Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigung und Einstellung des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs 2 BetrVG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erklärt der Arbeitgeber im Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates nach § 103 Abs 2 BetrVG die Hauptsache für erledigt, nachdem der Betriebsrat die zunächst verweigerte Zustimmung später erteilt hat, während der beteiligte Funktionsträger (hier Mitglied der Gesamtschwerbehindertenvertretung), dessen Kündigung beabsichtigt ist, der Erledigung widerspricht, dann ist vom Gericht aufgrund einer Anhörung der Beteiligten nur darüber zu entscheiden, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist (im Anschluß an BAG Beschluß vom 26. April 1990 - 1 ABR 79/89 - BAGE 65, 105 = AP Nr 3 zu § 83a ArbGG 1979).

2. Das Beschlußverfahren nach § 103 Abs 2 BetrVG wird durch die nachträgliche Erteilung der Zustimmung durch den Betriebsrat erledigt (Bestätigung des Senatsurteils vom 17. September 1981 - 2 AZR 402/79 - BAGE 37, 44 = AP Nr 14 zu § 103 BetrVG 1972 und des Senatsbeschlusses vom 10. Dezember 1992 - 2 ABR 32/92 - EzA § 103 BetrVG 1972 Nr 33).

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 01.07.1992; Aktenzeichen 3 TaBV 30/92)

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 11.12.1991; Aktenzeichen 4 BV 74/91)

 

Gründe

A. Die Antragstellerin, die Berufsfortbildungswerk Gemeinnützige Bildungseinrichtung des Deutschen Gewerkschaftsbundes GmbH (im folgenden: Arbeitgeber), betreibt mehrere Einrichtungen und führt Maßnahmen der Berufsbildung, vornehmlich von Arbeitnehmern durch. Die 17 Einrichtungen sind selbständige Betriebe, die jeweils einen Betriebsrat gewählt haben, außerdem besteht ein Gesamtbetriebsrat. Antragsgegner des vorliegenden Verfahrens ist der Betriebsrat der Sondereinrichtung Berufsförderungswerk G in G (im folgenden: Betriebsrat). Die rechtlich unselbständige Sondereinrichtung Berufsförderungswerk G betreibt mit ca. 150 Arbeitnehmern in G eine Ganztagsschule, in der etwa 800 Schüler in Kursen von jeweils 24 Monaten umgeschult werden. Die Umschüler werden der Schule durch das Arbeitsamt zugewiesen, das auch Mitträger der Einrichtung ist und die Personalkosten der Schule zahlt. Von den Umschülern werden keine Gebühren für die Umschulungsmaßnahmen erhoben. Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen Kündigung des Gesamtschwerbehindertenvertreters Herrn L .

Der am 1. November 1941 geborene Beteiligte L , der verheiratet ist und ein unterhaltsberechtigtes Kind hat, ist bei dem Arbeitgeber seit 1. März 1974 als Sozialarbeiter tätig, seit 1. Juli 1979 wird er im Berufsförderungswerk G gegen ein Gehalt von zuletzt 5.500,00 DM monatlich beschäftigt. Seine Aufgabe besteht im wesentlichen in der Betreuung und Beratung der Umschüler. Der Beteiligte L , der selbst nicht schwerbehindert ist, war bis 26. November 1990 Vertrauensmann der Schwerbehinderten der Schule G und ist ab diesem Zeitpunkt Stellvertreter des Vertrauensmannes. Außerdem ist er Gesamtschwerbehindertenvertreter für das Unternehmen des Arbeitgebers.

