Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung zur Eingruppierung. Verweisung auf Tarifvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

  • Verweisungen in einer Betriebsvereinbarung auf den jeweils geltenden Rahmentarifvertrag (sog. dynamische Blankettverweisungen) sind grundsätzlich unzulässig. Die Unwirksamkeit der Verweisung auf den “jeweils geltenden Tarifvertrag” führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Verweisung auf den Tarifvertrag, der zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung galt.
  • Enthält eine Betriebsvereinbarung Regelungen sowohl über mitbestimmungspflichtige als auch über andere Angelegenheiten, so wirken die Bestimmungen über mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten nach (§ 77 Abs. 6 BetrVG), sofern diese eine aus sich heraus handhabbare Regelung enthalten.
 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 2, 6, §§ 101, 99 Abs. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Eingangssatz

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Beschluss vom 13.12.1991; Aktenzeichen 6 TaBV 2/91)

ArbG Berlin (Beschluss vom 24.05.1991; Aktenzeichen 47 BV 9/90)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 13. Dezember 1991 – 6 TaBV 2/91 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Arbeitgeber und Betriebsrat streiten darüber, ob der Arbeitgeber über den 30. Juni 1990 hinaus bei der Neueinstellung von Arbeitnehmern die Zustimmung des Betriebsrates zur vorgesehenen Eingruppierung einzuholen und gegebenenfalls gerichtlich ersetzen zu lassen hat.

Der Betrieb des Arbeitgebers wird von keinem Tarifvertrag erfaßt. Eine 1981 abgeschlossene und zuletzt am 1. August 1984 neu gefaßte Betriebsvereinbarung enthielt in ihrem Teil 1 u.a. folgende Regelung:

“Allgemeine Vereinbarungen und Übernahme von Tarifverträgen ab 1. Januar 1981.

Geltungsbereich

Die Betriebsvereinbarung gilt grundsätzlich für alle Mitarbeiter der Gesellschaft.

Vom 1. Januar 1981 an wird der Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes in der jeweils geltenden Fassung übernommen.

…”

(Es folgen Regelungen zur Ausnahme von der Übernahme einzelner Bestimmungen des Tarifvertrages wie z.B. hinsichtlich Fahrtkostenabgeltung, Auslösung, Urlaubsdauer u.a.)

“In die Vereinbarung eingeschlossen sind die Tarifverträge über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens, über die Gewährung vermögenswirksamer Leistungen und der Tarifvertrag zur Neuregelung der Gehälter für die technischen und kaufmännischen Angestellten und Auszubildenden des Baugewerbes in der jeweils geltenden Fassung.”

Der in Bezug genommene Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 12. Juni 1978, der mit Tarifvertrag vom 20. November 1978 im räumlichen Geltungsbereich auf das Land Berlin erstreckt wurde, bestimmt u.a.:

“§ 1 Geltungsbereich

2. Fachlicher Geltungsbereich:

Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen oder gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen. Als bauliche Leistungen sind alle Arbeiten anzusehen, die von Betrieben des Baugewerbes ausgeführt werden und die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

§ 5 Gehaltsregelung

1. Allgemeine Bestimmungen

1.1 Jeder Angestellte ist in eine der unter Nr. 2 aufgeführten Gruppen einzureihen. Die Bestimmungen des § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes sind zu beachten.

2. Gruppeneinteilung

Es werden folgende Gruppen festgelegt:

2.1 Auszubildende

2.2 Technische Angestellte

2.3 Kaufmännische Angestellte

…”

Der Tarifvertrag regelt im weiteren die Eingruppierung der technischen und kaufmännischen Angestellten anhand von differenzierten Tätigkeitsmerkmalen.

Die Betriebsvereinbarung wurde vom Arbeitgeber zum 30. Juni 1990 ordentlich gekündigt. Bis zu diesem Zeitpunkt neu eingestellte Arbeitnehmer wurden auf der Grundlage der tariflichen Gehaltsgruppenordnung mit Beteiligung des Betriebsrates eingruppiert; nach dem 1. Juli 1990 hat der Arbeitgeber den Betriebsrat bei der Neueinstellung von 19 Arbeitnehmern beteiligt, ohne die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Der Betriebsrat hat bezüglich der Einstellung jeweils seine Zustimmung erklärt und hinsichtlich der Eingruppierung seine Zustimmung verweigert.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, seine Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung neu eingestellter Arbeitnehmer sei erforderlich, weil die gekündigte Betriebsvereinbarung nachwirke. Es bestehe ein innerbetriebliches Lohnsystem, weil nach der seit 1981 angewendeten Betriebsvereinbarung die Arbeitsverhältnisse der Eingruppierung in die Vergütungsgruppen des Rahmentarifvertrages unterlegen hätten. Die Kündigung der Betriebsvereinbarung führe nicht dazu, daß ein innerbetriebliches Lohn- und Lohngruppensystem nicht mehr existiere, weil diese nachwirke. Jedenfalls habe sich faktisch ein Lohnsystem entwickelt, das als betrieblich gestaltetes Lohnsystem anzusehen sei. Der Normzweck des § 99 BetrVG bestehe in der Sicherstellung einer zutreffenden, einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung von Lohn- und Gehaltsgruppen in vergleichbaren Fällen. Die unterlassene Beteiligung bei der Eingruppierung rechtfertige den geltend gemachten Anspruch nach § 101 BetrVG, so daß die Vornahme der unterlassenen Beteiligung bei der Eingruppierung verlangt werden könne.

Der Betriebsrat hat beantragt,

dem Arbeitgeber aufzugeben, die nachträgliche Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Arbeitnehmer W…, I…, L…, B…, Lö…, S…, R…, Ri…, K…, Si-…, G…, Wa…, Wal…, Ro…, C…, J…, Rie…, H… und Lo… und Lo… einzuholen und bei deren Verweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Er ist der Ansicht, die Regelung, wonach für die Eingruppierung der Rahmentarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung durch die Betriebsvereinbarung übernommen war, sei rechtlich unzulässig und damit unwirksam. Aus § 77 Abs. 3 BetrVG folge, daß Arbeitsentgelte und sonstige materielle Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein könnten. Der Tarifvorbehalt stehe einer derartigen Regelung entgegen und diese sei nur dann zulässig, wenn der Rahmentarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel – die hier jedoch fehle – enthalte. Die Inbezugnahme des Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung führe zu einer Allgemeinverbindlichkeit von Tarifnormen auf betrieblicher Ebene und unterlaufe die Tarifautonomie.

Nichtig seien auch Betriebsvereinbarungen, die sich darauf beschränkten, tarifliche oder tarifübliche Regelungen ausdrücklich oder durch Inbezugnahme inhaltlich unverändert zu übernehmen. Es könne auch nicht angenommen werden, daß sich faktisch ein Lohnsystem entwickelt habe. Ein Fortbestand des Lohnsystems könnte nur unter dem Gesichtspunkt der Betriebsübung angenommen werden, jedoch sei durch Beseitigung der betriebsbedingten Übung die Entstehung des Anspruchs für künftig zu begründende Arbeitsverhältnisse ausschließbar. Schließlich sei eine Lohngruppenordnung deswegen nicht zustandegekommen, weil die Parteien eben keine Eingruppierungsregelung hätten treffen, sondern sich dem Regelungswerk eines fremden Tarifvertrages unterwerfen wollen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrates stattgegeben. Die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber seinen Abweisungsantrag weiter, während der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet, da die Vorinstanzen zu Recht dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben haben.

I. Nach § 101 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben, wenn der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführt hat.

1. Bereits in der Entscheidung vom 31. Mai 1983 (BAGE 43, 35 = AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972) hat der Senat im einzelnen ausgeführt und begründet, daß dann, wenn der Arbeitgeber eine Eingruppierung ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats vorgenommen hat, dieser nach § 101 BetrVG zwar nicht die “Aufhebung der Eingruppierung”, wohl aber die nachträgliche Einholung seiner Zustimmung und bei Verweigerung der Zustimmung die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens verlangen könne. Durch eine Eingruppierung ohne Zustimmung des Betriebsrats werde ein betriebsverfassungswidriger Zustand geschaffen, der, anders als bei einer Einstellung oder Versetzung – deren tatsächliche Rückgängigmachung möglich sei – nur dadurch beseitigt werden könne, daß der Arbeitgeber – wenn auch nachträglich – die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung einholt und bei Verweigerung der Zustimmung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren betreibt.

2. Unterläßt der Arbeitgeber eine Eingruppierung des Arbeitnehmers, muß in entsprechender Anwendung dieser Grundsätze der Betriebsrat nach § 101 BetrVG vom Arbeitgeber die Durchführung der Eingruppierung unter Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats verlangen können, wenn die Nichteingruppierung des Arbeitnehmers sich als ein betriebsverfassungswidriger Zustand darstellt (vgl. Senatsentscheidung vom 20. Dezember 1988, BAGE 60, 330 = AP Nr. 62 zu § 99 BetrVG 1972). Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber zu einer Eingruppierung verpflichtet ist und diese nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats durchführen kann. Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat bei jeder Einstellung die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen und die Zustimmung hierzu einzuholen. Allerdings begründet nach der Entscheidung vom 20. Dezember 1988 (aaO) § 99 BetrVG allein noch keine Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer einzugruppieren. Hinzu kommen muß, daß im Betrieb eine Lohn-/Gehaltsgruppenordnung besteht. Diese kann – wie der Senat in der Entscheidung vom 20. Dezember 1988 (aaO) ausgeführt hat – in einem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag enthalten sein, sich aber auch aus einer Betriebsvereinbarung ergeben. Das bedeutet aber nicht, daß es an einer Lohn- oder Gehaltsgruppenordnung immer dann fehlt, wenn für den Betrieb kein Tarifvertrag oder keine Betriebsvereinbarung gilt. Auch wenn der Arbeitgeber einseitig nach seinen Vorstellungen das Verhältnis der Gehälter zueinander bestimmt und objektiv nachvollziehbare Kriterien für die Höhe der Gehälter festlegt, liegt eine betriebliche Lohnordnung vor.

II. Vorliegend hat im Betrieb des Arbeitgebers bis zum 30. Juni 1990 die Gehaltsgruppenregelung aus dem Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gegolten. Arbeitgeber und Betriebsrat haben diese Gehaltsgruppenregelung durch Betriebsvereinbarung von 1981, zuletzt neu gefaßt am 1. August 1984, wirksam übernommen. Die Betriebsvereinbarung wirkt gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nach, so daß auch die Gehaltsgruppenordnung weitergilt. Der Arbeitgeber wäre deshalb verpflichtet gewesen, die ab dem 1. Juli 1990 neu eingestellten Arbeitnehmer in diese Gehaltsgruppenordnung einzureihen. Da er dies nicht getan hat, ist der Antrag des Betriebsrats begründet.

1. In der Betriebsvereinbarung hatten Arbeitgeber und Betriebsrat mit Wirkung vom 1. Januar 1981 den Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes in den jeweils geltenden Fassungen übernommen. Solche dynamischen Blankettverweisungen sind grundsätzlich unzulässig (BAGE 3, 303 = AP Nr. 3 zu § 4 TVG Geltungsbereich; BAGE 12, 285 = AP Nr. 12 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit). Die Betriebspartner entäußern sich durch eine dynamische Blankettverweisung ihrer gesetzlichen Normsetzungsbefugnis. Sie können sich ihrer Regelungsaufgabe nicht dadurch entziehen, daß sie die Gestaltung der betrieblichen Rechtsverhältnisse anderen überlassen. Der Betriebsrat hat sein Mandat höchstpersönlich auszuüben, das schließt grundsätzlich eine Einigung mit dem Arbeitgeber aus, nach der im Betrieb die Regelung gelten soll, die in einem künftigen Tarifvertrag getroffen wird. Es handelt sich dabei letzten Endes um einen unzulässigen Verzicht auf eine vorhersehbare und bestimmbare eigene inhaltliche Gestaltung. Anders als die Übernahme bestehender, konkreter Regelungen eines Tarifvertrages ist die vorherige Unterwerfung unter künftige Regelungen mit den Funktionen des Betriebsverfassungsrechts unvereinbar (Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 40; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 11; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 77 Rz 12 m.w.N).

Inzwischen hat der Vierte Senat entschieden, es sei zulässig, wenn die Tarifvertragsparteien auf jeweils geltende andere tarifliche Vorschriften verwiesen, sofern deren Geltungsbereich mit dem Geltungsbereich in den verweisenden Tarifnormen in einem engen sachlichen Zusammenhang stehe (BAGE 34, 42 und BAGE 40, 327 = AP Nr. 7 und 8 zu § 1 TVG Form). Nach dieser Rechtsprechung besteht ein enger Sachzusammenhang, wenn die sachgerechte Regelung der Arbeitsbedingungen im Geltungsbereich des in Bezug genommenen Tarifvertrages auch für den Geltungsbereich des verweisenden Tarifvertrages sachgerecht ist. Das wiederum wird nur angenommen, wenn bezüglich aller maßgebenden Geltungsbereiche ein enger Sachzusammenhang besteht.

2.a) Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob ein solch enger Sachzusammenhang besteht, der ausnahmsweise eine dynamische Blankettverweisung rechtfertigt. Dafür spricht, daß die Betriebsparteien deshalb auf den Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten Bezug genommen haben, weil es einen anderen Tarifvertrag für Architekten nicht gab und Arbeitgeber wie Betriebsrat der Überzeugung waren, zum Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten im Baugewerbe bestehe im Vergleich zu anderen in Frage kommenden Tarifverträgen noch der engste Zusammenhang. In der Tat dürfte sich die Tätigkeit eines Architekten bei einer Beratungsgesellschaft für Stadterneuerung und Modernisierung nicht wesentlich von der eines Architekten in einem Bauunternehmen unterscheiden. Selbst wenn aber ein enger Sachzusammenhang nicht angenommen wird, haben die Betriebsparteien vorliegend letztmals in der Betriebsvereinbarung von 1984 wirksam auf die Regelungen des geltenden Rahmentarifvertrages Bezug genommen. Es wäre dann zwar die dynamische Blankettverweisung unwirksam, das würde aber nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung führen.

b) Soweit die Betriebsparteien auf den Tarifvertrag verwiesen haben, der zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung in Kraft war, ist die Betriebsvereinbarung vielmehr rechtswirksam. Dies muß schon deshalb gelten, weil die Beteiligten am Tage des Abschlusses der Betriebsvereinbarung nicht gehindert gewesen wären, den Tarifvertrag z.B. abzuschreiben und damit zur Betriebsvereinbarung zu machen. Verweisen die Beteiligten auf einen geltenden Tarifvertrag, machen sie nichts anderes, als sich dieses “Abschreiben” zu ersparen. Sie verzichten nicht auf ihr Recht und ihre Pflicht, die Arbeitsbedingungen inhaltlich zu gestalten. Vorliegend wird das besonders deutlich, denn Arbeitgeber und Betriebsrat haben sich nicht darauf beschränkt, “ohne näheres Hinsehen” auf den Rahmentarifvertrag Bezug zu nehmen, sondern haben die Bestimmungen ausgenommen, die nach ihrer Überzeugung für ihren Betrieb nicht paßten, so z.B. die Regelung über Fahrtkostenabgeltung, Auslösung und Urlaubsdauer. Soweit es um mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten geht, wie hier um die Aufstellung einer betrieblichen Lohnordnung, hat daher der Betriebsrat dieses Recht durch Verweisung auf den geltenden Rahmentarifvertrag ausgeübt.

3. Die bestehende Teilunwirksamkeit der Betriebsvereinbarung führt nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung, weil der wirksame Teil der Betriebsvereinbarung auch ohne die unwirksamen Bestimmungen eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (vgl. dazu BAGE 16, 31, 38 f. = AP Nr. 5 zu § 56 BetrVG Akkord und BAGE 35, 205 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Vorschlagswesen). Die Teilunwirksamkeit der Betriebsvereinbarung bezieht sich gerade nicht auf die Betriebsvereinbarung, soweit sie eine inhaltlich bestimmte Regelung enthält, sondern auf die Regelung, daß die Betriebsvereinbarung mit geändertem, aber nicht bekanntem und noch nicht feststehendem Inhalt auch in der Zukunft gelten soll. Gerade die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung bekannte Regelung in dem Rahmentarifvertrag, die die Betriebsparteien mit Ausnahmen übernommen haben, stellt in sich eine geschlossene Regelung dar, die aus sich heraus handhabbar ist. Das gilt insbesondere für die Gehaltsgruppenregelung, die die Betriebsparteien auch über neun Jahre lang angewendet haben.

4. Die Betriebsvereinbarung verstößt auch nicht gegen die Schranke von § 77 Abs. 3 oder § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG.

a) Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht für die Wahrnehmung der obligatorischen Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – zur Veröffentlichung bestimmt; BAGE 54, 191 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972 und BAGE 60, 244 = AP Nr. 37 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Es kommt also nicht auf die Frage an, ob üblicherweise Gehaltsgruppenordnungen für tarifliche Mindestlöhne in Tarifverträgen geregelt werden.

b) Der Betriebsvereinbarung steht auch § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG nicht entgegen. Danach hat der Betriebsrat nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Eine tarifliche Regelung besteht dann, wenn die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit inhaltlich oder abschließend in einem Tarifvertrag geregelt ist, der für den Betrieb gilt. Für den Betrieb gilt ein Tarifvertrag, wenn wenigstens der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Gerade dies ist vorliegend nicht der Fall, dementsprechend schließt vorliegend ein Tarifvertrag das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht aus (vgl. dazu Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – zur Veröffentlichung bestimmt; BAG Beschluß vom 18. April 1989 – 1 ABR 100/87 – AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang).

5. Die Betriebsvereinbarung wirkt – soweit es sich um die Gehaltsgruppenregelung handelt – nach § 77 Abs. 6 BetrVG nach. Danach wirken Regelungen einer Betriebsvereinbarung nach Ablauf dar Kündigungsfrist in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Vorliegend ist ein Teil der Angelegenheiten, die in der Betriebsvereinbarung geregelt sind, nicht mitbestimmungspflichtig. Deren Regelungen wirken dementsprechend auch nicht nach. Ein a derer Teil untersteht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, insbesondere die Gehaltsgruppenvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Diese in sich geschlossene Regelung ist so lange im Betrieb anzuwenden, bis eine neue Regelung über eine Gehaltsgruppenordnung vereinbart worden ist.

Dementsprechend hat das Landesarbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats zu Recht stattgegeben, so daß die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers zurückzuweisen war.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Matthes, Dr. Weller, Breier, H. Paschen

Dr. Kissel, Dr. Weller, Dr. Rost

 

Fundstellen

BAGE, 356

BB 1993, 289

NZA 1993, 229

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