Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung in Vergütungsordnung. Eingruppierung. Vergütungsordnung. Gemeinschaftsbetrieb. Betriebsverfassungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

  • Im Gemeinschaftsbetrieb besteht das Mitbestimmungsrecht bei der Eingruppierung nach § 99 BetrVG ausschließlich gegenüber dem Vertragsarbeitgeber des betroffenen Arbeitnehmers.
  • Voraussetzung für die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Eingruppierung ist die Anwendbarkeit einer Vergütungsordnung auf das Arbeitsverhältnis des betroffenen Arbeitnehmers. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil von einem tarifgebundenen auf einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber über, ist der neue Arbeitgeber bei Neueinstellungen nicht bereits wegen des Betriebsübergangs an die tarifliche Vergütungsordnung gebunden. Die Anwendbarkeit der tariflichen Vergütungsordnung auf Neueinstellungen bedarf in diesem Fall vielmehr eines zusätzlichen Geltungsgrundes.
 

Orientierungssatz

  • Adressat des dem Betriebsrat bei der Eingruppierung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zustehenden Mitbestimmungsrechts ist im Gemeinschaftsbetrieb ausschließlich der Vertragsarbeitgeber.
  • Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber die Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG verlangen, wenn der Arbeitgeber an der Eingruppierung eines Arbeitnehmers trotz frist- und ordnungsgemäßer Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats festhält.
  • Unterläßt der Arbeitgeber eine erforderliche Eingruppierung, kann der Betriebsrat in entsprechender Anwendung des § 101 Satz 1 BetrVG vom Arbeitgeber verlangen, daß dieser die Eingruppierung vornimmt, hierzu die Zustimmung des Betriebsrats beantragt und im Falle der Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchführt.
  • Voraussetzung für die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Eingruppierung ist, daß auf das Arbeitsverhältnis des betroffenen Arbeitnehmers überhaupt eine Vergütungsordnung Anwendung findet. Die Vergütungsordnung kann insbesondere auf einem anwendbaren Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglichen Vereinbarungen beruhen oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen sein.
  • Im Falle eines Betriebsübergangs von einem tarifgebundenen auf einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber findet die tarifliche Vergütungsordnung nicht bereits allein auf Grund des Betriebsübergangs auf die Arbeitsverhältnisse vom Betriebsübernehmer neu eingestellter Arbeitnehmer Anwendung. Es bedarf dazu vielmehr eines zusätzlichen Geltungsgrundes.
  • Fehlt es nach dem Betriebsübergang an einer bei Neueinstellungen anwendbaren Vergütungsordnung, kann der Betriebsrat die Einführung einer Vergütungsordnung in Ausübung seines Initiativrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG betreiben.
 

Normenkette

BetrVG § 19 Abs. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 99 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 101 S. 1; BGB § 613a Abs. 1 Sätze 1-2; ArbGG § 10 2. Halbs, § 83 Abs. 3, § 85 Abs. 1 Sätze 1, 3; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 888 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG München (Beschluss vom 20.06.2002; Aktenzeichen 3 TaBV 26/01)

ArbG München (Beschluss vom 20.03.2001; Aktenzeichen 21 BV 157/00)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Juni 2002 – 3 TaBV 26/01 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Eingruppierung einer Arbeitnehmerin.

Antragsteller ist der für die Betriebsstätte K… gebildete Betriebsrat. In dieser Betriebsstätte sind mehrere Unternehmen, darunter auch die Beteiligte zu 2) (Arbeitgeberin) tätig. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Unternehmen über den 31. Dezember 1999 hinaus einen gemeinsamen Betrieb führen.

Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden. Sie übernahm im Jahr 1999 im Wege des Betriebsübergangs – so die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts – insgesamt 16 Arbeitnehmer von der nicht tarifgebundenen R.… GmbH & Co KG sowie der tarifgebundenen Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH. Sowohl die O… GmbH als auch die R.… GmbH & Co. KG hatten auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer unabhängig von deren Gewerkschaftszugehörigkeit die Gehaltstarifverträge für Angestellte der Druckindustrie in Bayern angewandt. Die Arbeitgeberin vermerkte bei den übernommenen Arbeitnehmern in einer Liste “Tarif als Besitzstand gem. § 613a BGB”. Mit den Arbeitnehmern, welche sie seither neu eingestellt hat, vereinbarte sie die Vergütung frei ohne Bezugnahme auf tarifliche Bestimmungen oder ein anderes Vergütungssystem.

