Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswegzuständigkeit. Geschäftsführervertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn die Organstellung eines GmbH-Geschäftsführers im Fall der Verschmelzung mit einer anderen GmbH erlischt und der Anstellungsvertrag gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 KapErhG auf die übernehmende GmbH übergeht, sind für den Rechtsstreit um deren Kündigung des Anstellungsvertrages die Gerichte für Arbeitssachen nur dann zuständig, wenn neben dem Anstellungsverhältnis ein gleichzeitig übergegangenes Arbeitsverhältnis ruhend fortbestand.

 

Normenkette

ArbGG §§ 2, 5 Abs. 1 S. 3, § 53 Abs. 1, § 72 Abs. 6; GVG § 17a; BGB § 611; KapErhG § 19 Abs. 1 S. 2, § 25 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Beschluss vom 15.10.1993; Aktenzeichen 2 Ta 14/93)

ArbG Hamburg (Beschluss vom 10.05.1993; Aktenzeichen 21 Ca 430/92)

 

Tenor

Auf die weitere sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 15. Oktober 1993 – 2 Ta 14/93 – aufgehoben.

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. Mai 1993 – 21 Ca 430/93 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten beider Beschwerdeverfahren.

 

Tatbestand

I. Der Kläger, ein Diplom-Ingenieur, arbeitete seit dem 1. Januar 1978 als Leiter der Abteilung Konstruktion und Entwicklung für die E… GmbH & Co. KG auf der Grundlage eines im April 1977 geschlossenen Arbeitsvertrages. Im Januar 1985 schloß der Kläger mit der Komplementärin seines Arbeitgebers, der Verwaltungsgesellschaft E… GmbH, einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag. Diese bestellte ihn darin zum (Mit-)Geschäftsführer; gleichzeitig wurde sein Arbeitsvertrag mit der E… GmbH & Co. KG zum 31. Dezember 1984 aufgehoben.

Im folgenden Jahr erwarb die E… GmbH & Co. KG alle Gesellschaftsanteile der Pagendarm GmbH. Im Oktober 1986 wurde der Kläger auch zum Geschäftsführer der Pagendarm GmbH bestellt und war ab diesem Zeitpunkt ausschließlich für diese Tochtergesellschaft tätig. Im Jahre 1988 übernahm die Verwaltungsgesellschaft E… GmbH das Vermögen der E… GmbH & Co. KG und führte die Geschäfte der Kommanditgesellschaft unter der Firma E… GmbH fort. Am 8. Juli 1988 schloß der Kläger mit der E… GmbH einen neuen Anstellungsvertrag unter gleichzeitiger Aufhebung des Anstellungsvertrages vom Januar 1985. Darin wurde er zum (Allein-) Geschäftsführer bestellt und eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Jahresende vereinbart. Am 1. Juli 1992 schloß die E… GmbH mit der Beklagten, der vormaligen M… GmbH einen Verschmelzungsvertrag, in dem sie ihr gesamtes Vermögen auf die Beklagte als übernehmende GmbH übertrug. Die Beklagte änderte gleichzeitig ihre vormalige Firmenbezeichnung und führte die Firma E… GmbH fort. Bereits Anfang Juli 1992 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie nicht beabsichtige, ihn nach der Verschmelzung zum Geschäftsführer zu bestellen und schlug vor, seinen Anstellungsvertrag aufzuheben und durch einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit der P… GmbH zu ersetzen. Die Verschmelzung wurde am 22. September 1992 in das Handelsregister eingetragen. Der Kläger setzte auch nach der Verschmelzung seine Tätigkeit bei der P… GmbH unverändert fort. Auf der Grundlage eines von der Beklagten Anfang November vorgelegten schriftlichen Vertragsentwurfes erzielten die Parteien jedoch keine Einigung, so daß die Beklagte den Anstellungsvertrag des Klägers mit Schreiben vom 10. Dezember 1992, das dem Kläger am 12. Dezember 1992 zuging, zum 31. Dezember 1993 kündigte. Mit Beschluß vom 25. Januar 1993 widerrief die Beklagte als alleinige Gesellschafterin der P… GmbH die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer.

