Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigung von freien Mitarbeitern als mitbestimmungspflichtige Einstellung - Ausschreibung von Arbeitsplätzen

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Betriebsrat kann gem § 93 BetrVG die Ausschreibung von Arbeitsplätzen verlangen, die der Arbeitgeber mit freien Mitarbeitern besetzen will, wenn es sich bei der vorgesehenen Beschäftigung um eine gem § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung handelt.

 

Normenkette

BetrVG §§ 93, 99

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 10.12.1992; Aktenzeichen 14 TaBV 5/92)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 03.04.1992; Aktenzeichen 54 BV 368/91)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat bei der Einstellung einer freien Mitarbeiterin als Lehrkraft zu beteiligen ist.

Der antragstellende Arbeitgeber betreibt an zahlreichen Orten in der Bundesrepublik Deutschland Sprachschulen. In der Niederlassung in Berlin sind etwa 41 Mitarbeiter beschäftigt. Der Beteiligte zu 2) ist der für die Berliner Niederlassung gewählte Betriebsrat.

Mit einem Teil der Lehrkräfte schließt der Arbeitgeber Anstellungsverträge auf der Grundlage einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitsbedingungen vom 15. Dezember 1987.

Der Sprachunterricht wird im gesamten Bundesgebiet nach einer einheitlichen Lehrmethode erteilt. In § 2 des Anstellungsvertrages ist die Aufgabe der jeweiligen Lehrkraft festgelegt, die Schüler streng nach der B-Sprachlehr-Methode bzw. nach den allgemeinen Richtlinien oder besonderen Anweisungen des vorgesetzten Personals zu unterrichten. Nach § 3 des Anstellungsvertrages verpflichtet sich die Lehrkraft für eine bestimmte Zahl von Unterrichtseinheiten im Rahmen eines Verfügbarkeitsplanes und zur Leistung einer Mindestzahl von Unterrichtseinheiten pro Monat. Ihr wird die Bezahlung von etwa 65 % der Unterrichtseinheiten innerhalb der Verfügbarkeit garantiert.

Der Arbeitgeber hat sich im Anstellungsvertrag für den Fall einer größeren Veränderung der Gesamtzahl der zu gebenden Unterrichtseinheiten oder einer größeren Verschiebung der Unterrichtszeiten das Recht vorbehalten, mit der Lehrkraft eine Änderung des Verfügbarkeitsplanes mit einer Frist von einem Monat zu besprechen und im gegenseitigen Einvernehmen eine Änderung vorzunehmen.

Die meisten der in Berlin angestellten Lehrkräfte sind Teilzeitkräfte mit 25 Stunden und weniger Verfügbarkeit pro Woche, wobei die meisten mehr als die Garantiezeit und auch mehr als die Verfügbarkeitszeit arbeiten. Daneben beschäftigt der Arbeitgeber sog. freie Mitarbeiter, mit denen er jeweils eine Mustervereinbarung nach dem Typ A, B oder C abschließt.

In der Vereinbarung über freie Mitarbeiter Typ C heißt es u.a.:

"1. Herr/Frau... stellt sich ab... der Schule

zur Erteilung von Sprachunterricht in

der... Sprache auf freiberuflicher Basis

zur Verfügung. Zwischen ihm/ihr und der

Schule besteht kein Arbeitgeber-/Arbeitneh-

merverhältnis.

2. Die Unterrichtseinheiten werden ihm/ihr von

Fall zu Fall angeboten. Es besteht kein An-

spruch auf eine bestimmte Anzahl von Unter-

richtseinheiten innerhalb eines bestimmten

Zeitraums. Die Unterrichtsdurchführung ba-

siert auf der von B entwickelten

Sprachmethode, die auch etwaige Inspektio-

nen einschließt.

3. Herr/Frau... hat als freie/r Mitarbeiter/in

das Recht, ihm/ihr angebotene Unterrichts-

einheiten ohne Angabe von Gründen abzuleh-

nen. Die Beendigung der Bereitschaft gemäß

Ziffer 1 für die Schule zu unterrichten,

ist an keinerlei Fristen gebunden. Eine

rechtzeitige Mitteilung wird als Anstands-

pflicht vorausgesetzt.

