Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmereigenschaft von Sprachlehrern

 

Normenkette

BetrVG § 5 Abs. 1; BGB § 611 Abs. 1, § 611

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Beschluss vom 16.03.1989; Aktenzeichen 3 TaBV 85/88)

ArbG Münster (Beschluss vom 15.04.1988; Aktenzeichen 3 BV 57/87)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des beteiligten Betriebsrates gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. März 1989 – 3 TaBV 85/88 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Für die Rechtsbeschwerde nur noch von Bedeutung ist der zwischen den Beteiligten bestehende Streit über die Arbeitnehmereigenschaft von Frau K und Frau S, die bei der antragstellenden Arbeitgeberin als sogenannte freie Sprachlehrerinnen beschäftigt sind.

Die Arbeitgeberin betreibt in der Bundesrepublik Deutschland 33 private Sprachschulen, in denen einzelne oder Gruppen in einer Vielzahl lebender Sprachen nach einer besonderen Methode, der sogenannten „B -Methode”, unterrichtet werden. Diese Methode beruht auf folgenden grundlegenden Prinzipien:

1 Lehrer unterrichten ihre Muttersprache

Die Lehrer lehren ihre Muttersprache, beherrschen sie also völlig und natürlich. So wissen Sie: Ihr Lehrer hat die korrekte Aussprache und gebraucht ein aktuelles Vokabular.

2 Schritt für Schritt

Im Laufe der Jahre hat B für das Sprachstudium ein Baukastensystem entwickelt, das in seiner Klarheit und Wirksamkeit beispiellos ist. Wir beginnen mit Elementarem: Den Gegenständen, die der Schüler sehen und anfassen kann, werden Laute zugeordnet; durch Abwandeln und Hinzufügen gewinnt er Sicherheit im Gebrauch dieser neuen Laute, bis schließlich aus einfachen Wörtern Sätze werden – Fragen, Antworten, Ausrufe, Feststellungen und lebendige Dialoge.

3 Sprechen hat Vorrang

Wir wollen erreichen, daß der Schüler sprechen und verstehen lernt. Naturgemäß werden wir keine Zeit an Dinge verschwenden, die diesem Ziel nicht direkt dienen. Der Schüler wird auch lesen und schreiben, aber nur das, was er zunächst zu sagen gelernt hat.

4 Kein Übersetzen

Der Lehrer wird nur in der neuen Sprache sprechen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß das Erlernen einer Fremdsprache durch Übersetzen nicht nur irreführend und unproduktiv ist, sondern auch zu falschen Angewohnheiten führt. Das Übersetzen wirkt einem unserer Hauptziele entgegen: Den Schüler zu lehren, in der Fremdsprache zu denken. Die direkte Assoziation von Idee und Wort ist ein Hauptmerkmal unserer Methode.

5 Grammatik als praktische Übung

Wir bei B betrachten Grammatik als Funktion der gesprochenen Sprache. Wir verlieren unsere Zeit nicht mit der Aufzählung von Regeln und Ausnahmen, mit trockenen Vorträgen und lästigen Übungen. Bei B werden die Schüler lernen, die Sprache zu gebrauchen, nicht zu beschreiben, und so werden sie die Grammatik ganz natürlich annehmen.

In ihrer Sprachschule in M beschäftigt die antragstellende Arbeitgeberin 22 Sprachlehrer bzw. Sprachlehrerinnen als festangestellte Arbeitnehmer sowie die beteiligten Sprachlehrerinnen Frau K und Frau S in sogenannten freien Mitarbeiterverhältnissen.

Zwischen Frau K und der Arbeitgeberin wurde am 28. April 1981 rückwirkend ab 30. März 1981 eine Vereinbarung über freie Mitarbeit – Typ A – als Englischlehrerin geschlossen. Die Vereinbarung lautet u. a.:

  1. Frau K stellt sich ab 30. März 1981 der Schule zur Erteilung von Englisch-Unterricht als freie Mitarbeiterin zur Verfügung, maximal 26 Unterrichtseinheiten pro Monat, also durchschnittlich nicht mehr als 6 Einheiten pro Woche.
  2. Das Honorar richtet sich nach der Anzahl der erteilten Unterrichtseinheiten und wird errechnet auf der Basis der jeweils geltenden Sätze pro Unterrichtseinheit der Schule. Das Honorar wird von der Schule nach Honorar-Abrechnung monatlich ausgezahlt.
  3. Die Anzahl der Unterrichtsperioden ist unregelmäßig und kann im voraus nicht bestimmt werden. Der freie Mitarbeiter wird nur von Fall zu Fall eingesetzt. Er ist nicht fest in den Lehrplan eingegliedert.
  4. Frau K hat als freie Mitarbeiterin das Recht, ihr angebotene Unterrichtsstunden ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Die Beendigung der Bereitschaft gemäß Ziff. 1 ist an keinerlei Fristen gebunden. Eine rechtzeitige Mitteilung wird als Anstandspflicht vorausgesetzt.
  5. Aus der Beendigung der Bereitschaft gemäß Ziff. 1 leitet die Schule ebensowenig Rechte, wie Frau K daraus, daß die Schule trotz bestehender Bereitschaft hiervon nur im Rahmen obiger Ziff. 3 oder gar keinen Gebrauch macht. Im übrigen sind sich die Parteien darüber einig, daß eine Weisungsbefugnis der Schule nicht besteht.
  6. Der freie Mitarbeiter hat keinen Anspruch auf Entgelt bei Krankheit, Feiertagen, Urlaub oder auf sonstige Sozialleistungen der Schule.
  7. Die Schule behält keine Lohnsteuer ein, der Mitarbeiter muß seine Einkünfte selber seinem Finanzamt mitteilen.
  8. Diese Beschäftigung ist sozialversicherungsfrei, es werden daher weder Arbeitnehmer- noch Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung abgeführt. Dies obliegt dem freien Mitarbeiter ggfs. selber.

Seit September 1987 wurde Frau K nicht mehr beschäftigt.

Mit Frau S schloß die Arbeitgeberin eine sogenannte „Vereinbarung über freie Mitarbeit – Typ B” als Russischlehrerin ab. Der Vertragstyp B unterscheidet sich von dem Typ A lediglich dadurch, daß keine Beschränkung auf maximal 26 Unterrichtseinheiten pro Monat vertraglich fixiert ist, sondern die Laufzeit der Beschäftigung jeweils auf 2 Monate oder 50 Tage begrenzt ist. Frau S unterrichtete vom 1. Januar 1987 bis einschließlich 15. September 1987 insgesamt an 21 Tagen.

Nachdem der in der Sprachschule M bestehende Betriebsrat die Auffassung vertreten hatte, auch die sogenannten „freien Sprachlehrer” seien Arbeitnehmer, hat die Arbeitgeberin mit dem am 19. Oktober 1987 eingeleiteten Beschlußverfahren die Feststellung begehrt, daß die beteiligten Sprachlehrerinnen keine Arbeitnehmerinnen im Sinne des § 5 BetrVG sind. Sie hat behauptet, die freien Sprachlehrer würden nur zur Deckung der für ihr Unternehmen typischen Bedarfsschwankungen (Urlaub, Krankheit usw.) beschäftigt. Sie seien nicht fest in den Schulbetrieb integriert, vielmehr würden sie bei Bedarf von Zeit zu Zeit gefragt, ob sie bereit seien, Unterricht zu übernehmen. Ihnen stehe es dann völlig frei, ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Eine Absage habe grundsätzlich auch keine Konsequenzen. Die zur Verfügung gestellten Unterrichtsunterlagen stellten nur Vorgaben dar, die eine individuelle Gestaltung der Lehrtätigkeit beließen. Durch die B -Methode und die Unterrichtsmaterialien werde zwar eine gewisse Standardisierung erstrebt, nicht aber sei der konkrete Ablauf einer 45-minütigen Unterrichtseinheit bis ins Detail vorgeschrieben. Die entwickelte B -Methode gebe nur das operative Instrumentarium zur Gestaltung des Unterrichts; den Inhalt selbst und den konkreten Verlauf der Unterrichtsstunde lege der Lehrer selbst fest. Im Bereich der inhaltlichen Gestaltung sei die Bindung der freien Sprachlehrer nicht größer als die von Volkshochschullehrern. Eine gewisse Strukturierung, bedingt durch den Unterrichtsgegenstand „Sprachvermittlung”, sei systemimmanent und kein Spezifikum der B -Schulen. Im Gegensatz zu den festangestellten Lehrern stehe es den freien Mitarbeitern frei, sich einer Kontrolle ihrer Unterrichtstätigkeit zu unterziehen.

Die Arbeitgeberin hat, soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung, beantragt

festzustellen, daß die beim beteiligten Arbeitgeber beschäftigten Sprachlehrer Anna S, geboren am 22. April 1952, und Alison K, geboren am 20. November 1948, keine Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG sind.

Der beteiligte Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, daß die sogenannten freien Sprachlehrerinnen als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG und damit z. B. als wahlberechtigt im Sinne von § 7 BetrVG anzusehen seien. Praktisch bestehe kein Unterschied zwischen den freien Lehrerinnen und den festangestellten Lehrern. Die freien Lehrerinnen hätten (dies ist unstreitig) einen sogenannten Verfügbarkeitsplan zu unterzeichnen. Danach seien sie fest in den Lehrplan eingegliedert. Insbesondere Frau K habe seit Jahren mit wöchentlich festen Kursen gearbeitet. Nach dem unabdingbaren etwa 40-stündigen Methodentraining sei der Lehrer in der Lage, mit dem zur Verfügung gestellten Unterrichtsmaterial nach der sogenannten B -Methode zu unterrichten. Für den „Multi-Media I-Unterricht”, in dem die freien Sprachlehrer ausschließlich eingesetzt würden, stelle die B -Methode eine didaktische Einheit, bestehend aus Lehrerhandbuch, Illustrationsmaterial, Trainingskassette und Übungsbuch dar. Von diesen Unterrichtsmitteln würden vom B -Lehrer nur das Lehrerhandbuch und das Illustrationsmaterial im Unterricht eingesetzt. Das Lehrerhandbuch als Unterrichtsanleitung für den B -Lehrer gebe in einer festgelegten Reihenfolge die zu vermittelnden Wörter und Redewendungen in Aussage- und Frageform vor. Dazu würden die Fragen und Wendungen angegeben, die zur Einführung des jeweiligen Lernpunktes und zur Übung angewendet werden sollten, sowie die entsprechenden Seitenzahlen aus dem Illustrationsbuch. Jeder Lernpunkt sei nummeriert. Die Reihenfolge der Lernpunkte werde von der Arbeitgeberin vorgegeben. Darüber hinaus sei der B -Lehrer angehalten, die Lernpunkte nach einem vorgegebenen Unterrichtsablauf zu führen, der u. a. aus den Schritten Einführung, Drill und Schülerinitiative bestehe. Eine Abweichung von dem Unterrichtsablauf sei den Lehrern untersagt. Somit liege eine exakte Planung des Unterrichtsablaufes mit den entsprechenden Vorgaben an das Lehrpersonal vor. Der chronologische Ablauf des Unterrichts sei auf einer zu führenden Unterrichtskontrollkarte aufzuzeichnen; der vorgezeichnete Lehrplan sei einzuhalten. Für eine individuelle Gestaltung des Unterrichts sei kein Raum, da eine genaue didaktische und methodische Unterrichtsstruktur vorgegeben sei. Schließlich würden die freien Lehrer genauso wie die übrigen Arbeitnehmer einer regelmäßigen Kontrolle (Methodeinspektion) hinsichtlich der Einhaltung der Unterrichtsmethoden unterworfen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Den ursprünglich zusätzlich gestellten Antrag auf Feststellung, daß die beteiligten Sprachlehrerinnen nicht der Zuständigkeit des Betriebsrates unterfallen, hat das Arbeitsgericht rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrates zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt der beteiligte Betriebsrat weiterhin die Abweisung des Antrages. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Arbeitnehmereigenschaft der beteiligten Sprachlehrerinnen zutreffend verneint.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die beiden Sprachlehrerinnen seien als freie Mitarbeiter anzusehen. Zwar seien sie im Rahmen einer konkreten Kursus- oder Unterrichtsabsprache zeitlich und örtlich gebunden. Außerhalb dieser Bindung seien sie aber völlig frei, über ihre Arbeitskraft zu verfügen. Auch die vorgegebene Gestaltung des Unterrichts aufgrund der eintrainierten B -Methode und des zur Verfügung gestellten Lehrmaterials und die Unterrichtsüberprüfungen führten nicht zu einer Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft. Die Methode und das Lehrmaterial bestimmten lediglich die geschuldete Dienstleistung. Eine solche Verpflichtung mache gerade einen Vertrag zum Dienstvertrag. Eine persönliche Abhängigkeit und damit ein Arbeitsverhältnis könne nur dann vorliegen, wenn über die Anfangsvereinbarung hinaus im Laufe der Dienstleistungsgewährung noch methodische und didaktische Anweisungen zur Gestaltung des Unterrichts erteilt würden und befolgt werden müßten. Dazu fehle jeder Vortrag. Die Unterrichtsüberprüfungen brauchten sich die als freie Mitarbeiter beschäftigten Sprachlehrer nicht gefallen zu lassen. Sie seien für sie eine freiwillige Prüfungsunterziehung. Die Überprüfung beruhe auf einer Betriebsvereinbarung, die gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG jedoch nur für Arbeitnehmer des antragstellenden Arbeitgebers gelte. Die beiden Sprachlehrerinnen wünschten selbst ein freies Mitarbeiterverhältnis. Dieser vorliegende Wille dürfe nicht unberücksichtigt bleiben. Mit der Beschäftigung freier Sprachlehrer bezwecke der Arbeitgeber nicht eine zu unterbindende Umgehung von Arbeitnehmer-Schutzbestimmungen, sondern eine Abdeckung der immer wieder unvorhersehbar auftretenden Bedarfsspitzen, die einer privaten Sprachschule immanent seien.

II. Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist frei von Rechtsfehlern.

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAGE 52, 133, 140 = AP Nr. 102 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 2 der Gründe; BAGE 41, 247, 253 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe; Urteil vom 15. August 1984 – 5 AZR 620/82 – n.v., jeweils m.w.N.) ausgegangen. Nach ihr unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in welcher der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils steht. Danach ist Arbeitnehmer derjenige Mitarbeiter, der seine Arbeitsleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Vorschrift ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und daher persönlich abhängig ist folglich der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt die genannte Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters zum abhängig beschäftigten Handlungsgehilfen. Über diesen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält die Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrags zum Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal dies die einzige Norm ist, welche Kriterien hierfür aufstellt. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation wird insbesondere dadurch deutlich, daß ein Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Häufig tritt auch eine fachliche Weisungsgebundenheit hinzu; sie ist andererseits für Dienste höherer Art nicht immer typisch (so BAGE 41, 247, 253 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe). Über die danach vorzunehmende Einordnung des Rechtsverhältnisses (Dienst- oder Arbeitsvertrag) entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine von ihnen gewählte Bezeichnung, die dem Geschäftsinhalt in Wahrheit nicht entspricht. Der jeweilige Vertragstyp kann nur aus dem wirklichen Geschäftsinhalt erkannt werden. Dieser Geschäftsinhalt kann sich aus den getroffenen Vereinbarungen wie auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Widersprechen Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung des Vertrages einander, ist die letztere maßgeblich. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien ausgegangen sind (vgl. statt vieler: BAGE 41, 247, 258 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 3 der Gründe, m.w.N.). Der Intensität der Inanspruchnahme kommt nur eine schwache Indizwirkung für die Bejahung eines Arbeitsverhältnisses zu. Ein Arbeitsverhältnis kann auch dann vorliegen, wenn die Arbeit in zeitlich außergewöhnlichen Abständen zu leisten ist und wenn sie der Arbeitnehmer nicht vollständig, sondern nur nebenberuflich ausübt. Auch Teilzeitbeschäftigte sind Arbeitnehmer. Die Pflicht zur Arbeitsleistung braucht nicht die ganze Arbeitszeit des Arbeitnehmers in Anspruch zu nehmen. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer auf Dauer oder nur vorübergehend (Kurzarbeitsverhältnis) beschäftigt wird (so Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 7 Rz 13 ff.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 7 Rz 5). Erforderlich und genügend für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist, daß der Betreffende überhaupt, wenn auch nur in geringem Umfang zur Erbringung von weisungsgebundener Arbeit vertraglich verpflichtet, also ein Verfügungsrecht des Arbeitgebers über einen Teil seiner Arbeitskraft gegeben ist (BAG Urteil vom 14. Februar 1974 – 5 AZR 298/73 – AP Nr. 12 zu § 611 BGB Abhängigkeit, unter II 3 a der Gründe).

2. Nach diesen Grundsätzen liegt im Entscheidungsfalle ein Arbeitsverhältnis zunächst nicht für die gesamte Dauer der durch den Abschluß der Verträge Typ A bzw. Typ B begründeten Rahmenrechtsbeziehung vor.

Gegen ein bereits durch diese Rahmenvereinbarung begründetes Arbeitsverhältnis spricht entscheidend, daß zu Beginn der Rechtsbeziehungen weder der Umfang der Arbeitsleistung vertraglich festgelegt noch eine Vereinbarung dahin getroffen wurde, daß die Arbeitgeberin eine Verpflichtung zur Dienstleistung durch eine einseitige (wenn auch nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB zu treffende) Weisung auslösen kann. Bei einem Vertrag, der keine Verpflichtung zur Dienstleistung begründet, aber handelt es sich nicht um einen Dienstvertrag im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB und deshalb auch nicht um einen Arbeitsvertrag als Unterfall des Dienstvertrages.

Aufgrund der im Entscheidungsfalle getroffenen Rahmenvereinbarungen Typ A bzw. Typ B sind weder die Sprachlehrer zu einem Tätigwerden noch die Arbeitgeberin zur Annahme von Diensten verpflichtet. Den Sprachlehrern wird von Fall zu Fall ein Angebot unterbreitet. Ob sie es annehmen, unterliegt ihrer freien Entscheidung. Sie haben das Recht, die ihnen angebotenen Unterrichtsstunden ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Eine Verpflichtung zur Dienstleistung entsteht mithin erst durch eine für den jeweiligen Arbeitseinsatz gesondert zu treffende Absprache. Überdies wird den Sprachlehrern auch ein Minimum wöchentlich oder monatlich abzuleistender Stunden nicht garantiert; umgekehrt sind die Sprachlehrer nicht verpflichtet, sich zu bestimmten Zeiten bereitzuhalten. Die Arbeitgeberin hat auch keine ständige Einsatzbereitschaft verlangt. Die Sprachlehrer haben über die Unterrichtsstunden oder festen Kurse hinaus, die sie jeweils durch eine gesonderte Absprache übernehmen, keine Leistungen für die Arbeitgeberin zu erbringen.

3. Aber auch während dieser durch eine gesonderte Absprache übernommenen Arbeitseinsätze sind die beteiligten Sprachlehrerinnen keine Arbeitnehmerinnen. Zwar kommt durch diese gesonderten Absprachen jeweils ein (auf die Dauer des jeweiligen Unterrichtseinsatzes befristeter) Dienstvertrag zustande, weil die Sprachlehrerin nunmehr verpflichtet ist, den abgesprochenen Unterricht abzuhalten. Die für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche persönliche Abhängigkeit ist jedoch deshalb nicht gegeben, weil alle wesentlichen Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, schon aufgrund der jeweils getroffenen Absprache festliegen und sich nicht erst aus einem Weisungsrecht der beteiligten Arbeitgeberin ergeben.

a) Dem Landesarbeitsgericht ist zuzustimmen, daß sich im Entscheidungsfall eine persönliche Abhängigkeit nicht aus der zeitlichen Bindung an die in den Verfügbarkeitsplänen festgesetzten Zeiten ergibt. Bei Festlegung der Kurspläne ist auf die Wünsche der Lehrerinnen eingegangen worden. Außerhalb der festgesetzten Kurszeiten kann der Arbeitgeber über die Arbeitskraft des Lehrers nicht verfügen. Über die zeitliche Bindung an die Kurse hinaus gab es keine weiteren Bindungen mehr (vgl. auch BAG Urteil vom 16. März 1972 – 5 AZR 460/71 – AP Nr. 10 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; BAGE 37, 58, 61 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu I 2 a der Gründe).

b) Auch aus der Bindung an einen bestimmten Ort, an dem die Lehrerinnen ihre Verpflichtungen zu erfüllen hatten, folgt keine für ein Arbeitsverhältnis typische persönliche Abhängigkeit (BAGE 37, 58, 62 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu I 2 c der Gründe; BAGE 39, 329, 335 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 4 der Gründe; Senatsurteil vom 14. Dezember 1983 – 7 AZR 290/82 – n.v.). Abgesehen davon, daß der Lehrbetrieb nur dann reibungslos durchführbar ist, wenn die verschiedenen Kurse in einem Gesamtplan räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt werden, schließt die Vorgabe allgemeiner äußerer Umstände einer Tätigkeit ihre Selbständigkeit grundsätzlich nicht aus.

c) Die persönliche Abhängigkeit der beteiligten freien Sprachlehrerinnen ergibt sich im Entscheidungsfalle auch nicht aus einer fachlichen Weisungsabhängigkeit hinsichtlich der inhaltlichen und methodischen Gestaltung des Unterrichts.

Das Landesarbeitsgericht hat insoweit ausgeführt, eine persönliche Abhängigkeit und damit ein Arbeitsverhältnis könne nur dann vorliegen, wenn über die beim Vertragsabschluß getroffenen Vereinbarungen hinaus im Laufe der Dienstleistungsgewährung noch methodische und didaktische Anweisungen zur Gestaltung des Unterrichts erteilt würden und befolgt werden müßten; dazu fehle jeder Vortrag.

Auch diese Würdigung ist rechtsfehlerfrei. Die Bindung des Verpflichteten an einen bestimmten Unterrichtsstoff begründet keine persönliche Abhängigkeit. Soweit es um die Festlegung des Unterrichtsstoffes geht, handelt es sich um die Abgrenzung des Vertragsgegenstandes (BAGE 39, 329, 335 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 3 der Gründe; Urteil vom 5. Februar 1986 – 5 AZR 422/84 – n.v.; Urteil vom 16. März 1988 – 5 AZR 28/87 – n.v.). Eine ins Gewicht fallende persönliche Abhängigkeit liegt auch nicht allein in der Bindung an einen vertraglich vereinbarten Kursinhalt. Es macht rechtlich keinen Unterschied, ob der Dozent den Lehrplan selbst entwirft und sich verpflichtet, diesen Lehrplan in dem beschriebenen Umfang und in der vereinbarten Weise einzuhalten, oder ob der Gegenstand der vertraglichen Leistung im voraus von der Schule bestimmt und dem Dozenten angeboten wird, der danach die Verpflichtung eingeht, diesen Lehrgegenstand, so wie vereinbart, in seinen Kursen zu behandeln (BAGE 37, 58, 62 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 2 b der Gründe). Eine persönliche Abhängigkeit ergibt sich auch nicht bereits daraus, daß der Lehrer seinen Unterricht an den Lernzielkatalogen ausrichten muß, daß der Inhalt der einzelnen Kurse vorgeschrieben war und der Lehrer sich an bestimmte Lehrbücher zu halten hat (BAGE 39, 329, 335 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 3 der Gründe).

Dasselbe gilt für die vertragliche Bindung der Sprachlehrer an die spezielle B -Methode. Auch sie ist bereits Bestandteil des Vertragsgegenstandes.

Ebenfalls vertraglich vorgegeben ist der konkrete Unterrichtsablauf, bestehend aus Einführung, Drill und Schülerinitiative, die wiederum in einzelne vorgegebene Schritte unterteilt sind. Die inhaltlichen Vorgaben des Arbeitgebers durch die anzuwendende B -Methode lassen den Sprachlehrern damit zwar erheblich weniger Spielraum als den Dozenten an einer Volkshochschule. Durch die B -Methode, die den Sprachlehrern in einem ca. 40stündigen Methodetraining beigebracht wird und eingehalten werden muß, sind die beteiligten Sprachlehrer nicht berechtigt, selbständig, d. h. unter Entwicklung eines eigenen methodischen und didaktischen Konzepts, zu lehren. Im Unterschied zu den Dozenten einer Volkshochschule ist mit den freien Sprachlehrerinnen nicht nur der Gegenstand ihrer Lehrtätigkeit in inhaltlicher Hinsicht vereinbart, vielmehr ist diesen auch das Konzept, wie der Stoff den Schülern nähergebracht werden soll, vorgegeben. Sie sind an methodische und didaktische Vorgaben gebunden, so daß von einer „im wesentlichen freien Gestaltung” ihrer Tätigkeit nicht gesprochen werden kann. Auch diese Vorgaben sind jedoch vertragliche Abgrenzungen der übernommenen Dienstleistung selbst, so daß es auch insoweit an der für ein Arbeitsverhältnis typischen Unterwerfung unter ein einseitiges Weisungsrecht des Arbeitgebers fehlt.

d) Nichts anderes gilt schließlich für die von von der beteiligten Arbeitgeberin durchgeführte Unterrichtskontrolle. Die Einhaltung der methodischen und didaktischen Vorgaben der beteiligten Arbeitgeberin ist, wie den Sprachlehrern bereits aus ihrer Einarbeitungszeit bekannt ist, eines der wichtigsten Elemente der von ihnen eingegangenen Unterrichtsverpflichtung. Nicht nur der Arbeitgeber, sondern jeder Gläubiger hat das Recht, die ordnungsgemäße Erfüllung der geschuldeten Leistung zu kontrollieren (vgl. im vorliegenden Zusammenhang z.B. BAG Urteil vom 7. Mai 1986 – 5 AZR 591/83 – n.v.; BAG Urteil vom 16. März 1988 – 5 AZR 28/87 – n.v.). Im Entscheidungsfalle folgt mithin eine Verpflichtung der beteiligten Sprachlehrerinnen, eine Unterrichtskontrolle zu dulden, bereits aus dem Inhalt der übernommenen Dienstpflichten selbst und besagt nichts für das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit.

Auf die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Sprachlehrerinnen unterzögen sich den Unterrichtsüberprüfungen freiwillig, kommt es daher nicht an. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist mithin auch unerheblich, daß das Landesarbeitsgericht diese Feststellung damit begründet hat, die die Unterrichtsüberprüfung regelnde Betriebsvereinbarung gelte für die Sprachlehrerinnen deshalb nicht, weil sie keine Arbeitnehmerinnen seien.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Steckhan, Breier, Trettin

 

Fundstellen

Dokument-Index HI969674

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