Der Kläger vertritt mit seiner beim Arbeitsgericht Hamburg erhobenen Kündigungsschutzklage die Auffassung, daß er seit Erlöschen seiner Organstellung bei der E.C.H. Will GmbH (alt) als Arbeitnehmer anzusehen sei.

Der Kläger hat beantragt,

  • festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Dezember 1992 nicht zum 31. Dezember 1993 beendet wird, sondern darüber hinaus unverändert fortbesteht und
  • die Beklagte für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) zu verurteilen, ihn über den 31. Dezember 1993 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat vorab die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges gerügt: Der Kläger sei auch nach dem Erlöschen seiner Organstellung bei der E… GmbH nicht als Arbeitnehmer anzusehen. Der gesetzliche Übergang des Anstellungsvertrages infolge der Verschmelzung habe die Rechtsnatur des mit der erloschenen E… GmbH geschlossenen Geschäftsführer-Anstellungsvertrages nicht geändert.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 10. Mai 1993 den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit mit der Begründung an das Landgericht Hamburg verwiesen, Gegenstand des Rechtsstreits sei die Kündigung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages, der als freier Dienstvertrag zu werten sei. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht den Beschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt, und zwar mit der Begründung, der Anstellungsvertrag des Klägers mit der erloschenen E… GmbH habe sich durch den Übergang auf die nunmehr unter der Firma E… GmbH firmierende Beklagte inhaltlich in ein Arbeitsverhältnis geändert. Mit dem Übergang auf die Beklagte habe das Vertragsverhältnis seinen Bezug zu der Organstellung bei der erloschenen E… GmbH verloren. Dagegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene weitere Beschwerde der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

II.1. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts ist statthaft, weil sie vom Landesarbeitsgericht in der Beschwerdeentscheidung zugelassen worden ist (vgl. § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG; § 78 Abs. 2 ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (vgl. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

2. Über die weitere Beschwerde gem. § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG entscheidet der Senat gem. § 72 Abs. 6 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG analog ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter, wenn die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht (BAG Beschlüsse vom 10. Dezember 1992 – 8 AZB 6/92 – AP Nr. 4 zu § 17a GVG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; vom 28. Oktober 1993 – 2 AZB 12/93 – und vom 30. August 1993 – 2 AZB 6/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

3. Die weitere Beschwerde ist begründet, weil das Landesarbeitsgericht zu Unrecht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als zulässig angesehen hat.

a) Der angefochtene Beschluß ist verfahrensrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommen. Die sofortige Beschwerde ist rechtzeitig eingelegt worden. Der angefochtene Beschluß des Arbeitsgerichts vom 10. Mai 1993 wurde dem Beschwerdeführer am 17. Mai 1993 zugestellt; der Beschwerdeführer hat seine sofortige Beschwerde innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist (§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG; § 78 Abs. 1 ArbGG; § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO) am 1. Juni 1993 beim Landesarbeitsgericht eingereicht.

b) Dem Landesarbeitsgericht kann nicht gefolgt werden, weil der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen unzulässig ist.

aa) Der beschrittene Rechtsweg wird nicht bereits dadurch eröffnet, daß der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben hat und die Rechtsansicht vertritt, daß er Arbeitnehmer sei.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses, nicht jedoch, wenn die Parteien allein über die Beendigung eines anderen Vertragsverhältnisses streiten. Abgrenzungskriterium ist hierbei, ob es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber handelt. Die Abgrenzung ist vom zunächst angerufenen Gericht für Arbeitssachen aufgrund einer tatsächlichen und rechtlichen Prüfung vorzunehmen. Ergibt die Prüfung, daß das vorgetragene Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, ist das Arbeitsgericht sachlich zuständig (BAG Beschlüsse vom 30. August 1993 – 2 AZB 6/93 – und vom 28. Oktober 1993 – 2 AZB 12/93 – aaO).

bb) Der Kläger ist kein Arbeitnehmer der Beklagten i.S. des § 5 ArbGG geworden.

(1) Diese Vorschrift regelt abschließend, wer zu den Arbeitnehmern i.S. des ArbGG zu zählen ist. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG zählen zu den Arbeitnehmern nicht diejenigen Personen, die in einem Betrieb einer juristischen Person kraft Gesetzes zur Vertretung der juristischen Person berufen sind. Hierzu gehören die Geschäftsführer einer GmbH, die gem. § 35 GmbHG deren gesetzliche Vertreter sind. Die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG beruht auf dem Umstand, daß juristische Personen nur durch ihre Organe handeln und nur durch diese ihre Arbeitgeberfunktionen ausüben können. Aus diesem Grund ist es nicht gerechtfertigt, diese Personen als Arbeitnehmer anzusehen (BAG Urteil vom 10. Juli 1980 – 3 AZR 68/79 – AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG 1979; Grunsky, ArbGG, 6. Aufl., § 5 Rz 24; Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 5 Rz 29, 31). Hinsichtlich des Rechtsverhältnisses eines Geschäftsführers zu einer GmbH ist zwischen dem Organisationsakt der Bestellung, für den gem. § 46 Nr. 5 GmbHG die Gesellschafter zuständig sind, und dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis, das zwischen Geschäftsführer und GmbH geschlossen wird, zu unterscheiden. Dieses Vertragsverhältnis ist als Dienstvertrag gem. § 611 BGB einzuordnen (BAGE 49, 81 = AP Nr. 3 zu § 5 ArbGG 1979 = DB 1986, 1474; Mertens in Hachenburg, GmbHG-GK-, 7. Aufl., § 35 Rz 41, 84). Endet die Organstellung durch Zeitablauf, Widerruf oder Amtsniederlegung, so besteht das Anstellungsverhältnis bis zu seinem Ablauf oder seiner Kündigung fort. Der Verlust der Organstellung führt grundsätzlich nicht zum Übergang des zunächst begründeten freien Dienstverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis, so daß die Gerichte für Arbeitssachen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer nachfolgenden Kündigung des Anstellungsverhältnisses nicht zuständig sind (BAG Urteil vom 27. Oktober 1960 – 5 AZR 578/59 – AP Nr. 14 zu § 5 ArbGG 1953; BAGE 24, 383, 392 = AP Nr. 4 zu § 626 BGB Ausschlußfrist). Ausnahmsweise kann jedoch zwischen einem Geschäftsführer und einer GmbH nach der Beendigung der Organstellung ein Arbeitsverhältnis bestehen, wenn der Geschäftsführer vor seiner Bestellung Arbeitnehmer der GmbH gewesen ist und die Bestellung erfolgt ist, ohne daß sich an den Vertragsbedingungen etwas geändert hat. In diesem Fall kann das Arbeitsverhältnis durch die Bestellung zum Geschäftsführer als nur suspendiert und mit dem Widerruf der Bestellung auf seinen ursprünglichen Inhalt zurückgeführt angesehen werden (BAGE 24, 383 = AP, aaO; BAGE 49, 81 = AP Nr. 3 zu § 5 ArbGG 1979; BAGE 55, 137 = AP Nr. 6, aaO; BAG Urteil vom 27. Juni 1985 – 2 AZR 425/84 – AP Nr. 2 zu § 1 AngestelltenkündigungsG). Zu einer derartigen Rückführung kommt es jedoch dann nicht, wenn die Parteien anläßlich der Bestellung zum Geschäftsführer ausdrücklich die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses vereinbart haben (BAGE 55, 137 = AP, aaO).

(2) Diese Grundsätze kommen auch dann zur Anwendung, wenn die Organstellung eines Geschäftsführers im Falle der Verschmelzung erlischt und der Anstellungsvertrag gem. § 25 Abs. 2 Satz 1 KapErhG auf die übernehmende GmbH übergeht.

