Leitsatz (amtlich)

  • Wenn eine Ehefrau, die als persönlich haftende Gesellschafterin an einer Kommanditgesellschaft beteiligt ist, ihrem Ehemann die Verwaltung und Nutznießung ihrer Beteiligung überträgt, so begibt sich die Ehefrau im Zweifel damit nicht ihrer Vertretungsbefugnis, unbeschadet der Frage, ob eine solche Übertragung der Vertretungsbefugnis auf einen Nicht-Gesellschafter überhaupt rechtlich wirksam erfolgen kann.
  • Ist eine Kommanditgesellschaft Arbeitgeber und hat sie einem Arbeitnehmer gekündigt, so ist es bei der durch § 1 Abs. 2 KSchG gebotenen Interessenabwägung rechtsfehlerhaft, die persönlichsten Interessen der Komplementärin mit den Arbeitgeber-Interessen voll gleichzustellen. Maßstab für die Frage, ob ein Kündigungsgrund vorliegt, ist vielmehr ob ein objektiver, verständig urteilender Arbeitgeber einen Umstand als Kündigungsgrund ansehen würde.
 

Normenkette

ArbG 1953 § 72 Abs. 1; HGB § 177; BGB § 157; ZPO § 550; HGB § 161 Abs. 2, §§ 170, 125 Abs. 1; BGB § 1405 a.F.; KSchG § 1 Abs. 2, § 7 Abs. 1, § 8; BGB § 611; ZPO § 92

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 09.03.1961; Aktenzeichen 2 Sa 454/59)

ArbG Köln (Urteil vom 20.11.1958; Aktenzeichen 8 Ca 29/59)

 

Tenor

  • Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, 2. Kammer Köln, vom 9. März 1961 – 2 Sa 454/59 – wie folgt abgeändert:

    Die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20. November 1958 – 8 Ca 29/59 – werden zurückgewiesen.

  • Auf den Antrag der Beklagten wird das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 30. Juni 1959 aufgelöst. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung von 4.500,– DM zu zahlen.
  • Die Kostenentscheidungen der beiden vorinstanzlichen Urteile werden aufgehoben.
  • Von den Kosten der ersten Instanz trägt der Kläger 1/5, die Beklagte 4/5. Von den Kosten der Berufungsund der Revisionsinstanz trägt der Kläger 14/17, die Beklagte 3/17.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Beklagte unterhält einen chemisch-keramischen Betrieb mit etwa 60 Arbeitnehmern. Ein Betriebsrat ist nicht errichtet.

Im Jahre 1945 war dieser Betrieb teilweise zerstört und außerdem verschuldet. Der Kaufmann F… M… W…, der im Jahre 1930 die Tochter E… des Betriebsinhabers geheiratet hatte und zunächst als Angestellter, später als Prokurist im Betriebe der Beklagten tätig war, unternahm es nach dem Tode seines Schwiegervaters im Jahre 1945, den Betrieb wieder aufzubauen. Nach der Erbauseinandersetzung wurden die Gesellschaftsverhältnisse der Beklagten in einem notariellen Vergleich am 28. September 1951 neu geregelt. Danach wurde die Ehefrau E… W… persönlich haftende Gesellschafterin, deren Mutter Kommanditistin. Dem Kaufmann F… M… W… als weiterem Vertragspartner wurde die alleinige Geschäftsführung übertragen, gleichviel, ob ihm Prokura erteilt und ob und in welcher Art er Gesellschafter war; ihm allein – nicht auch den Gesellschaftern – stand das Recht auf Kenntnis der technischen Verfahren und Rezepte des Unternehmens zu. Er war jederzeit berechtigt, als Kommanditist in die Gesellschaft einzutreten, und zwar mit einer Kommanditeinlage bis zu 40.000,– DM, die auf sein Verlangen durch Umbuchung vom Kapitalkonto der Ehefrau E… W… geleistet werden sollte. Am gleichen Tag schlossen ferner die Eheleute W… einen Ehevertrag, mit welchem erklärt wurde:

“Wir haben im Jahre 1930 geheiratet und leben im gesetzlichen Güterstande der Verwaltung und Nutznießung des Mannes bezüglich des Vermögens der Frau: Zum eingebrachten Gut der Frau gehört ihre Beteiligung an der Kommanditgesellschaft R… & St… in Köln als persönlich haftende Gesellschafterin. Diese Beteiligung wird vom Ehemann kraft seines ehemännlichen Verwaltungsrechts verwaltet. Was vom Reingewinn der Gesellschaft auf Frau E… W… entfällt, verbleibt ihr zu 1/3 als Vorbehaltsgut, während die übrigen 2/3 dem Ehemann F… W… als Entgelt für die Führung der Verwaltung zufallen.”

In der Folgezeit kam es zu Auseinandersetzungen unter den Eheleuten W…. Am 27. Juni 1959 gab Frau E… W… in gesetzlicher Form die Gütertrennungserklärung gemäß Art. 8 Abschnitt I Ziffer 3 Abs. 2 des Gleichberechtigungsgesetzes ab. Demgegenüber begehrte der Ehemann mit Klage vor dem Landgericht Köln – Az. 4 0 17/59 – die Feststellung, daß der oben genannte Ehevertrag durch die Gütertrennungserklärung seine Wirksamkeit nicht verloren habe. Nachdem das Landgericht mit Urteil vom 20. Mai 1959 die erbetene Feststellung getroffen und die Ehefrau W… gegen dieses Urteil Berufung eingelegt hatte, kam es in einem auf Antrag des Ehemannes W… eingeleiteten Schiedsgerichtsverfahren am 26. August 1959 unter den Eheleuten zu einem Vergleich, mit welchem – neben anderen Regelungen – alle früheren Verträge aufgehoben wurden, während Frau E… W… sich verpflichtete, ihrem Ehemann den Betrag von 326.000,– DM zu zahlen. Bereits vor Abschluß dieses Vergleiches, nämlich am 8. Dezember 1958, hatte Frau E… W… sich geschäftlich und familiär von ihrem Ehemann getrennt und als Komplementärin die Leitung des Betriebes ihrem Sohn F… E… W… übertragen.

Der 44 Jahre alte Kläger war seit dem 8. Januar 1951 als Leiter der Expeditionsabteilung der Beklagten gegen ein Monatsgehalt von zuletzt 730,– DM brutto tätig. Er ist verheiratet mit der langjährigen Sekretärin des F… M… W…

Nachdem der Kläger bereits seit dem 2. Januar 1959 vom Dienst suspendiert worden war, sprach die Komplementärin, Frau E… W…, dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 11. Februar 1959 die Kündigung des Anstellungsvertrages zum 31. März 1959 aus. Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit einer am 16. Februar 1959 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gewandt. Mit Schriftsatz vom 8. September 1959 sprach die Beklagte vorsorglich eine weitere Kündigung aus. Auch gegen diese wendet sich der Kläger.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die erste Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte bei der Kündigung nicht gehörig vertreten gewesen sei. Geschäftsführer sei zu diesem Zeitpunkt noch immer der Kaufmann F… M… W… gewesen. Auf jeden Fall seien aber beide Kündigungen sozial ungerechtfertigt. Bei der ersten Kündigung sei auch nicht die Kündigungsfrist nach dem Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten gewahrt, so daß er die Fortzahlung des Gehalts abzüglich des anzurechnenden Arbeitslosengeldes für die Monate April bis einschließlich Juli 1959, demnach 510,05 DM für den Mai und 261,20 DM für den Juni, fordern könne.

Die Beklagte hat Klagabweisung, hilfsweise Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 KSchG, beantragt.

Als Grund für beide Kündigungen und für den Auflösungsantrag hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe mit dem ehemaligen Geschäftsführer F… M… W… konspiriert und mit ihm über geschäftliche Dinge gesprochen.

Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag unter Zurückweisung des Auflösungsantrages der Beklagten entsprochen.

Die Beklagte hat das Ziel der Klagabweisung, hilfsweise der Auflösung des Arbeitsverhältnisses, weiterverfolgt.

