Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitarbeitervertretungsrecht und staatliche Gerichtsbarkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Für Streitigkeiten zwischen einer Mitarbeitervertretung nach dem kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht und dem Arbeitgeber über das Bestehen von Mitbestimmungsrechten ist die Gerichtsbarkeit der staatlichen Gerichte zumindest dann nicht gegeben, wenn über solche Streitigkeiten eine Schlichtungsstelle entscheidet, die den Mindestanforderungen an ein Gericht entspricht.

 

Orientierungssatz

1. Auslegung der §§ 39, 40 der Ordnung für die Mitarbeitervertretungen in diakonischen Einrichtungen vom 24. September 1973 idF vom 8. Oktober 1982 und der Ordnung für die Schlichtungsstelle beim gliedkirchlichen Diakonischen Werk idF vom Oktober 1969.

 

Normenkette

GG Art. 140; GVG § 13; DiakEMAVO §§ 39-40, 33; WRV Art. 137 Abs. 3; ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 27.08.1987; Aktenzeichen 11 TaBV 16/87)

ArbG Verden (Aller) (Entscheidung vom 16.01.1987; Aktenzeichen 1 BV 46/86)

 

Gründe

A. Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung streiten darüber, ob die Mitarbeitervertretung bei der Einstellung von Altenpflegeschülern und -schülerinnen mitzubestimmen hat.

Der Arbeitgeber betreibt in L unter anderem eine Schule für Altenpflege. Die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren ist die dort aufgrund der "Ordnung für die Mitarbeitervertretungen in diakonischen Einrichtungen vom 24. September 1973 in der Fassung vom 8. Oktober 1982" (MVO) gebildete Mitarbeitervertretung. Weil die Beteiligten sich nicht darüber einigen konnten, ob die Mitarbeitervertretung bei der Einstellung von Altenpflegeschülern und -schülerinnen mitzubestimmen hat, hat die Mitarbeitervertretung die Schlichtungsstelle des Diakonischen Werkes der ev.-lutherischen Landeskirche Hannover e.V. angerufen. Die Schlichtungsstelle hat ein Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung mit Beschluß vom 8. Juli 1985 verneint.

Die Mitarbeitervertretungsordnung enthält hinsichtlich der Beteiligung der Mitarbeitervertretung in Personalangelegenheiten und der Zuständigkeit der Schlichtungsstelle die folgende Regelung:

"§ 33 Beteiligung in Personalangelegenheiten

(1) Die Mitarbeitervertretung hat im Rahmen der Zuständig-

keit der Einrichtung und der geltenden Vorschriften in

Personalangelegenheiten mitzubestimmen bei

a) Einstellung von Mitarbeitern

...

§ 39 Zuständigkeit der Schlichtungsstelle

(1) Die Schlichtungsstelle entscheidet unbeschadet der

Rechte des einzelnen Mitarbeiters über

...

h) Meinungsverschiedenheiten über Angelegenheiten, die der

Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung unterliegen

(§ 32 Abs. 1, § 33 Abs. 1 und § 34 Ziff. 1)

...

§ 40 Verfahren vor der Schlichtungsstelle

...

(4) Der Beschluß ist zu begründen und den Beteiligten

zuzustellen. Er ist im Verhältnis zwischen Mitarbeiterver-

tretung und Leitung der Einrichtung verbindlich.

..."

In der "Ordnung für die Schlichtungsstelle beim gliedkirchlichen Diakonischen Werk" i.d.F. vom Oktober 1969 ist hinsichtlich der Aufgaben der Schlichtungsstelle, deren Zusammensetzung, der Stellung ihrer Mitglieder und der Verbindlichkeit des Schiedsspruchs folgende Regelung getroffen:

"§ 1

Aufgaben der Schlichtungsstelle

Die Schlichtungsstelle hat die Aufgabe, Meinungsver-

schiedenheiten zu schlichten, die sich

...

b) aus der Zusammenarbeit zwischen der Leitung der Ein-

richtung und dem Mitarbeiterausschuß

ergeben.

§ 3

Die Mitglieder der Schlichtungsstelle

(1) Die Schlichtungsstelle besteht aus dem Vorsitzenden und

zwei Beisitzern. Für den Vorsitzenden soll mindestens ein

Stellvertreter bestellt werden.

(2) Der Vorsitzende und sein Stellvertreter werden vom

leitenden Organ des gliedkirchlichen Diakonischen Werkes

(Landesverband von Innere Mission und Hilfswerk) auf die

Dauer von 3 Jahren berufen.

Der Vorsitzende und sein Stellvertreter sollen möglichst

die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungs-

dienst besitzen und aufgrund ihrer Kenntnis der Verhält-

nisse in der Diakonie für das Amt geeignet sein; sie

dürfen hauptberuflich weder dem gliedkirchlichen

Diakonischen Werk (Landesverband) noch einer der diesem

angeschlossenen Einrichtungen angehören.

(3) Die Beisitzer werden für jeden einzelnen Fall von den

Beteiligten am Schlichtungsverfahren benannt. Die Bei-

sitzer sollen haupt- oder ehrenamtlich in der diakonischen

Arbeit tätig sein.

Bei Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten zwischen der

Leitung einer Einrichtung und dem Mitarbeiterausschuß

(§ 1 Buchst. b) benennt der Mitarbeiterausschuß als Bei-

sitzer ein Mitglied eines Mitarbeiterausschusses aus dem

Bereich des gliedkirchlichen Diakonischen Werkes.

§ 4

Unabhängigkeit, Schweigepflicht

Die Mitglieder der Schlichtungsstelle sind nicht an

Weisungen gebunden und üben ihr Amt nach bestem Wissen

und Gewissen aus. Sie haben über Angelegenheiten und

Tatsachen, die ihnen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur

Schlichtungsstelle bekannt geworden sind, Stillschweigen

zu bewahren.

§ 10

Schiedsspruch

(1) Wird bei Streitigkeiten zwischen der Leitung einer Ein-

richtung und dem Mitarbeiterausschuß in der Verhandlung

vor der Schlichtungsstelle eine Einigung nicht erzielt, so

erläßt die Schlichtungsstelle einen Schiedsspruch.

(2) Der Beschluß ist den Beteiligten zuzustellen; er ist

für sie verbindlich.

..."

Die Mitarbeitervertretung begehrt im Wege des Beschlußverfahrens die Feststellung, daß ihr das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht zusteht. Sie hat die Auffassung vertreten, daß im vorliegenden Fall der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet sei. Eine subsidiäre staatsgerichtliche Spruchkompetenz auch im kirchlichen Selbstordnungsbereich sei zu bejahen, falls die Kirchen insoweit keinen hinreichenden Gerichtsschutz zur Verfügung stellten. Das Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht der Religionsgemeinschaften umfasse zwar außer der Befugnis zur eigenständigen Rechtsetzung im Bereich der eigenen Angelegenheiten auch die Kompetenz zur selbständigen Kontrolle des selbstgesetzten Rechts durch kirchliche Gerichte. Die Kirche sei daher verpflichtet, für kollektivrechtliche Streitigkeiten aus der Anwendung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts einen hinreichenden Gerichtsschutz zu schaffen. Der insoweit vom kirchlichen Gesetzgeber eingeräumte Rechtsschutz sei aber völlig unzureichend. Die kirchliche Schlichtungsstelle nach der Mitarbeitervertretungsordnung habe zwar grundsätzlich eine umfassendere Kompetenz als die Einigungsstelle nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Bei diesen Schlichtungsstellen handele es sich aber nicht um kirchliche Gerichte, die rechtsstaatlichen Anforderungen genügten. Insbesondere bestehe keine sachliche und persönliche Unabhängigkeit der Mitglieder dieses Entscheidungsgremiums. Die subsidiäre Zuständigkeit der staatlichen Gerichte sei daher gegeben. Entsprechend der Regelung des § 2 a ArbGG sei der vorliegende Rechtsstreit aus der Mitarbeitervertretungsordnung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren zu entscheiden. Der Antrag sei auch begründet, weil der Arbeitgeber zu Unrecht ein Mitbestimmungsrecht bei der betreffenden Angelegenheit bestreite.

Die Mitarbeitervertretung hat beantragt

festzustellen, daß die Mitarbeitervertretung

bei der Einstellung von Altenpflegeschülern

und -schülerinnen mitzubestimmen hat.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten sei versperrt, da es sich weder um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit noch um eine Streitigkeit aus dem Individualarbeitsrecht handele. Da nach Art. 140 GG in Verb. mit Art. 137 WRV die Evangelische Kirche und ihr Diakonisches Werk das Recht habe, ihre Angelegenheiten innerhalb der für alle geltenden Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten, komme ihr auch die Kompetenz der alleinigen Rechtskontrolle zu. Es sei auch eine Rechtskontrolle gewährleistet, da bei Streitigkeiten eine unabhängige Schlichtungsstelle entscheide, deren Beschlüsse durch staatliche Gerichte nicht überprüfbar seien. Bei dieser Schlichtungsstelle handele es sich auch nicht um eine der Einigungsstelle des Betriebsverfassungsrechts vergleichbare Einrichtung, da diese anders als die Einigungsstelle nicht nur über Regelungsfragen, sondern auch über Rechtsfragen entscheide. Sie sei als kirchliches Gericht anzusehen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Antrag der Mitarbeitervertretung als unzulässig abgewiesen mit der Begründung, für die Streitigkeit sei der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht eröffnet. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Mitarbeitervertretung ihren Antrag weiter, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B. Die Rechtsbeschwerde der Mitarbeitervertretung ist unbegründet.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, daß für den vorliegenden Rechtsstreit der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht gegeben ist.

1. Im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten ausschließlich um eine Angelegenheit aus dem kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht. Mit ihrem Antrag begehrt die beim Arbeitgeber aufgrund der MV0 errichtete Mitarbeitervertretung die Feststellung, daß sie gemäß § 33 Abs. 1 a MV0 mitzubestimmen habe bei der Einstellung von Altenpflegeschülern in der Altenpflegeschule des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber hat insoweit geltend gemacht, es handele sich nicht um Mitarbeiter im Sinne der MV0, sondern um Schüler. Das vom Arbeitgeber betriebene Krankenhaus nebst der angeschlossenen Schule für Altenpflege ist eine kirchliche Einrichtung, die das Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht nach Art. 140 GG in Verb. mit Art. 137 Abs. 3 WRV für sich in Anspruch nehmen kann. Die Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie kommt nicht nur den verfaßten Kirchen und deren rechtlich selbständigen Teilen zugute, sondern allen der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (vgl. BVerfG Beschluß vom 4. Juni 1985 - BVerfGE 70, 138 = AP Nr. 24 zu Art. 140 GG). Das Krankenhaus ist eine karitative Einrichtung einer evangelischen Landeskirche. Das ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.

2. Der Senat hat im Beschluß vom 11. März 1986 - 1 ABR 26/84 - (BAGE 51, 238 = AP Nr. 25 zu Art. 140 GG) ausgesprochen, daß zur Entscheidung der Rechtsfrage, welche Anforderungen die Religionsgesellschaften an die Wählbarkeit von Arbeitnehmern zu kirchlichen Mitarbeitervertretungen aufstellen dürfen, staatliche Gerichte nicht befugt sind. Er hat offengelassen, ob andere "betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten" zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung vor staatliche Gerichte gebracht werden können (aaO, zu B 4 c der Gründe).

Diese im vorliegenden Fall zu entscheidende Frage ist in Übereinstimmung mit der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der ganz überwiegenden Auffassung im Schrifttum zu verneinen (vgl. Dütz, Anm. zum Beschluß des Senats vom 11. März 1986, AP Nr. 25 zu Art.140 GG, unter 2; Richardi, Anm. zu dem Beschluß des Senats vom 11. März 1986, AR-Blattei, Kirchenbedienstete: Entsch. 32; ders., Arbeitsrecht in der Kirche, S. 194 ff.; Bietmann, Betriebliche Mitbestimmung im kirchlichen Dienst, S. 91 ff.; M. Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Gerichtszweige, 6. Aufl., S. 114; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 118 Rz 60; Fabricius, GK-BetrVG, 2. Bearb., § 118 Rz 793).