Mit Schreiben vom 17. März 2000 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat auf einem Formblatt unter der Überschrift “Unterrichtung des Betriebsrats von Einstellungen” mit, sie beabsichtige Frau C… B… zum 1. Mai 2000 einzustellen und als Bilanzbuchhalterin einzusetzen. In der Zeile “Vorgesehene tarifliche Einstufung” war “AT” eingetragen. Weiter heißt es, wenn der Betriebsrat gegen die beabsichtigte Einstellung Einwendungen habe, möge er die Gründe binnen einer Woche mitteilen. Mit Schreiben vom 24. März 2000 stimmte der Betriebsrat der Einstellung zu, widersprach aber der “vorgesehenen außertariflichen Eingruppierung”. Zur Begründung teilte er ua. mit, die Tätigkeit einer Bilanzbuchhalterin sei im Gehaltstarifvertrag für Angestellte der Druckindustrie in Bayern in der Gehaltsgruppe 5 (Anfangstarifgehalt DM 5.344,--) erfaßt. Die Arbeitgeberin unterrichtete daraufhin den Betriebsrat davon, daß Frau Buzas ein monatliches Bruttogehalt von 6.470,00 DM erhalten werde. Seit dem 2. Mai 2000 ist Frau B… bei der Arbeitgeberin beschäftigt.

Im Frühjahr 2002 wurde der Betriebsrat unter Einbeziehung aller in der Betriebsstätte K… tätigen Unternehmen neu gewählt. Die Wahl wurde von der Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht angefochten, da es sich nicht um einen Gemeinschaftsbetrieb handele. Über die Wahlanfechtung ist noch nicht rechtskräftig entschieden.

Der Betriebsrat hat mit der am 31. Mai 2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin habe Frau Buzas durch die Zuordnung zum Bereich der außertariflichen Angestellten ohne seine Zustimmung und falsch eingruppiert. Der Arbeitgeberin sei daher die Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG aufzugeben. Falls es bereits an einer Eingruppierung fehlen sollte, sei die Arbeitgeberin zu dieser zu verpflichten. Maßgeblich sei trotz fehlender Tarifbindung der Arbeitgeberin die tarifliche Vergütungsordnung für die Angestellten der Druckindustrie in Bayern.

Der Betriebsrat hat beantragt,

der Arbeitgeberin aufzugeben, ihm gegenüber ein Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG hinsichtlich der Eingruppierung der Mitarbeiterin Frau C… B… als Bilanzbuchhalterin durchzuführen,

hilfsweise,

der Arbeitgeberin aufzugeben, die Mitarbeiterin C… B… nach dem Gehaltstarifvertrag Angestellte Druckindustrie unter Wahrung des Beteiligungsrechts nach § 99 BetrVG einzugruppieren.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, sie habe keine Eingruppierung von Frau B… vorgenommen und sei dazu auch nicht verpflichtet. Die Tarifverträge der Druckindustrie seien auf das Arbeitsverhältnis der Frau B… nicht anwendbar.

Das Arbeitsgericht hat den Hauptantrag des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurück- und den im zweiten Rechtszug erstmals gestellten Hilfsantrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat sowohl den Haupt- als auch den Hilfsantrag zu Recht abgewiesen. Der Hauptantrag ist unbegründet, da die Arbeitgeberin keine Eingruppierung von Frau B… vorgenommen hat, an welcher der Betriebsrat zu beteiligen gewesen wäre. Der Hilfsantrag ist unbegründet, da die Arbeitgeberin nicht verpflichtet ist, Frau B… in die Vergütungsordnung des Gehaltstarifvertrags für die Angestellten der Druckindustrie in Bayern einzugruppieren. Dieser Tarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis von Frau B… keine Anwendung.

  • Das Landesarbeitsgericht hat den Hauptantrag des Betriebsrats zu Recht abgewiesen.