Am 22. Oktober 1991 wurde der Beteiligte L in der Schule durch Beamte des Landeskriminalamtes NW wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit festgenommen. Ihm wird zur Last gelegt, er habe sich 1966 gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR zur geheimdienstlichen Mitarbeit verpflichtet und habe dann bei regelmäßigen Treffs im Abstand von vier bis sechs Monaten jahrelang Berichte, Tonbandkassetten und Dokumente, die ein anderer Agent beschafft habe, übernommen und in Verstecken in Interzonenzügen nach Berlin deponiert. Bei seiner ersten Vernehmung räumte der Beteiligte L eine geheimdienstliche Agententätigkeit ein. Der am 23. Oktober 1991 erlassene Haftbefehl des Ermittlungsrichters ist unter Auflagen ausgesetzt worden, und es liegt inzwischen auch eine Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom 5. Oktober 1992 gegen den Beteiligten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit vor. Am 29. Oktober 1991 wurde Herr L von dem Arbeitgeber von seinen dienstlichen Pflichten suspendiert und übt seither keinerlei Dienst- oder Amtstätigkeit als Gesamtschwerbehindertenvertreter für den Arbeitgeber mehr aus.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 1991 bat den Arbeitgeber den Betriebsrat um Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Herrn L . Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung im wesentlichen mit der Begründung, erst die gerichtliche Nachprüfung könne die Schwere einer möglichen Verfehlung des Beteiligten erweisen.

Der Arbeitgeber hat sich auf den Tendenzcharakter des Berufsfortbildungswerks berufen und geltend gemacht, die über 23jährige Agententätigkeit des Klägers für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR sei geeignet gewesen, die erforderliche Vertrauensgrundlage zu zerstören, das Berufsfortbildungswerk werde als gemeinnützige Bildungseinrichtung des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf einem Gebiet tätig, das zu den unmittelbaren satzungsgemäßen gewerkschaftspolitischen Aufgaben zähle. Nach Ziff. 8 seines Arbeitsvertrages sei Herr L verpflichtet gewesen, alle Handlungen zu unterlassen, die mit der erklärten politischen Grund- und Zielvorstellung des Deutschen Gewerkschaftsbundes nicht zu vereinbaren seien. Da der DGB als die das Berufsfortbildungswerk gesellschaftsrechtlich und politisch tragende gewerkschaftliche Dachorganisation sich in seiner Satzung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekannt habe, würde eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten L nach dem Bekanntwerden seiner geheimdienstlichen Tätigkeit das Ansehen des Berufsfortbildungswerks in der Öffentlichkeit schädigen und sei auch wegen der Abhängigkeit des Berufsfortbildungswerks von der Auftragsvergabe der Bundesanstalt für Arbeit nicht zumutbar.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsich-

tigten außerordentlichen Kündigung des Gesamt-

schwerbehindertenvertreters Bernd L zu erset-

zen.

Der Betriebsrat und der Gesamtschwerbehindertenvertreter haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte L hat die Ansicht vertreten, da sein strafbares Verhalten ausschließlich in der Weiterleitung von Berichten eines anderen Täters gelegen habe, sei eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt. Daß er überhaupt in geheimdienstliche Tätigkeiten verstrickt worden sei, erkläre sich daraus, daß ihm anfänglich Sinn und Bedeutung der aus dem damaligen Interesse an der Entwicklung der DDR geführten Gespräche mit DDR-Gesprächspartnern nicht klar geworden seien und ihm später eine Loslösung nicht gelungen sei. Geld habe er für seine Kuriertätigkeit nicht bezogen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben dem Antrag des Arbeitgebers stattgegeben und die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Beteiligten L ersetzt. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, der Arbeitgeber betreibe mit der Schule einen Tendenzbetrieb, Herr L sei Tendenzträger und habe durch seine jahrelange Geheimdiensttätigkeit während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung gesetzt, weil ein Tendenzträger auch außerhalb seiner Arbeitsleistung der Zielsetzung seines Arbeitgebers nicht entgegenarbeiten dürfe. Auch in Tendenzbetrieben sei § 103 Abs. 1 BetrVG anwendbar.

Gegen diese Entscheidung hat der Betriebsrat die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, inzwischen aber wieder zurückgenommen. Der Beteiligte L hat die für ihn ebenfalls zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt und verfolgt mit ihr seinen Antrag auf Zurückweisung des Ersetzungsantrags weiter.

Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Betriebsrat mit Beschluß vom 24. Februar 1993 nachträglich die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten L erteilt. Der Arbeitgeber hat daraufhin erklärt, das anhängige Zustimmungsersetzungsverfahren sei gegenstandslos geworden und deshalb einzustellen.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Rechtsstreit für erledigt zu erklären, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Mit Rücksicht auf die Erklärung des Arbeitgebers hat der Senat die übrigen Beteiligten aufgefordert, binnen zwei Wochen mitzuteilen, ob sie der Erledigung zustimmen (§ 83 a Abs. 3 ArbGG). Der Beteiligte L hat der Erledigung widersprochen, der Betriebsrat hat keine Stellungnahme abgegeben.

B. Das Verfahren war einzustellen, nachdem der Betriebsrat seine Rechtsbeschwerde zurückgenommen hat und der Arbeitgeber die Hauptsache für erledigt erklärt hat. Damit werden die Entscheidungen der Vorinstanzen gegenstandslos.

I. Die vom Betriebsrat eingelegte Rechtsbeschwerde ist ordnungsgemäß zurückgenommen worden. Nach § 94 Abs. 3 Satz 1 ArbGG kann die Rechtsbeschwerde jederzeit in der für ihre Einlegung vorgeschriebenen Form zurückgenommen werden. Dies führt dazu, daß das Verfahren einzustellen ist. Haben mehrere Beteiligte Rechtsbeschwerde eingelegt, so ist allerdings das Verfahren nach § 94 Abs. 3 Satz 2 ArbGG nur hinsichtlich der zurückgenommenen Rechtsbeschwerde einzustellen. Der Rechtsbeschwerdeführer, der seine Rechtsbeschwerde zurückgenommen hat, bleibt Beteiligter des Verfahrens hinsichtlich der anhängig gebliebenen Rechtsbeschwerden, sofern er durch die darin ergehende Entscheidung in seiner betriebsverfassungs- oder personalvertretungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen werden kann (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 94 Rz 30). Ist der betroffene Arbeitnehmer evtl. sogar trotz der nachträglich erteilten Zustimmung des Betriebsrats rechtlich in der Lage, das Beschlußverfahren über den Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers fortzusetzen, so geht es in diesem Beschlußverfahren nach wie vor um das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei der vom Arbeitgeber beabsichtigten außerordentlichen Kündigung. Durch eine in dem fortgeführten Beschlußverfahren ergehende Entscheidung etwa mit dem Inhalt, daß der Betriebsrat zu Unrecht seine Zustimmung verweigert hat, kann der Betriebsrat in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen werden. Er ist deshalb an dem durch den Arbeitnehmer fortgeführten Verfahren weiterhin zu beteiligen. Hier hat allerdings der Betriebsrat nach Rücknahme seiner Beschwerde keine Stellungnahme mehr abgegeben.

II. Auch hinsichtlich der vom Beteiligten L eingelegten Rechtsbeschwerde ist das Verfahren einzustellen.

1. Gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels bestehen keine Bedenken. Der Beteiligte L war insbesondere zur Einlegung der Rechtsbeschwerde befugt.

Nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 103 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist der betroffene Arbeitnehmer, dessen außerordentliche Kündigung beabsichtigt ist, im Zustimmungsersetzungsverfahren Beteiligter. Wird dem Ersetzungsantrag stattgegeben, so ist er durch diese Entscheidung beschwert und kann deshalb hiergegen nach § 87 Abs. 1 ArbGG Beschwerde und, sofern das Landesarbeitsgericht die Entscheidung getroffen hat, unter den Voraussetzungen der §§ 92, 92 a ArbGG Rechtsbeschwerde auch dann einlegen, wenn der Betriebsrat kein Rechtsmittel eingelegt hat (allgemeine Meinung; vgl. insbesondere Senatsbeschluß vom 10. Dezember 1992 - 2 ABR 32/92 - EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 33; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 103 Rz 70; KR-Etzel, 3. Aufl., § 103 BetrVG Rz 128; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 103 Rz 27 b; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 103 Rz 28; Hess/ Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 103 Rz 47; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 103 Rz 43; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 103 Rz 12).