Der Kläger, der seit dem 1. April 1960 in einer neuen Stellung zu einem geringeren Gehalt, als er es zuletzt bei der Beklagten bezog, tätig ist, hat das Urteil des Arbeitsgerichts verteidigt und im Wege der Anschlußberufung die Beklagte auf Zahlung einer Gehaltsdifferenz von 7.146,– DM und laufend monatlich weiteren 101,75 DM ab 31. Dezember 1960 in Anspruch genommen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage und die im Wege der Anschlußberufung geltend gemachte weitere Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist statthaft.

Das angefochtene Urteil hat den Streitwert wegen der Anschlußberufung des Klägers auf 9.436,– DM neu festgesetzt. Da das Urteil sowohl über zwei miteinander verbundene Feststellungsklagen, die sich gegen jede der beiden Kündigungen richten, wie auch über Zahlungsansprüche entschieden hat, handelt es sich um einen sogenannten gemischten Streitwert.

Bei gemischtem Streitwert ergibt sich der maßgebende Revisionswert aus der Summe, die einerseits aus dem Wert der nicht auf Zahlung gerichteten Posten und andererseits aus dem Wert der im festgesetzten Streitwert enthaltenen Zahlungsansprüche, soweit diese Beschwerdegegenstand sind, zusammengesetzt ist. Deswegen muß hier die Statthaftigkeit der Revision schon deshalb bejaht werden, weil das angefochtene Urteil die Anschlußberufung des Klägers, mit der er weitere 7.146,– DM und laufend monatlich 101,75 DM begehrt hat, voll zurückgewiesen hat und der Kläger diese eindeutig bezifferten Zahlungsbegehren auch in der Revision verfolgt. Einer weiteren Aufgliederung des Streitwertes bedarf es nicht (vgl. BAG 8, 52).

II. Die Revision ist auch begründet, denn das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung des § 1 KSchG. Es ergibt sich nicht, daß die dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Kündigungen sozial gerechtfertigt sind.

1) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht die Feststellung getroffen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung vom 11. Februar 1959 nicht schon zum 31. März 1959, sondern erst zum 30. Juni 1959 aufgelöst ist. Damit ist das Feststellungsbegehren des Klägers zum Teil durchgedrungen. Da die Beklagte nicht ihrerseits Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts eingelegt hat, ist dieses Urteil insoweit rechtskräftig geworden. Im Streit ist somit nur noch das Begehren, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers über den 30. Juni 1959 hinaus fortbestanden hat.

2) Was zunächst die Frage betrifft, ob die Beklagte bei der Kündigung vom 11. Februar 1959 gehörig vertreten war, so ist dem Landesarbeitsgericht, das diese Frage bejaht hat, im Ergebnis beizutreten.

a) Mit Recht gehen beide Vorinstanzen davon aus, daß im Zeitpunkt der Kündigung noch eine Kommanditgesellschaft bestand, deren rechtliche Gestalt sich nach dem Vergleich vom 28. September 1951 richtete. Die Auffassung der Beklagten, es habe sich bei ihr um ein einzelkaufmännisches Unternehmen gehandelt, ist nicht durch einen entsprechenden Tatsachenvortrag belegt. Die Beklagte hätte insoweit im einzelnen Tatsachen vortragen müssen, welche eine Änderung der rechtlichen Gestalt der Beklagten bewirkt haben. Vorgetragen ist lediglich in groben Umrissen der Inhalt des Vertrages vom 28. September 1951. Unbeschadet der Frage, ob in diesem Vertrag eine unwirksame Regelung der Vertretung enthalten sein könnte, war die Beklagte nach ihm doch eine Kommanditgesellschaft, in der Frau W… Komplementärin und ihre Mutter Kommanditistin war. Nach dem ganzen Inhalt des Vergleichs sollte auf jeden Fall eine Kommanditgesellschaft und zwar gerade in dieser Zusammensetzung gegründet werden. Es ist aber nicht vorgetragen worden, daß die Mutter gestorben und von Frau E… W… allein beerbt worden wäre. Das aber wäre im Hinblick auf § 177 HGB der einzige denkbare Fall, aus dem sich die Umwandlung der Kommanditgesellschaft in ein einzelkaufmännisches Unternehmen ergeben hätte (vgl. Schlegelberger, HGB, 3. Aufl., § 177 Anm. 7). Die Entfernung des Ehemannes F… M… W… aus der Leitung des Unternehmens war jedenfalls für die Rechtsform der Beklagten ohne Bedeutung.

b) Der Vergleich (= Gesellschaftsvertrag) vom 28. September 1951 enthielt die Bestimmung, daß dem Ehemann F… M… W… “die alleinige Geschäftsführung” übertragen war. Die Geschäftsführung ist aber scharf zu trennen von der Vertretung. Zwar lehrt die Erfahrung, daß in Gesellschaftsverträgen häufig die Vertretung gemeint wird, wenn von der Geschäftsführung die Rede ist. Es muß also gegebenenfalls im Wege der Auslegung geklärt werden, ob das eine oder das andere gemeint ist. Diese Auslegung ist hier aber vom Landesarbeitsgericht – in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht – vorgenommen worden, und zwar in der Richtung, daß lediglich das Innenverhältnis gemeint, das Wort “Geschäftsführung” also im Sinne der gesetzlichen Terminologie richtig verwendet wurde. Das ist eine Tatsachenfeststellung, an die das Revisionsgericht gebunden ist. Die Überlegungen, die für die unbeschränkte Revisibilität der Satzungen von Kapitalgesellschaften sprechen (RGZ 156, 129 [133]; 159, 321 ff.; BGHZ 9, 279 [281]), gelten nicht auch für Gesellschaftsverträge von Personalgesellschaften. Denn hier handelt es sich um Individualverträge, nicht um (Satzungs-) Normen. Daß das Landesarbeitsgericht bei seiner Auslegung gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Erfahrungssätze oder gegen die Denkgesetze verstoßen habe, ist weder von der Revision dargelegt noch sonst ersichtlich. Eine Verfahrensrüge hat die Revision zu diesem Komplex nicht erhoben. Danach steht fest, daß der Gesellschaftsvertrag eine Regelung der Vertretungsbefugnis nicht enthielt. Dann aber galt die gesetzliche Regelung der §§ 161 Abs. 2, 125 HGB. Auf die Frage, ob die Gesellschafter einer Personalgesellschaft sich ihrer Vertretungsbefugnis zu Gunsten eines Dritten, der nicht Gesellschafter ist, begeben können, kommt es nicht mehr an.

c) Demgegenüber meint die Revision, das Landesarbeitsgericht habe den Ehevertrag vom gleichen Tage bei seiner Auslegung nicht beachtet. Kraft der dort vereinbarten Verwaltung der Beteiligung der Frau W… durch ihren Ehemann F… M… W… sei Frau E… W… von der Ausübung ihrer Gesellschaftsrechte ausgeschlossen gewesen. Das ergebe sich aus dem Umkehrschluß zu § 1405 a.F. BGB, wonach eine Zustimmung des Ehemannes zu solchen Geschäften, die der Geschäftsbetrieb eines Erwerbsgeschäfts mit sich bringt, nicht erforderlich war, wenn der Ehemann der Ehefrau die Einwilligung zum selbständigen Betrieb des Erwerbsgeschäfts erteilt hat.

Diese Ausführungen gehen fehl. Die – hier vertraglich vereinbarte – ehemännliche Verwaltung der Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft umfaßt keineswegs ohne weiteres die Ausübung der Gesellschaftsrechte, unbeschadet der Frage, ob eine Übertragung der Gesellschafterrechte in ihrer Gesamtheit überhaupt wirksam erfolgen kann und ob insbesondere die einzige persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft sich ihrer Vertretungsmacht zu Gunsten eines Nicht-Gesellschafters zu begeben in der Lage ist.

Auszugehen ist von dem personalen Charakter einer Kommanditgesellschaft. Die Gesellschafter tragen mit ihrer Person die Gesellschaft. Das hatte auch in Zeiten des früheren gesetzlichen Güterstandes der Verwaltung und Nutznießung zur Folge, daß die Ehefrau die Vertretungsbefugnis selbst ausübte, selbst wenn ihre Beteiligung zum eingebrachten Gut gehört (vgl. Schlegelberger-Gessler, Komm. z. HGB, 3. Aufl., § 125 Anm. 4). Anderenfalls wäre die personale Natur des Gesellschafterverhältnisses beeinträchtigt worden, während es auch das Wesen der ehemännlichen Verwaltung und Nutznießung lediglich gebot, dem Ehemann ausschließlich solche Rechte zu geben, deren er zur Sicherung der Beteiligung bedurfte, nämlich die Kontrollrechte, allenfalls noch gewisser Mitwirkungsrechte (vgl. Baumbach-Duden, HGB. 14. Aufl., § 114 Anm. 2 D). Das gilt dann aber im Zweifel auch, wenn die ehemännliche Verwaltung auf Vertrag beruht. Der Umkehrschluß zu § 1405 BGB a.F geht übrigens schon deshalb fehl, weil die Beteiligung einer Ehefrau an einer Personalgesellschaft, und zwar wie hier mit Zustimmung oder doch mit Wissen und ohne Einspruch des Ehemannes, bedeutete, daß sie ein selbständiges Erwerbsgeschäft betrieb, selbst wenn sie von der Vertretung ausgeschlossen gewesen sein sollte (vgl. Palandt-Lauterbach, BGB, 17. Aufl., § 1431 Anm. 2; RGZ 127, 114). Wiederum ist der personale Charakter des Gesellschafterverhältnisses bedeutsam.

Danach stellt es keinen Auslegungsfehler dar, wenn das Landesarbeitsgericht bei seiner Auslegung des Gesellschaftsvertrages dem genannten Ehevertrag keine besondere Aufmerksamkeit angedeihen ließ. Daß die Vertragsparteien bei Abschluß des Ehevertrages in Wirklichkeit doch die – möglicherweise unwirksame – Übertragung der Vertretungsbefugnis auf den Ehemann gemeint hätten, hat der Kläger nicht vorgetragen.

3) War somit die Beklagte bei der Kündigung vom 11. Februar 1959 gehörig vertreten und sind auch sonstige Unwirksamkeitsgründe im Sinne des § 11 Abs. 4 KSchG nicht ersichtlich, so kam es für die Wirksamkeit der Kündigung lediglich darauf an, ob der Kläger durch sein Verhalten einen Kündigungsgrund im Sinne des § 1 KSchG gegeben hat.

Mit Recht rügt die Revision, daß die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen die Kündigung nicht sozial rechtfertigen.

Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt hat der Kläger sich mit dem Ehemann W… im Dezember 1958, nach dessen Entfernung aus dem Betrieb, und später wiederholt getroffen, ferner dem Sohn der Eheleute W…, dem Zeugen F… E… W…, auf dessen Frage, wen er als den rechtmäßigen Leiter des Betriebes ansehe, geantwortet, er sehe den Ehemann W… als Leiter des Betriebes an; schließlich hat der Kläger im Januar 1959 nach seiner Suspendierung vom Dienst den Ehemann W… angerufen, um sich von ihm “Informationen” oder “Instruktionen” zu holen.

Diese Feststellungen erschöpfen zugleich im wesentlichen die von der Beklagten als Kündigungsgrund vorgetragenen Tatsachen. Lediglich eine weitere Behauptung hat die Beklagte aufgestellt, nämlich, der Kläger habe nach seiner Suspendierung geäußert, er werde mit dem Ehemann W… zusammen in den Betrieb zurückkehren. Diese Behauptung ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts aber beweislos geblieben.

Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhaltes ergibt nicht mehr, als daß der Kläger in einer Situation, in welcher die Frage, ob der Ehemann W… oder seine Frau die Befugnis zur Betriebsleitung hatte, objektiv schwer zu beantworten war, den bisherigen und langjährigen Leiter auch weiterhin als solchen angesehen und mit ihm Verbindung gehalten hat. Daß der Kläger seine Arbeitspflicht verletzt hat, ist nicht festgestellt worden. Auch ist nicht ersichtlich, daß der Kläger solche Nebenverpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat, die in irgend einem Zusammenhang mit seiner Arbeitspflicht standen.

Das Landesarbeitsgericht hat es bei seiner Würdigung der Lage offenbar darauf abgestellt, daß der Kläger durch sein Verhalten die Interessen der Ehefrau E… W…, die bei der Schlichtung des Machtkampfes im Betrieb schließlich – wenn auch gegen Zahlung eines Betrages von 326.000,– DM – obgesiegt hat, verletzt habe. Dieser Ausgangspunkt ist rechtsirrig. § 1 Abs. 2 KSchG gebietet eine Interessenabwägung (BAG 1, 117 [119]). Dabei ist das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes gegenüberzustellen dem Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Arbeitgeber des Klägers war hier aber nicht Frau E… W…, sondern die unter der Firma R… und St… KG betriebene Kommanditgesellschaft, in welcher Frau W… lediglich, wenn auch als Komplementärin, beteiligt war. Bereits diese Tatsache verbot es, die Interessen der Frau W… gleichzusetzen mit den Interessen des Arbeitgebers (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 164 HGB). Mag auch bei einer Kommanditgesellschaft mit nur einem persönlich haftenden Gesellschafter dieser Gesellschafter der bedeutsamste Träger der Arbeitgeberfunktionen sein, so ist es doch bei der durch § 1 Abs. 2 KSchG gebotenen Interessenabwägung nicht angängig, die persönlichsten und noch dazu aus der Sphäre der Gesellschaft hinausragenden Interessen als allein maßgeblich anzusehen. Dieser Gesichtspunkt nötigt im vorliegenden Fall dazu, die Interessen der Gesellschaft als solcher zu werten und in diesem Sinne von einem objektivierten Arbeitgeberinteresse auszugehen.

Abgesehen hiervon ist als zureichender Kündigungsgrund überhaupt nur ein solcher Umstand anzusehen, der einen verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann. Der Umstand muß bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers einerseits und des Arbeitgebers andererseits sowie des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Das entspricht seit BAG 1, 99 [101/102] der ständigen Rechtsprechung des Senats und nötigt ebenfalls, von einem objektiven, d.h. eben einem verständig urteilenden Arbeitgeber auszugehen, nicht aber ausschließlich von persönlichsten Interessen einer konkreten Person. Andernfalls würde der Schutz des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers von vornherein beeinträchtigt.

Bei richtiger Anwendung des § 1 Abs. 2 KSchG ergibt sich hier, daß die Beklagte es am Vortrag solcher Tatsachen hat fehlen lassen, die einen verständig urteilenden Arbeitgeber (der, wie gesagt, vorliegend eine Kommanditgesellschaft ist) zur Kündigung bestimmen können. Ein solcher Arbeitgeber mußte berücksichtigen, daß der Kläger durchaus der Auffassung sein konnte, der Ehemann W… sei rechtswidrig aus dem Betrieb entfernt worden und Frau W… habe die Befugnis zur Leitung des Betriebes usurpiert. Wenn selbst das Landesarbeitsgericht davon spricht, Frau W… habe “die Macht im Betrieb an sich gerissen”, so durfte auch der Kläger davon ausgehen, daß dem so sei. Dann war die Handlungsweise des Klägers, die im übrigen die Interessen des Betriebes als solchen nicht berührte, menschlich verständlich und jedenfalls nicht weiter vorwerfbar. Bei der nicht besonders hervorgehobenen, durch ein verhältnismäßig bescheidenes Gehalt charakterisierten Stellung des Klägers waren allein wegen dieser seiner Meinung auch keine stärkeren Spannungen und Belastungen zu befürchten.

4) Hat danach die gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG darlegungspflichtige Beklagte keine schlüssigen Kündigungsgründe vorgetragen, so ist die Kündigung vom 11. Februar 1959 sozial ungerechtfertigt. Das gleiche gilt dann aber auch für die weitere Kündigung vom 8. September 1959. Es handelt sich bei dieser zweiten Kündigung um eine schlichte und nicht auf andere Gründe gestützte Wiederholung der ersten Kündigung. Beide Kündigungen sind gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam. Hierüber hatte das Revisionsgericht gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO selbst zu entscheiden; das Urteil des Arbeitsgerichts war insoweit dadurch wiederherzustellen, daß die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen ist.

III. Auf den Hilfsantrag der Beklagten war jedoch das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Da insoweit Entscheidungsreife besteht, konnte das Revisionsgericht selbst entscheiden (BAG AP Nr. 2 zu § 7 KSchG).

Die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen rechtfertigen den Auflösungsantrag. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit ist nicht zu erwarten, und zwar deshalb nicht, weil im Prozeß selbst scharf gegensätzliche Auffassungen über die Handlungsweise der Frau E… W… zwischen dem Kläger einerseits und dem jetzigen Geschäftsführer F… E… W… zutage getreten sind (siehe BAG AP Nr. 56 zu § 1 KSchG). Daran könnte auch eine Parteiaussage der Frau E… W… nichts ändern, so daß es auf ihre Vernehmung nicht ankommt. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der Beklagten ist bei der Schärfe der Gegensätzlichkeit zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten nicht zu erwarten. Die Gegensätzlichkeiten beschränken sich nicht mehr auf eine bestimmte Meinung des Klägers zur Berechtigung der Geschäftsführung bis August 1959, sie sind vielmehr gegenüber dem nunmehrigen, gerade von Frau E… W… eingesetzten Geschäftsführer mit größter Härte vertreten worden. Das Arbeitsverhältnis war daher aufzulösen, und zwar gemäß § 7 Abs. 2 KSchG zum 30. Juni 1959. Ob das Verhalten des Klägers im Prozeß einen Kündigungsgrund abgab, brauchte schon deswegen nicht entschieden zu werden, weil ihm deswegen eine Kündigung nicht erklärt worden ist.

Als Abfindung erschien im Hinblick auf die mehr als achtjährige Betriebszugehörigkeit des Klägers ein Betrag von 4.500,– DM angemessen.

IV. Die Zahlungsansprüche des Klägers sind, soweit sie nicht für die Zeit bis zum 30. Juni 1959 rechtskräftig zu erkannt sind, unbegründet. Sie hätten nur durchdringen können, wenn dem Kläger die Abwehr des Auflösungsantrages gelungen wäre. Die Anschlußberufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

V. Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, daß der Kläger im Kündigungsrechtsstreit, für den der Senat unter Zusammenfassung beider miteinander verbundenen Kündigungsschutzprozesse einen Gesamt-Streitwert von 3.000,– DM angenommen hat, zum überwiegenden Teil, nämlich zu 3/4, obsiegt, zu 1/4 dagegen unterliegt (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 7 KSchG).

Für die erste Instanz hat der Kläger somit

die Kosten aus einem Streitwert von

750,– DM,

die Beklagte die Kosten aus

2.250,– DM

zuzüglich der geltend gemachten

771,25 DM

insgesamt also aus

3.021,25 DM

zu zahlen.

In den beiden weiteren Instanzen kommen für den Kläger

zu den genannten 750,– DM noch hinzu die Kosten für die geltend gemachte einmalige Zahlung von 7.146,– DM und für die laufende Zahlung von 101,75 DM, die mit ihrem Kostenstreitwert von 5-Jahresbeträgen gemäß § 13 Abs. 4 GKG, also mit 6.105,– DM einzusetzen war.

 

Unterschriften

gez. Dr. Müller, Dr. Meier-Scherling, Dr. Joachim, Dr. Göbel, A. Wörner

 

Fundstellen

Haufe-Index 1492461

BAGE, 357

NJW 1962, 556

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge