Leitsatz (amtlich)

1. Für den Schutz des vom Arbeitnehmer berechtigterweise in den Betrieb eingebrachten Arbeitnehmereigentums kommt als Anspruchsgrundlage ausschließlich die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers in Betracht, soweit keine einzel- oder kollektivvertragliche Vereinbarung vorliegt. § 618 BGB ist nicht anwendbar (Bestätigung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 5. März 1959 – 2 AZR 268/56 – BAG 7, 280 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht).

2. Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber nur die Fürsorgemaßnahmen verlangen, die dem Arbeitgeber nach den konkreten beruflichen und betrieblichen Verhältnissen zumutbar sind und ihn bei eigenem Zutun in die Lage versetzen, sein eingebrachtes Eigentum entsprechend der betrieblichen Situation vor Verlust oder Beschädigungen zu schützen. Der auch im Arbeitsrecht geltende Grundsatz, wonach zunächst jeder selbst für die Sicherung seines Eigentums sorgen muß, ist insoweit durchbrochen, aber nicht aufgehoben.

3. In den Betrieben des Ruhrkohlenbergbaus genügt der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht bezüglich der Sicherung der vom Arbeitnehmer berechtigterweise in den Betrieb eingebrachten Kleidung (Straßen- und Arbeitskleidung), wenn er die üblichen, mittels einer Kette hochziehbaren Kleiderhaken zur Verfügung stellt und für eine hinreichende Aufsicht durch Kauenwärter sorgt; der Gestellung zecheneigener Vorhängeschlösser zur Absicherung der Kleiderhaken bedarf es unter diesen Voraussetzungen nicht.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611, 618, 677 ff.

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 26.05.1964; Aktenzeichen 3 Sa 83/64)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Mai 1964 – 3 Sa 83/64 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Revision trägt der Kläger.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 12. August 1946 bei der Beklagten auf deren Schachtanlage „B.” als Bergmann im Untertagebetrieb beschäftigt. Er arbeitet in drei Wechselschichten und fährt in der Regel in Zwischenseilfahrten an.

Zur Aufbewahrung der abgelegten Kleidung (Straßenkleidung und Arbeitskleidung) ist seit dem 15. Oktober 1963 – nachdem zunächst nur eine Schwarzkaue, später auch eine sog. Garderobenkaue zur Verfügung stand – eine aus vier Räumen bestehende Schwarz-Weiß-Kaue auf der Zeche in Benutzung. Die vom anschließenden Duschraum größtenteils überschaubare Kaue ist mit den im Ruhrbergbau üblichen Kleiderhaken, die mittels einer Kette an die Decke hochgezogen werden können, ausgestattet. In der nicht abgeschlossenen und während des Hauptschichtwechsels von etwa 700 Bergleuten benutzten Kaue werden je nach Schicht zwei bis sechs Kauenwärter beschäftigt.

Von der „Betriebsgemeinschaft der Zeche B. G., vertreten durch den Betriebsrat” wurde schon im April 1956 mit der Agrippina Versicherungsgesellschaft eine „Waschkauen-Diebstahl-Versicherung” abgeschlossen, der auch der Kläger seit ihrem Abschluß gegen eine Jahresprämie von 1,20 DM angehört. Von der Möglichkeit, seine abgelegten Kleider vor Diebstahl durch Anbringung eines Vorhängeschlosses an der Kette zusätzlich zu schützen, machte der Kläger erst Ende September 1963 Gebrauch. Den für die Anschaffung des Vorhängeschlosses aufgewendeten Betrag verlangt der Kläger mit der vorliegenden Klage von der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht ersetzt.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 4,25 DM zu verurteilen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie ist der Auffassung, alles ihr Zumutbare getan und ihre Fürsorgepflicht nicht verletzt zu haben.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die an sich statthafte Revision konnte keinen Erfolg haben. Das Landesarbeitsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht den Anspruch des Klägers auf Erstattung des zur Anschaffung eines Vorhängeschlosses aufgewendeten Betrages von 4,25 DM verneint.

1. Für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch kommt als Anspruchsgrundlage eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift nicht in Betracht. Insbesondere kann der klägerische Anspruch weder unmittelbar noch mittelbar aus § 618 BGb hergeleitet werden (BAG 7, 280 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Ebensowenig sind Kollektiv- oder einzelvertragliche Vereinbarungen ersichtlich, auf die die Klage gestützt werden könnte. Anspruchsgrundlage kann somit nur die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 242 BGB) in Verbindung mit den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) sein.

2. Bei der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers handelt es sich anerkanntermaßen um eine Grundpflicht, die das ganze Arbeitsverhältnis durchdringt und die auch geeignet ist, einzelne aus dem Arbeitsverhältnis sich ergebende Verpflichtungen zu beeinflussen und näher auszugestalten (vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., 1. Band, S. 390; Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl., 1. Band, S. 470; Sitzler, AF-Blattei „Fürsorgepflicht des Arbeitgebers I” unter A V; Dersch, Arbeitsrecht, 5. Aufl., S. 188). Es ist daher nur folgerichtig, daß die in Rechtsprechung und Literatur absolut herrschende Meinung die Pflicht des Arbeitgebers, das berechtigterweise in den Betrieb eingebrachte Arbeitnehmereigentum in gewissem Umfang vor Verlust oder Beschädigung zu schützen, unmittelbar aus der jedem Arbeitsverhältnis innewohnenden allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ableitet, ohne sich zur Haftungsbegründung erst der Annahme eines ausdrücklichen oder stillschweigenden Verwahrungsvertrages zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu bedienen (vgl. BAG 7, 280 [283] = AP Nr. 26 [S. 3] zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Hueck-Nipperdey, a.a.O., S. 406; Nikisch, a.a.O., S. 480; Staudinger-Nipperdey-Mohnen, Der Dienstvertrag, Anm. 35 zu § 618 BGB mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Wenn auch im vorliegenden Falle die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten, für die Unversehrtheit der von den Arbeitnehmern eingebrachten Kleidung zu sorgen, außer Frage steht, weil die Arbeitnehmer ihre Kleidung berechtigterweise in den Betrieb einbringen und sie, wie sich aus der Besonderheit des Bergbaubetriebes von selbst ergibt, nicht selbst in ausreichender Weise auf ihr Eigentum achten können, folgt hieraus noch nicht ohne weiteres die Begründetheit des klägerischen Anspruchs. Der Arbeitgeber genügt vielmehr seiner Verpflichtung, wenn er die Maßnahmen trifft, die ihm auf Grund des Treuegedankens und unter Berücksichtigung der besonderen betrieblichen und örtlichen Verhältnisse, also der beruflichen und betrieblichen Übung, der Verkehrssitte und des Ortsgebrauchs, zugemutet werden können (Hueck-Nipperdey, a.a.O., S. 408 und Fußnote 59; Nikisch, a.a.O., S. 480). Der Umfang der dem Arbeitgeber obliegenden Sorgepflicht hängt somit von einer Vielzahl von Faktoren ab. Die Beurteilung, ob und inwieweit der Arbeitgeber das ihm Zumutbare zur Sicherung des Arbeitnehmereigentums veranlaßt hat, richtet sich letztlich jeweils nach den Besonderheiten des Einzelfalles (BAG 7, 280 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG 9, 31 = AP Nr. 7 zu § 618 BGB). Mehr als das Zumutbare vom Arbeitgeber zu verlangen, etwa im Sinne einer unbedingten Garantie, würde zu einer in ihren praktischen Auswirkungen gefährlichen Überspannung der Fürsorgepflicht führen und den Arbeitnehmer von jeglicher Eigenverantwortung für sein mitgebrachtes Eigentum befreien. Der Arbeitnehmer kann nur die Fürsorgemaßnahmen verlangen, die dem Arbeitgeber nach den konkreten Verhältnissen zumutbar sind und die den Arbeitnehmer bei eigenem Zutun in die Lage versetzen, sein eingebrachtes Eigentum entsprechend der betrieblichen Situation möglichst vor Verlust oder Beschädigung zu bewahren.

3. Bei Zugrundelegung dieser in Literatur (vgl. Hueck-Nipperdey, a.a.O., S. 405 ff.; Nikisch, a.a.O., S. 479 ff.; Staudinger-Nipperdey-Mohnen, a.a.O., Bem. 35 zu § 618 BGB; Kaskel-Dersch, a.a.O., S. 192; Endemann, AR-Blattei „Haftung des Arbeitgebers II” jeweils mit weiteren Nachweisen) und Rechtsprechung (vgl. BAG 7, 280 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG 9, 31 = AP Nr. 7 zu § 618 BGB; BAG AP Nr. 36 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht) im wesentlichen unbestrittenen Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, daß die Beklagte alles ihr Zumutbare zur Sicherung des Arbeitnehmereigentums veranlaßt hat und der Kläger die Bereitstellung bzw. Bezahlung von Vorhängeschlössern als weitere Sicherung nicht verlangen kann, rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entspricht die Handhabung bei der Beklagten, zur Aufbewahrung der Kleider Kleiderhaken zur Verfügung zu stellen, die mittels einer Kette an die Decke der Kaue hochgezogen werden, durchaus der Verkehrssitte im Ruhrkohlenbergbau. Eine Üblichkeit des Inhalts, daß die Bergwerksgesellschaften den Arbeitnehmern zur Sicherung dieser Ketten auch noch werkseigene Vorhängeschlösser zur Verfügung stellen, konnte das Landesarbeitsgericht dagegen nicht feststellen. Im Ruhrgebiet sind nur zwei Anlagen (bei Einbeziehung der Preußischen Steinkohlenbergwerke in Ibbenbüren drei Anlagen) bekannt, nämlich die Schachtablage Graf Bismarck 2/6/9 in Gelsenkirchen und die Schachtanlage Ewald 3/4 in Recklinghausen, die den Arbeitnehmern bei Kauenneubauten fest eingebaute Sicherheitsschlösser zur Sicherung ihres Kleiderhakens zur Verfügung stellen. Mit Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß bei der Vielzahl der im Ruhrgebiet vorhandenen Bergwerksunternehmen zwei bzw. drei Schachtanlagen keinen repräsentativen Querschnitt für die Annahme einer gegenteiligen Übung darstellen. Die zusätzliche Sicherung der abgelegten Kleidung durch werkseigene Anlegung von Vorhänge- oder Sicherheitsschlössern an der Kleiderhakenkette mag zwar vielleicht für die Zukunft wünschenswert sein und es mag auch sein, daß die genannten Betriebe, die Schachtanlage Graf Bismarck in Gelsenkirchen und die Schachtanlage Ewald in Recklinghausen, insoweit richtungweisend und bahnbrechend wirken. Für die Gegenwart läßt sich jedenfalls eine diesbezügliche Übung und Verkehrssitte im Ruhrkohlenbergbau nicht erkennen (vgl. Boldt, Das Recht des Bergmanns, 3. Aufl., S. 276, 277; Hohn, Haftung des Arbeitgebers für eingebrachte Sachen des Arbeitnehmers, BB 1960, S. 1293; Gumpert, Haftung des Arbeitgebers für eingebrachte Sachen des Arbeitnehmers, BB 1957, S. 117; Denecke, Haftung des Arbeitgebers bei Verlust oder Beschädigung von Sachen des Arbeitnehmers, BB 1950, S. 27; Bulla, Die Sorgepflicht des Arbeitgebers um eingebrachtes Arbeitnehmereigentum, RdA 1950, S. 92; Endemann, AR-Blattei „Haftung des Arbeitgebers II”, Haftung für eingebrachte Sachen unter C II 1 b).

4. Nach den getroffenen Feststellungen hat sich die Beklagte jedoch nicht nur darauf beschränkt, die im Ruhrkohlenbergbau üblichen Kleiderhaken, die das Anbringen eines Vorhängeschlosses gestatten, zur Verfügung zu stellen, sondern sie hat zur Bewachung der Schwarz-Weiß-Kaue auch sog. Kauenwärter eingesetzt. Von untergeordneter Bedeutung ist dabei, daß die Kauenwärter neben der Beaufsichtigung der Kaue auch Reinigungsarbeiten zu verrichten haben, die sie aber nicht während des Schichtwechsels bzw. der Zwischenseilfahrten erledigen, sondern während der betriebsarmen Zeit. Während der betriebsreichen Zeit stehen sie – von der Bedienung des Duschraumes, von dem aber die Kaue größtenteils einzusehen ist, abgesehen – zur Aufsicht zur Verfügung. Da aber, weil unbestrittenermaßen die Kauenwärter allein zur Bewachung der Kaue außerstande ist, mindestens zwei bis sechs Wärter gleichzeitig tätig sind, kann von einer unzureichenden Bewachung der Kauen nicht gesprochen werden. Ob darüber hinaus auch noch eine gewisse und vor allem wirkungsvolle Eigenüberwachung erfolgt und ein diesbezüglicher Erfahrungssatz existiert, wie das angefochtene Urteil annimmt, kann dahingestellt bleiben, weil es nur darauf ankommt, ob die Beklagte das ihr Zumutbare zur Sicherung des Arbeitnehmereigentums veranlaßt hat.

5. Die Beklagte hat demnach die im Ruhrbergbau üblichen Maßnahmen zum Schutz des Arbeitnehmereigentums ergriffen. Sie hat zwar nicht mehr, aber offenbar auch nicht weniger an Fürsorge gezeigt, als die weit überwiegende Mehrzahl der übrigen Bergwerksunternehmen. Es kommt daher nur noch darauf an, ob auf Grund der konkreten betrieblichen Situation die Beklagte zu einer weiteren fürsorglichen Maßnahme, insbesondere also zu der vom Kläger begehrten Gestellung bzw. Bezahlung eines Vorhängeschlosses verpflichtet ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt wiederum weitgehend von der Zumutbarkeit ab. Dabei spielt die Kostenfrage keine unerhebliche Rolle (BAG, 7, 280 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht), weil je auf Grund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes alle Arbeitnehmer des Betriebes die gleiche Fürsorge, also ggfs. alle die Gestellung werkseigener Vorhängeschlösser verlangen könnten. Nach den Angaben im angefochtenen Urteil müßte die Beklagte für die Erstausstattung der etwa 2.000 auf der Schachtanlage „B.” beschäftigten Bergleute schätzungsweise 14.000,– DM aufwenden. Dieser Betrag mag sich zwar in wirtschaftlich vertretbaren Grenzen halten und zwar selbst dann, wenn in Betracht gezogen wird, daß in gewissen Abständen, bedingt durch die begrenzte Lebensdauer der Vorhängeschlösser (Abnutzung, Beschädigung, Verlust) immer wieder ähnlich hohe Aufwendungen erforderlich werden. Diese Aufwendungen sind für die Beklagte aber deswegen unzumutbar, weil – wirtschaftlich gesehen – der damit effektiv verbundene Nutzen in Anbetracht der Schadensquote durch Diebstähle in keinem angemessenen Verhältnis zu ihnen steht.

Im übrigen wäre durch das Anbringen von Sicherheitsschlössern ein absoluter Schutz ohnehin nicht zu erreichen, da viele Diebstähle erfahrungsgemäß durch eigene Nachläßigkeit der Arbeitnehmer ermöglicht werden (z.B. Arbeitnehmer entfernt sich von seinen Kleidern, nachdem er den Kleiderhaken heruntergelassen hat; Liegenlassen von Gegenständen, Vergeßlichkeit usw. [vgl. auch Grimm, Zur Frage der Haftung der Bergwerksbesitzer für Kleidungsstücke der Bergleute, die in den sogenannten Mannschaftskauen entwendet werden, ZfB Bd. 61, S. 400]). Nicht ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang schließlich auch, daß die Agrippina-Versicherung den Versicherungsschutz nicht von einem Abschließen der Kette abhängig gemacht hat, sofern nur die auf der Zeche übliche Beaufsichtigung durchgeführt wird.

Bei Berücksichtigung aller dieser Umstände ergibt sich, daß keine betriebliche Notwendigkeit für eine das normale und übliche Maß übersteigende Fürsorgemaßnahme des Arbeitgebers besteht. Nur dann, wenn die begehrte Maßnahme hinreichend erfolgsversprechend erscheint, können schließlich dem Arbeitgeber zusätzliche finanzielle Belastungen zugemutet werden (vgl. BAG 7, 280 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG 9, 31 = AP Nr. 7 zu § 618 BGB).

6. Die Arbeitnehmer sind auf Grund ihrer Treuepflicht und nicht zuletzt auch im eigenen Interesse (Verschulden gegen sich selbst!) verpflichtet, ihrerseits alles zu tun, um ihr Eigentum, soweit die betrieblichen Verhältnisse und die Dienst- und Arbeitspflichten es gestatten, vor Verlust oder Beschädigungen zu bewahren. Sie dürfen sich insoweit nicht gänzlich auf die Fürsorge des Arbeitgebers, die keine unbegrenzte Pflicht ist, verlassen. Wenn die Beklagten den Arbeitnehmern die im Ruhrbergbau üblichen Kettenaufzüge zur Verfügung stellt und die Schwarz-Weiß-Kaue hinreichend durch Kauenwärter bewachen läßt, so ist es nicht unbillig, von dem Arbeitnehmer zu erwarten, eine von ihm gewünschte zusätzliche Sicherung durch ein Vorhängeschloß auf eigene Kosten vorzunehmen. Die Kosten für ein Vorhängeschloß (oder für zwei Vorhängeschlösser, falls auch der Kleiderhaken in der Schwarzkaue gesichert werden soll) sind verhältnismäßig gering und können dem einzelnen Arbeitnehmer, mithin auch dem Kläger, zugemutet werden. Bezeichnenderweise haben ja auch etwa 50 % der Arbeitnehmer in der Weißkaue und etwa 25 % der Arbeitnehmer in der Schwarzkaue von der Möglichkeit, ihre Kleider durch ein Vorhängeschloß zusätzlich zu sichern, Gebrauch gemacht. Mit einigen wenigen Ausnahmen haben sich die Arbeitnehmer der Schachtanlage „B.” – unter ihnen auch der Kläger – außerdem der im Jahre 1956 mit der Agrippina-Versicherung abgeschlossenen Waschkauendiebstahlversicherung angeschlossen. Der hierfür aufzuwendende Prämienbetrag von 1,20 DM im Jahr ist außerordentlich gering, zumal normalerweise auch mit einer Prämienrückvergütung zu rechnen ist.

7. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß das Verlangen des Klägers auf Bezahlung des von ihm angeschafften Vorhängeschlosses nicht begründet ist. Die Gestellung zecheneigener Vorhängeschlösser ist bei Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Verhältnisse weder erforderlich noch notwendig, um das Sicherungsbedürfnis der Arbeitnehmer hinsichtlich der eingebrachten Kleider zu befriedigen (BAG 7, 280 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Die Beklagte hat mit der Einrichtung der üblichen Schwarz-Weiß-Kaue und der Einsetzung einer hinreichenden Anzahl von Waschkauenwärtern ihrer Fürsorgepflicht genügt. Von der Beklagten mehr als das übliche an Fürsorge zu verlangen (etwa zecheneigene Vorhängeschlösser oder Neuabschluß oder Übernahme der bestehenden Waschkauendiebstahlversicherung [vgl. hierzu Nikisch, a.a.O., S. 482; Hueck-Nipperdey, a.a.O., S. 409]) mag vom Standpunkt des Arbeitnehmers aus betrachtet vielleicht wünschenswert sein, ein Rechtsanspruch hierauf besteht aber nicht, weil der Arbeitgeber nach Lage der Dinge nicht übermäßig und unverhältnismäßig hoch belastet werden darf (BAG 9, 31 = AP Nr. 7 zu § 618 BGB).

8. Nach alledem mußte daher die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.

 

Unterschriften

gez. Dr. Boldt, Dr. Auffarth, Siara, G. W. Keller, Ed. Schleinkofer

 

Fundstellen

Haufe-Index 1457571

BAGE, 229

NJW 1965, 2173

Nachschlagewerk BGH

MDR 1965, 1025

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