a) Für diese Annahme ist es weniger bedeutsam, daß eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung fehlt, die Streitigkeiten aus dem kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht einem bestimmten Gerichtszweig zuweist, da die Zuständigkeitsbestimmungen in § 2 a ArbGG und den Personalvertretungsgesetzen lediglich Spezialvorschriften zu den Generalklauseln in §§ 13 GVG, 40 VwGO sind (vgl. Dütz, Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Band 18, S. 67, 102 f.; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 192 f.). Entscheidend dafür, daß staatliche Gerichte nicht zuständig sind für Streitigkeiten, die ausschließlich die Anwendung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts betreffen, ist auch insoweit die verfassungsrechtliche Sonderstellung der Kirchen aufgrund von Art. 140 GG in Verb. mit Art. 137 WRV. Durch Art. 137 Abs. 3 WRV ist den Kirchen als eigene Angelegenheit gewährleistet, selbst darüber zu bestimmen, "ob und in welcher Weise die Arbeitnehmer und ihre Vertretungsorgane in Angelegenheiten des Betriebs, die ihre Interessen berühren, mitwirken und mitbestimmen" (BVerfGE 46, 73, 94 = AP Nr. 1 zu Art. 140 GG, zu B II 3 der Gründe). Regelungen über die Mitbestimmung gehören zum Organisationsrecht, das der Selbstgestaltungsmacht der Kirchen unterliegt (Richardi, Anm. zu AR-Blattei, Kirchenbedienstete: Entsch. 32, unter III). Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht deshalb angenommen, daß das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht Kirchenrecht ist, zu dessen Erlaß die Kirchen aufgrund eigenständiger Rechtsetzungsmacht im Rahmen der verfassungsmäßigen Gewährleistung ihres Selbstbestimmungsrechts gemäß Art. 140 GG in Verb. mit Art. 137 Abs. 3 WRV befugt sind (Richardi, Anm. zu AR-Blattei, Kirchenbedienstete: Entsch. 6; ders., Arbeitsrecht in der Kirche, S. 190 f.; Christoph, ZevKR, Band 32, 1987, 47, 55, 65; Dütz, Anm. zu BAG AP Nr. 25 zu Art. 140 GG, unter 2 m.w.N.). Anerkanntermaßen umfaßt das Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht der Religionsgemeinschaften nicht nur die Befugnis zur eigenständigen Rechtsetzung und Verwaltung im Bereich der eigenen Angelegenheiten, sondern auch die Kompetenz zur selbständigen Kontrolle des selbstgesetzten Rechts durch kircheneigene Gerichte (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 140 Rz 18; v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 2. Aufl., S.202 f.; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 194; Bietmann, aaO, S. 89). Die Kirchen können deshalb eigene Gerichte für Streitigkeiten aus dem kirchlichen Mitbestimmungsrecht einrichten (Richardi, Anm. zu AR-Blattei, Kirchenbedienstete: Entsch. 6; Dütz, Essener Gespräche, Band 18, S. 103).

b) Für eine staatliche Gerichtsbarkeit in den eigenen Angelegenheiten der Kirche besteht darüber hinaus jedenfalls dann kein Bedürfnis, wenn eine Verletzung staatlichen Rechts durch das Kirchenrecht ausscheidet. Staatliche Gerichte könnten in den eigenen Angelegenheiten der Kirchen nur prüfen, ob das für alle geltende Gesetz verletzt ist (vgl. v. Campenhausen, aa0, S. 209, 215; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 195). Für den Bereich des Mitarbeitervertretungsrechts besteht aber kein schrankenziehendes Gesetz, so daß schon deshalb der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht gegeben ist. Das BetrVG, das die Religionsgesellschaften und ihre Einrichtungen ausdrücklich vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausnimmt, ist kein "für alle geltendes Gesetz" im Sinne von Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV. Es nimmt vielmehr mit diesem Vorbehalt auf das verfassungsrechtlich Gebotene Rücksicht (vgl. BVerfGE 46, 73, 95; Beschluß des Senats vom 11. März 1986, aaO, zu B 4 b der Gründe).

3. Auch eine "subsidiäre" Zuständigkeit der staatlichen Gerichte für die Entscheidung von Streitigkeiten aus dem kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht kommt nicht in Betracht (vgl. zur Annahme einer Subsidiarität der staatlichen Gerichte gegenüber den kirchlichen die allg. kritischen Bemerkungen bei v. Campenhausen, aaO, S. 205 f.). Das Landesarbeitsgericht hat insoweit angenommen, selbst wenn unterstellt werde, daß "öffentliche Gewalt" i.S. von Art. 19 Abs. 4 GG auch kirchliche Gewalt sein könne, sei die Rechtsweggarantie nicht verletzt, da die Schlichtungsstelle nach der Mitarbeitervertretungsordnung ein besonderes kirchliches Gericht sei, das rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genüge. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Mitarbeitervertretung kann im Ergebnis keinen Erfolg haben, auch wenn man berücksichtigt, daß ein "Dilemma" im Bereich der Streitigkeiten aus dem Mitarbeitervertretungsrecht besteht, als die Kirchen insoweit den Rechtsschutz bisher noch nicht in ihr System des Gerichtsschutzes voll integriert haben (vgl. dazu Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 194 ff.).

a) Nach überwiegender Auffassung erfaßt die Rechtsweggarantie des Art.19 Abs. 4 GG ausschließlich Akte der staatlichen öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 55, 207, 230; BVerfG Beschluß vom 12. Februar 1981 - 1 BvR 567/77 - ZevKR, Band 26, 1981, 382, 384; BVerwG Urteil vom 21. November 1980 - 7 C 49.78 - AP Nr. 8 zu Art.140 GG; M. Wolf, aaO, S. 115; a. A. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl., § 6 VI). Aber auch wenn keine Ausübung öffentlicher Gewalt vorliegt, kann sich die Rechtsweggarantie u.U. aus dem Rechtsstaatsgedanken in Verbindung mit dem staatlichen Rechtsprechungsmonopol ergeben (vgl. dazu, soweit es um den Schutz staatlich geschützter Rechtspositionen geht, M. Wolf, aaO, S. 115). Auch im einschlägigen kirchenarbeitsrechtlichen Schrifttum wird gefordert, daß die Organisation der kirchlichen Schlichtungsstellen, die mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten entscheiden, so geregelt sein muß, daß die rechtsstaatlichen Mindestvoraussetzungen an ein Gericht erfüllt sind (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 195; Dütz, Essener Gespräche, Band 18, S. 103 f.; ders., Anm. zu BAG AP Nr. 25 zu Art. 140 GG, unter 2). Auch das Bundesverfassungsgericht hat erwogen, ob entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung (BVerfGE 18, 385, 387 f.; 42, 312, 334) die Kirchen nicht auch dort, wo es primär um ihre eigenen Angelegenheiten geht, "zumindest an einen Kernbestand der vom Grundgesetz normierten Grundprinzipien gebunden" sind (BVerfG Beschluß vom 12. Februar 1981 - 1 BvR 567/77 -, aa0). Zu prüfen bleibt dann allerdings, ob diese Grundprinzipien, die auch einen ausreichenden Rechtsschutz beinhalten, auch gegenüber "Stellen" der innerkirchlichen Verfassung und Ordnung wie hier der Mitarbeitervertretung zur Anwendung kommen müssen oder nicht nur gegenüber den Mitgliedern und Mitarbeitern der Kirchen selbst, die jeweils gleichzeitig Bürger des Staates und damit Träger der vom Grundgesetz dieses Staates gewährten Grundrechte sind und zu deren Gunsten und Schutz auch von den Kirchen die Beachtung eines Kernbestandes von Grundprinzipien verlangt werden muß.

b) Der Senat braucht diese Fragen im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Die in der Mitarbeitervertretungsordnung zur Entscheidung von Mitbestimmungsstreitigkeiten vorgesehene Schlichtungsstelle ist als kirchliches Gericht anzusehen, das rechtsstaatlichen Anforderungen genügt (so für die Schlichtungsstellen nach den Mitarbeitervertretungsordnungen allgemein Dütz, Essener Gespräche, Band 18, S. 105; ders., Anm. zu BAG AP Nr. 25 zu Art. 140 GG, unter 2; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 195; Bietmann, Betriebliche Mitbestimmung im kirchlichen Dienst, S. 89; ders., Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung der katholischen Kirche, Einl. V 2, S. 38 f.).

aa) Die Schlichtungsstelle nach der Mitarbeitervertretungsordnung erfüllt eine Doppelfunktion. Aus den Kompetenzzuweisungen ergibt sich, daß die Schlichtungsstelle sowohl Regelungs- als auch Rechtsstreitigkeiten entscheidet, also schlichtende und rechtsprechende Funktionen ausübt. Sie ist zuständig für Streitigkeiten, die, wäre Betriebsverfassungs- oder Personalvertretungsrecht anwendbar, von den Arbeits- bzw. Verwaltungsgerichten im Beschlußverfahren zu entscheiden wären. Daß die Schlichtungsstelle auch schlichtende Funktionen ausübt, steht ihrer Anerkennung als ordnungsgemäßem Gericht nicht entgegen (Richardi, Anm. zu AR-Blattei, Kirchenbedienstete: Entsch. 6, unter 4; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 190; dies., BPersVG, 2. Aufl., § 112 Rz 27; Dütz, Essener Gespräche, Band 18, S. 104; Bietmann, aaO). Entscheidend ist insoweit, daß die in den Mitarbeitervertretungsordnungen vorgesehenen Schlichtungsstellen aus der Sicht des Staatskirchenrechts auch als besondere kirchliche Gerichte tätig werden (Richardi, aaO).