    1. Der Antrag ist zulässig.

    a) Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin soll verpflichtet werden, hinsichtlich der Eingruppierung von Frau B… als “AT”-Angestellte ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen, also beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu dieser “Eingruppierung” zu beantragen. Ein diesem Antrag entsprechender Tenor wäre erforderlichenfalls gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1, 3 ArbGG iVm. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch Zwangsgeld zu vollstrecken.

    b) Der Betriebsrat ist gemäß § 10 2. Halbsatz ArbGG beteiligtenfähig. Die Anfechtung seiner Wahl steht dem nicht entgegen. Die erfolgreiche Anfechtung einer Betriebsratswahl nach § 19 Abs. 1 BetrVG wirkt nur für die Zukunft (vgl. etwa BAG 13. September 1991 – 7 ABR 5/90 – BAGE 67, 316 = AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 20 = EzA BetrVG 1972 § 19 Nr. 29). Zuvor ist der Betriebsrat mit allen Rechten und Pflichten im Amt. Etwas anderes gilt nur im Falle der Nichtigkeit der Wahl. Diese ist aber nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, daß auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht vorliegt (vgl. etwa BAG 22. März 2000 – 7 ABR 34/98 – BAGE 94, 144, 147 = AP AÜG § 14 Nr. 8 = EzA AÜG § 14 Nr. 4, zu B I 2a der Gründe). Ein derartiger Ausnahmefall liegt nicht vor. Der Senat mußte auch nicht der Frage nachgehen, ob die bei Einleitung des Verfahrens unstreitig gegebene Beteiligtenfähigkeit des Betriebsrats vorübergehend – etwa wegen einer Betriebsaufspaltung – entfallen war. Ein etwaiger derartiger Mangel wäre geheilt, weil der im Frühjahr 2002 gewählte Betriebsrat als Funktionsnachfolger die gesamte bisherige Prozeßführung des Betriebsrats zumindest konkludent genehmigt hat (vgl. zur Heilung des Mangels der Parteifähigkeit durch Genehmigung in der Revisionsinstanz BGH 17. Oktober 1968 – VII ZR 23/68 – BGHZ 51, 27; Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 50 Rn. 5).

    c) Der Betriebsrat ist antragsbefugt. Er reklamiert ein ihm nach seiner Auffassung zustehendes Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

    d) Neben der (Vertrags-) Arbeitgeberin von Frau B… sind nach § 83 Abs. 3 ArbGG keine weiteren Personen oder Stellen zu beteiligen.

    aa) Dies gilt zum einen für die von der personellen Maßnahme betroffene Frau B… selbst (vgl. BAG 17. Mai 1983 – 1 ABR 5/80 – BAGE 42, 386, 389 f. = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 36, zu B I der Gründe). Im Falle einer Eingruppierung wird die individualrechtliche Rechtsposition des betroffenen Arbeitnehmers nicht berührt. Dieser wird durch die Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht gehindert, im Urteilsverfahren die Richtigkeit der Eingruppierung überprüfen zu lassen (BAG 17. Mai 1983 – 1 ABR 5/80 – aaO).

    bb) Auch die übrigen in der Betriebsstätte K… tätigen, an dem etwaigen Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen sind am Verfahren nicht zu beteiligen. Sie sind in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung nicht betroffen. Die Eingruppierung betrifft ausschließlich die vom Vertragsarbeitgeber geschuldete Leistung. Nur dieser kann und muß ggf. seine in der Eingruppierung liegende Beurteilung korrigieren. Die anderen am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmer können dies mangels arbeitsvertraglicher Beziehungen zu dem Arbeitnehmer nicht. Daher ist im Gemeinschaftsbetrieb allein der Vertragsarbeitgeber Adressat des dem Betriebsrat bei der Eingruppierung zustehenden Mitbestimmungsrechts (Wißmann NZA 2001, 409, 411).

    2. Der Antrag ist unbegründet. Allerdings kann dem Arbeitgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auf Antrag des Betriebsrats gemäß § 101 Satz 1 BetrVG die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG aufgegeben werden, wenn er trotz frist- und ordnungsgemäßer Zustimmungsverweigerung einen Arbeitnehmer eingruppiert hat (vgl. etwa 22. März 1983 – 1 ABR 49/81 – BAGE 42, 121, 126 f. = AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 6 = EzA BetrVG 1972 § 101 Nr. 5, zu B II der Gründe; 31. Oktober 1995 – 1 ABR 5/95 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 131, zu B I 2b der Gründe). Dies setzt aber voraus, daß der Arbeitgeber überhaupt eine Eingruppierung vorgenommen hat. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, fehlt es hieran im Streitfall.

    a) Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer in einer Vergütungsordnung festgelegten Lohn- oder Gehaltsgruppe, die meist durch bestimmte Tätigkeitsmerkmale sowie bisweilen auch durch Merkmale wie Lebensalter oder die Zeit der Berufstätigkeit beschrieben ist (vgl. BAG 31. Oktober 1995 – 1 ABR 5/95 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 131, zu B I 1 der Gründe; Kraft GK-BetrVG 7. Aufl. § 99 Rn. 38 mwN). Sie ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kein konstitutiver Akt, sondern ein Akt der Rechtsanwendung verbunden mit der Kundgabe einer Rechtsansicht (vgl. etwa BAG 18. Juni 1991 – 1 ABR 53/90 – BAGE 68, 104, 108 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 105 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 100, zu B II 1 der Gründe mwN; 12. August 1997 – 1 ABR 13/97 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 99 Umgruppierung Nr. 1, zu B II 1 der Gründe; 12. Dezember 2000 – 1 ABR 23/00 – EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20, zu B I der Gründe). Eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung kann auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber auf Grund einer Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, daß der Arbeitnehmer nicht in eine der Gehaltsgruppen der maßgeblichen Vergütungsordnung einzugruppieren ist, weil die vorgesehene Tätigkeit höherwertige Qualifikationsmerkmale als die höchste Vergütungsgruppe aufweist. Die Richtigkeit dieser Beurteilung unterliegt ebenfalls dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (BAG 31. Oktober 1995 – 1 ABR 5/95 – aaO, zu B I 2a der Gründe).

    b) Hier hat die Arbeitgeberin keine Eingruppierung von Frau B… vorgenommen. Das Schreiben der Arbeitgeberin vom 17. März 2000 stellte keine Ankündigung einer Eingruppierung dar. Wie sich aus den Gesamtumständen ergibt, wollte die Arbeitgeberin mit dem Vermerk “AT” vielmehr zum Ausdruck bringen, daß sie sich an eine tarifliche Vergütungsordnung bei der neu einzustellenden Frau B… nicht gebunden fühlt und eine Eingruppierung gerade nicht vornehmen will. Bereits nach seiner Überschrift betraf das Schreiben nur die Unterrichtung des Betriebsrats über eine Einstellung. Eine Stellungnahme zu einer Eingruppierung wurde vom Betriebsrat dagegen nicht erbeten. Vielmehr wurde dieser nur aufgefordert, etwaige Einwendungen gegen die beabsichtigte Einstellung mitzuteilen. Auch die Eintragung “AT” in der Zeile “vorgesehene tarifliche Einstufung” betraf nicht die Eingruppierung. Insbesondere kam darin nicht etwa zum Ausdruck, die Arbeitgeberin habe eine Eingruppierung in die tarifliche Vergütungsordnung der Druckindustrie in Bayern geprüft und sei zu dem Ergebnis gelangt, daß die Tätigkeit von Frau B… noch über derjenigen der obersten tariflichen Gehaltsgruppe liege. Die Tätigkeit einer Bilanzbuchhalterin weist offensichtlich keine höherwertigen Qualifikationsmerkmale als die höchste Vergütungsgruppe des Gehaltstarifvertrags für Angestellte in der Druckindustrie in Bayern auf. Dies hat auch der Betriebsrat ohne weiteres erkannt. Er hat dementsprechend in seinem Schreiben vom 24. März 2000 darauf hingewiesen, die Tätigkeit einer Bilanzbuchhalterin werde vom Gehaltstarifvertrag für Angestellte in der Druckindustrie in Bayern in dessen Gehaltsgruppe 5 – von insgesamt sechs Gehaltsgruppen – ausdrücklich erfaßt.

  • Der Hilfsantrag ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, ebenfalls unbegründet.

    1. Der Antrag ist zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob der Betriebsrat die Vergütungsordnung angeben muß, in welche die Eingruppierung erfolgen soll. Im Streitfall hat dies der Betriebsrat getan, indem er als die maßgebliche Vergütungsordnung ausdrücklich den Gehaltstarifvertrag für Angestellte der Druckindustrie in Bayern genannt hat. Eine Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Eingruppierung von Frau Buzas in ein etwa maßgebliches anderes Vergütungssystem ist daher nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Angabe der vom Betriebsrat für richtig gehaltenen Vergütungsgruppe ist weder erforderlich noch sachdienlich (BAG 12. Dezember 2000 – 1 ABR 23/00 – EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20, zu B I der Gründe). Vielmehr soll zunächst die Arbeitgeberin die erforderliche Beurteilung vornehmen und sodann die Mitbeurteilung des Betriebsrats herbeiführen. Durch die Formulierung “unter Wahrung der Beteiligungsrechte nach § 99 BetrVG” wird im Antrag hinreichend zum Ausdruck gebracht, daß der Arbeitgeberin aufgegeben werden soll, die Zustimmung des Betriebsrats zu der – von der Arbeitgeberin für richtig gehaltenen – Eingruppierung einzuholen, und sie im Falle der Zustimmungsverweigerung zur Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens verpflichtet werden soll (vgl. BAG 12. Dezember 2000 – 1 ABR 23/00 – aaO, zu B I der Gründe mwN).

    2. Der Antrag ist unbegründet.

    a) Allerdings kann der Betriebsrat nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dann, wenn der Arbeitgeber eine Eingruppierung des Arbeitnehmers in die für ihn geltende Vergütungsordnung unterläßt, zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts entsprechend § 101 Satz 1 BetrVG verlangen, dem Arbeitgeber die Eingruppierung in die Entgeltgruppenordnung aufzugeben und ihn zur Einholung der Zustimmung des Betriebsrats sowie bei Zustimmungsverweigerung zur Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens zu verpflichten (vgl. etwa 12. Dezember 2000 – 1 ABR 23/00 – EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20, zu B I der Gründe mzN). Voraussetzung ist aber, daß für den Arbeitnehmer die Vergütungsgruppenordnung überhaupt gilt (vgl. BAG 12. Dezember 2000 – 1 ABR 23/00 – aaO). Dabei ist unerheblich, woraus sich die Geltung der Vergütungsordnung ergibt. Sie kann insbesondere in einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag enthalten sein, auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb allgemein zur Geltung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen sein (BAG 12. Dezember 2000 – 1 ABR 23/00 – aaO, zu B I der Gründe). Das Arbeitsverhältnis des von der personellen Einzelmaßnahme betroffenen Arbeitnehmers muß daher, um die betriebsverfassungsrechtliche Pflicht des Arbeitgebers zur Eingruppierung und das hiermit verbundene Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auszulösen, der Vergütungsordnung unterfallen.

    b) Im Streitfall ist das Vergütungssystem für die Angestellten der Druckindustrie in Bayern, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, auf das Arbeitsverhältnis von Frau B… nicht anwendbar.

    aa) Die Tarifverträge für die Angestellten der Druckindustrie in Bayern finden nicht kraft Tarifbindung Anwendung. Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden. Die Tarifbindung der O… GmbH, bei der ein Teil der von der Arbeitgeberin übernommenen 16 Arbeitnehmer beschäftigt war, wirkt nicht fort. Es fehlt an der hierfür erforderlichen (Personen-) Identität der Arbeitgeber (vgl. BAG 12. Dezember 2000 – 1 ABR 23/00 – EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20, zu B II 1 der Gründe). Eine Verpflichtung der Arbeitgeberin, den von der R.… GmbH & Co. KG und der O… GmbH angewandten Gehaltstarifvertrag auch auf neu einzustellende Arbeitnehmer anzuwenden, wurde durch einen möglichen Betriebs(teil-)übergang nicht begründet. Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB wirken die Bestimmungen eines beim vormaligen Betriebsinhaber geltenden Tarifvertrags nicht normativ fort (vgl. etwa BAG 13. September 1994 – 3 AZR 148/94 – BAGE 77, 353, 360 = AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 11 = EzA BGB § 613a Nr. 15, zu 3b bb der Gründe). Die durch Tarifvertrag geregelten Rechte und Pflichten werden vielmehr Inhalt der einzelnen Arbeitsverhältnisse zwischen den übernommenen Arbeitnehmern und dem neuen Betriebsinhaber. Damit endet die kollektivrechtliche Geltung des Tarifvertrags. Der nicht tarifgebundene Betriebserwerber ist jedenfalls kollektivrechtlich nicht verpflichtet, den Tarifvertrag auch gegenüber neu eingestellten Arbeitnehmern anzuwenden.

    bb) Eine Betriebsvereinbarung, wonach die Gehaltstarifverträge für die Angestellten der Druckindustrie in Bayern ungeachtet der Tarifbindung im (Gemeinschafts-) Betrieb oder in Teilen desselben Anwendung finden sollen, gab und gibt es nicht.

    cc) Auf einzelvertraglicher Grundlage besteht ebenfalls keine Verpflichtung der Arbeitgeberin, die Mitarbeiterin B… in den Gehaltstarifvertrag einzugruppieren.

