Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmereigenschaft von Honorarlehrkräften

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Lehrkraft einer Bildungseinrichtung steht dann nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern in einem freien Mitarbeiterverhältnis, wenn der Inhalt der Dienstleistung und die Arbeitszeiten im einzelnen vertraglich geregelt und damit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers entzogen wurden. Die Bindung an einen Rahmenlehrplan ist unerheblich. Nur methodisch-didaktische Anweisungen des Arbeitgebers zur Gestaltung des Unterrichts können zu einer persönlichen Abhängigkeit führen.

 

Normenkette

BGB § 611; BetrVG §§ 7, 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 28.11.1990; Aktenzeichen 3 TaBV 76/90)

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 29.03.1990; Aktenzeichen 1 BV 1/90)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die Arbeitgeberin ist eine Bildungseinrichtung zur Förderung der beruflichen Bildung vornehmlich von Arbeitnehmern. Sie betreibt in P die Bezirksgeschäftsstelle W , die fast ausschließlich Lehrgänge als Auftragsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit durchführt. In dieser Bezirksgeschäftsstelle wurde am 20. Dezember 1989 nach dem Rücktritt des bisherigen Betriebsrats der aus sieben Mitgliedern bestehende Betriebsrat neu gewählt. Der Wahlvorstand hatte nicht nur die über 150 auf Dauer beschäftigten Arbeiter und Angestellten zur Wahl zugelassen. Es wählten auch die 23 Lehrer und Ausbilder mit, die im Zeitpunkt der Wahl befristet auf Honorarbasis mit zwei bis sechs Unterrichtsstunden pro Woche beschäftigt wurden. Ihnen waren Lehraufträge mit folgendem Formular erteilt worden:

"Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr,

liebe Kollegin, lieber Kollege,

wir bedanken uns für Ihre Zusage, in der Bil-

dungsmaßnahme

__________________________________________

(Bezeichnung der Bildungsmaßnahme)

__________________________________________

(Ort der Maßnahme)

das/die Fach/Fächer ______________________ für

die Zeit vom____________ bis__________ ent-

sprechend der getroffenen oder zu treffenden

zeitlichen Vereinbarung lt. Stundenplan wahrzu-

nehmen, höchstens jedoch ___________ UStdn./

AStdn. insgesamt.

Das Honorar beträgt DM ________ für jede tatsäch-

lich erteilte Unterrichts- bzw. Ausbildungsstunde

(__________ Minuten); damit sind sämtliche An-

sprüche an das b abgegolten, insbesondere für

die Teilnahme an Konferenzen, für die Erteilung

von Zensuren (Noten) bzw. sonstigen Testaten über

den Ausbildungsstand und/oder -erfolg sowie für

die Korrektur usw. von Klausuren, Tests bzw. son-

stigen Teilnehmerarbeiten. Erkrankungen oder an-

dere Hinderungsgründe, den Lehrauftrag zu erfül-

len, begründen keinen Anspruch auf Honorar oder

Ersatzleistungen. Ein Urlaubsanspruch besteht

nicht.

Das b ist berechtigt, wegen mangelnder Beteili-

gung oder plötzlicher Erkrankung von Dozenten

sowie sonstiger Störungen im Geschäftsbetrieb,

die vom b nicht zu vertreten sind, die o. g.

Bildungsmaßnahme abzusagen oder abzubrechen. In

diesem Falle besteht kein Anspruch auf anderwei-

tigen Einsatz. Ein Honoraranspruch steht dann nur

für bereits erteilte Unterrichts- bzw. Ausbil-

dungsstunden zu.

Für etwaige Versicherungen haben Sie selbst auf-

zukommen. Im Rahmen der gesetzlichen Unfallversi-

cherung können Sie sich freiwillig bei der Ver-

waltungsberufsgenossenschaft (VBG), Überseering

8, 2000 Hamburg 60, nach § 545 RVO i. V. m. § 39

der Satzung der VBG versichern. Auskünfte erhal-

ten Sie dort auf Anfrage.

Dieser Lehrauftrag kann von jeder Partei späte-

stens am 15. eines Monats für den Schluß des Ka-

lendermonats gekündigt werden.

Ihre Honorarabrechnungen senden Sie uns bitte je-

weils zum Monatsende mit den Anwesenheitslisten

usw. zu. Die Zahlung erfolgt mittels EDV auf das

von Ihnen angegebene Bankkonto.

Im übrigen verweisen wir auf die b -Richtlinien

(Geschäftsanweisungen, Merkblätter, Hinweise, Ar-

beitshilfen o.a.) für die ordnungsgemäße Durch-

führung des Schul- bzw. Lehrgangsbetriebes.

Abreden über sonstige Erstattungen:

Mit freundlichen Grüßen"

Bei der Betriebsratswahl vom 20. Dezember 1989 wurden 128 gültige Wahlzettel abgegeben. Die gewählten sieben Betriebsratsmitglieder erhielten zwischen 42 und 89 Stimmen, die nicht gewählten Wahlbewerber bis zu 37 Stimmen.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Betriebsratswahl sei anfechtbar, weil die 23 befristet auf Honorarbasis Beschäftigten nicht wahlberechtigt gewesen seien. Die für ein Arbeitsverhältnis erforderliche persönliche Abhängigkeit habe bei ihnen gefehlt. Deshalb seien sie nicht Arbeitnehmer, sondern freie Mitarbeiter gewesen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die am 20. Dezember 1989 in ihrer Bezirksge-

schäftsstelle W durchgeführte Be-

triebsratswahl für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hält alle vom Wahlvorstand zur Wahl zugelassenen Beschäftigten für Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Wahlanfechtungsantrag weiter, während der Betriebsrat Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Dem Wahlanfechtungsantrag ist entgegen der Ansicht der Vorinstanzen stattzugeben.

Die Voraussetzungen für eine Wahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG sind erfüllt. Bei der Betriebsratswahl vom 20. Dezember 1989 ist gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht verstoßen worden. Dieser Verstoß hat auch das Wahlergebnis beeinflussen können.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Wahlanfechtungsvoraussetzungen mit der Begründung verneint, auch die 23 auf Honorarbasis befristet beschäftigten Lehrkräfte seien Arbeitnehmer im Sinne der §§ 7, 5 Abs. 1 BetrVG und daher wahlberechtigt gewesen. Sie seien in gleicher Weise persönlich abhängig wie die festangestellten Lehrkräfte der Bezirksgeschäftsstelle. Die Art und Weise der Unterrichtserteilung durch die fest angestellten und durch die auf Honorarbasis tätigen Lehrkräfte unterscheide sich nicht. Die von der Arbeitgeberin angeführten Argumente für ein freies Mitarbeiterverhältnis ergäben sich nur aus der falschen Statusbeurteilung der Arbeitgeberin. Sie gehe selbst von keiner unterschiedlichen Beschäftigungsweise aus, sondern bezeichne die auf Honorarbasis Beschäftigten lediglich deshalb als freie Mitarbeiter, um die aus den Arbeitnehmerschutzbestimmungen erwachsenden höheren Kosten zu vermeiden. Dies folge aus dem Hinweis der Arbeitgeberin, daß ihr die Kosten der Lehrer vom Arbeitsamt erstattet würden und sie von der Auftragsvergabe des Arbeitsamts abhängig sei.

II. Obwohl das Landesarbeitsgericht die vom Bundesarbeitsgericht für die Statusbeurteilung entwickelten allgemeinen Grundsätze richtig wiedergegeben hat und obwohl der Arbeitnehmerbegriff ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, dessen Anwendung durch die Tatsachengerichte im Rechtsbeschwerdeverfahren nur beschränkt überprüfbar ist, hat die Rechtsbeschwerdeführerin die Subsumtion des Landesarbeitsgerichts zu Recht angegriffen. Das Landesarbeitsgericht hat entscheidende rechtliche Gesichtspunkte und wesentliche Umstände außer acht gelassen.

1. Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht aus, daß es nicht darauf ankommt, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen (BAGE 19, 324, 329 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 1 der Gründe; seither ständige Rechtsprechung, u.a. Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu I 2 der Gründe, und Urteil vom 26. Juni 1991 - 5 AZR 453/90 - unveröffentlicht, zu II der Gründe). Der Status des Beschäftigten richtet sich nicht nach den Wünschen und Vorstellungen der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist; denn durch Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechts nicht eingeschränkt werden. Der wirkliche Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen. Wenn der Vertrag abweichend von den ausdrücklichen Vereinbarungen vollzogen wird, ist die tatsächliche Durchführung maßgebend (ständige Rechtsprechung; vgl. u.a. Urteil vom 23. April 1980 - 5 AZR 426/79 - AP Nr. 34 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu I 3 der Gründe, BAGE 41, 247, 258 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 3 der Gründe und Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu I 2 der Gründe). Die praktische Handhabung läßt Rückschlüsse darauf zu, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien ausgegangen sind. Zudem können Verträge in der Regel auch stillschweigend geändert werden.

2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, in welchem Maße die zur Dienstleistung Verpflichteten nach dem Inhalt ihrer Verträge und der tatsächlichen Gestaltung ihrer Vertragsbeziehungen persönlich abhängig waren. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit ist weder erforderlich noch ausreichend (vgl. BAGE 19, 324, 329 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 1 der Gründe; BAGE 25, 505, 511 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 3 b der Gründe, und Urteil vom 14. Dezember 1983 - 7 AZR 290/82 - EzBAT Nr. 8 zu § 1 BAT Arbeitnehmerbegriff, zu 6 der Gründe). Die persönliche Abhängigkeit ergibt sich aus der Ein gliederung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation und dem Umfang der Weisungsgebundenheit. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB, der zwar nicht unmittelbar anwendbar ist, aber eine allgemeine gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck bringt, enthält ein typisches Abgrenzungsmerkmal (vgl. BAGE 30, 163, 169 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 2 a der Gründe; BAGE 36, 77, 84 = AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 3 b der Gründe; BAGE 41, 247, 253 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 9. Mai 1984 - 5 AZR 195/82 - AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 2 der Gründe, und BAG Urteil vom 26. Juni 1991 - 5 AZR 453/90 -, unveröffentlicht, zu I der Gründe). Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und damit Arbeitnehmer ist der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist.

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Die Frage, in welchem Maße der Mitarbeiter aufgrund derartiger Weisungsrechte persönlich abhängig ist, läßt sich nicht abstrakt für alle Beschäftigungen beantworten, sondern hängt vor allem auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab (vgl. u.a. BAGE 30, 163, 169 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 2 der Gründe; BAGE 41, 247, 254 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 2 der Gründe, und BAG Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu III der Gründe).

3. Eine umfassende Würdigung des jeweiligen Vertragsverhältnisses setzt zunächst voraus, aussagekräftige Umstände von unwesentlichen Äußerlichkeiten zu unterscheiden. Der Aussagewert der wesentlichen Abgrenzungsmerkmale hängt von der Eigenart des Tätigkeitsbereichs, hier der Unterrichtstätigkeit ab. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß dem Vorliegen und dem Nichtvorliegen eines Merkmales nicht das gleiche Gewicht zukommen muß.

a) Im Urteil vom 8. Juni 1967 - 5 AZR 461/66 - (BAGE 19, 324, 330 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 1 der Gründe) hat das Bundesarbeitsgericht ohne Gewichtung zahlreiche Gesichtspunkte genannt, die bei der Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses vom freien Mitarbeiterverhältnis eine Rolle spielen sollen. Unter anderem sind auch die Form der Vergütung (Einzelhonorar oder Monatsentgelt), Abführung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben, Gewährung von Urlaub und Führung von Personalunterlagen aufgeführt worden. Später hat das Bundesarbeitsgericht diese formellen Merkmale als nicht oder nur sehr eingeschränkt tragfähig angesehen (vgl. Urteil vom 28. Juni 1973 - 5 AZR 19/73 - AP Nr. 10 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Urteil vom 3. Oktober 1975 - 5 AZR 427/74 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 2 c der Gründe; Urteil vom 9. März 1977 - 5 AZR 110/76 - AP Nr. 21 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 3 a der Gründe).

aa) Die Arbeitgeberin kann sich auch im vorliegenden Verfahren nicht darauf berufen, daß sie in den Lehraufträgen für eine freiberufliche Lehr- bzw. Ausbildungstätigkeit die einem Arbeitnehmer zustehenden Ansprüche auf Krankenvergütung und Urlaub ausgeschlossen habe und ausdrücklich auf die Nichtabführung von Steu ern und Sozialversicherungsabgaben hingewiesen habe. Ebensowenig kommt es darauf an, daß sie für die 23 Honorarkräfte keine Personalakten führte. Damit hat sie nur die Folgerungen aus ihrer Rechtsauffassung zum Status der Honorarkräfte gezogen. Diese vertraglichen Regelungen zeigen nur, daß die Arbeitgeberin kein Arbeitsverhältnis begründen wollte. Die rechtliche Qualifizierung des Rechtsverhältnisses hängt aber nicht vom Parteiwillen ab.

bb) Die Art der Vergütung spielt schon deshalb keine nennenswerte Rolle, weil sich die persönliche Abhängigkeit danach bestimmt, inwieweit die Ausführung der versprochenen Dienste weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Entscheidend sind die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung (vgl. BAG Urteil vom 14. Dezember 1983 - 7 AZR 290/82 - EzBAT Nr. 8 zu § 1 BAT Arbeitnehmerbegriff, zu 5 der Gründe). Auch Arbeitnehmer können eine am Umfang der Arbeitsleistung orientierte Vergütung ("Stücklohn") erhalten.

b) Zu Recht hat es das Landesarbeitsgericht als unerheblich angesehen, daß die Honorarkräfte nebenberuflich tätig waren und zeitlich nur gering beansprucht wurden (zwischen zwei bis höchstens sechs Unterrichtsstunden wöchentlich). Auch bei der Ausführung von Tätigkeiten in geringem zeitlichen Umfang kann ein hohes Maß an Weisungsgebundenheit bestehen. § 1 Abs. 3 Nr. 2 Lohnfortzahlungsgesetz setzt Arbeitsverhältnisse mit geringer Arbeitszeit voraus. Selbst wenn eine hauptberufliche Vollzeitbeschäftigung auf eine für Arbeitsverhältnisse typische persönliche Abhängigkeit hindeuten sollte (vgl. BAG Urteil vom 17. Mai 1978 - 5 AZR 580/77 - AP Nr. 28 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 2 b der Gründe), bedeutet dies nicht, daß eine Nebenbeschäftigung mit geringer Arbeitszeit gegen ein Arbeitsverhältnis spricht (vgl. BAG Urteil vom 28. Juni 1973 - 5 AZR 19/73 - AP Nr. 10 zu § 611 BGB Abhängigkeit; Urteil vom 8. Oktober 1975 - 5 AZR 430/74 - AP Nr. 18 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 5 der Gründe).

Auch das Wahlrecht der Honorarkräfte bei Betriebsratswahlen hängt nach §§ 7, 5 Abs. 1 BetrVG nur von der nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Kriterien zu beurteilenden Arbeitnehmereigenschaft (vgl. BAGE 26, 107, 115 = AP Nr. 2 zu § 19 BetrVG 1972, zu II 5 der Gründe) und nicht von der Arbeitszeitdauer ab. Auch geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer sind wahlberechtigt. §§ 7, 5 Abs. 1 BetrVG verlangen im Gegensatz zu anderen Vorschriften, wie etwa § 1 Abs. 3 Nr. 2 des Lohnfortzahlungsgesetzes oder der durch das Beschäftigungsförderungsgesetz eingefügte § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG, keine bestimmte wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit.

c) Die rechtliche Einordnung eines Mitarbeiterverhältnisses hängt auch nicht davon ab, ob es projektbezogen oder auf Dauer angelegt ist. Die Annahme eines Dauerrechtsverhältnisses allein hat keinen arbeitsrechtlichen Aussagewert (BAGE 30, 163, 168 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B I 2 b der Gründe und Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu III 7 der Gründe, unter Hinweis auf die unveröffentlichten Urteile vom 24. Oktober 1984 - 5 AZR 346/83 - zu B II 1 der Gründe, und vom 11. Dezember 1985 - 5 AZR 435/84 - zu B II 5 der Gründe). Sowohl bei einer dauerhaften als auch bei einer befristeten Vertragsbeziehung sind beide Rechts formen (Arbeitsverhältnis oder freies Mitarbeiterverhältnis) denkbar.

4. Entscheidend ist, ob und wie intensiv die Honorarkräfte in den Lehrkörper und den Lehrbetrieb der Arbeitgeberin integriert waren und in welchem Umfang sie den Inhalt ihrer Tätigkeit, die Art und Weise der Durchführung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände ihrer Dienstleistung mitgestalten konnten. Das Gewicht der einzelnen Kriterien wird von den Besonderheiten der Unterrichtstätigkeit beeinflußt.

a) Den Gegenstand der Unterrichtstätigkeit haben die Arbeitgeberin und die Honorarkräfte vertraglich festgelegt. Nicht nur die zu unterrichtenden Fächer, sondern auch die Bildungsmaßnahme wurden im Lehrauftrag konkret angegeben. Eine Veränderung der Unterrichtstätigkeit bedurfte einer Vertragsänderung. Ein Weisungsrecht der Arbeitgeberin bestand insoweit nicht.

b) Die Dienstleistungspflicht der Honorarkräfte beschränkte sich allerdings nicht auf die näher beschriebenen Unterrichtstätigkeiten, sondern umfaßte auch die damit verbundenen im Lehrauftrag aufgeführten Nebenarbeiten einschließlich Prüfungstätigkeit. Darüber hinaus konnte die Arbeitgeberin aber nicht über die Arbeitskraft der auf Honorarbasis Beschäftigten verfügen.

aa) Das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Entscheidungen ein wichtiges Indiz für ein Arbeitsverhältnis darin gesehen, daß der Schulträger außerhalb der Unterrichtszeit über die Arbeitskraft des Dienstverpflichteten verfügen konnte, entweder weil die Lehr kraft an Fortbildungsveranstaltungen und Dienstbesprechungen teilnehmen mußte oder weil sie verpflichtet war, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, etwa bei Betriebspraktika und Vergabe von Lehrmitteln mitzuwirken sowie Pausenaufsicht zu führen (vgl. u.a. BAGE 37, 58, 61 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 2 a der Gründe; BAGE 39, 329, 333 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 273/90 -, unveröffentlicht, zu II 4 b der Gründe). Je mehr der Dienstgeber den Inhalt der Arbeitsleistung verändern und dem Dienstverpflichteten neue Aufgaben übertragen kann, desto mehr spricht dies für ein Arbeitsverhältnis. Das Ausmaß dieses Weisungsrechts, vor allem auch die zeitliche Bedeutung der zusätzlichen Aufgaben können aber nicht unberücksichtigt bleiben (so auch u.a. BAGE 39, 329, 333 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 1 der Gründe).

bb) Wenn der Dienstverpflichtete zur Ausführung bestimmter Tätigkeiten nicht verpflichtet ist, liegt darin zwar eine Einschränkung des Weisungsrechts. Dies schließt jedoch nicht aus, daß der Dienstverpflichtete auf einem begrenzten Tätigkeitsfeld fremdbestimmt tätig wird. Dagegen spricht es für ein freies Mitarbeiterverhältnis, wenn die zu leistenden Dienste nicht rahmenmäßig umschrieben werden, sondern - wie im vorliegenden Fall - vertraglich festgelegt werden. Der Dienstverpflichtete stellt dann nicht lediglich seine Arbeitskraft zur Verfügung, sondern schuldet eine bestimmte Dienstleistung.

c) Eine persönliche Abhängigkeit läßt sich im vorliegenden Fall nicht aus der Art und Weise der Unterrichtserteilung ableiten.

aa) Die Honorarkräfte hatten zwar die Rahmenlehrpläne zu beachten. Die darin enthaltenen Vorgaben präzisierten aber nur die vertraglich geschuldete Dienstleistung. Darauf beschränkte sich die Arbeitgeberin. Sie erteilte den auf Honorarbasis beschäftigten Lehrkräften keine methodischen und didaktischen Anweisungen zur Gestaltung des Unterrichts. Nur dadurch und nicht durch die Festlegung des zu behandelnden Stoffes kann eine persönliche Abhängigkeit entstehen (vgl. BAGE 37, 58, 61 f. = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 2 b der Gründe; BAGE 39, 329, 335 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 3 der Gründe; Urteil vom 14. Dezember 1983 - 7 AZR 290/82 - EzBAT Nr. 8 zu § 1 BAT Arbeitnehmerbegriff, zu 4 b der Gründe).

bb) Die Art und Weise der Unterrichtserteilung durch die fest angestellten Lehrkräfte und die auf Honorarbasis beschäftigten Lehrkräfte wies zwar keine Unterschiede auf. Dies spricht jedoch entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht für ein Arbeitsverhältnis, sondern ist wertneutral.

Die fachliche Weisungsgebundenheit ist für Dienste höherer Art nicht immer typisch (ständige Rechtsprechung seit BAGE 41, 247, 253 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe, zuletzt Urteil vom 26. Juni 1991 - 5 AZR 453/90 -, unveröffentlicht, zu I der Gründe). Die Art der Tätigkeit kann es mit sich bringen, daß dem Dienstverpflichteten ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbständigkeit verbleibt. Die Unterrichtstätigkeit zählt hierzu, so daß die Art und Weise der Unterrichtserteilung als Abgrenzungsmerkmal un geeignet sein kann. Das Landesarbeitsgericht übersieht, daß es Tätigkeiten gibt, die sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbracht werden können (vgl. BAG Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu B III der Gründe, unter Hinweis auf die unveröffentlichten Urteile vom 14. Juni 1989 - 5 AZR 346/88 - zu II 2 der Gründe, und vom 11. Dezember 1985 - 5 AZR 435/84 - zu B II 4 der Gründe).

d) Für die Einordnung einer Lehrtätigkeit ist es von besonderer Bedeutung, inwieweit die Lehrkraft ihre Arbeitszeit mitgestalten kann. Wenn der Arbeitgeber innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verfügen kann, ist dies ein maßgeblicher Hinweis auf ein Arbeitsverhältnis (BAG Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - aaO). Allein die vertragliche Festlegung der Arbeitszeitdauer spricht allerdings weder für noch gegen ein Arbeitsverhältnis. Vielmehr kommt es darauf an, wer über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Tage sowie über Beginn und Ende der Arbeitszeit entscheidet. Im vorliegenden Fall steht der Arbeitgeberin insoweit aber kein Weisungsrecht zu. Vielmehr wurden diese Fragen vertraglich geregelt. Auch der Stundenplan war Gegenstand einer Vereinbarung. Die Lehraufträge verwiesen ausdrücklich auf die "getroffene oder zu treffende zeitliche Vereinbarung lt. Stundenplan". Die Wünsche und Vorstellungen der auf Honorarbasis beschäftigten Lehrkräfte wurden bei der Aufstellung des Stundenplanes auch berücksichtigt. Der Betriebsrat hält dies für unbeachtlich mit der Begründung, davon sei nicht das Tätigkeitsbild der Mitarbeiter, sondern lediglich deren Verhandlungsposition bei Abschluß des Dienstvertrages betroffen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Auch eine vertragliche Festlegung der Arbeitszeit in allen Einzelheiten führt zwar zu einer Bindung der Dienstverpflichteten. Diese Bindung konnten jedoch die Dienstverpflichteten nach ihren Bedürfnissen und Vorstellungen mitgestalten, weil ihr Vertragspartner ihren Wünschen Rechnung trug. Die vertragliche Festlegung der Arbeitszeit bewahrte die auf Honorarbasis beschäftigten Lehrkräfte zudem vor einer einseitigen Änderung durch die Arbeitgeberin.

e) Auch der Ort der Tätigkeit, der sich nach der Bildungsmaßnahme richtete und unterschiedlich war, wurde im Lehrauftrag verbindlich festgelegt. Die Arbeitgeberin konnte den vereinbarten Leistungsort nicht mehr einseitig ändern. Dies spricht eher für ein freies Mitarbeiterverhältnis als für ein Arbeitsverhältnis. Im übrigen ist es im pädagogischen Bereich typisch, daß auch freie Mitarbeiter ihre Tätigkeit nur in den zur Verfügung gestellten Räumen verrichten können und damit an einen bestimmten Ort gebunden sind. Diese Bindung besagt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nichts über eine persönliche Abhängigkeit (vgl. BAG Urteil vom 26. Januar 1977 - 5 AZR 796/75 - AP Nr. 13 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu I 2 d der Gründe; BAGE 37, 58, 62 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 2 c der Gründe; BAGE 39, 329, 335 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 4 der Gründe; Urteil vom 9. Mai 1984 - 5 AZR 195/82 - AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 3 c der Gründe; Urteil vom 14. Dezember 1983 - 7 AZR 290/82 - EzBAT Nr. 8 zu § 1 BAT Arbeitnehmerbegriff, zu 4 c der Gründe).

5. Eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Abgrenzungsmerkmale führt dazu, daß die auf Honorarbasis beschäftigten 23 Lehrer und Ausbilder nicht als persönlich abhängige Arbeitnehmer, sondern als freie Mitarbeiter anzusehen sind.

a) Nicht nur der Inhalt, sondern vor allem auch die Arbeitszeit wurden vertraglich festgelegt und dem Direktionsrecht der Arbeitgeberin entzogen. Jedenfalls die vertragliche Vereinbarung der Arbeitszeit läßt sich auch nicht als vorweggenommene einseitige Bestimmung der Arbeitsbedingungen ansehen, weil den Wünschen der Honorarkräfte Rechnung getragen wurde.

Die inhaltliche und zeitliche Festlegung der Dienstleistung durch vertragliche Vereinbarung schränkte einerseits die Dispositionsmöglichkeiten der Arbeitgeberin ein und verschaffte andererseits den Honorarkräften eine sichere Entscheidungsgrundlage, die ihnen die anderweitige Disposition über ihre Arbeitskraft erleichterte.

b) Da die Lehrkräfte keine Teamarbeit leisten mußten und die ihnen zur Verfügung gestellten Betriebsmittel von untergeordneter Bedeutung waren, konnten zeitlich und inhaltlich fest umrissene Aufgabengebiete aus dem sonstigen Lehrbetrieb herausgelöst und einer selbständigen Erledigung zugeführt werden. Es gibt keinen brauchbaren Anhaltspunkt dafür, daß die auf Honorarbasis Beschäftigten dennoch persönlich abhängig waren.

c) Das Landesarbeitsgericht ist zu der Ansicht gelangt, die Arbeitgeberin gehe selbst von keiner unterschiedlichen Beschäftigungsweise aus, sondern habe die Honorarkräfte lediglich aus Kostengründen als freie Mitarbeiter bezeichnet. Dies folgert das Landesarbeitsgericht aus dem Hinweis der Arbeitgeberin auf die Finanzierung ihrer Bildungseinrichtung durch die Bundesanstalt für Arbeit und auf ihre Abhängigkeit von der Auftragsvergabe der Arbeitsämter. Diese Schlußfolgerung ist denkgesetzlich nicht zwingend und läßt wesentliche Teile des Sachvortrags der Arbeitgeberin, der durch Bezugnahme Gegenstand der tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist, außer acht. Die Arbeitgeberin hat mit dem Hinweis auf die Besonderheiten ihrer Bildungseinrichtung und die Art der Finanzierung ihres Lehrbetriebs noch nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie selbst keinen entscheidenden Unterschied zwischen den Honorarkräften und den fest angestellten Lehrkräften sehe, sondern die Honorarkräfte lediglich zur Kostenersparnis als freie Mitarbeiter bezeichnet habe. Zum einen kann der Arbeitgeber seine finanzielle Situation zum Anlaß nehmen, eine rechtlich nicht zu beanstandende kostengünstigere Vertragsgestaltung zu wählen. Zum anderen hat das Bundesarbeitsgericht in früheren Entscheidungen auf die sachliche Berechtigung eines freien Mitarbeiterverhältnisses abgestellt und in diesem Zusammenhang auf die Abhängigkeiten und finanziellen Möglichkeiten der Volkshochschulen hingewiesen (vgl. Urteil vom 26. Januar 1977 - 5 AZR 796/75 - AP Nr. 13 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu I 3 der Gründe, und BAGE 37, 58, 63 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 3 der Gründe), so daß die Ausführungen der Arbeitgeberin nahegelegen haben. Im übrigen hat die Arbeitgeberin vorgetragen, worin sich ihrer Ansicht nach die Arbeitsbedingungen der Honorarkräfte von denen der festangestellten Arbeitnehmer unterscheiden und weshalb die Honorarkräfte tatsächlich nicht persönlich abhängig seien.

III. Da die 23 auf Honorarbasis beschäftigten Lehrkräfte keine Arbeitnehmer i. S. der §§ 7, 5 Abs. 1 BetrVG waren, wurde bei der Betriebsratswahl vom 20. Dezember 1989 gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen. Nach der vorliegenden Stimmenverteilung hätte das Wahlergebnis ohne diesen Verstoß anders ausfallen können.

Dr. Seidensticker Schliemann Kremhelmer

Breier Straub

 

Fundstellen

Haufe-Index 440977

BB 1992, 1356

BB 1992, 1356-1358 (LT1)

DB 1992, 742-743 (LT1)

DStR 1992, 957 (T)

NJW 1992, 2110

NJW 1992, 2110 (L)

BetrVG, (4) (LT1)

EzB BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff, Nr 11 (LT1)

Stbg 1993, 143-143 (K)

DOK 1993, 143 (K)

JR 1992, 220

JR 1992, 220 (S)

NZA 1992, 407

NZA 1992, 407-410 (LT1)

RdA 1992, 157

USK, 9167 (LT1)

WzS 1992, 219-220 (L)

ZAP, EN-Nr 577/92 (S)

ZTR 1992, 340-342 (LT1)

AP § 611 BGB Abhängigkeit (LT1), Nr 59

AR-Blattei, ES 720 Nr 19 (LT1)

EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff, Nr 44 (LT1)

HV-INFO 1992, 2135-2142 (LT1)

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