Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifzuständigkeit für gemischtes Unternehmen

 

Leitsatz (redaktionell)

Entscheidend für die Frage der Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft ist ihre Satzung.

Die Satzung wird im Falle einer DGB-Gewerkschaft durch einen Schiedsspruch, der im Verfahren nach den §§ 15, 16 der Satzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes ergeht, authentisch interpretiert oder ergänzt (Bestätigung von BAG Beschluß vom 27. November 1964 - 1 ABR 13/63 = BAGE 22, 295 = AP Nr 3 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit).

Die Zuständigkeit einer DGB-Gewerkschaft für ein Unternehmen ergibt sich jedoch noch nicht schon daraus, daß die anderen in Frage kommenden Gewerkschaften sich für unzuständig erklären.

 

Orientierungssatz

Die Tarifzuständigkeit im Bereich des Industrieverbandsprinzips richtet sich nach dem überwiegenden Unternehmensgegenstand des Arbeitgebers. Zuständig ist diejenige Gewerkschaft, deren satzungsgemäßer Organisationsbereich der Tätigkeit entspricht, die dem Unternehmen das Gepräge gibt. Maßgebend ist dabei der Gegenstand des Unternehmens, nicht einzelner Betriebe, Betriebsabteilungen oder Nebenbetriebe, da diese Unterorganisationen nicht tariffähig sind. Handelt es sich - wie im vorliegenden Falle - um Mischbetriebe, so entscheidet die Tätigkeit, die dem Unternehmen das Gepräge verleiht. Dafür bilden Indizien der arbeitstechnische Zweck und die Zahl der einschlägig beschäftigten Facharbeiter sowie der maßgebende Anteil am Umsatz und Gewinn.

 

Normenkette

TVG § 3; ZPO §§ 286, 561; ArbGG §§ 97, 92, 2a Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 31.10.1986; Aktenzeichen 4 TaBV 72/86)

ArbG Duisburg (Entscheidung vom 18.04.1986; Aktenzeichen 1 BV 12/85)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Tarifzuständigkeit der IG Bau-Steine-Erden für das Unternehmen der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin war in der Vergangenheit nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes und schloß keine Tarifverträge. Sie regelte in ihrem Betrieb die Arbeitsbedingungen aber zumindest in Anlehnung an den Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe.

Sie ist Mitglied der Steinbruch-Berufsgenossenschaft.

Sie beschäftigt in ihren Betriebsstätten H R, K R, K H, M D, Betriebsstätte R-U etwa 158 Mitarbeiter, davon 36 Baumaschinenführer, 46 Kraftfahrer, fünf Baumaschinenschlosser, fünf Kfz-Schlosser, drei Baumaschinen- und Kfz-Schlosser, zwei Abschmierer, einen Autoelektriker, fünf Magaziner, einen Dreher, neun Betriebsschlosser und -schweißer, zwei Elektriker, fünf Anschläger und Kranführer, sieben Bauwerker, einen Verwieger, einen Vorarbeiter, eine Schreibhilfe, drei Reinigungsfrauen, 14 kaufmännische und elf technische Angestellte.

Sie unterhält eine eigene Reparaturwerkstatt für die Maschinen und Fahrzeuge und im Hafen K-U eine Verladeanlage. In der Betriebsstätte K-U wird eine Brech- und Separationsanlage unterhalten, an der Betonschwellen von der Bundesbahn zerkleinert und zu Straßenschotter verarbeitet werden. Ebenfalls zum Straßenunterbau werden in U Industrieabfälle verarbeitet, die die Antragsgegnerin von den M in D nach U transportiert. Desweiteren betreibt die Antragsgegnerin auf dem Gelände der Firma M in D eine Separationsanlage, auf der Schlacken und andere Abfälle nach Größe sortiert werden. Dort sind insgesamt dreizehn Arbeitnehmer beschäftigt, die die Anlage bedienen, das Material einfüllen und das verarbeitete Material herausnehmen. Für den Abtransport werden fünf Fahrzeuge eingesetzt. Daneben hat die Antragsgegnerin mit den M und der K Verträge über den Abtransport von Schlacken und Industriemüll geschlossen, die nicht weiterverarbeitet, sondern auf Müllkippen gebracht werden. Ein Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Schlackenverwertung R sah vor, daß die Antragsgegnerin verschiedenartige Industrierückstände aus dem Werk R abtransportierte, zwischenlagerte und dann zum Aufbereitungsgelände weitertransportierte. Dazu gehörte es auch, daß die Antragsgegnerin z.B. flüssig gekippte Schlacke berieselte, aufriß, aushob und dann zwischenlagerte, auf Lastkraftwagen lud und ein Schlackenbett herrichtete. Ähnliches galt für andere Schlacken. Die eigentlichen Aufbereitungsarbeiten waren der Antragsgegnerin aber nicht übertragen. Zum Gegenstand des Auftrages gehörte es auch, Klärteiche auszuheben, Schlamm aus dem Klärteich zu baggern und Industrieschutt einzuplanieren.

Die IG Bau-Steine-Erden bemühte sich um den Abschluß eines Firmentarifvertrages mit der Antragsgegnerin. Diese lehnte nach längeren Verhandlungen einen Vertragsabschluß ab und trat am 2. Mai 1985 dem Arbeitgeberverband für das Speditions-, Lagerei- und Transportgewerbe in Westfalen-Niederrhein bei.

§ 2 Nr. 1 der Satzung der IG Bau-Steine-Erden lautet:

"Der persönliche und fachliche Organisationsbereich

umfaßt alle Arbeitnehmer und die in der Berufsaus-

bildung Stehenden (...), die in folgenden Wirt-

schaftszweigen und Einrichtungen beschäftigt sind:

Baugewerbe, Bauausbaugewerbe, Bauerhaltungsgewerbe,

Baustoffindustrie, Industrie der Steine und Erden,

Städtebau, Wohnungswirtschaft, Architektur- und

Ingenieurbüros, Bauforschungsinstitute, Einrich-

tungen der Tarifvertragsparteien, Berufsbildungs-

einrichtungen."

Die Gewerkschaften ÖTV und HBV haben auf gerichtliche Anfrage erklärt, sie hielten sich für den Betrieb der Antragsgegnerin nicht für zuständig. Der Arbeitgeberverband für das Speditions-, Lagerei- und Transportgewerbe hat auf eine Beteiligung am Verfahren verzichtet.

Die IG Bau-Steine-Erden hat die Auffassung vertreten, sie sei die für den Betrieb der Antragsgegnerin aufgrund ihrer Satzung zuständige Gewerkschaft. Die Antragsgegnerin führe in ihren Betriebsstätten Tätigkeiten aus, die den Tarifwerken der IG Bau-Steine-Erden zuzuordnen seien. Sie bereite Industrierückstände und Schlacken aller Art auf, fertige hieraus Baustoffe und führe Enttrümmerungs- sowie Abbrucharbeiten aus. Mit den Tätigkeiten an den Separationsanlagen in der Betriebsstätte U und bei M seien unmittelbar und mittelbar 83 Arbeitnehmer beschäftigt. Zwar seien die Arbeitnehmer in den verschiedenen Betriebsstätten der Antragsgegnerin auch damit beschäftigt, Schlacke und Industrierückstände zu transportieren. Der Transport besitze gegenüber dem Verarbeiten jedoch nur Hilfsfunktion. Im wesentlichen seien die Arbeitnehmer mit bautypischen Tätigkeiten, zu denen auch das Führen verschiedener Baumaschinen zu rechnen sei, beschäftigt.

Sie hat den Antrag gestellt

1. festzustellen, daß die Antragstellerin die zu-

ständige Tarifvertragspartei für die Antrags-

gegnerin ist;

2. festzustellen, daß die Tarifverträge des Un-

ternehmensverbandes des Speditionsgewerbes bei

der Antragsgegnerin keine Anwendung finden;

hilfsweise

festzustellen, daß der Bundesrahmentarifvertrag Bau

Anwendung findet auf den Bereich der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen und hat ihrerseits die weiteren Anträge gestellt:

1. festzustellen, daß sie berechtigt ist, dem

Arbeitgeberverband für das Speditions-, Lagerei-

und Transportgewerbe in Westfalen-Niederrhein,

Sitz Bochum e.V., weiterhin anzugehören;

2. festzustellen, daß für alle Arbeitsverhältnisse

in den verschiedenen Betriebsstätten ihres Be-

triebes die jeweils gültigen Tarifverträge des

privaten Güterverkehrsgewerbes NRW weiterhin an-

zuwenden sind.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, die IG Bau-Steine-Erden sei für ihr Unternehmen nicht zuständig, da rund 70 % aller betrieblichen Tätigkeiten dem Speditions-, Lagerei- und Transportgewerbe zuzuordnen seien. Sie transportiere im wesentlichen Schlacken und Industrierückstände aus den Hüttenwerken in Nordrhein-Westfalen und verrichte die dazu erforderlichen Hilfsleistungen. Auch die sogenannten Gerätefahrer verrichteten ausschließlich spezielle Transporttätigkeiten. Alle Geräte- und Kraftfahrer verrichteten zu 80 bis 90 % ihrer Arbeitszeit spezifische Transporttätigkeit. Der Rest der Arbeitszeit werde zum Austausch von Kübeln und Containern verwandt. Fast alle übrigen Arbeitnehmer würden ebenfalls mit Tätigkeiten beschäftigt, die der Aufrechterhaltung eines Verkehrsbetriebes im privaten Güterverkehr dienten. Sechs Disponenten regelten die Einsätze der Geräte und Fahrzeuge und gäben die entsprechenden Aufträge an die Fahrer weiter. Die übrigen technischen Angestellten seien in Reparaturbetrieben beschäftigt. Die kaufmännischen Angestellten erledigten in erster Linie Aufgaben in den Bereichen Dienstleistung, Transport und Verkehr sowie Handel und Aufbereitung. Dies entspreche den wirtschaftlichen Zwecken des Unternehmens. Der Bereich Dienstleistung, Transport und Verkehr müsse nach den im Gewerbe üblichen besonderen Tarifen für den Nahverkehr berechnet werden. Dieser Bereich gebe dem Betrieb das Gepräge. Der Gesamtumsatz habe 1983 17 Mio und 1984 17,5 Mio DM betragen. Mehr als 12,8 Mio DM des Umsatzes, das seien ca. 70 %, seien auf den Bereich Transport und Verkehr entfallen. Dabei sei der Transport- und Verkehrsbereich ständig ausgedehnt worden. 1981 seien vom Gesamtumsatz 67,24 %, 1982 71,43 %, 1983 73,63 % und 1984 75,79 % auf den Bereich Dienstleistung, Transport und Verkehr entfallen.

Dagegen seien die für den Bereich der IG Bau-Steine-Erden typischen Tätigkeiten wie Schlackenaufbereitung, Hochofenschlackenarbeiten, Hüttenschuttätigkeiten, Wiederaufbereitungsarbeiten, Bundesbahnschotterarbeiten, Betonschwellentätigkeiten und die Herstellung von Straßenbauschotter ständig zurückgegangen. Sie würden ausschließlich im Betrieb K-U ausgeführt, wo insgesamt 25 Arbeitnehmer beschäftigt seien, davon 16 Hilfsarbeiter, vier Arbeitnehmer mit Kran- und Schwertransporttätigkeiten sowie fünf kaufmännische bzw. technische Angestellte. In der Separationsanlage auf dem Gelände der Firma M seien drei Arbeitnehmer tätig. Entfalle somit die überwiegend ausgeübte Tätigkeit in ihrem Unternehmen und auch der überwiegende Umsatz auf den Bereich Dienstleistung, Transport und Verkehr, sei die IG Bau-Steine-Erden für sie nicht zuständig.

Die IG Bau-Steine-Erden hat erwidert, die Zuständigkeit einer Gewerkschaft könne nicht anhand der Umsatzzahlen ermittelt werden. Es müsse vielmehr die tatsächlich im Betrieb verrichtete Arbeit zugrundegelegt werden, die bei der Antragsgegnerin überwiegend bauspezifisch sei. Dies gelte zumindest dann, wenn berücksichtigt werde, daß die Transportarbeiten nur Hilfsfunktion für die Produktionsarbeiten hätten.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge der IG Bau-Steine-Erden zurückgewiesen und denen der Antragsgegnerin entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der IG Bau-Steine-Erden zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die IG Bau-Steine-Erden zuletzt nur noch den Antrag weiter, festzustellen, daß die Antragstellerin die zuständige Tarifvertragspartei für die Antragsgegnerin ist, während diese nur noch beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

In der Zwischenzeit, am 12. November 1987, haben Betriebsrat und die Firma R GmbH & Co. KG (Antragsgegnerin) eine Betriebsvereinbarung geschlossen, nach der die IG Bau-Steine-Erden die im Betrieb vertretene Gewerkschaft ist. Unter III der Betriebsvereinbarung sind angefangen vom Bundesrahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes 15 Tarifverträge des Bauhauptgewerbes aufgeführt, die im Betrieb der Antragsgegnerin gelten sollen.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Beschlußsache zur erneuten Anhörung und Entscheidung.

I. Der Antrag der IG Bau-Steine-Erden ist zulässig. Nach § 2 a Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen für die Entscheidung über die Tarifzuständigkeit ausschließlich zuständig. Diese Streitigkeiten sind - wie geschehen - im Beschlußverfahren durchzuführen. Für dieses Beschlußverfahren sind nach § 97 Abs. 2 die §§ 80 bis 84 und 87 bis 96 a ArbGG entsprechend anzuwenden.

II. Ob der Antrag begründet ist, steht nach den bisherigen Feststellungen und Annahmen des Beschwerdegerichts noch nicht fest.

1. Die Tarifzuständigkeit legt den Geschäftsbereich fest, innerhalb dessen eine tariffähige Partei Tarifverträge abschließen kann. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft nach dem in ihrer Satzung festgelegten Organisationsbereich richtet (vgl. BAGE 16, 329 = AP Nr. 1 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit; BAGE 22, 295 = AP Nr. 3 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit sowie BAGE 50, 179, 193 = AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit, zu B IV 1 der Gründe). Dies entspricht der überwiegenden Meinung in der Literatur (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 2 Rz 29 m.w.N. und Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 2 Rz 102). Da kein Koalitionstypenzwang besteht, obliegt die Ausgestaltung dem einzelnen Berufsverband. Jede Gewerkschaft kann für sich entscheiden, für welche Arbeitnehmer in welchem Gewerbezweig oder in welchen Gewerbezweigen sie tätig werden will. Es steht ihr damit auch frei, den Zuständigkeitsbereich in ihrer Satzung zu ändern, wenn ihr dies zweckmäßig erscheint, z.B. wenn der Arbeitgeber die Produktion wechselt (BAGE 50, 179, 196).

2. Die IG Bau-Steine-Erden hat ihre Tarifzuständigkeit in § 2 Nr. 1 ihrer Satzung nach dem Industrieverbandsprinzip geregelt. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß der Satzung der IG Bau-Steine-Erden nicht unmittelbar entnommen werden kann, daß sie für die Antragsgegnerin tarifzuständig ist.

Nicht erörtert hat das Landesarbeitsgericht, welche rechtliche Bedeutung die Erklärungen der DGB-Gewerkschaften ÖTV und HBV haben, daß sie nicht zuständig seien.

In dem Beschluß vom 17. Februar 1970 (BAGE 22, 295 = AP Nr. 3 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit) hat der Senat ausgesprochen, daß die Satzung einer DGB-Gewerkschaft durch einen Schiedsspruch, der im Verfahren nach den Vorschriften der Satzung des DGB ergeht, authentisch interpretiert oder doch ergänzt wird; der Schiedsspruch kläre die Frage der Tarifzuständigkeit hinsichtlich der DGB-Gewerkschaften auch für den tariflichen Gegenspieler. Der Senat hat das damit begründet, aus den §§ 18, 19 der Satzung des DGB (heute §§ 15, 16) ergebe sich, daß für einen bestimmten Betrieb stets nur eine bestimmte DGB-Gewerkschaft zuständig sein soll. Entstünden Zweifel darüber, welche Gewerkschaft für einen bestimmten Bereich zuständig sei, so sei ein Schiedsverfahren vorgesehen, in dem über die Frage der Zuständigkeit im Einzelfall entschieden werde. Die einzelnen DGB-Gewerkschaften hätten durch ihre Zugehörigkeit zum Deutschen Gewerkschaftsbund das jeweilige Ergebnis eines Schiedsverfahrens für sich als maßgebend erklärt. Bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen zwei Gewerkschaften ergebe sich für die unterliegende Gewerkschaft aufgrund der Treueverpflichtung, daß sie in Zukunft die umstrittene Zuständigkeit nicht mehr für sich in Anspruch nehme. Damit werde gleichzeitig für den sozialen Gegenspieler geklärt, welche Gewerkschaft für ihn zuständig sei und daß er nicht gleichzeitig von mehreren DGB-Gewerkschaften in Anspruch genommen werde.

Der bloßen Erklärung einer für die Zuständigkeit infrage kommenden DGB-Gewerkschaft, sie sei nicht zuständig, kann eine entsprechende rechtliche Wirkung nicht beigelegt werden. Anders als bei dem Schiedsspruch nach § 16 der DGB-Satzung n.F. ist nicht sichergestellt, daß die betreffende Gewerkschaft vor einer solchen Erklärung die Sach- und Rechtslage eingehend geprüft hat. Zum anderen besteht auch keine Treueverpflichtung gegenüber der anderen Gewerkschaft, auch in Zukunft nach genauerer Prüfung keine andere Auffassung zu vertreten. Die DGB-Satzung enthält keine Vorschrift, nach der es einer Gewerkschaft für die Zukunft verwehrt wäre, die Zuständigkeit für einen Gewerbezweig oder ein Unternehmen für sich in Anspruch zu nehmen, wenn sie in der Vergangenheit eine entgegenstehende Erklärung abgegeben hat. Dementsprechend kann solchen Erklärungen auch nicht eine Außenwirkung für den potentiellen tariflichen Gegenspieler zukommen.

3. Dem Landesarbeitsgericht ist deshalb darin zu folgen, daß sich bei einem Firmentarifvertrag, dessen Abschluß die IG Bau-Steine-Erden anstrebt, die Tarifzuständigkeit im Bereich des Industrieverbandsprinzips nach dem überwiegenden Unternehmensgegenstand des Arbeitgebers richtet (Wiedemann/Stumpf, aaO, § 2 Rz 31). Es ist also diejenige Gewerkschaft zuständig, deren satzungsgemäßer Organisationsbereich der Tätigkeit entspricht, die dem Unternehmen das Gepräge gibt (BAGE 16, 329 = AP Nr. 1 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit). Maßgebend ist dabei der Gegenstand des Unternehmens, nicht einzelner Betriebe, Betriebsabteilungen oder Nebenbetriebe, da diese Unterorganisationen nicht tariffähig sind. Handelt es sich - wie im vorliegenden Falle - um Mischbetriebe, so entscheidet die Tätigkeit, die dem Unternehmen das Gepräge verleiht. Dafür bilden Indizien der arbeitstechnische Zweck und die Zahl der einschlägig beschäftigten Facharbeiter sowie der maßgebende Anteil am Umsatz und Gewinn (Wiedemann/Stumpf, aaO, § 2 Rz 31).

4. Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der Beweisaufnahme angenommen, daß zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung das Unternehmen sein Gepräge durch den Transport und die Zwischenlagerung von Abfallstoffen aller Art erhalten hat.

a) Die Verfahrensrüge der Rechtsbeschwerde, das Landesarbeitsgericht habe § 286 ZPO verletzt, indem es die Beweise fehlerhaft gewürdigt habe und deshalb zu Unrecht angenommen habe, das Unternehmen der Antragsgegnerin erhalte sein Gepräge durch den Transport und die Zwischenlagerung von Abfallstoffen aller Art, ist unzulässig. Nach § 92 in Verbindung mit § 97 Abs. 2 ArbGG gelten für das Rechtsbeschwerdeverfahren über die Tarifzuständigkeit die Vorschriften für das Revisionsverfahren, insbesondere über die Revisionsbegründung entsprechend. Nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO sind bei einer Verfahrensrüge die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben. Maßgebend ist hierfür die Erwägung, daß das Revisions- bzw. das Rechtsbeschwerdegericht der angefochtenen Entscheidung allein nicht entnehmen kann, ob Verfahrensverstöße vorliegen und ob diese für die Entscheidungsfindung kausal sein können. Der Rechtsbeschwerdeführer muß also Ausführungen darüber machen, inwiefern das Beschwerdegericht einen Fehler gemacht haben soll und wie dieser sich auf die Entscheidung ausgewirkt hat (AK-ZPO-Ankermann, § 554 Rz 8; BAG Urteil vom 6. Februar 1974 - 3 AZR 232/73 - AP Nr. 38 zu § 133 BGB; BAG Urteil vom 23. Februar 1962 - 1 AZR 49/61 - AP Nr. 8 zu § 322 ZPO). Vorliegend hat die Rechtsbeschwerde nur eine fehlerhafte Beweiswürdigung gerügt, ohne darzutun, worin der Fehler des Landesarbeitsgerichts bestehen und wie sich dieser behauptete Fehler auf die Entscheidung ausgewirkt haben soll. Dementsprechend ist die Verfahrensrüge unzulässig. In Wirklichkeit rügt die Revision keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts, sondern ersetzt dessen Beweiswürdigung durch eine eigene, aufgrund derer sie zu dem Ergebnis gelangt, daß 67 Arbeitnehmer mit Bautätigkeiten im weitesten Sinne und nur 54 Arbeitnehmer mit Transporttätigkeiten beschäftigt sind.

b) Dementsprechend hat der Senat nach § 97 in Verbindung mit § 92 ArbGG sowie § 561 ZPO von den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auszugehen. Diese erlauben aber noch keine abschließende Entscheidung.

Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts enthalten nämlich eine Unklarheit: Wenn das Landesarbeitsgericht auf Seite 15 der Gründe ausführt, bei einem Gesamtumsatz von etwa 1,4 Mio DM entfielen auf die Tätigkeiten, die nicht dem Transportgewerbe zuzurechnen seien, etwa 90.000,-- DM Umsatz, während die Transportleistungen bei der Firma M etwa 170.000,-- DM ausmachten, so bleibt zunächst unklar, worauf sich dieser Gesamtumsatz beziehen soll. Der Jahresumsatz der Antragsgegnerin kann es nicht sein, weil anderenfalls auf jeden Arbeitnehmer ein Umsatz von 8.860,76 DM entfiele, die Antragsgegnerin jedoch für jeden Arbeitnehmer pro Jahr ein Mehrfaches an Arbeitsentgelt zu zahlen hat. Auf was sich der Gesamtumsatz von 1,4 Mio DM bezieht, ergibt sich dann allerdings aus der Beweisaufnahme erster Instanz, auf die sich das Beschwerdegericht bezogen hat. Danach beträgt der Jahresumsatz der Antragsgegnerin 17 bzw. 17,5 Mio DM. Der Anteil an den Transportleistungen beträgt danach 12,8 Mio DM. Der Zeuge W hat bei seiner Vernehmung in der ersten Instanz desweiteren bekundet, über 70 % des Umsatzes entfielen auf die Transportleistungen. Daraus kann rückgeschlossen werden, daß das Landesarbeitsgericht mit der Feststellung eines Gesamtumsatzes von etwa 1,4 Mio DM zwar den Gesamtumsatz der Antragsgegnerin gemeint hat, jedoch den monatlichen, denn der 12fache Umsatz von 1,4 Mio DM entspricht einem Jahresumsatz von knapp 17 Mio DM.

Unklar bleibt aber, woraus sich der monatliche Gesamtumsatz von 1,4 Mio DM zusammensetzt. Geht man von den Zahlen des Landesarbeitsgerichts aus (Seite 15 der Gründe), haben einem Transportumsatz von 800.000,-- DM 90.000,-- DM aufgrund des Vertrages über die Separationsanlage bei den M gegenübergestanden. Aufgrund welcher Tätigkeiten der übrige Umsatz erzielt wurde, bleibt nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts jedoch offen. Sollte es sich hierbei um Baustoffherstellung und Bauarbeiten handeln, dann würde sich der daraus ergebende Umsatz und der aus Transportaufträgen in etwa die Waage halten. Deshalb ist es schon nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht ausgeschlossen, daß die Arbeiten, die in den Organisationsbereich der IG Bau-Steine-Erden fallen, dem Unternehmen der Antragsgegnerin das Gepräge geben.

Hinzukommt, daß bei verschiedenen Unternehmenszwecken nicht allein von der Höhe der jeweiligen Umsätze auf die Tarifzuständigkeit geschlossen werden kann. So ist es durchaus denkbar, daß die Tätigkeiten, die vom überwiegenden Teil der Belegschaft auszuführen sind, nur zu einem vergleichsweise bescheidenen Umsatz führen, der nicht den Umsatz überwiegt, den nur ein geringer Teil der Belegschaft erarbeitet. Da aber in den Tarifverträgen die Arbeitsbedingungen für die organisierten Arbeitnehmer der Belegschaft bzw. des Gewerbezweiges vereinbart werden, ist bei der Frage, welches der überwiegende Unternehmensgegenstand des Arbeitgebers im Sinne der Tarifzuständigkeit ist, in erster Linie von dem arbeitstechnischen Zweck und von der Tätigkeit der überwiegend im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer auszugehen. Der Umsatz kann nur ein Indiz dafür sein, welcher Unternehmensgegenstand dem Unternehmen sein Gesamtgepräge gibt.

Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es hat die Verträge mit der K und der M darauf untersucht, ob und inwieweit die Antragsgegnerin aufgrund dieser Verträge verpflichtet war, Tätigkeiten ausführen zu lassen, auf die der Organisationsbereich der IG Bau-Steine-Erden in § 2 Nr. 1 ihrer Satzung zutraf. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Aufbereitungsarbeiten von Schlacke und anderen Industrierückständen seien zwar Arbeiten, die unter den Organisationsbereich der IG Bau-Steine-Erden fielen, hat aber dem Vertrag mit der K entnommen, die eigentlichen Aufbereitungsarbeiten seien gerade nicht Aufgaben der Antragsgegnerin, sondern anderer Firmen gewesen. Der Antragsgegnerin habe es ausschließlich oblegen, Arbeiten im Bereich Dienstleistung, Transport und Verkehr durchzuführen. Dienstleistungen zählt das Landesarbeitsgericht von vornherein zu den Transportarbeiten.

Damit hat das Beschwerdegericht den Begriff der Dienstleistung verkannt. Auch Dienstleistungen können in den Organisationsbereich der IG Bau-Steine-Erden fallen. Inwieweit das der Fall gewesen ist, hätte das Landesarbeitsgericht vorliegend schon deshalb näher untersuchen müssen, weil die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz 36 Baumaschinenführer, fünf Baumaschinenschlosser, drei Baumaschinen- und Kfz-Schlosser, fünf Anschläger und Kranführer, sieben Bauwerker und elf technische Angestellte beschäftigte. Das Beschwerdegericht bewertet deren Tätigkeit, soweit es sich um die Ausführung der Verträge mit der K und den M geht, ausschließlich als Transporttätigkeit. Dabei hat es unberücksichtigt gelassen, daß nach Aussage des Zeugen M Arbeitnehmer der Antragsgegnerin bei der Industriemüllentsorgung die heiße Schlacke im Schlackenbett abzusetzen, zu bewässern, umzurühren und anschließend auf die Deponie der K zu bringen hatten. Daneben hatten nach Aussage desselben Zeugen die Arbeiter Klärbecken auszuheben, denselben Schlämme zu entnehmen, zur Müllkippe zu fahren und dort mit Baufahrzeugen einzuplanieren. Nach dem Urteil des Vierten Senats vom 5. Juni 1985 (BAGE 48, 390 = AP Nr. 67 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) spricht die Tatsache, daß Arbeiten mit typischen Geräten des Baugewerbes, z.B. Planierraupen, ausgeführt werden, dafür, daß es sich um Bauarbeiten handelt. In derselben Entscheidung führt der Vierte Senat aus, die Naßbaggerei sei zwar vom fachlichen Geltungsbereich des BRTV-Bau ausgenommen, soweit aber der Aushub auf den Spülfeldern verteilt, planiert und Böschungen angelegt würden, handele es sich um Bautätigkeit; das Verteilen und Planieren von Aushub gehöre zur typischen Tätigkeit des Hoch- und Tiefbaus.

Den Verträgen der Antragsgegnerin mit der K und den M kann auch nicht entnommen werden, daß die Bautätigkeit nur notwendige Nebentätigkeit im Rahmen des Transportvertrages sei. Die Antragsgegnerin hatte es übernommen, für die beiden Firmen die Industrierückstände nicht nur an einen anderen Ort zu bringen, sondern diese auch selbst fachgerecht zu deponieren. Gerade dafür werden die Baumaschinen der Antragsgegnerin benötigt. Daß ihre Vergütung für diese Arbeiten insgesamt nur nach der Transportleistung berechnet wird, ist für die Art ihrer Tätigkeit ohne Bedeutung. Ob damit Transport- oder Bauarbeiten bzw. Baustoffverarbeitung vergütet werden, ist den Auftraggebern gleichgültig.

5. Kann damit aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden, welche Tätigkeit dem Unternehmen der Antragsgegnerin das Gepräge gibt, war die Beschlußsache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, unter Berücksichtigung der Tätigkeit aller im Unternehmen der Antragsgegnerin beschäftigten Arbeitnehmer und der hierzu bereits vorliegenden Aussagen der Zeugen M und W festzustellen, ob die IG Bau-Steine-Erden die für die Antragsgegnerin zuständige Gewerkschaft ist.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Dr. Schmidt Lappe

 

Fundstellen

Haufe-Index 437040

DB 1989, 1831 (LT1)

JR 1989, 440

JR 1989, 440 (L1)

NZA 1989, 561-564 (LT1)

RdA 1989, 133

SAE 1991, 319-323 (LT1)

AP § 2 TVG Tarifzuständigkeit (LT1), Nr 5

AR-Blattei, ES 1550.2.1 Nr 2 (LT1)

AR-Blattei, Tarifvertrag IIA Entsch 2 (LT1)

EzAÜG, Nr 305 (LT1)

EzA § 2 TVG Tarifzuständigkeit, Nr 1 (LT1)

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