    Die Arbeitgeberin hat sich nicht zur Anwendung des Tarifvertrags verpflichtet, sondern den Arbeitsvertrag gerade ohne jegliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag oder andere kollektive Regelungen geschlossen.

    Die Tarifverträge finden auch nicht etwa auf Grund betrieblicher Übung auf die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern Anwendung, welche die Arbeitgeberin neu einstellt. Als betriebliche Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers angesehen, aus der die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (vgl. etwa BAG 19. November 1996 – 9 AZR 640/95 – AP BGB § 613a Nr. 153 = EzA BGB § 613a Nr. 147, zu I 3b aa der Gründe). Eine derartige Verhaltensweise der Arbeitgeberin ist im Streitfall nicht ersichtlich (vgl. auch BAG 12. Dezember 2000 – 1 ABR 23/00 – EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 20, zu B II 3b der Gründe).

    dd) Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz führt nicht dazu, daß das Arbeitsverhältnis von Frau B… der Vergütungsordnung des Gehaltstarifvertrags für Angestellte der Druckindustrie in Bayern unterfiele. Der Gleichbehandlungsgrundsatz bindet zwar den Arbeitgeber innerhalb einer von ihm gesetzten Vergütungsordnung (vgl. BAG 19. August 1992 – 5 AZR 513/91 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 102 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 52, zu II 3a der Gründe; 30. September 1998 – 4 AZR 547/97 – BAGE 90, 30, 35 = AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 159, zu I 1.2 der Gründe). Er verpflichtet aber einen Betriebserwerber nicht, auf neu eingestellte Arbeitnehmer eine Vergütungsordnung anzuwenden, die bei den übernommenen Arbeitnehmern nur noch gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB individualrechtlich nachwirkt. Er kann vielmehr mit den neu eingestellten Arbeitnehmern auf Grund seiner Vertragsfreiheit grundsätzlich die Vergütung frei vereinbaren oder mit der nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erforderlichen Zustimmung des Betriebsrats eine neue Vergütungsordnung einführen. Im Übrigen lag die mit Frau B… einzelvertraglich vereinbarte Vergütung deutlich über dem tarifvertraglich einschlägigen Entgelt.

    ee) Die Erwägungen des Senats im Urteil vom 11. Juni 2002 (– 1 AZR 390/01 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 113 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 76, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen)gebieten kein anderes Ergebnis. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Arbeitgeberin die tarifliche Vergütungsordnung selbst angewandt und wollte sie, nachdem die Tarifbindung auf Grund der Kündigung des Tarifvertrags entfallen war, für neu einzustellende Arbeitnehmer ohne die hierzu erforderliche Zustimmung des Betriebsrats durch eine andere Vergütungsordnung ablösen. Dies konnte sie nicht. Vielmehr verletzte sie hierdurch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Demgegenüber ist im Streitfall eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht erkennbar. Die (Vertrags-) Arbeitgeberin hat selbst kein Vergütungssystem praktiziert, sondern ist lediglich gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB gegenüber einem Teil ihrer jetzigen Belegschaft individualrechtlich in Rechte und Pflichten eingetreten. Sie hat auch nicht versucht, ein Vergütungssystem ohne Beteiligung des Betriebsrats zu ändern.

    ff) Die Verneinung des vom Betriebsrat beanspruchten Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG bedeutet nicht, daß seine Mitbestimmung bei der Lohngestaltung ausgeschlossen wäre. Vielmehr ist es dem Betriebsrat unbenommen, sein Initiativrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG geltend zu machen und notfalls über die Einigungsstelle die Einführung eines Vergütungssystems zu erzwingen.

 

Unterschriften

Wißmann, Kreft, Linsenmaier, Brunner, Federlin

 

Fundstellen

Haufe-Index 1063474

BAGE 2005, 338

BB 2003, 2692

BB 2004, 500

DB 2004, 550

BuW 2004, 174

ARST 2004, 138

ARST 2004, 193

EWiR 2004, 155

FA 2004, 86

NZA 2004, 800

ZTR 2004, 385

AP, 0

EzA-SD 2003, 13

EzA

ArbRB 2004, 14

BAGReport 2004, 19

SPA 2004, 5

UM 2004, 6

www.judicialis.de 2003

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