4. Aus der Beendigung der Bereitschaft gemäß

Ziffer 1 leitet die Schule ebensowenig

Rechte, wie Herr/Frau... daraus, daß die

Schule trotz bestehender Bereitschaft hier-

von nur im Rahmen obiger Ziffer 2 oder gar

keinen Gebrauch macht. Im übrigen sind sich

die Parteien darüber einig, daß eine Wei-

sungsbefugnis der Schule nicht besteht;

dies ändert jedoch nichts an der Unter-

richtsdurchführung gemäß der

B-Sprachlehr-Methode.

...

6. Der/Die freie Mitarbeiter/in hat keinen Ho-

noraranspruch bei Krankheit, Feiertagen,

Urlaub oder auf sonstige Sozialleistungen

der Schule; er/sie wird nicht in den Schul-

betrieb integriert, sondern nur von Fall zu

Fall und in zeitlicher Übereinstimmung zwi-

schen ihm/ihr und der Schulleitung einge-

setzt."

In einer zum 31. Dezember 1991 gekündigten freiwilligen Gesamtbetriebsvereinbarung III vom 9./17. Februar 1984 zur Regelung des Einstellungsverfahrens in den Schulen, die einen Betriebsrat haben, ist unter I.1. festgelegt, daß alle Arbeitsplätze, die innerbetrieblich besetzt werden können, innerhalb der Schule ausgeschrieben werden. Der Betriebsrat verlangte vom Arbeitgeber mehrfach die Ausschreibung aller Arbeitsplätze, auch soweit ihre Besetzung mit sog. freien Mitarbeitern beabsichtigt war. Bislang hat der Arbeitgeber den Betriebsrat auch bei der Einstellung von sog. freien Mitarbeitern beteiligt, allerdings die Anwendung der Gesamtbetriebsvereinbarung III auf diese abgelehnt.

Mit Formschreiben vom 11. September 1991 informierte der Arbeitgeber den Betriebsrat schriftlich, daß er die Englischlehrerin Deborah F als freie Mitarbeiterin Typ C für das Fach Englisch zum 1. Oktober 1991 einstellen wolle und bat um dessen Zustimmung. Der Betriebsrat verweigerte am 18. September 1991 schriftlich seine Zustimmung mit der Begründung, eine Ausschreibung nach der Gesamtbetriebsvereinbarung III Abs. 1 Satz 1 sei nicht vorgenommen worden. Außerdem hätten die im Englischbereich Beschäftigten durch die unterlassene Ausschreibung Nachteile, da sie ihre bestehenden Verträge nicht mehr erweitern könnten.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 1991 unterrichtete der Arbeitgeber den Betriebsrat, daß er die Englischlehrerin F vom 17. Oktober 1991 an aus dringenden betrieblichen Gründen einsetzen werde, da mehrere Krankheitsfälle in der Englischabteilung vorlägen, eine Lehrerin im Urlaub sei und die andere freie Mitarbeiterin aus der Englischabteilung nicht mehr zur Verfügung stehe, um den gebuchten Unterricht abdecken zu können. Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 18. Oktober 1991 die sachliche Dringlichkeit der Maßnahme bestritten.

Der Arbeitgeber verlangt vorliegend die gerichtliche Feststellung, daß dem Betriebsrat bei der Beschäftigung der Englischlehrerin F als freie Mitarbeiterin Beteiligungsrechte nicht zustehen, hilfsweise die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der Maßnahme.

Er hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe bezüglich der Einstellung der Englischlehrerin F keine Mitbestimmungsrechte, da es sich um eine freie Mitarbeiterin handele.

Der Betriebsrat verkenne im übrigen den Begriff des Arbeitsplatzes. Es gehe vorliegend nicht darum, einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen bzw. einen bereits vorhandenen Arbeitsplatz zu erweitern, sondern um die Verteilung zusätzlich angefallener Unterrichtsstunden. Da diese Unterrichtsstunden nicht vorhersehbar gewesen seien, und auch nicht feststehe, ob sie künftig anfielen, sei es nicht gerechtfertigt, für diesen Unterrichtsbedarf einen Arbeitsplatz neu zu schaffen oder einen vorhandenen Arbeitsplatz zu erweitern.

Da man sich entschlossen habe, zusätzlich anfallenden Unterricht an freie Mitarbeiter zu vergeben, hätte eine Stellenausschreibung lauten müssen, daß für ein zusätzlich anfallendes Stundenkontingent ein freier Mitarbeiter gesucht werde. Eine solche Stellenausschreibung sei jedoch insoweit überflüssig, weil es jeder festangestellten Lehrkraft ohnehin freistehe, in den Status eines freien Mitarbeiters zu wechseln.

Außerdem sei der Betriebsrat nicht berechtigt, seine Zustimmung mit der Begründung zu verweigern, andere festangestellte Lehrkräfte würden dadurch Nachteile erleiden. Diese Lehrkräfte hätten keinen Rechtsanspruch auf die Erteilung zusätzlicher Stunden. Der Nachteil i.S. des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG sei nur in dem Verlust einer Rechtsposition oder einer rechtserheblichen Anwartschaft innerhalb des Arbeitsverhältnisses zu sehen. Die Nichtrealisierung einer Chance durch Aufstockung der Stunden stelle keinen Nachteil in diesem Sinne dar.

Ein Nachteil für die festangestellten Lehrkräfte ergebe sich auch nicht aus der Änderung des Verhältnisses von festangestellten Lehrkräften zu freien Mitarbeitern. Der Einsatz freier Mitarbeiter habe keine Entlassung von festangestellten Lehrkräften zur Folge gehabt.

Der Arbeitgeber hat zuletzt beantragt,

festzustellen, daß dem Beteiligten zu 2) bei der

mit Wirkung vom 17. Oktober 1991 durchgeführten

Beschäftigung der Englischlehrerin Deborah F

als freie Mitarbeiterin Beteiligungsrechte nicht

zustehen,

hilfsweise

die mit Schreiben vom 18. September 1991 verwei-

gerte Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Be-

schäftigung der Englischlehrerin Deborah F zu

ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, er habe ein Mitbestimmungsrecht nach §§ 99, 100 BetrVG auch bei der Beschäftigung der freien Mitarbeiterin F .

Die Gesamtbetriebsvereinbarung III umfasse auch Arbeitsplätze, die der Arbeitgeber mit freien Mitarbeitern besetzen wolle. Da Arbeitsplatz jede abgrenzbare Arbeitsaufgabe innerhalb der betrieblichen Organisation sei, sei jede neu zu besetzende Unterrichtseinheit als Arbeitsplatz im Sinne der Gesamtbetriebsvereinbarung III anzusehen.

Außerdem hätten die bereits beschäftigten festangestellten Lehrkräfte Nachteile durch die Einstellung freier Mitarbeiter erlitten. Ihnen sei in § 3 des Formularanstellungsvertrages die Möglichkeit eingeräumt, mehr Stunden zu erteilen, als ihnen garantiert worden sei. Wegen des Einsatzes der freien Mitarbeiter sei diese Möglichkeit nicht mehr realisierbar. Die Zahl der festangestellten Lehrkräfte verringere sich in dem Maße, wie freie Mitarbeiter eingesetzt würden. Daraus ergebe sich der die Zustimmungsverweigerung begründende Nachteil für die festangestellten Lehrkräfte, die das gleiche Unterrichtsfach wie die freie Mitarbeiterin F unterrichteten.

Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlich gestellten Antrag des Arbeitgebers festzustellen, daß die Beschäftigung der Englischlehrerin F als freie Mitarbeiterin aus sachlichen Gründen erforderlich war, als unbegründet angesehen, im übrigen jedoch die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zu der Maßnahme ersetzt. Das Landesarbeitsgericht hat die zweitinstanzlich gestellten Anträge des Arbeitgebers abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber seine Anträge weiter, während der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dem Betriebsrat stehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu bei der Einstellung der Englischlehrerin F als sog. freie Mitarbeiterin. Es hat zu Recht auch den Hilfsantrag auf Ersetzung der Zustimmung zur Einstellung von Frau F zurückgewiesen.

I. Der Betriebsrat war bei der mit Wirkung vom 17. Oktober 1991 durchgeführten Beschäftigung der Englischlehrerin F als freie Mitarbeiterin zu beteiligen. Hierbei handelt es sich um eine Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG, die der Zustimmung des Betriebsrats bedarf.

1. Nach nunmehr ständiger Senatsrechtsprechung liegt eine zustimmungspflichtige Einstellung dann vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Auf das Rechtsverhältnis, in dem diese Personen zum Arbeitgeber als Betriebsinhaber stehen, kommt es nicht an. Maßgebend ist vielmehr, ob die zu verrichtende Tätigkeit ihrer Art nach eine weisungsgebundene Tätigkeit ist, die der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebes zu dienen bestimmt ist und daher vom Arbeitgeber organisiert werden muß. Unerheblich ist hingegen, ob und ggf. von wem diesen Personen tatsächlich Weisungen hinsichtlich ihrer Tätigkeit gegeben werden (BAGE 51, 337 = AP Nr. 35 zu § 99 BetrVG 1972; Beschluß vom 16. Dezember 1986 - 1 ABR 52/85 - AP Nr. 40 zu § 99 BetrVG 1972; BAGE 62, 271 = AP Nr. 68 zu § 99 BetrVG 1972; Beschluß vom 3. Juli 1990 - 1 ABR 36/89 - AP Nr. 81 zu § 99 BetrVG 1972; vgl. zuletzt Beschluß vom 20. April 1993 - 1 ABR 59/92 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

2. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Landesarbeitsgericht zu Recht festgestellt, daß es sich bei der Beschäftigung der Englischlehrerin F im Betrieb des Arbeitgebers um eine Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG handelt.

Die Tätigkeit von Frau F ist eine ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeit. Die im Unterricht zu erbringenden Arbeiten gehören zu den zur Verwirklichung des Betriebszwecks vom Arbeitgeber zu organisierenden Arbeiten. Darauf, ob Frau F tatsächlich Weisungen hinsichtlich ihrer Tätigkeit gegeben werden, kommt es nicht an. Entscheidend ist, daß sie beschäftigt wird, um den arbeitstechnischen Zweck gemeinsam mit den anderen dort beschäftigten Arbeitnehmern zu verwirklichen.

a) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben auch die sog. freien Mitarbeiter des Typs C streng nach der B -Methode zu unterrichten. Sie sind Inspektionen unterworfen, an den Lehrplan gebunden und im Rahmen der Lehrpläne in den Schulbetrieb eingegliedert. Sie haben den Unterrichtsfortgang in Karteikarten zu notieren, damit sich der nachfolgende Lehrer - u.U. eine festangestellte Lehrkraft - daran orientieren kann. Daß es sich ihrer Art nach um eine weisungsgebundene Tätigkeit handelt, ergibt sich auch aus dem Anlaß der Beschäftigung von Frau F . Ihre Einstellung wird vom Arbeitgeber selbst mit dem Ausfall anderer Lehrkräfte durch Urlaub bzw. Krankheit begründet. Dies unterstreicht die Einbindung der Tätigkeit in den normalen Lehrbetrieb.

Frau F wird in gleicher Weise tätig wie die übrigen festangestellten Lehrkräfte. Betriebszweck des Arbeitgebers ist es, den Unterrichtsbetrieb an der B durchzuführen. Die Tätigkeit von Frau F gehört zu diesen zur Verwirklichung des Betriebszwecks vom Arbeitgeber zu organisierenden Arbeiten (vgl. für einen ähnlichen Sachverhalt Senatsbeschluß vom 3. Juli 1990 - 1 ABR 36/89 - AP Nr. 81 zu § 99 BetrVG 1972; Senatsbeschluß vom 23. April 1991 - 1 ABR 47/90 -, n.v.).

b) Die Rechtsbeschwerde beruft sich zu Unrecht demgegenüber auf die Senatsrechtsprechung zur Vergabe von Arbeiten aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages an Drittunternehmen (vgl. dazu etwa Beschluß vom 5. März 1991 - 1 ABR 39/90 - AP Nr. 90 zu § 99 BetrVG 1972; Beschluß vom 9. Juli 1991 - 1 ABR 45/90 - AP Nr. 94 zu § 99 BetrVG 1972). Die freie Mitarbeiterin F ist eingebunden in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers. Der von ihr gegebene Unterricht ist hiervon nicht abtrennbar. Sie erhält - anders als bei Arbeitnehmern etwa von Drittfirmen - auch keine Weisungen von dritter Seite, die Personalhoheit liegt also nicht bei einem anderen Arbeitgeber. Sie führt eine ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeit aus.

Die Rechtsbeschwerde beruft sich zu Unrecht weiter darauf, ein freier Mitarbeiter sei nicht verpflichtet, Stunden zu übernehmen. Darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob eine Einstellung dann anzunehmen ist, wenn ein sog. freier Mitarbeiter sich zur Übernahme eines Stundenkontingents verpflichtet und er deshalb beschäftigt werden soll. Das ist aber hier der Fall, worauf schon das Landesarbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat.

Das Landesarbeitsgericht hat also zu Recht ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats bejaht, wovon im übrigen der Arbeitgeber anfänglich selbst ausgegangen ist, wie sein an den Betriebsrat gerichteter Zustimmungsantrag und noch der erstinstanzliche Verfahrensantrag deutlich machen.

II. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats sei begründet und den Hilfsantrag auf Ersetzung der Zustimmung zurückgewiesen, weil der Arbeitgeber die vom Betriebsrat beantragte Stellenausschreibung unterlassen hat.

1. Gem. § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung verweigern, wenn eine nach § 93 BetrVG erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist. Nach § 93 BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, daß Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebes ausgeschrieben werden.

Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts hat der Betriebsrat eine solche Ausschreibung mehrfach verlangt, und zwar auch die der freien Mitarbeiter. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei der für Frau F vorgesehenen Tätigkeit um einen "Arbeitsplatz" im Sinne des § 93 BetrVG handelt.

a) Es hat sich allerdings nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Betriebsrat gemäß der sog. Gesamtbetriebsvereinbarung III die Ausschreibung der Stelle verlangen konnte. Vielmehr hat es ausdrücklich festgestellt, auf Inhalt und Auslegung dieser Betriebsvereinbarung komme es nicht an, weil der Betriebsrat schon früher die Ausschreibung aller Arbeitsplätze verlangt habe. Das Landesarbeitsgericht hat also die Frage der Stellenausschreibung allein unter dem Aspekt des § 93 i. Verb. mit § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG geprüft. Dies verkennt die Rechtsbeschwerde, wenn sie sich allein auseinandersetzt mit der Auslegung der Betriebsvereinbarung.

b) Das Landesarbeitsgericht konnte auf die "früher schon mehrfach" geforderte Stellenausschreibung durch den Betriebsrat abstellen. Zwar hat der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung vom 18. September 1991 darauf gestützt, eine Ausschreibung nach der GBV III sei nicht vorgenommen worden; dies sei ein Verstoß gegen die geltende Betriebsvereinbarung; er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, es liege ein Verstoß gegen § 99 Abs. 2 Nr. 1 (und Nr. 3) BetrVG vor.

Aus dieser Zustimmungsverweigerung geht aber hervor, daß der Betriebsrat die unterbliebene Stellenausschreibung rügen wollte. Dieser Grund läßt sich auch dem § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG zuordnen. Die Benennung von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kann nicht in dem Sinne abschließend gesehen werden, daß der Betriebsrat sich nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten auf den in der Zustimmungsverweigerung vorgetragenen Sachverhalt stützen wollte. Dies war für den Arbeitgeber ohne weiteres erkennbar.

c) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betriebsrat könne - unabhängig von der Betriebsvereinbarung - gem. § 93 BetrVG die Ausschreibung von Stellen freier Mitarbeiter dann verlangen, wenn es sich um Arbeitsplätze handele, deren Besetzung als Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG zu werten sei. Dem ist beizupflichten.

Gegen das Recht des Betriebsrats, die Ausschreibung auch der Stellen freier Mitarbeiter zu verlangen, könnte grundsätzlich eingewandt werden, daß freie Mitarbeiter vom Betriebsrat nicht vertreten werden. So wird etwa von der ganz herrschenden Meinung in der Literatur angenommen, der Betriebsrat könne keine Ausschreibung der Stellen von leitenden Angestellten verlangen (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 93 Rz 3; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 93 Rz 6; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 93 Rz 3; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 93 Rz 3; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 93 Rz 3; zust. wohl auch Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 93 Rz 3).

Dieses Argument ist aber nicht zwingend. Wie dargelegt, kann die Beschäftigungsaufnahme eines freien Mitarbeiters eine Einstellung darstellen und damit - anders als bei leitenden Angestellten - eine nach § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahme sein. Insoweit unterscheiden sich die beiden Sachverhalte.

Richtig ist, daß im Rahmen des § 99 BetrVG der Grund für die Mitbestimmungspflichtigkeit nicht die vom Betriebsrat zu wahrenden Interessen der freien Mitarbeiter sind, sondern nur die Interessen der Belegschaft. Wegen der entsprechenden Eingliederung des freien Mitarbeiters und der dadurch bedingten Zusammenarbeit mit den Belegschaftsmitgliedern soll der Betriebsrat die Möglichkeit haben, Bedenken hiergegen im Rahmen der Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 BetrVG vorzutragen.

Auch im Rahmen des § 93 BetrVG geht es aber nicht um die Wahrung von Interessen des außenstehenden Bewerbers, sondern allein um die Interessen der vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmerschaft. Dieser sollen anderweitige innerbetriebliche Beschäftigungsmöglichkeiten bekanntgemacht werden. § 93 BetrVG liegt der Gedanke eines innerbetrieblichen Arbeitsmarktes zugrunde; es sollen die im Betrieb vorhandenen personellen Möglichkeiten aktiviert werden; außerdem soll Verärgerungen der Belegschaft über die Hereinnahme Außenstehender trotz im Betrieb vorhandenen qualifizierten Angebots entgegengewirkt werden (Begründung Regierungsentwurf BT-Drucks. VI/1786, S. 50).

Geht es also um die vom Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer - nicht die freien Mitarbeiter -, so daß insoweit ein systematischer Bruch nicht gegeben ist, rechtfertigt der mit dem Mitbestimmungsrecht des § 93 BetrVG verfolgte Schutzzweck, der für die Auslegung eines Mitbestimmungsrechts jeweils heranzuziehen ist, die Einbeziehung auch der Arbeitsplätze freier Mitarbeiter. Dies mag weniger naheliegen, wenn ein Arbeitnehmer ganz ausscheiden und nur noch als freier Mitarbeiter beschäftigt werden will. Anders ist dies zu beurteilen aber für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer - ggf. auch für Vollzeitbeschäftigte -, die ein berechtigtes Interesse daran haben können, neben ihrem (Teilzeit-) Arbeitsverhältnis eine weitere Tätigkeit in Form der freien Mitarbeit zum selben Arbeitgeber auszuüben. Dies mag ungewöhnlich sein, ist aber vertragsrechtlich nicht ausgeschlossen. Der mit § 93 BetrVG verfolgte Schutzzweck kann demnach auch bei der Ausschreibung von Stellen freier Mitarbeiter zum Tragen kommen.

Für die vom Landesarbeitsgericht vertretene Auffassung spricht nicht zuletzt auch der Wortlaut der §§ 93, 99 BetrVG. In beiden Fällen geht es um den "Arbeitsplatz". Wenn aber der freie Mitarbeiter eingestellt wird auf einen Arbeitsplatz, hinsichtlich dessen dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht, ist ihm hinsichtlich dieses Arbeitsplatzes auch ein Ausschreibungsrecht zuzubilligen. Für dieses Ergebnis spricht weiter die Verknüpfung der beiden Vorschriften durch § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG.

Aus den letzten Überlegungen ergibt sich zugleich aber auch die Begrenzung der Rechte des Betriebsrats, die Ausschreibung von Arbeitsplätzen freier Mitarbeiter zu verlangen. Nicht mehr gerechtfertigt erscheint dies für solche Arbeitsplätze, für die der Betriebsrat auch funktional nach § 99 BetrVG nicht mehr zuständig ist. Insoweit ist die Sachlage nicht anders als bei leitenden Angestellten (vgl. auch Galperin/Löwisch, aaO, § 93 Rz 3, der die Ausschreibung dort als nicht sinnvoll betrachtet, weil § 99 Abs. 2 Nr. 5 nicht eingreife).

Mit dieser Einschränkung ist nach allem davon auszugehen, daß der Betriebsrat gem. § 93 BetrVG die Ausschreibung auch solcher Arbeitsplätze verlangen kann, die der Arbeitgeber mit einem freien Mitarbeiter besetzen will (so im Ergebnis auch LAG Frankfurt am Main Beschluß vom 28. Februar 1989 - 4 TaBV 106/88 - CR 1990, 342; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, aaO, § 99 Rz 197; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 93 Rz 3). Daß der Arbeitgeber nicht gezwungen ist, bei der Bewerbung eines dem Betrieb schon angehörenden Arbeitnehmers diesen abweichend von seiner Absicht, einen freien Mitarbeiter einzustellen, als Arbeitnehmer einzustellen, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht dargestellt.

2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen, der Betriebsrat habe seine Zustimmungsverweigerung nicht auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG stützen können.

Es sind keine Tatsachen für eine begründete Besorgnis vorgetragen, durch die Einstellung der Englischlehrerin F könnten im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden.

Nachteil im Sinne der Nr. 3 des § 99 Abs. 2 BetrVG ist die Versagung der beruflichen Entwicklung eines Arbeitnehmers, wenn hierauf ein Rechtsanspruch oder mindestens eine rechtserhebliche Anwartschaft besteht, nicht nur eine Chance (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa Beschluß vom 13. Juni 1989 - 1 ABR 11/88 - AP Nr. 66 zu § 99 BetrVG 1972).

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend einen Anspruch der festangestellten Lehrkräfte aufgrund des § 3 des Musteranstellungsvertrages verneint. Diese Formulierung räumt allenfalls dem Arbeitgeber ein Recht zu einer mit der jeweiligen Lehrkraft übereinstimmend herbeigeführten Regelung ein. Sie begründet jedoch für die festangestellten Lehrkräfte keinen originären Rechtsanspruch auf Erhöhung der von ihnen zu erteilenden Unterrichtseinheiten.

III. Da nach allem weder der Hauptantrag des Arbeitgebers noch sein auf Zustimmungsersetzung gerichteter Hilfsantrag begründet ist, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Dr. Kissel Dr. Weller Dr. Rost

Muhr Bayer

 

Fundstellen

BB 1993, 2233

BB 1993, 2233-2235 (LT1)

DB 1994, 332-333 (LT1)

DStR 1994, 333-333 (K)

BetrVG, (40) (LT1)

EzB BetrVG § 99, Nr 13 (LT1)

JR 1994, 176

NZA 1994, 92

NZA 1994, 92-94 (LT1)

SAE 1994, 129-132 (LT1)

AP § 93 BetrVG 1972 (LT1), Nr 3

AR-Blattei, ES 530.14.3 Nr 144 (LT1)

AR-Blattei, ES 640 Nr 23 (LT1)

EzA § 99 BetrVG 1972, Nr 115 (LT1)

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