Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsstellung eines Lehrbeauftragten

 

Normenkette

GVG § 17a; BGB § 611

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Beschluss vom 16.03.1995; Aktenzeichen 12 Ta 164/94)

ArbG Kassel (Beschluss vom 03.03.1994; Aktenzeichen 1 Ca 130/94)

 

Tenor

1. Auf die weitere sofortige Beschwerde des beklagten Landes wird der Beschluß des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. März 1995 – 12 Ta 164/94 – aufgehoben.

2. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Kassel vom 3. März 1994 – 1 Ca 130/94 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten und in der Hauptsache darum, ob der Kläger als Lehrbeauftragter an der Verwaltungsfachhochschule W., Fachbereich Polizei, in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu dem beklagten Land steht.

Der Kläger ist ausgebildeter Gymnasiallehrer mit der Lehrbefähigung für die Fächer Biologie und Gesellschaftslehre. Seit Februar 1992 ist er aufgrund von Lehraufträgen des Rektors an der Verwaltungsfachhochschule in W., Fachbereich Polizei tätig. Er unterrichtete zunächst 160, im Wintersemester 1992/93 200 und im Sommersemester 1993 und im Wintersemester 1993/94 jeweils über 210 Semester stunden.

Ein vollbeschäftigter – angestellter oder beamteter – Dozent an der Verwaltungsfachhochschule („hauptamtlicher Fachhochschullehrer” im Sinne von § 24 des Gesetzes über die Fachhochschulausbildung für Verwaltung und Rechtspflege, Verwaltungsfachhochschulgesetz – VerwFHG – vom 21. Juni 1979, GVBl. I, S. 95, 97) hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts eine Unterrichtsverpflichtung pro Semester von 360 Stunden und nach den Behauptungen des Klägers im Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde von 344,5 Stunden.

Der Kläger meint, in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land zu stehen, weil er mit mehr als der Hälfte des Stundenvolumens eines vollbeschäftigten Verwaltungsfachhochschullehrers beschäftigt gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß der Kläger über den 14. Januar 1994 hinaus (Ende des Wintersemesters 93/94) in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land steht, und zwar als Lehrkraft an der Verwaltungsfachhochschule mit einer Unterrichtsverpflichtung von mindestens 10 Stunden wöchentlich;
  2. festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger ab dem 14. Januar 1994 mit einer Unterrichtsverpflichtung von 10 Stunden wöchentlich entsprechenden anteiligen BAT-Vergütung einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft an der Verwaltungsfachhochschule zu vergüten.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es räumt ein, den Kläger in aktuellen Notsituationen nach kurzfristigem und unvorhersehbarem „Abspringen” bereits eingeplanter Lehrbeauftragter zeitweilig mit mehr als 180 Semesterstunden beschäftigt zu haben. Ab Sommersemester 1994 sei das wegen der Normalisierung der Situation nicht mehr der Fall gewesen.

Das Arbeitsgerichts hat den Rechtsweg zum Arbeitsgericht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht Kassel verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Mit der weiteren sofortigen Beschwerde erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.

 

Entscheidungsgründe

II. Die weitere sofortige Beschwerde des beklagten Landes hat Erfolg. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht gegeben. Der Kläger steht als Lehrbeauftragter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und nicht in einem Arbeitsverhältnis. Er ist auch keine arbeitnehmerähnliche Person.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stehen Lehrbeauftragte an Hochschulen, die mit bestimmten Lehrverpflichtungen im Semester betraut werden, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis besonderer Art, wenn der Lehrauftrag durch eine einseitige Maßnahme der Hochschule erteilt wird (BAGE 38, 259; 46, 218, 223 f. = AP Nr. 27, 42 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, sowie die nicht veröffentlichten Urteile vom 5. Februar 1986 – 5 AZR 422/84 –, vom 11. Februar 1987 – 5 AZR 18/86 – und vom 23. Juni 1993 – 5 AZR 248/92 –). Zu den Hochschulen in diesem Sinne gehören auch die Fachhochschulen (vgl. § 1 HRG). Art. 33 Abs. 4 GG, wonach die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, läßt neben dem Beamtenverhältnis auch noch andere öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse zu (BVerwGE 49, 137).

Sofern die zugrundeliegenden Vorschriften der Hochschulgesetze dies zulassen, können allerdings die Rechtsverhältnisse mit Lehrbeauftragten auch privatrechtlich ausgestaltet werden. Dies hat der Senat mit Urteil vom 5. Februar 1986 (a.a.O.) für einen Lehrbeauftragten an einer schleswig-holsteinischen Musikhochschule aufgrund der in jenem Verfahren gewählten Gestaltung der Rechtsverhältnisse entschieden (vgl. auch BAG Urteil vom 27. Juli 1988 – 5 AZR 244/87 – AP Nr. 83 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Davon ist auch der Zweite Senat in seinem Beschluß vom 30. August 1993 (– 2 AZB 6/93 – AP Nr. 6 zu § 17 a GVG) für einen Lehrbeauftragten der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung ausgegangen. Dort hatten die Parteien allerdings jeweils die Durchführung von Lehrveranstaltungen auf Honorarbasis „vereinbart”.

Von einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ist nach der Rechtsprechung des Senats auch dann auszugehen, wenn sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Rechtsnatur des Lehrbeauftragtenverhältnisses ergeben. Das bedeutet: Im Zweifel handelt die Behörde, die mit dem Lehrauftrag öffentliche Aufgaben überträgt, in Form des öffentlichen Rechts und durch Verwaltungsakt (BAG Urteile vom 5. Februar 1986, 11. Februar 1987 und 23. Juni 1993, a.a.O.; ebenso Hans-Jürgen Reich, Die Rechtsverhältnisse der Lehrbeauftragten an den Hochschulen, 1986, S. 64).

Für die Verwaltungsfachhochschulen des Landes Hessen, die nach § 2 des Hessischen Fachhochschulgesetzes vom 6. Juni 1978 (HeFHG) nicht zu den Fachhochschulen im Sinne dieses Gesetzes gehören, gelten dieselben Grundsätze.

2. § 28 des Hessischen Verwaltungsfachhochschulgesetzes vom 12. Juni 1979 (HeVerwFHG) enthält keine Aussage zur Rechtsnatur des Lehrauftragsverhältnisses. Allein aus der Formulierung des Gesetzes, daß Lehraufträge „erteilt” werden, kann der öffentliche Charakter des Rechtsverhältnisses nicht hergeleitet werden (ebenso Reich, a.a.O., S. 56–58; Hailbronner/Waldeyer, Kommentar zum HRG, Stand Mai 1995, § 55 Rz 32). Allerdings bestimmt Nr. 4 des Erlasses des Hessischen Ministeriums des Innern und Europaangelegenheiten vom 13. April 1993 (Staatsanzeiger für das Land Hessen. S. 1059):

„4. Rechtsnatur des Lehrauftrages

Das Lehrbeauftragtenverhältnis ist ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis besonderer Art. Die Erteilung des Lehrauftrages und die Festsetzung der Lehrauftragsvergütung sind Verwaltungsakte (Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 1991 – 1 UE 105/85 –).”

a) Dementsprechend hat der Rektor der Verwaltungsfachhochschule die Lehraufträge jeweils durch einseitige Maßnahmen erteilt. Die Schreiben enthalten keinerlei Hinweise auf ein privatrechtliches Rechtsverhältnis. Die vom Kläger jeweils erklärte Annahme des Lehrauftrages ist als Zustimmung zu den darin liegenden Verwaltungsakten anzusehen.

Das stellt auch das Landesarbeitsgericht nicht in Abrede. Es meint jedoch unter Hinweis auf Nr. 5.2. das Erlasses vom 13. April 1993, es handele sich dann nicht mehr um ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis besonderer Art, wenn ein Lehrbeauftragter mit mehr als der Hälfte der Unterrichtsverpflichtung eine hauptamtlichen Lehrkraft beschäftigt wird. Dann komme den Gesichtspunkten des Arbeitnehmerschutzes (Existenzsicherung) maßgebliches Gewicht zu. Deshalb sei die Qualifikation des Rechtsverhältnisses als eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses jedenfalls für die Zeit der Durchführung vom Beginn des Wintersemesters 1992/93 bis zum Ende des Wintersemesters 1993/94 gerade nicht zwingend. Zumindest seien Lehrauftragsnehmer mit mehr als der Hälfte der Lehrverpflichtung einer vollbeschäftigten Lehrkraft von dem betreffenden Fachhochschulträger wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig und damit arbeitnehmerähnliche Person.

b) Nr. 5 des Erlasses vom 13. April 1993 (a.a.O.) bestimmt:

„5.

Dauer des Lehrauftrages

5.1.

Ein Lehrauftrag soll in der Regel mindestens für die Dauer eines Studienabschnittes erteilt werden.

5.2.

Ein nebenberuflich wahrgenommener Lehrauftrag muß stets weniger als die Hälfte der Lehrverpflichtung einer Lehrkraft i.S. des § 24 VerwFHG umfassen.”

Das beklagte Land hat gegen Nr. 5.2. des Erlasses vom 13. April 1993 verstoßen, indem es dem Kläger Lehraufträge erteilt hat, die mehr als die Hälfte der Lehrverpflichtung einer hauptamtlichen Lehrkraft umfassen. Dadurch ist der Kläger aber nicht zum Arbeitnehmer geworden.

Wie ausgeführt, hat das beklagte Land zu dem Kläger ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis begründet. Sie hat sich dazu des Erlasses von – zustimmungsbedürftigen – Verwaltungsakten bedient. Diese sind dem Kläger bekanntgegeben und damit wirksam geworden; sie sind auch weder zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder auf andere Weise erledigt (§ 43 Abs. 1, 2 HeVwVfG, gleichlautend mit § 43 Abs. 1, 2 VwVfG des Bundes). Das bedeutet, daß die mit dem Verwaltungsakt bezweckten Rechtswirkungen und -folgen eingetreten sind: Es sind also jeweils öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse zustandegekommen.

Die Feststellung, das beklagte Land habe das Institut des Lehrauftrages mißbraucht, tatsächlich sei unter dem „Mantel” des Lehrauftragsverhältnisses ein Arbeitsverhältnis über die Tätigkeit eines Professors begründet worden, könnten die Gerichte für Arbeitssachen allenfalls dann treffen, wenn die Verwaltungsakte, mit denen die Beklagte die Lehraufträge erteilt hat, unbeachtlich wären. Es mag zutreffen, daß die Erteilung von Lehraufträgen in diesem Umfang gegen § 29 Abs. 2 HeVerwFHG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 Hessisches Universitätsgesetz (HeUG) und § 32 HeFHG verstößt, wonach Lehrbeauftragte „nebenberuflich” tätig sind. Es ist jedoch anerkannt, daß die Gerichte aller Gerichts zweige an das Bestehen und den Inhalt von wirksamen Verwaltungsakten gebunden sind, soweit ihnen nicht die Kontrollkompetenz eingeräumt ist (sogenannte Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten). Das gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist (vgl. BAGE 34, 275, 279 f. = AP Nr. 7 zu § 12 SchwbG). Eine solche Bindung entfällt nur, wenn der Verwaltungsakt nichtig ist. Danach ist es den Gerichten für Arbeitssachen verwehrt, nachzuprüfen, ob die Lehraufträge jeweils rechtmäßig an den Kläger erteilt worden sind. An das Bestehen öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse wären die Arbeitsgerichte nur dann nicht gebunden, wenn die Verwaltungsakte, mit denen die Lehraufträge erteilt wurden, nichtig gewesen wären.

c) Nach § 44 HeVwVfG, § 44 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er an einem besonders schweren Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es handelt sich um verschiedene Lehraufträge. Erst die Gesamtbelastung des Klägers lag während dreier Semester über der Hälfte der Lehrverpflichtung einer Lehrkraft im Sinne des § 24 HeVerwFHG. Das beklagte Land hat unwidersprochen vorgetragen, daß es durch den Ausfall bereits fest eingeplanter Dozenten zu unerwarteten Notsituationen gekommen ist, in denen der Kläger mit jeweils einer Lehrveranstaltung pro Semester eingesprungen sei.

Im übrigen ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen eine hauptberufliche Tätigkeit anzunehmen ist. Einige verlangen eine Beschäftigung zu mehr als der Hälfte oder mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit (Hailbronner/Waldeyer, a.a.O., § 55 Rz 2. a.E.; Dallinger/Bode/Dellian, Hochschulrahmengesetz, § 42 Rz 4, m.w.N.); andere stellen im Grundsatz darauf ab, ob die Tätigkeit das Verhalten in zeitlicher und einkommensmäßiger Hinsicht prägt (Denninger/Hauck, Hochschulrahmengesetz, § 42 Rz 10). Da nebenberuflich alle Tätigkeiten sind, die nicht hauptberuflich ausgeübt werden, besteht auch über die Definition der Nebenberuflichkeit keine Einigkeit. Der Senat braucht hierzu jedoch nicht abschließend Stellung zu nehmen. Es genügt die Feststellung, daß sich der Kläger mit zweihundert bzw. mit (über) zweihundertzehn Semesterstunden während dreier Semester jedenfalls noch nicht so weit vom Leitbild des nebenberuflich tätigen Lehrbeauftragten entfernt, daß die Verwaltungsakte, mit denen die Lehraufträge erteilt wurden, als nichtig anzusehen sind.

d) Hinzu kommt, daß selbst bei Nichtigkeit dieser Verwaltungsakte nicht ohne weiteres ein Arbeitsverhältnis angenommen werden könnte. Bereits mit seinem Urteil vom 8. Dezember 1959 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (BAGE 8, 261, 266 f. = AP Nr. 18 zu § 2 ArbGG 1953 Zuständigkeitsprüfung), daß bei der Nichtigkeit einer Ernennung eines Beamten der Vorgang nicht in ein Arbeitsverhältnis umzudeuten ist (RGRK-Schliemann, BGB, 12. Aufl., § 611 Rz 1019 f.).

3. Nach alledem bleibt es dabei, daß der Kläger als Lehrbeauftragter ausschließlich in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen steht. Damit handelt es sich nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die Frage, ob der Kläger arbeitnehmerähnliche Person war, stellt sich also nicht.

 

Unterschriften

Griebeling, Schliemann, Reinecke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1086594

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