2. Eine Einstellung von Amts wegen kommt nicht ernsthaft in Betracht. Zwar wird in der Literatur teilweise etwas unscharf formuliert, durch die nachträgliche Erteilung der Zustimmung durch den Betriebsrat werde ein bereits eingeleitetes Beschlußverfahren über die Ersetzung der Zustimmung "gegenstandslos" und der Arbeitgeber könne nunmehr unverzüglich kündigen (Fitting/Auffarth/ Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 103 Rz 23; KR-Etzel, 3. Aufl., § 103 BetrVG Rz 99). Dies kann aber nicht bedeuten, daß das Gericht von Amts wegen das Beschlußverfahren für "gegenstandslos" erklären kann. Ein Beschlußverfahren kann von Amts wegen nicht für erledigt erklärt werden, es kommt nur eine Einstellung des Verfahrens z.B. nach einer Erledigungserklärung der Beteiligten bzw. einer Rücknahme in Betracht (a.A. für das frühere Recht BAGE 22, 289 = AP Nr. 2 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit mit der Begründung, im Beschlußverfahren bestehe für die Beteiligten keine Möglichkeit, das Verfahren für erledigt zu erklären). Der Fall, daß während eines Zustimmungsersetzungsverfahrens die Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung wegfällt, weil der Arbeitnehmer nicht mehr zu dem geschützten Personenkreis gehört oder weil der Betriebsrat nachträglich der Kündigung zustimmt, ist nach den Regeln über die Erledigung des Verfahrens (§ 83 a Abs. 2 und 3 ArbGG), die nach § 95 Satz 4 ArbGG auch im Rechtsbeschwerdeverfahren gelten, zu lösen (BAGE 37, 44 = AP Nr. 14 zu § 103 BetrVG 1972; BAGE 30, 320 = AP Nr. 4 zu § 15 KSchG 1969; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 103 Rz 38; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 103 Rz 20; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 103 Rz 27 b).

3. Eine übereinstimmende Erledigungserklärung aller drei Beteiligten liegt nicht vor.

a) Der Arbeitgeber hat das Verfahren für erledigt erklärt. Er hat angezeigt, für seinen Zustimmungsersetzungsantrag sei durch die nachträgliche Erteilung der Zustimmung des Betriebsrats zumindest das Rechtsschutzinteresse weggefallen und das Verfahren sei aus seiner Sicht nunmehr gegenstandslos geworden und einzustellen.

b) Nach § 83 a Abs. 3 Satz 1 ArbGG sind die übrigen Beteiligten aufgefordert worden, binnen zwei Wochen mitzuteilen, ob sie der Erledigung zustimmen. Da sich der Betriebsrat in der gesetzten Frist nicht geäußert hat, wird nach § 83 a Abs. 2 Satz 2 ArbGG seine Zustimmung fingiert. Der Beteiligte L hat jedoch der Erledigung widersprochen.

c) Stimmt lediglich der Betriebsrat der Erledigung zu, während der betroffene Arbeitnehmer der Erledigung widerspricht, so wird unterschiedlich beurteilt, ob nicht das Verfahren trotzdem aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärung nach § 83 a Abs. 2 ArbGG einzustellen ist. In der Literatur ist die Ansicht weit verbreitet, Arbeitgeber und Betriebsrat seien Herr des Verfahrens und könnten auch gegen den Willen des beteiligten Arbeitnehmers das Beschlußverfahren in derartigen Fällen übereinstimmend für erledigt erklären (Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 103 Rz 48; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 103 Rz 28 a; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 103 Rz 27 b). Das Ziel dieser im Vordringen begriffenen Ansicht ist klar: Es soll dem Arbeitnehmer, nachdem zwischen den Betriebspartnern die Frage der Zustimmungsersetzung durch die nachträglich erteilte Zustimmung gegenstandslos geworden ist, verwehrt werden, gleichwohl im "Alleingang" im wesentlichen dieselben Fragen vorab in einem Beschlußverfahren klären zu lassen, die Gegenstand des Kündigungsschutzverfahrens sind, das wie im vorliegenden Fall regelmäßig schon anhängig sein wird, weil der Arbeitgeber gezwungen war, nach der erteilten Zustimmung unverzüglich die Kündigung auszusprechen. Nach prozessualen Grundsätzen ist diese Lösung nicht ganz unbedenklich. Matthes (Germel mann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 83 a Rz 22) wendet ein, wenn der Gesetzgeber systemwidrig das zu kündigende Mitglied des Betriebsrats etc. zum Beteiligten des Zustimmungsersetzungsverfahrens mache und alle Beteiligten unterschiedslos gleiche Rechte hätten, müsse man das Ergebnis hinnehmen, daß der zu kündigende Arbeitnehmer der Erledigungserklärung des Arbeitgebers widersprechen könne. Grunsky (ArbGG, 6. Aufl., § 83 a Rz 5) grenzt danach ab, daß neben dem Antragsteller und dem Antragsgegner wenigstens die Beteiligten der Erledigung zustimmen müssen, die ihrerseits einen Antrag gestellt haben oder gegen die sich ein Antrag richtet. Hier hat der Beteiligte L zwar erstinstanzlich nur Zurückweisung des Antrags auf Zustimmungsersetzung beantragt, er hat aber zulässigerweise Rechtsbeschwerde eingelegt und seine Rechtsbeschwerde ist die einzige, über die nach Zurücknahme der anderen Rechtsbeschwerde noch zu entscheiden ist. Es kann aber letztlich dahinstehen, ob auch der Beteiligte L der Erledigungserklärung der anderen Beteiligten zustimmen muß, weil jedenfalls aufgrund der Erledigungserklärung des Arbeitgebers und der fingierten Zustimmung des Betriebsrats das Verfahren einzustellen ist.

4. Hält man für erforderlich, daß der Beteiligte L der Erledigung zustimmt, so finden angesichts seines Widerspruchs die Grundsätze über eine einseitige Erledigungserklärung im Beschlußverfahren Anwendung. Auch sie führen im vorliegenden Fall zu einer Einstellung des Verfahrens.

a) Während das Bundesarbeitsgericht früher in Übereinstimmung mit der einhelligen Meinung im Schrifttum und der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte davon ausging, eine Erledigung des Verfahrens könnten auch im Beschlußverfahren nur die Beteiligten gemeinsam erklären, sonst müsse geprüft werden, ob der Antrag zunächst zulässig und begründet gewesen sei (vgl. z.B. BAGE 56, 108 = AP Nr. 46 zu § 99 BetrVG 1972), hat der Erste Senat durch Beschluß vom 26. April 1990 (BAGE 65, 105 = AP Nr. 3 zu § 83 a ArbGG 1979) diese Rechtsprechung geändert: Danach hat, wenn der Antragsteller eines Beschlußverfahrens das Verfahren für erledigt erklärt und andere Beteiligte der Erledigungserklärung widersprechen, das Gericht lediglich zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Ein erledigendes Ereignis liegt vor, wenn nach Rechtshängigkeit des Antrages tatsächliche Umstände eingetreten sind, aufgrund derer der Antrag jedenfalls jetzt als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müßte. Darauf, ob der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war, kommt es nicht an. Ist ein erledigendes Ereignis eingetreten, so ist das Verfahren entsprechend § 83 a Abs. 2 ArbGG einzustellen. Begründet wird diese neue Rechtsprechung im wesentlichen mit den Besonderheiten des Beschlußverfahrens, in dem zwischen einem auf eine konkrete Maßnahme gerichteten Antrag und einem Antrag unterschieden wird, der - losgelöst von einem konkreten Einzelfall - eine unter den Beteiligten streitige Rechtsfrage zur Entscheidung stellt. Im Beschlußverfahren wurde die Abkehr von der früher h.M. zur einseitigen Erledigungserklärung dadurch besonders erleichtert, daß Kostengesichtspunkte hier keine Rolle spielen, so daß der der Erledigung widersprechende Beteiligte keine der wirklichen Sach- und Rechtslage widersprechende Ermessensentscheidung über die Kosten nach § 91 a ZPO befürchten muß. Diese Rechtsprechung hat sich inzwischen gefestigt und auch der Siebte Senat ist ihr gefolgt (BAG Beschluß vom 1. August 1990 - 7 ABR 14/89 - n.v.; BAG Beschluß vom 26. September 1990 - 7 ABR 70/87 - n.v.; BAG Beschluß vom 5. Februar 1991 - 1 ABR 22/90 - n.v.; BAG Beschluß vom 5. März 1991 - 1 ABR 40/90 - n.v.; BAG Beschluß vom 19. August 1992 - 7 ABR 8/92 - n.v.; BAG Beschluß vom 26. März 1991 - 1 ABR 43/90 - AP Nr. 32 zu § 75 BPersVG). In der Literatur hat der Beschluß vom 26. April 1990 zwar auch Widerspruch erfahren (z.B. die Anm. von Peterek und Jox, SAE 1991, 168). Überwiegend wird aber anerkannt, daß es dem Bundesarbeitsgericht gelungen ist, den Verfahrensaufwand nach der einseitigen Erledigungserklärung zu reduzieren (Künzl, Die einseitige Erledigungserklärung im Urteilsverfahren, DB 1990, 2370; Künzl, Anm. zu BAG Beschluß vom 26. April 1990 - 1 ABR 79/89 - EWiR 1990, 1047 - 1048; Jost und Sundermann, ZZP 105, 261 ff.). Jost und Sundermann (ZZP 105, 261, 286) schlagen sogar vor, die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren und im Zivilprozeß vor den ordentlichen Gerichten zur Anwendung zu bringen.

b) Auch der Zweite Senat folgt der neuen Rechtsprechung des Ersten und Siebten Senats zur einseitigen Erledigungserklärung im Beschlußverfahren. Dieser Rechtsprechung ist es gelungen, "die einseitige Erledigungserklärung von ihrem dogmatischen Podest herunterzuholen und als Problem des Inhalts der Kostenentscheidung" anzuerkennen, wie dies Jost und Sundermann (ZZP 105, 261, 263) im Anschluß an Grunsky (Festschrift für Karl Schwab, 1990, S. 165, 176) formulieren. Gerade bei einem Zustimmungsersetzungsverfahren wird es mehr oder weniger einhellig als unbefriedigend empfunden, daß allein auf Initiative des betroffenen Arbeitnehmers ein Beschlußverfahren soll fortgeführt werden müssen, obwohl die Betriebspartner übereinstimmend das Beschlußverfahren für erledigt erklären, weil z.B. der Betriebsrat nachträglich die Zustimmung zu der fraglichen Kündigung erteilt hat. Der betroffene Arbeitnehmer würde hier die Möglichkeit erhalten, nach Erledigung der konkreten betriebsverfassungsrechtlichen Streitfrage, die Gegenstand des Beschlußverfahrens war, ein abstraktes Rechtsgutachten über Fragen erstellen zu lassen, die ohnehin in seinem Kündigungsschutzprozeß zu prüfen sind. Für eine solche Aufspaltung des Rechtswegs auf zwei nach Ausspruch der Kündigung gleichzeitig laufende Gerichtsverfahren ist kein rechtliches Interesse des betroffenen Arbeitnehmers erkennbar. Ein solches Verfahren ist vielmehr letztlich systemwidrig (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 83 a Rz 22), stellt einen überflüssigen Verfahrensaufwand dar und widerspricht dem Beschleunigungsgrundsatz. Dies muß im vorliegenden Fall erst Recht gelten, soweit der Beteiligte L den Beschluß des Landesarbeitsgerichts nicht mit Gründen angreift, die die Wirksamkeit der Kündigung betreffen, sondern geltend macht, die Zustimmung des Betriebsrats sei gar nicht erforderlich gewesen, weil in einem Tendenzbetrieb § 103 BetrVG nicht anwendbar sei bzw. für eine Zustimmung der Gesamtbetriebsrat zuständig gewesen sei. Die Klärung der Frage, ob der Betriebsrat zugestimmt hat, ohne daß seine Zustimmung erforderlich war, nützt dem Beteiligten L in seinem Kündigungsschutzverfahren nichts, nachdem der Betriebsrat zugestimmt hat. Sollte die Kündigung unwirksam sein, weil die etwa erforderliche Zustimmung des Gesamtbetriebsrats fehlt, läßt sich dies einfacher in dem anhängigen Kündigungsschutzverfahren klären. Aber auch soweit der Beschluß des Landesarbeitsgerichts die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe betrifft, besteht für den betroffenen Arbeitnehmer kein Bedürfnis zu einer Durchführung von zwei Gerichtsverfahren. Die während des Ersetzungsverfahrens erteilte Zustimmung des Betriebsrats bindet das Gericht in dem Kündigungsschutzprozeß nicht. Präjudizielle Wirkung für den nachfolgenden Kündigungsschutzprozeß hat nur die rechtskräftige Ersetzung der Zustimmung (BAG Beschluß vom 10. Dezember 1992 - 2 ABR 32/92 - EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 33; BAGE 27, 113 = AP Nr. 3 zu § 103 BetrVG 1972). Ob wirklich ein Kündigungsgrund vorlag, kann deshalb ohne Beeinträchtigung der Rechte des betroffenen Arbeitnehmers im Kündigungsschutzverfahren geprüft werden.

