Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

 

Leitsatz (redaktionell)

Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des Handlungsgehilfen ist unverbindlich, wenn es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient und das berufliche Fortkommen des Handlungsgehilfen unbillig erschwert. Das trifft zu, wenn der Arbeitgeber mit dem Wettbewerbsverbot das Ziel verfolgt, jede Stärkung der Konkurrenz durch den Arbeitsplatzwechsel zu verhindern, ohne daß die Gefahr der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen oder des Einbruchs in den Kundenstamm zu besorgen ist (Weiterführung von BAG Urteil vom 24. Juni 1966 - 3 AZR 501/65 - AP Nr 2 zu § 74a HGB).

 

Normenkette

HGB § 74a; ZPO § 91a

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 28.10.1993; Aktenzeichen 4 Sa 245/93)

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 17.03.1993; Aktenzeichen 5 Ca 6/93)

 

Tatbestand

Nach Ablauf des vereinbarten befristeten Wettbewerbsverbots streiten die Parteien noch darüber, ob sich die von der früheren Arbeitgeberin erhobene Unterlassungsklage erledigt hat.

Die Klägerin stellt sog. Kombi-Dämpfer, die als Gargeräte in Großküchen verwendet werden, her und vertreibt sie. Sie ist auf diesem Gebiet Marktführerin in Deutschland.

Der Beklagte ist gelernter Koch. Er war vom 1. Oktober 1988 bis 31. März 1992 bei der Klägerin als Kundenberater und Küchenchef in Norddeutschland tätig. Er wurde auf Messen zur Gerätevorführung eingesetzt. Ferner oblag ihm die Beratung und Betreuung von Köchen in Groß- und Gewerbeküchen, die Unterstützung der Verkäufer des Fachhandels sowie im Einzelfall auch die Anbahnung von Geschäften und der Abschluß von Kaufverträgen. Zuletzt bezog er bei der Klägerin ein monatliches Gehalt in Höhe von 6.250,-- DM brutto.

Das in § 12 des Anstellungsvertrages vereinbarte Wettbewerbsverbot hat folgenden Wortlaut:

Wettbewerbsverbot

Der Mitarbeiter wird für die Dauer von 2 Jahren

nach Beendigung des Dienstvertrages nicht für ein

Unternehmen tätig werden, das auch in Arbeitsge-

bieten der R und der damit verbundenen

L tätig ist sowie auf diesen Arbeitsge-

bieten keine Geschäfte für eigene oder fremde

Rechnung machen und keine Beteiligung an einem

Konkurrenz-Unternehmen unmittelbar oder mittelbar

erwerben, die einen Einfluß auf die Geschäftsfüh-

rung ermöglicht.

Für die Dauer des Wettbewerbsverbots zahlt R -

dem Mitarbeiter unter entsprechender Berück-

sichtigung der Anrechnungsregelung des § 74 c HGB

eine Entschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt

bezogenen Vergütung.

R kann vor der Beendigung des Vertragsver-

hältnisses durch schriftliche Erklärung auf das

Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, daß

R mit dem Ablauf eines Jahres seit der Er-

klärung von der Verpflichtung zur Zahlung der

Entschädigung frei wird.

Dieses Wettbewerbs-Verbot tritt erst in Kraft,

wenn das Arbeitsverhältnis über den 30. Juni 1989

hinaus ungekündigt bestehen bleibt.

Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eigener Kündigung des Beklagten. Er übernahm anschließend eine Position als Verkaufsleiter für die gesamte Bundesrepublik bei der Z . Das Unternehmen stellt Großküchen, darunter auch Heißluft-Dämpfer, her und vertreibt sie auch in der Bundesrepublik. Nach vergeblicher außergerichtlicher Aufforderung hat die Klägerin am 16. April 1992 Unterlassungsklage erhoben. Sie hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1. bis zum Ablauf des 31. März 1994 Wettbewerb

zum Nachteil der Klägerin zu unterlassen, ins-

besondere die Mitwirkung bei Vertrieb, Ver-

kaufsförderung, anwendungstechnischer Beratung

und Produktentwicklung von Heißluft-Dämpfern

für Großküchen;

2. die Tätigkeit für die Firma Z -

auf dem Gebiet der Bundesrepu-

blik Deutschland und/oder für deren Zweignie-

derlassung, M straße , F -

, einzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin zunächst ihre Sachanträge weiterverfolgt und nach Ablauf des Wettbewerbsverbots die Erledigung der Hauptsache erklärt. Der Beklagte hat der Erledigung widersprochen. Die Klägerin hat darauf beantragt,

festzustellen, daß die Hauptsache erledigt ist.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Erklärung der Erledigung der Hauptsache ist vor dem Revisionsgericht zulässig (BAG Urteil vom 12. Juni 1967 - 3 AZR 368/66 - AP Nr. 12 zu § 91 a ZPO; Schumann in Anm. AP Nr. 8 zu § 554 a ZPO). Die einseitige Erledigungserklärung der Klägerin geht jedoch ins Leere; denn die Klage war bereits vor Ablauf des Wettbewerbsverbots unbegründet.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGHZ 37, 137, 142; BGHZ 91, 126, 127; Urteil vom 27. Februar 1992 - I ZR 35/90 - NJW 1992, 2235, 2236) und des BAG (BAGE 19, 342, 345 = AP Nr. 13 zu § 91 a ZPO; BAGE 45, 325, 330 = AP Nr. 1 zu § 10 BAT, zu 3 der Gründe; BAGE 53, 97, 99 = AP Nr. 20 zu § 75 BPersVG, zu I der Gründe) hat die Feststellung der Erledigung der Hauptsache eines Rechtsstreits und die im Zusammenhang damit ergehende Kostenentscheidung nicht nur den Eintritt eines erledigenden Ereignisses zur Voraussetzung, sondern weiter auch, daß die Klage im Zeitpunkt dieses Eintritts zulässig und begründet war. War die Klage bereits im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses unbegründet, so ist eine einseitige Erledigungserklärung nicht möglich. Die Klage ist dann abzuweisen, ohne daß es der Prüfung eines besonderen Rechtsschutzinteresses für die der Erledigungserklärung widersprechende Partei bedarf (BGH Urteil vom 27. Februar 1992 - I ZR 35/90 - NJW 1992, 2235, 2236; BAGE 19, 342, 345 = AP Nr. 13 zu § 91 a ZPO). Der Widerspruch des Beklagten ist deshalb unbegründet.

2. Die Klägerin war nicht berechtigt, von dem Beklagten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Einstellung jeder Tätigkeit für die Z auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sowie die Unterlassung jeder Mitwirkung bei Vertrieb, Verkaufsförderung, anwendungstechnischer Beratung und Produktentwicklung von Heißluft-Dämpfern für Großküchen zu verlangen. Das vereinbarte Wettbewerbsverbot der Parteien war nämlich unverbindlich (§ 74 a Abs. 1 HGB).

a) Nach § 74 a Abs. 1 Satz 1 HGB ist das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot des Handlungsgehilfen unverbindlich, soweit es nicht zum Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers anzuerkennen, wenn das Wettbewerbsverbot entweder dem Schutz von Betriebsgeheimnissen dient oder den Einbruch in den Kunden- oder Lieferantenkreis verhindern soll. Das bloße Interesse, Konkurrenz einzuschränken, genügt nicht (BAG Urteil vom 24. Juni 1966 - 3 AZR 501/65 - AP Nr. 2 zu § 74 a HGB, zu III 2 der Gründe; Urteil vom 16. Dezember 1968 - 3 AZR 434/67 - AP Nr. 21 zu § 133 f GewO). Das Schrifttum hat sich dieser Auffassung angeschlossen (Buchner, Wettbewerbsverbot, S. 68; Grunsky, Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 2. Aufl., S. 92; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rz 196; a.A. Duden in Anm. AP Nr. 2 zu § 74 a HGB). Auch der erkennende Senat folgt der Rechtsprechung des Dritten Senats. Die im Gesetzestext enthaltene Gegenüberstellung des berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers mit der unbilligen Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers zeigt, daß § 74 a Abs. 1 HGB mehr als ein Willkürverbot umfaßt. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist deshalb nur dann verbindlich, wenn ein höherrangiges Interesse des Arbeitgebers besteht.

b) Das Landesarbeitsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, daß während der Beschäftigung des Beklagten kein schutzwürdiges Vertriebskonzept der Klägerin bestanden habe, das ein Verbot für jede Tätigkeit bei der nur auf einem Teilgebiet konkurrierenden Z rechtfertige. Dem ist entgegen den Angriffen der Revision zu folgen.

Die Klägerin ist ihrer Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht hinreichend nachgekommen. Nachdem der Beklagte bestritten hatte, daß das Vertriebskonzept der Klägerin überhaupt Geschäftsgeheimnisse enthalte, hätte die Klägerin sich dazu rechtzeitig mit substantiiertem Tatsachenvortrag erklären müssen. Das ist nicht geschehen. Zwar braucht der Arbeitgeber das zu schützende Geschäftsgeheimnis nicht zu offenbaren, muß es jedoch so deutlich beschreiben, daß zu ersehen ist, was durch das Wettbewerbsverbot geschützt werden soll (vgl. BAG Urteil vom 25. April 1989 - 3 AZR 35/88 - AP Nr. 7 zu § 611 BGB Betriebsgeheimnis). Demgegenüber hat sich die Klägerin nur pauschal erklärt. Sie hat keine einlassungsfähigen, nachvollziehbaren Tatsachen dargelegt, inwieweit ihr bereits durch Präsentationen und Veröffentlichungen bekannt gemachtes Vertriebskonzept auch schutzwürdige, nicht allgemein zugängliche Teilstrategien enthält.

Es bedarf keines Eingehens auf die von der Revision in Bezug genommenen Angaben aus dem Schriftsatz vom 17. August 1993. Die Verfahrensrüge der Klägerin ist unbegründet. Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 ArbGG hätte die Klägerin ihren neuen Sachvortrag in der Berufungsbegründung vorbringen müssen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, ein Zulassungsgrund nach § 67 Abs. 2 Satz 2 ArbGG sei nicht gegeben, kann revisionsrechtlich nicht beanstandet werden. Das Revisionsgericht ist bei der Überprüfung, ob das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hat, nach § 561 Abs. 2 ZPO an die tatsächlichen Feststellungen gebunden (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 67 Rz 32). Im Streitfall ist festgestellt, daß der Beklagte für den Fall der Zulassung des verspäteten Vortrags der Klägerin in der Berufungsverhandlung Schriftsatznachlaß beantragt hat.

Die weitere Verfahrensrüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe § 286 ZPO verletzt, ist ebenfalls unbegründet. In der von der Revision in Bezug genommenen Berufungsbegründungsschrift ist kein substantiierter Tatsachenvortrag enthalten. Dort wird nur pauschal ausgeführt, das Vertriebskonzept enthalte eine Reihe von Geschäftsgeheimnissen.

c) Mit dem Landesarbeitsgericht ist auch davon auszugehen, daß ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin nicht mit einer Gefahr für den Kundenstamm der Klägerin begründet werden kann.

Das Landesarbeitsgericht hat für das Revisionsgericht bindend festgestellt (§ 561 ZPO), daß der Beklagte überwiegend als Koch in der Präsentation und Beratung für die Klägerin, aber nur selten in der Vertragsanbahnung tätig war. Der gelegentliche Kontakt mit Interessenten und Käufern reicht unter Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalles nicht aus, um die ernsthafte Gefahr eines Einbruchs in den Kundenstamm zu begründen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Kauf eines Gar-Dämpfers für die Endabnehmer regelmäßig eine einmalige Investition darstelle. Eine Kundenabwerbung aus diesem Kreis sei für die Dauer des Verbots nicht zu besorgen. Soweit der Kläger mit Fachhändlern hauptsächlich bei der Gerätevorführung auf Hausmessen in Kontakt gekommen ist, hat die Klägerin entgegen § 138 Abs. 2 ZPO sich nicht mit der Angabe konkreter Tatsachen erklärt. Das wäre aber erforderlich gewesen. Denn der Beklagte hatte vorgetragen, seine Kenntnis sei nicht über die allgemein bekannten Namen und Anschriften der Fachhändler hinausgegangen.

Die Revision verkennt auch, daß an das von ihr in Anspruch genommene spartenübergreifende Wettbewerbsverbot erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Der Beklagte war nämlich bei der Klägerin nur im Vertrieb des Heißluft-Dämpfers tätig. Demgegenüber betreut er bei der Z den Verkaufsbereich Großküchen.

Soweit die Revision einen Verstoß gegen § 286 ZPO rügt, entspricht die Rüge nicht den Anforderungen des § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO. Es fehlt die Angabe, aufgrund welchen Vortrags das Landesarbeitsgericht zu welcher anderen Tatsachenfeststellung hätte gelangen müssen (vgl. BAG Beschluß vom 29. Januar 1992 - 7 ABR 27/91 - AP Nr. 1 zu § 7 BetrVG 1972, zu II 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 29. Juli 1992 - 4 AZR 502/91 - BAGE 52, 56 = AP Nr. 32 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).

d) Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin besteht auch nicht wegen der Gefahr einer Verwertung von technischen Betriebsgeheimnissen. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Beklagte als Kundenberater und Küchenchef kein für die Konkurrenz verwertbares technisches Detailwissen erworben habe. Diese Feststellung ist von der Revision nicht angegriffen worden. Sie ist deshalb nach § 561 ZPO bindend.

II. Entgegen der Ansicht der Revision kann das Revisionsgericht in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO). Der geltend gemachte absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 7 ZPO liegt nicht vor. Die gerügte unvollständige Begründung des Landesarbeitsgerichts ist jedenfalls nicht so lückenhaft, daß aus ihr nicht zu erkennen ist, welche rechtlichen Erwägungen und welche tatsächlichen Feststellungen für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren (vgl. BAG Urteil vom 4. September 1972 - 2 AZR 467/71 - AP Nr. 9 zu § 551 ZPO).

III. Die unterlegene Klägerin hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Leinemann Dörner Düwell

Dr. Pühler Trümner

 

Fundstellen

Haufe-Index 441831

BAGE 00, 00

BB 1996, 223

BB 1996, 379

BB 1996, 379-380 (LT1)

DB 1996, 481 (LT1)

DStR 1996, 1058 (K)

NJW 1996, 1364

NJW 1996, 1364-1365 (LT1)

WiB 1996, 440 (L)

ARST 1996, 112-113 (LT1)

EWiR 1996, 611 (L1)

NZA 1996, 310

NZA 1996, 310-311 (LT1)

ZIP 1996, 341

ZIP 1996, 341-343 (LT1)

AP § 74a HGB (LT1), Nr 5

EzA § 74a HGB, Nr 13 (LT1)

MDR 1996, 719 (LT1)

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