, führte die Ehefrau des Klägers einen Teil der Aufträge aus. Mit Schreiben vom 2. Januar 1986 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß er Fototermine nur noch in Absprache mit der Redaktionsleitung an seine Frau weitergeben dürfe und die Fotos mit dem Namen des Fotografen gekennzeichnet werden müßten.

Der Kläger benutzt eine eigene Fotoausrüstung und kauft sein Filmmaterial selbst. In der Redaktion der Beklagten befindet sich eine Dunkelkammer, die ihm zur Verfügung steht und die er mit eigenen Geräten ausgestattet hat. Der Kläger hat zu Hause eine eigene Dunkelkammer. Es ist ihm freigestellt, wo er seine Fotoarbeiten entwickelt und vergrößert. Die Dunkelkammer zu Hause benutzt seine Frau, um private Nachbestellungen von Fotos auszuführen.

Der Kläger ist der Auffassung, daß zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht, denn er sei wie ein Arbeitnehmer in die Redaktionsarbeit der Beklagten eingegliedert und müsse die ihm übertragenen Fototermine wahrnehmen. Die Beklagte erwarte von ihm eine ständige Dienstbereitschaft auch an Wochenenden. Er dürfe die ihm übertragenen Fototermine nicht ablehnen. Nur in einem Ausnahmefall habe der Chef vom Dienst ihn von der Verpflichtung befreit, weil er sich geweigert habe, weinende Polizisten aufzunehmen. Seine Dunkelkammer zu Hause könne er für Pressefotos schon deswegen nicht benutzen, weil er sonst den Fertigstellungstermin nicht einhalten könne.

Der Kläger hat die Feststellung beantragt, daß er zu der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis als Bildreporter steht.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Kläger freier Mitarbeiter sei. Er sei nicht verpflichtet, die ihm angebotenen Fototermine anzunehmen. Ebensowenig sei er an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden. Die Anzahl der vom Kläger angefertigten und von der Beklagten veröffentlichten Fotos sage nichts darüber aus, daß der Kläger dazu verpflichtet gewesen wäre. Er habe vielmehr zur Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage Angebote der Beklagten in diesem Umfang angenommen. Er hätte sie aber auch ablehnen können, ohne berufliche Nachteile befürchten zu müssen. Der Kläger habe von diesem Recht mehrfach Gebrauch gemacht und eigene Aufträge ausgeführt. Er habe die Redaktion auch nur dann aufgesucht, wenn er es für richtig gehalten habe. Ein wesentlicher Teil seiner Tätigkeit entfalle auf Laborarbeiten, die er nach eigener Zeiteinteilung zu Hause habe ausführen können.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte will mit der Revision die Abweisung der Klage erreichen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das entscheidende Merkmal der Arbeitnehmereigenschaft vor allem die persönliche Abhängigkeit des Mitarbeiters (vgl. BAGE 39, 329 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten und BAGE 41, 247 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit sowie BAG Urteil vom 9. Mai 1984 – 5 AZR 195/82 – AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Arbeitnehmer ist, wer seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt diese Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über diesen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält die Vorschrift jedoch eine allgemeine Wertung des Gesetzgebers, die bei der Abgrenzung des Arbeitsvertrages vom Dienstvertrag des freien Mitarbeiters zu beachten ist, zumal dies die einzige Norm ist, die dafür Kriterien enthält.

Unterliegt hiernach der Beschäftigte hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht, liegt ein Arbeitsverhältnis vor. Kann er dagegen im wesentlichen die Arbeitsbedingungen frei gestalten, ist er ein freier Mitarbeiter. Die das Rechtsverhältnis bestimmenden charakteristischen Merkmale sind danach zu beurteilen, wie sie sich aus dem Inhalt des Vertrages sowie der praktischen Durchführung und Gestaltung der Vertragsbeziehungen ergeben (vgl. u.a. BAGE 39, 329, 332 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu I der Gründe und BAG Urteil vom 9. Mai 1984 – 5 AZR 195/82 – AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 2 der Gründe).

II. Das Berufungsgericht ist zwar von diesen Grundsätzen ausgegangen, hat sie aber vorliegend nicht richtig angewandt. Die dazu vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen werden von der Revision zu Recht mit Verfahrensrügen angegriffen.

1. Das Landesarbeitsgericht sieht ein Merkmal der persönlichen Abhängigkeit darin, daß der Kläger wie ein Arbeitnehmer in den Betriebsablauf eingebunden gewesen sei. Es führt dafür an, der Kläger habe in der Regel für jeden Wochentag Aufträge bekommen und habe sich deswegen täglich in der Redaktion aufgehalten. Die Beklagte habe „nach Lage der Dinge” ständige Dienstbereitschaft des Klägers erwartet, wie sich schon daraus ergebe, daß er mit Aufträgen täglich voll ausgelastet gewesen sei. Er habe nach Aussage des Zeugen S. nicht immer alle Termine wahrnehmen können.

Der Kläger habe Aufträge ohne Gefahr für die weitere Zusammenarbeit nicht ablehnen dürfen. Die Beklagte habe sich für ihre gegenteilige Behauptung auf drei Fälle bezogen. In einem Fall habe die Beklagte ihn erst nach der Entscheidung des Chefs vom Dienst davon befreit, weinende Polizisten zu fotografieren. Daraus ergebe sich gerade, daß er nicht frei gewesen sei in der Ablehnung von Aufträgen. In einem zweiten Fall lasse sich der Sachverhalt mit Hilfe des Zeugen S. nicht aufklären, der in diesem Punkt widersprüchlich ausgesagt habe, so daß gegen diesen Teil seiner Aussage Bedenken bestünden. Die Beklagte habe sich dafür weiter auf den Zeugen K. bezogen, jedoch sei eine Vernehmung dieses Zeugen entbehrlich, weil es sich nur um einen einzigen Fall einer Auftragsablehnung gehandelt habe, und sich daraus für eine allgemeine Berechtigung des Klägers zur Ablehnung von Aufträgen nichts herleiten lasse. Den weiteren von der Beklagten angeführten Fall einer angeblichen Auftragsablehnung habe der Zeuge S. nicht bestätigt.

Demgegenüber habe der Zeuge v. T. ausgesagt, daß der Kläger niemals einen Auftrag im Sportbereich abgelehnt habe. Die weiter von der Beklagten im Schriftsatz vom 8. Oktober 1987 unter Beweisantritt behaupteten Fälle einer Ablehnung von Aufträgen durch den Kläger seien verspätet vorgebracht. Eine Beweisaufnahme würde die Entscheidung des Rechtsstreits verzögern.

2. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts bekämpft die Revision erfolgreich mit Sach- und Verfahrensrügens

Die Revision beanstandet zutreffend, daß die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ihrem vorinstanzlichen Vortrag widersprechen. Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Aussage des Zeugen S. vor dem Arbeitsgericht schon in der Berufungsschrift ausgeführt, der Kläger habe sich nicht für verpflichtet gehalten, in der Redaktion zu erscheinen und sei nur dann gekommen, wenn er es für richtig gehalten habe. Er sei nicht verpflichtet, bestimmte Aufträge anzunehmen, er habe keine Dienstbereitschaft, keine regelmäßige Arbeitszeit, keine Anwesenheitspflicht, und sei nicht weisungsgebunden. Der Kläger sei auch nicht in den organisatorischen Ablauf des Betriebes eingegliedert und lasse sich auch nicht einbinden. Ihm würden nur die Fototermine genannt, von denen die Beklagte Bilder wünsche. Die Ausführung sei ihm überlassen. Der Kläger habe nicht nur das Recht gehabt, einzelne Aufträge abzusagen, sondern habe davon in Einzelfällen Gebrauch gemacht. Der Kläger habe in einem Schreiben vom 3. März 1985 – wie vom Zeugen S. bestätigt – selbst eingeräumt, daß er sich freie Tage nehmen konnte, wann er wollte. Das Berufungsgericht habe die von der Beklagten angebotenen Zeugen nicht dazu vernommen, daß der Kläger einzelne Aufträge ohne Nachteile für die weitere Zusammenarbeit absagen konnte. Wenn die Vorinstanz Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen S. habe, so hätte sie ihn zur Aufklärung dieser angeblichen Widersprüche erneut vernehmen müssen ebenso wie den Zeugen K.

3. Der Vortrag der Beklagten läßt sich mit den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vereinbaren. Die Revision rügt zu Recht, daß die Vorinstanz diese Ausführungen nicht berücksichtigt oder falsch gewürdigt hat. Darin liegt ein Verstoß gegen § 286 ZPO, denn das Berufungsgericht hat sich mit diesem Vorbringen nicht im einzelnen auseinandergesetzt und die angebotenen Beweise nicht vollständig erhoben oder zumindest nur teilweise verwertet.

a) Die vom Kläger als Fotograf erbrachten Leistungen können an sich sowohl Gegenstand eines Arbeitsvertrages als auch eines freien Dienstvertrages oder Werkvertrages sein. Die Grenzen zwischen diesen Vertragstypen sind fließend. Ihre gegenseitige Abgrenzung kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles erfolgen (BAGE 12, 303; 14, 17 = AP Nr. 1 und 3 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAGE 19, 324, 329 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 1 der Gründe).

b) Das Berufungsgericht sieht die persönliche Abhängigkeit des Klägers vor allem darin, daß der Kläger in den Betriebsablauf der Beklagten eingebunden sei. Das ergibt sich nach Meinung der Vorinstanz daraus, daß der Kläger sich täglich Aufträge in der Redaktion hole und tagsüber mit Aufträgen ausgelastet sei.

Diese Schlußfolgerung ist nicht zwingend, denn das Landesarbeitsgericht entnimmt vor allem aus der zeitlichen Inanspruchnahme, daß der Kläger in den Betriebsablauf eingegliedert sei. Die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation zeigt sich jedoch insbesondere darin, daß ein Mitarbeiter hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung einem umfassenden Weisungsrecht unterliegt. Eine fachliche Weisungsgebundenheit tritt häufig hinzu; sie ist andererseits für Dienste höherer Art nicht immer typisch (BAGE 30, 163, 168 f. = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 1 und 2 der Gründe; BAGE 41, 247, 253 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe).

c) Insoweit fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts. Wenn der Kläger sich auch täglich seine Aufträge geholt haben sollte, fällt dieser Zeitaufwand im Verhältnis zur Gesamttätigkeit nicht ins Gewicht. Der Zeuge v. T., der nur Fototermine im Sportbereich vergibt, hat diese an den Kläger entweder mündlich oder auf einem Zettel mitgeteilt. Daraus ergibt sich keine tägliche Anwesenheit des Klägers in der Redaktion. Außerdem läßt sich der Aussage dieses Zeugen nicht entnehmen, daß der Kläger täglich Sportereignisse fotografiert hat. Dagegen spricht die Vermutung, daß sich solche Ereignisse vor allem am Wochenende ergeben. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht sich nicht mit dem gegenteiligen Vortrag der Beklagten auseinandergesetzt, der Kläger sei nicht regelmäßig in die Redaktion gekommen, wie der Zeuge S. vor dem Arbeitsgericht ausgesagt hat.

d) Der Kläger war nach Annahme eines Fototermins in der Arbeitsausführung frei und arbeitete ohne Hilfskräfte der Beklagten. Er war außerdem nicht vom technischen Apparat der Beklagten abhängig. Das spricht gerade bei künstlerischen Tätigkeiten gegen eine persönliche Abhängigkeit (BAGE 30, 163, 170 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 2 b der Gründe). Auch soweit der Kläger, worauf die Vorinstanz hinweist, nachmittags in den Räumen der Beklagten seine Filme entwickelt und Laborarbeiten ausgeführt hat, ergibt sich daraus keine persönliche Abhängigkeit des Klägers. Er nutzte die Dunkelkammer im Hause der Beklagten – die er mit seinen eigenen Geräten ausgestattet hatte – zur schnelleren Fertigstellung der Fotoarbeiten. Das diente aber seiner Arbeitserleichterung und nicht der Erfüllung einer Anwesenheitspflicht. Er hätte, wie er selbst einräumt, diese Arbeiten auch zu Hause ausführen dürfen, wenn er es gewollt hätte.

e) Das Berufungsgericht hat die persönliche Abhängigkeit des Klägers weiter daraus hergeleitet, daß die Beklagte eine ständige Dienstbereitschaft verlangt habe. Die Beklagte hat unter Beweisantritt ausdrücklich das Gegenteil behauptet. Damit hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt und wesentlichen Sachvortrag entgegen § 286 ZPO unberücksichtigt gelassen.

Die ständige Dienstbereitschaft entnimmt die Vorinstanz „nach Lage der Dinge” daraus, daß der Kläger mit Arbeiten voll ausgelastet gewesen sei und die Beklagte von seiner ständigen Berichterstattung abhängig gewesen sei.

Dabei läßt die Vorinstanz den weiteren Vortrag der Beklagten außer acht, daß der Kläger zu diesem großen Arbeitseinsatz gar nicht verpflichtet gewesen sei, sondern Aufträge weitgehend an sich gezogen habe, um seinen Verdienst zu steigern. Dafür spricht die Tatsache, daß der Kläger seine Ehefrau unstreitig teilweise für die Fototermine mit eingesetzt hat. Gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts läßt sich auch anführen, daß die Beklagte neben dem Kläger mindestens einen weiteren Pressefotografen beschäftigte, den sie im Falle einer Absage des Klägers einsetzen konnte, wenn sie die Arbeit des Klägers auch geschätzt hat.

In diesem Zusammenhang kommt es dann aber darauf an, ob der Kläger – wie die Beklagte behauptet – die Freiheit hatte, einzelne Arbeitseinsätze ohne Gefahr für die weitere Zusammenarbeit abzusagen. Die Beklagte hat das in der Berufungsbegründung ausdrücklich behauptet und unter Beweis des Zeugen S. gestellt. Außerdem hat sie im selben Schriftsatz drei Fälle genannt, in denen der Kläger ohne Gefahr für die weitere Zusammenarbeit Aufträge ausdrücklich abgelehnt hat. Davon ist der eine Fall unstreitig (Weigerung, weinende Polizisten aufzunehmen). Der zweite Fall ist die angebliche Weigerung des Klägers, am 3. Februar 1986, um 15.00 Uhr, einen Fototermin wahrzunehmen.

Nach Auffassung der Vorinstanz läßt sich das aus der Aussage des Zeugen S. nicht genau entnehmen. Gegen diesen Zeugen bestünden ohnehin Bedenken hinsichtlich dieses Teils seiner Aussage, die widersprüchlich sei. Der zusätzlich von der Beklagten angebotene Zeuge K. brauche dazu nicht vernommen zu werden, weil ein einziger Fall einer Auftragsablehnung nichts darüber aussage, ob der Kläger generell dazu berechtigt gewesen sei. Hinsichtlich des von der Beklagten benannten dritten Falles einer behaupteten Weigerung des Klägers, Aufnahmen von der Abschiedsfeier des Stadtdirektors O. anzufertigen, habe der Zeuge S. den Sachverhalt nicht bestätigt. Schließlich habe der vom Berufungsgericht vernommene Zeuge v. T., der den Sportbereich betreut habe, ausgesagt, der Kläger habe niemals einen Auftrag abgelehnt. Aus dieser Aussage ergebe sich die Einbindung des Klägers in die betriebliche Organisation der Beklagten.

Diese Würdigung des Prozeßstoffes verstößt gegen § 286 ZPO und ist widersprüchlich. Das Berufungsgericht stützt eine für die Beklagte ungünstige Feststellung (3. Fall) auf die Aussage des Zeugen S., den es in der für die Beklagte günstigen Version (2. Fall) für nicht glaubwürdig hält. Zwar steht es im Ermessen des Berufungsgerichts gemäß § 398 ZPO, ob es einen bereits in der Vorinstanz vernommenen Zeugen nochmals vernehmen will. Jedoch muß es den erstinstanzlich gehörten Zeugen erneut vernehmen, wenn es seine Glaubwürdigkeit anzweifelt (BAG Urteil vom 7. Juni 1972 – 5 AZR 512/71 – AP Nr. 18 zu § 611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis). Die Vorinstanz durfte den Beweisantritt des vorsorglich geladenen Zeugen K. nicht mit der Begründung übergehen, darauf (2. Fall) komme es nicht an, weil der Fall nicht typisch sei für das Recht des Klägers, einzelne Arbeitseinsätze abzusagen. Wenn man dieser Begründung folgt, dann ist auch die Aussage des Zeugen S. entbehrlich, die das Berufungsgericht im selben Fall für widersprüchlich und nicht für verwertbar hält. Das Landesarbeitsgericht war nach § 286 ZPO verpflichtet, die Beweisergebnisse widerspruchsfrei zu würdigen. Daran fehlt es.

4. Schon die mit den vorbezeichneten Revisionsrügen erfolgreich angegriffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils müssen zu dessen Aufhebung führen, weil weitere Umstände, die das Landesarbeitsgericht für die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers angeführt hat, für sich allein das angefochtene Urteil nicht tragen können. Daher kommt es auch nicht darauf an, inwieweit die weiteren Verfahrensrügen der Revision gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im übrigen durchgreifen, insbesondere die Zurückweisung weiterer Beweisangebote im Schriftsatz vom 8. Oktober 1987.

5. Das Berufungsgericht muß die erforderlichen Feststellungen zur persönlichen Abhängigkeit des Klägers nachholen. Der Rechtsstreit ist daher zur weiteren Sachaufklärung und anderweiten Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Vorsitzender Richter Prof. Dr. Thomas ist im Urlaub und daher an der Unterschrift gehindert. Dr. Gehring, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Polcyn, Dr. Florack

 

Fundstellen

Haufe-Index 988646

BB 1990, 779

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