bb) Auch im übrigen genügt, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, die Schlichtungsstelle nach dem kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht den Mindestanforderungen, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen an ein Gericht zu stellen sind. Nach § 4 der Ordnung für die Schlichtungsstelle beim gliedkirchlichen Diakonischen Werk sind die Mitglieder der Schlichtungsstelle nicht an Weisungen gebunden und üben ihr Amt nach bestem Wissen und Gewissen aus. Nach § 3 aaO werden der Vorsitzende der Schlichtungsstelle und sein Stellvertreter vom leitenden Organ des gliedkirchlichen Diakonischen Werkes auf die Dauer von drei Jahren berufen. Sie sollen möglichst die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzen und dürfen hauptberuflich weder dem gliedkirchlichen Diakonischen Werk noch einer der diesem angeschlossenen Einrichtungen angehören. Das Landesarbeitsgericht hat daraus zu Recht gefolgert, daß damit die wesentlichen Voraussetzungen, nämlich die persönliche und sachliche Unabhängigkeit und die Befähigung zur Rechtsprechung gesichert seien.

c) Mit der Rechtsbeschwerde macht die Mitarbeitervertretung vor allem geltend, daß die Schlichtungsstellen in Einzelheiten in einem nicht unerheblichen Umfang von Anforderungen abwichen, die an staatliche Gerichte gestellt werden müssen. Insbesondere beanstandet sie, daß hinsichtlich des Vorsitzenden die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst als Qualifikation ausreichen kann, und daß die Beisitzer haupt- oder ehrenamtlich in der diakonischen Arbeit tätig sein sollen. Auch in Teilen des Schrifttums werden entsprechende Regelungen in Mitarbeitervertretungsordnungen zumindest für "bedenklich" gehalten (vgl. z.B. Duhnenkamp, Das Mitarbeitervertretungsrecht im Bereich der Evangelischen Kirche, S. 866 ff. und Wolf/Hintz/Bioly/Limbeck/Welkoborsky, Mitarbeitervertretungsgesetz, Kirchengesetz für die Evangelische Kirche im Rheinland und die Diakonischen Einrichtungen, § 37 Anm. 1).

Die von der Mitarbeitervertretung insoweit vorgetragenen Bedenken überzeugen nicht. Die für die staatlichen Gerichte entwickelten Kriterien (vgl. im einzelnen Kissel, GVG, Einl. Rz 142 bis 150) können nicht unbesehen auf kirchliche Gerichte übertragen werden (vgl. dazu Kammerer, Der Schlichtungsausschuß nach dem Mitarbeitervertretungsrecht der Evangelischen Kirchen, BB 1985, 1986, 1991 m.w.N.). Aus rechtsstaatlicher Sicht mögen einige Mängel bestehen. Für den kirchlichen Bereich ist aber wiederum zu berücksichtigen, daß Organisation und Verfahren des Gerichtsschutzes in der eigenen Verantwortung der Kirchen liegen. Entscheidend ist allein, ob die Organisation der kirchlichen Schlichtungsstellen so gestaltet ist, daß die rechtsstaatlichen Mindestvoraussetzungen an ein Gericht erfüllt sind (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 195). Diese Mindestvoraussetzungen sind gegeben. Die Schlichtungsstelle ist institutionell von den übrigen kirchlichen Organen getrennt, ihre Mitglieder sind persönlich und sachlich unabhängig. Daß die Mitglieder der Schlichtungsstelle nur auf drei Jahre berufen werden, ist nicht geeignet, Bedenken gegen ihre sachliche Unabhängigkeit zu begründen.

d) Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, daß aus rechtsstaatlicher Sicht keine Bedenken dagegen bestehen, daß die Schlichtungsstelle als besonderes kirchliches Gericht über eine mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeit entscheidet, ohne daß Rechtsmittelmöglichkeiten bestehen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert nicht einen Instanzenzug (BVerfG in ständiger Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerfGE 48, 300, 325; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 92 Rz 67; Kissel, GVG, § 72 Rz 2).

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Dr. Federlin Dr. Hoffmann

 

Fundstellen

BAGE 00, 00

BAGE, 376

NJW 1989, 2284

NJW 1989, 2284-2285 (LT1)

EzB ArbGG § 2a, Nr 3 (LT1)

JR 1990, 88

JR 1990, 88 (S)

RdA 1989, 378

AP, (LT1)

AR-Blattei, ES 960 Nr 35 (LT1)

AR-Blattei, Kirchenbedienstete Entsch 35 (LT1)

EzA § 611 BGB Kirchliche Arbeitnehmer, Nr 28 (LT1)

KirchE 27, 123-129 (LT)

ZevKR 1989, 456-463 (LT1)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge