Entscheidungsstichwort (Thema)

Umschulung auf neues Flugzeugmuster

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Seniorität

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 26.08.1987; Aktenzeichen 10 Sa 1121/86)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.05.1986; Aktenzeichen 9 Ca 146/85)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. August 1987 – 10 Sa 1121/86 – und des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 1986 – 9 Ca 146/85 – aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 16.457,61 brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger steht seit 2. Januar 1976 in den Diensten der beklagten Luftfahrtgesellschaft und wird als Flugzeugführer beschäftigt. Ab Mai 1984 wurde er als Erster Offizier auf dem Flugzeugmuster DC 8 eingesetzt, das damals von der Beklagten in Dienst gestellt wurde. Seine Bewerbungen auf die Ausschreibungen der Beklagten vom 5. Februar 1985 (Ablauf der Bewerbungsfrist: 5. März 1985) und 20. Februar 1985 (Ablauf der Bewerbungsfrist: 3. April 1985) zur Umschulung als Erster Offizier auf das Flugzeugmuster B 747 lehnte die Beklagte wegen fehlender dreijähriger Verweildauer auf dem Flugzeugmuster DC 8 ab. Unstreitig erfüllte der Kläger im übrigen sämtliche Voraussetzungen zur Förderung auf das Flugzeugmuster B 747. Seit Mai 1987 wird er nach erfolgreicher Umschulung als Erster Offizier auf dem Flugzeugmuster B 747 beschäftigt. Die Parteien haben die Anwendung der Tarifverträge für das Bordpersonal der Beklagten auf das Arbeitsverhältnis einzelvertraglich vereinbart. Nach dem Tarifvertrag über den Förderungsaufstieg und den Cockpit Crewtausch vom 10. April 1979 (TV Förderungsaufstieg) ist für die Förderung eines Ersten Offiziers, der auf bestimmten Flugzeugmustern eingesetzt ist, eine bestimmte Verweildauer auf diesem Flugzeugmuster vorgesehen. Im Frühsommer 1985 wurde der TV Förderungsaufstieg mit Wirkung vom 1. März 1985 ergänzt und erstmals für Erste Offiziere auf dem Flugzeugmuster DC 8 eine Verweildauer von drei Jahren festgesetzt.

Der Kläger meint, seine Bewerbungen auf die Ausschreibungen der Beklagten vom 5. Februar 1985 und 20. Februar 1985 seien zu Unrecht unberücksichtigt geblieben. Der TV Förderungsaufstieg habe zum Zeitpunkt der Ausschreibungen und der Entscheidung über seine Bewerbungen für das von ihm geflogene Flugzeugmuster DC 8 eine Verweildauer nicht vorgesehen. Deshalb hätte ihn die Beklagte auf das Flugzeugmuster B 747 schon ab 28. März 1985 umschulen müssen, weil an diesem Tage der Grundkurs für die angenommenen Bewerber auf die Ausschreibung vom 5. Februar 1985 begonnen habe. Da die Beklagte den Kläger nicht bereits ab 28. März 1985 umgeschult habe, stehe ihm eine Ausgleichszahlung in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen seinem von Juli 1985 bis April 1987 bezogenen Monatsgehalt und demjenigen Monatsgehalt zu, das er ab Juli 1985 bezogen hätte, wenn seine Bewerbung vom 5. Februar 1985 berücksichtigt worden und er dementsprechend umgeschult worden wäre. Der Kläger beziffert den Unterschiedsbetrag auf DM 14.151,– und macht weiter eine Schichtzulage in Höhe von DM 2.360,61 geltend. Die Beklagte hat die rechnerische Höhe dieser Forderungen nicht bestritten.

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger auf das Flugzeugmuster Boeing B 747 umzuschulen und ihn nach bestandenem Typenating auf dem Flugzeugmuster Boeing B 747 als Ersten Offizier zu beschäftigen,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger bis zu dessen Einsatz auf dem Flugzeugmuster B 747 gemäß der Protokollnotiz I Ziffer 15 des Manteltarifvertrags Nr. 3 eine Ausgleichszahlung in Höhe von DM 629,– monatlich, zahlbar ab 1. Juli 1985, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, schon die Auslegung des TV Förderungsaufstieg vom 10. April 1979 ergebe, daß Förderungsmaßnahmen für Flugzeugführer, die auf einem Flugzeugmuster der Mittelstufe beschäftigt würden, nur nach einer Verweildauer von drei Jahren auf dem geflogenen Flugzeugmuster in Frage kommen. Das von dem Kläger seinerzeit geflogene Flugzeugmuster DC 8 gehöre der Mittelstufe an. Der TV Förderungsaufstieg habe im Zeitpunkt seines Abschlusses im Jahre 1979 eine Verweildauer für das Flugzeugmuster DC 8 noch nicht ausdrücklich festlegen können, weil damals noch kein Flugzeug vom Typ DC 8 von der Beklagten in Dienst gestellt worden sei. Im Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers habe aber bereits festgestanden, daß eine Änderung des Tarifvertrages vorgenommen werden solle. Die Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien hierüber seien damals schon in Gang gewesen. Im Zeitpunkt der beiden Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 26. März und 16. April 1985 sei bereits das Einvernehmen der Tarifvertragsparteien über die Neufassung des TV Förderungsaufstieg erzielt gewesen. Für Flugzeuge der Mittelstufe habe im übrigen die von den Tarifvertragsparteien gemeinsam gebildete Sachverständigenkommission bereits im Jahre 1977 eine dreijährige Verweildauer vorgeschlagen. Die Ergänzung des TV Förderungsaufstieg mit Wirkung ab 1. März 1985 sei nur als redaktionelle Änderung und Klarstellung einer ohnehin bestehenden Rechtslage anzusehen. Die vom Kläger vertretene Auffassung führe zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung der auf dem Flugzeugmuster DC 8 beschäftigten Flugzeugführer, für die der TV Förderungsaufstieg für die Zeit ab 1. März 1985 ausdrücklich eine dreijährige Verweildauer vorsehe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat der Kläger seinen Klageantrag zu 1) nicht mehr weiterverfolgt und nur noch beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 16.457,61 brutto zu zahlen.

Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen in der Berufungsinstanz gestellten Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten nach dem in der Berufungsinstanz gestellten Klageantrag. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger 16.457,61 DM brutto zu zahlen. Denn der Kläger hat Anspruch auf eine Ausgleichszulage in dieser Höhe, weil ihn die Beklagte zu Unrecht von einer Förderung, nämlich der Umschulung auf das Flugzeugmuster B 747, aufgrund seiner Bewerbung auf die Ausschreibung der Beklagten vom 5. Februar 1985 ausgeschlossen hat.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für das Bordpersonal der Beklagten als Vertragsrecht Anwendung. Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ist Nr. 15 Abs. 1 der Protokollnotiz I zum Manteltarifvertrag Nr. 3 für das Bordpersonal der Deutschen Lufthansa AG und der Condor Flugdienst GmbH vom 1. Januar 1979 in der Fassung vom 16. Juli 1984 (MTV-Bord), worin bestimmt wird:

„Wird ein Angehöriger des Cockpitpersonals aus Gründen, die die DLH/CFG zu vertreten haben, von einer Förderung gemäß TV ausgeschlossen, obwohl er alle Bedingungen und Voraussetzungen erfüllt, erhält er eine Ausgleichszahlung.”

Mit dieser Tarifnorm haben die Tarifvertragsparteien bei Erfüllung der Voraussetzungen zugunsten des jeweiligen Arbeitnehmers einen individuellen Rechtsanspruch begründet. Der Anspruch setzt Verschulden i. S. von § 276 BGB auf der Arbeitgeberseite voraus (BAGE 52, 380, 389 = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seniorität). Die Voraussetzungen der Protokollnotiz I sind vorliegend gegeben. Die Höhe der Ausgleichszulage, die die Beklagte dem Kläger für die Zeit bis zu seiner Umschulung als Erster Offizier auf das Flugzeugmuster B 747 zu zahlen hat, ist in ihrer rechnerischen Höhe von 16.457,61 DM brutto unstreitig.

Der Kläger wurde von der Förderung für das Flugzeugmuster B 747 im März 1985 ausgeschlossen, obwohl er bereits damals alle Bedingungen und Voraussetzungen für eine Förderung erfüllte. Unstreitig erfüllte er die Bedingungen der Ausschreibung vom 5. Februar 1985. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, daß Mitbewerber des Klägers nach der Seniorität den Vorrang vor ihm hatten. Damit hing der Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung seiner Bewerbung allein davon ab, ob er eine vorgeschriebene Verweildauer noch nicht erfüllt hatte. Hierzu bestimmt § 7 Abs. 1 TV Förderungsaufstieg in der im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten über die Bewerbung des Klägers geltenden Fassung:

„(1)

Die Förderung eines I. Offiziers, der auf B 707 oder A 300 eingesetzt ist, ist erst nach einer Verweildauer von drei Jahren möglich, gerechnet ab Beginn des Grundcourses.

(2)

Die Förderung eines I. Offiziers, der auf DC 10 oder B 747 eingesetzt ist, ist erst nach einer Verweildauer von zwei Jahren möglich, gerechnet ab Beginn des Grundcourses.”

Eine Verweildauer ist nach dieser tariflichen Bestimmung für einen Ersten Offizier, der – wie der Kläger – auf einem Flugzeugmuster DC 8 eingesetzt war, nicht vorgesehen.

Im Frühsommer 1985 wurde § 7 Abs. 1 TV Förderungsaufstieg rückwirkend ab 1. März 1985 geändert. Die mit Wirkung vom 1. März 1985 geltende Fassung des § 7 Abs. 1 und 2 TV Förderungsaufstieg lautet:

„(1)

Die Förderung eines T. Offiziers, der auf A 300, A 310 oder DC 8 bzw. eines Ersten Flugingenieurs, der auf A 300 oder DC 8 eingesetzt ist, ist erst nach einer Verweildauer von drei Jahren möglich, gerechnet ab Beginn des Grundcourses.

(2)

Die Förderung eines I. Offiziers, der auf DC 10 oder B 747 eingesetzt ist, ist erst nach einer Verweildauer von zwei Jahren möglich, gerechnet ab Beginn des Grundcourses.”

Entgegen der Auffassung der Beklagten können diese tariflichen Bestimmungen auf die Bewerbung des Klägers auf die Ausschreibung vom 5. Februar 1985 nicht angewendet werden. Für den Anspruch des Klägers auf Förderung für das Flugzeugmuster B 747 kommt es nämlich auf die Rechtslage am 5. März 1985, also einen Zeitpunkt nach dem rückwirkenden Inkrafttreten der Änderung des TV Förderungsaufstieg, an. Denn am 5. März 1985 lief die Bewerbungsfrist für die Ausschreibung der Beklagten vom 5. Februar 1985 ab. Das ist rechtlich entscheidend. Da bei Flugunternehmen Förderungen nach den Ausschreibungsbedingungen und ggf. nach dem Senioritätsprinzip vorgenommen werden, kann die Frage, ob ein Anspruch auf Förderung besteht, erst mit Ablauf der Bewerbungsfrist festgestellt werden. Denn erst in diesem Zeitpunkt steht fest, wieviel Bewerber sich gemeldet haben und wer von ihnen nach Senioritätsgesichtspunkten den Vorrang hat. Dieser Zeitpunkt ist für den Anspruch auf Förderung damit maßgebend. Alle Kriterien, nach denen zu beurteilen ist, ob einem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Förderung zusteht, stehen im Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist fest. Jeder außenstehende Dritte kann nach den maßgebenden tariflichen Vorschriften und den Senioritätslisten in diesem Zeitpunkt beurteilen, wer von den Bewerbern Anspruch auf Förderung hat. Dieser Anspruch kann rückwirkend nicht beseitigt werden. Insoweit würde es sich um einen Eingriff in sogenannte wohlerworbene Rechte handeln, der unzulässig ist (BAGE 43, 305 = AP Nr. 9 zu § 1 TVG Rückwirkung).

Obwohl die Tarifvertragsparteien § 7 Abs. 1 TV Förderungsaufstieg rückwirkend ab 1. März 1985 geändert haben, wirkte sich diese Änderung bei Ablauf der Bewerbungsfrist am 5. März 1985 noch nicht auf das Arbeitsverhältnis der Parteien aus. Die rückwirkende Inkraftsetzung und Änderung von Tarifverträgen ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen und unzulässig. Es gilt insoweit aber das Vertrauensprinzip. Die Rückwirkung von Gesetzen – und dasselbe gilt wegen des Normcharakters auch für Tarifverträge – ist dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die betroffenen Kreise damit von vornherein rechnen mußten (BAGE 40, 288, 293 = AP Nr. 18 zu § 5 TVG). Müssen hingegen Betroffene nicht mit einem rückwirkenden Inkrafttreten von Gesetzen oder Tarifverträgen rechnen, können für sie nachteilige Änderungen nicht rückwirkend wirksam werden. Am 5. März 1985 mußte der Kläger nicht mit der rückwirkenden Änderung des TV Förderungsaufstieg hinsichtlich der Verweildauer auf dem Flugzeugmuster DC 8 für einen Zeitraum vor dem 5. März 1985 rechnen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger zwar am 29. März 1985 gewußt, daß eine rückwirkende Änderung zum 1. März 1985 geplant war. Dies ergibt sich aus seinem Schreiben vom 29. März 1985 an die Beklagte. Aus der Akte ergibt sich aber kein Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger und seine Arbeitskollegen schon am 5. März 1985 von einer bevorstehenden Änderung des TV Förderungsaufstieg mit Rückwirkung zum 1. März 1985 wußten oder damit rechnen mußten. Eine entsprechende Behauptung hat die Beklagte auch nicht aufgestellt. Deshalb ist dem Kläger Vertrauensschutz zuzubilligen.

Aus den vor der rückwirkenden Änderung der tariflichen Bestimmungen geltenden Vorschriften des § 7 Abs. 1 TV Förderungsaufstieg läßt sich nicht herleiten, daß bei der Förderung eines Ersten Offiziers, der auf dem Flugzeugmuster DC 8 eingesetzt ist, eine bestimmte Verweildauer erforderlich ist. Bei der Tarifauslegung kommt es in erster Linie auf den Wortlaut und den Gesamtzusammenhang der tariflichen Bestimmungen an. Führen diese zu einem eindeutigen Ergebnis, sind weitere Auslegungskriterien unbeachtlich (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Im vorliegenden Fall ist der tarifliche Wortlaut eindeutig. § 7 TV Förderungsaufstieg in der bis 1. März 1985 geltenden Fassung, die für das Arbeitsverhältnis der Parteien auch noch am 5. März 1985 heranzuziehen ist, zählt die einzelnen Flugzeugmuster auf, für deren Erste Offiziere eine Verweildauer vorgesehen ist. Das Flugzeugmuster DC 8, auf dem der Kläger eingesetzt war, ist nicht erwähnt.

Auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang läßt sich nicht herleiten, daß für Erste Offiziere des Flugzeugmusters DC 8 vor dem 1. März 1985 eine Verweildauer von drei Jahren vorgesehen war. Nach Auffassung der Beklagten gilt bei Flugzeugen der sogenannten Mittelstufe für Erste Offiziere schlechthin eine Verweildauer von drei Jahren. Diese Auffassung der Beklagten hat aber an keiner Stelle des Tarifvertrages auch nur andeutungsweise ihren Niederschlag gefunden. Damit ergibt sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang nicht, daß bei Flugzeugen der sogenannten Mittelstufe für Erste Offiziere eine Verweildauer von drei Jahren vorgesehen ist. Dabei hätten die Tarif Vertragsparteien, die einen speziellen Tarifvertrag für den Bereich der Beklagten abgeschlossen haben und denen die Verhältnisse bei der Beklagten besonders vertraut sind, ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, in genereller Weise festzulegen, daß für Erste Offiziere auf Flugzeugmustern der sogenannten Mittelstufe ganz allgemein eine Verweildauer von drei Jahren gilt. Eine solche Regelung wäre auch ausreichend gewesen. Denn was unter Flugzeugen der Mittelstufe zu verstehen ist, hätte sich dann nach den Kriterien gerichtet, die bei der Beklagten üblich sind. Die Tarifvertragsparteien hätten aber auch den Begriff der Mittelstufe – und entsprechend den Begriff der Eingangsstufe und den Begriff der Endstufe – durch eine Begriffsbestimmung näher erläutern können. Gerade weil die Tarifvertragsparteien von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht haben, kann nicht angenommen werden, daß sie in genereller Weise für Erste Offiziere von Flugzeugen der sogenannten Mittelstufe eine Verweildauer von drei Jahren festlegen wollten. Jedenfalls hat ein solcher Wille der Tarifvertragsparteien – sofern er tatsächlich bestanden haben sollte – im Tarifvertrag keinen Niederschlag gefunden und muß daher unberücksichtigt bleiben. Die tariflichen Vorschriften lassen auch nicht den Schluß zu, daß für Erste Offiziere auf den von ihnen geflogenen Flugzeugmustern stets eine Verweildauer vor einer Förderungsmaßnahme erforderlich ist. Denn für Erste Offiziere der Flugzeugmuster B 737 und B 727 gilt und galt z.B. keine Verweildauer. Dasselbe galt für Erste Offiziere des Flugzeugmusters DC 8 nach der tariflichen Rechtslage vor dem 1. März 1985.

Wenn das Landesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf den Zeugen H. meint, die Tarifvertragsparteien hätten mit der Änderung des § 7 TV Förderungsaufstieg im Frühsommer 1985 nur das vollzogen, was 1982 in Aussicht genommen worden sei, mag das zutreffen. Es bleibt aber dabei, daß die entsprechenden Rechtsnormen erst mit Wirkung ab 1. März 1985 in Kraft gesetzt worden sind. Wenn die Tarif Vertragsparteien tatsächlich der Meinung gewesen sein sollten, mit der Änderung des § 7 TV Förderungsaufstieg nur die Klarstellung einer ohnehin bestehenden tariflichen Rechtslage herbeizuführen, hätten sie dem Änderungstarifvertrag Rückwirkung ab 1. Mai 1983 beilegen können. Gerade weil sie dies nicht getan haben, muß davon ausgegangen werden, daß sie die Rechtsänderung erst ab 1. März 1985 in Kraft treten lassen wollten, wobei sie hinnehmen müssen, daß sich eine für Arbeitnehmer nachteilige rückwirkende Änderung nicht auf Arbeitsverhältnisse auswirkt, bei denen dem Arbeitnehmer – wie vorliegend – ein Vertrauensschutz zuzubilligen ist.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts besteht damit auch keine Tariflücke. Die Tarifvertragsparteien haben für die Zeit ab 1. März 1985 eine Verweildauer von drei Jahren auf dem Flugzeugmuster DC 8 vorgesehen. Darin liegt die positive Regelung, daß für die Zeit vor dem 1. März 1985 eine Verweildauer auf dem Flugzeugmuster DC 8 für eine Förderung nicht erforderlich ist.

Die Beklagte hat den Kläger auch schuldhaft von der Förderung für das Flugzeugmuster B 747 ausgeschlossen. Sie hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen (§ 276 BGB). Es ist auf den ersten Blick erkennbar, daß im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten über die Bewerbung des Klägers (März 1985) die damals geltenden tariflichen Bestimmungen eine Verweildauer für das Flugzeugmuster DC 8 nicht vorgesehen haben. Dies hat auch das Landesarbeitsgericht verkannt. Auf dessen rechtliche Beurteilung kann sich die Beklagte im Hinblick auf die Eindeutigkeit der Rechtslage aber nicht berufen (vgl. BGH Urteil vom 20. Dezember 1962 – III ZR 191/61 – VersR 1963, 359 sowie Soergel/Siebert/Schmidt, BGB, 10. Aufl., § 276 Rz 29). Die Beklagte als Tarifvertragspartei mag zwar im Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist (5. März 1985) mit einer rückwirkenden Änderung des § 7 TV Förderungsaufstieg gerechnet haben. Sie konnte aber nicht davon ausgehen, daß auch der Kläger in diesem Zeitpunkt mit einer rückwirkenden Änderung des § 7 TV Förderungsaufstieg ab 1. März 1985 rechnen mußte. Jedenfalls hat sie dies nicht substantiiert und unter Beweisantritt behauptet. Im Übrigen hatte es die Beklagte in der Hand, das Vertrauen des Klägers auf die Weitergeltung des § 7 TV Förderungsaufstieg in der vor dem 1. März 1985 geltenden Fassung zu beseitigen. Sie hätte den Kläger und seine Arbeitskollegen im Zusammenhang mit der Ausschreibung vom 5. Februar 1985 auf eine bevorstehende rückwirkende Änderung des § 7 TV Förderungsaufstieg mit Wirkung ab 1. März 1985 hinweisen können. Dann wäre dem Kläger insoweit kein Vertrauensschutz zuzubilligen. Er hätte sich mit einer für ihn nachteiligen rückwirkenden Änderung des § 7 TV Förderungsaufstieg ab 1. März 1985 abfinden müssen.

Die Beklagte hat als unterlegene Partei gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Feller, Dr. Freitag, Dr. Etzel, Prieschl, Dr. Kiefer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI988639

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