c) Nach alledem kommt es nur noch darauf an, ob das Beschlußverfahren sich durch die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung erledigt hat. Die Befugnis des Betriebsrats, auch noch während des Ersetzungsverfahrens die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen, hat der Senat (BAGE 37, 44 = AP Nr. 14 zu § 103 BetrVG 1972) unter anderem mit der Begründung bejaht, der Betriebsrat müsse Herr des vom Arbeitgeber eingeleiteten Beschlußverfahrens bis zur Ersetzung der Zustimmung bleiben. Durch eine wirksame nachträgliche Zustimmung des Betriebsrats erledige sich das Beschlußverfahren zur gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung nach § 103 Abs. 2 BetrVG in der Hauptsache. An dieser Rechtsprechung, die noch in jüngster Zeit bestätigt worden ist (BAG Beschluß vom 10. Dezember 1992 - 2 ABR 32/92 - EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 33), ist festzuhalten. Der Rechtsbeschwerdeführer räumt selbst ein, gegen diese Rechtsprechung ließen sich kaum durchschlagende Argumente ins Feld führen und macht nur geltend, Praktikabilitätsgesichtspunkte sprächen dafür, das Beschlußverfahren zu Ende zu führen. Dies würde aber, wie bereits dargelegt, einen unangemessenen Verfahrensaufwand darstellen und es erweist sich gerade i.S. der Verfahrensbeschleunigung als praktikabler, den Kläger mit der Klärung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen auf das Kündigungsschutzverfahren zu verweisen.

Damit steht fest, daß sich das Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der Kündigung durch die nachträgliche Erteilung der Zustimmung erledigt hat. Nach § 83 a Abs. 2 ArbGG war deshalb das Verfahren durch Beschluß des Senats einzustellen (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 83 a Rz 23).

Hillebrecht Bitter Bröhl

zugleich für den Baerbaum

durch Urlaub an

der Unterschrift

verhinderten ehren-

amtlichen Richter

Dr. Bächle

 

Fundstellen

Haufe-Index 437450

BB 1994, 284

BB 1994, 284-286 (LT1-2)

DB 1993, 2390-2391 (LT1-2)

BetrVG, (2) (LT1-2)

NZA 1993, 1052

NZA 1993, 1052-1055 (LT1-2)

AP § 83a ArbGG 1979 (LT1-2), Nr 2

EzA § 103 BetrVG 1972, Nr 34 (LT1-2)

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