Die Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung durch Aufnahme gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapErhG hat zur Folge, daß die übertragende GmbH mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister erlischt (§ 25 Abs. 3 Satz 1 KapErhG). Dies führt nach allgemeiner Auffassung auch zum Erlöschen der Organstellung (Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, Anh. § 77, § 25 KapErhG Rz 13; Scholz/Priester, GmbHG, 7. Aufl., Anh. Umw. § 25 KapErhG Rz 12; Fischer/Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 12. Aufl., Anh. Verschmelzung § 25 KapErhG Rz 12). Die Verbindlichkeiten der erloschenen GmbH gehen gem. § 25 Abs. 2 Satz 1 KapErhG auf die übernehmende GmbH im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über. Zu den übergehenden Verbindlichkeiten zählen auch die Anstellungsverhältnisse der Geschäftsführer der übertragenden Gesellschaft (Scholz/Priester, GmbHG, aaO, Anh. Umw. § 25 KapErhG Rz 12; Schilling/Zutt in GmbHG-GK- Hachenburg, aaO, § 77, Anh. II. VerschmG § 25 Rz 28; Hockemeier, Die Auswirkung der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf die Anstellungsverhältnisse der Geschäftsleiter, S. 28). Kündigt die übernehmende GmbH das auf sie kraft Gesetzes übergegangene Anstellungsverhältnis mit dem ehemaligen Geschäftsführer der erloschenen GmbH, so sind die Gerichte für Arbeitssachen nur dann zuständig, wenn neben dem Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis als ruhend fortbestanden hat, das ebenfalls auf die übernehmende GmbH übergegangen ist. In diesem Fall führt das Erlöschen der Organstellung nur dazu, daß das Arbeitsverhältnis auf seinen ursprünglichen Inhalt zurückgeführt wird.

Der Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts, das Anstellungsverhältnis wandle sich ohne weiteres mit dem Verlust der Organstellung in ein Arbeitsverhältnis, kann nicht gefolgt werden. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung auf den Inhalt des Anstellungsvertrages verwiesen; ergebe sich hieraus eine persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des ehemaligen Geschäftsführers zu der übernehmenden GmbH, so stelle das Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis dar. Diese “Mutationstheorie” hält der Senat für unzutreffend. Der Inhalt des Anstellungsverhältnisses ändert sich allein durch den gesetzlichen Übergang nicht. Die bisherige rechtliche Zuordnung eines schuldrechtlichen Vertrages zu den Vertragstypen des BGB bleibt jedenfalls im Falle der Verschmelzung nach §§ 19 ff. KapErhG unberührt (ebenso für den gesetzlichen Übergang gem. § 25 KapErhG hinsichtlich der Rechtsnatur der Anstellungsverhältnisse Scholz/Priester, aaO, Rz 12; Fischer/Lutter/Hommelhoff, aaO, Rz 12; Kraft, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 346 AktG Rz 17; Hockemeier, aaO, S. 28). Wie für diese Auffassung zunächst spricht, läßt der gesetzliche Übergang eines schuldrechtlichen Vertrages sowohl im Falle der Einzel- als auch der Gesamtrechtsnachfolge die Rechtsnatur des Vertrages unberührt (vgl. §§ 571, 613a, 1922 BGB). Darüber hinaus ist die Trennung zwischen Organstellung und privatrechtlichem Anstellungsverhältnis zu berücksichtigen. Läßt der Widerruf der Bestellung durch Gesellschafterbeschluß das Anstellungsverhältnis unberührt, so kann auch das gesetzliche Erlöschen der Organstellung keinen Einfluß auf das Anstellungsverhältnis haben. Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß der Vertragspartner wechselt. Dieser übernimmt den Vertrag mit dem Inhalt, wie er zuvor zwischen dem Geschäftsführer und der übertragenden GmbH ausgehandelt wurde.

(3) Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend, daß der Kläger gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist, weil zwischen ihm und der Beklagten ein Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis auf der Basis eines Dienstvertrages i.S. des § 611 BGB und kein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Organstellung des Klägers ist mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister am 22. September 1992 erloschen, weil zu diesem Zeitpunkt die E… GmbH gem. § 25 Abs. 3 Satz 1 KapErhG erloschen ist. Der Anstellungsvertrag des Klägers, den dieser mit der E… GmbH (alt) im Jahre 1988 abgeschlossen hatte, ist im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Beklagte übergegangen. Der Anstellungsvertrag ist mit dem Erlöschen der Organstellung nicht auf ein Arbeitsverhältnis zurückgeführt worden, weil mit der E… GmbH kein Arbeitsverhältnis als ruhend fortbestand, das auf die Beklagte hätte übergehen können. Der Kläger und die E… GmbH hatten nämlich bereits im Jahre 1985, anläßlich der ersten Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer, ausdrücklich die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses vereinbart.

(4) Das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis ist auch nicht in ein Arbeitsverhältnis eines leitenden Angestellten umgewandelt worden.

Wird mit der übernehmenden GmbH die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Dienstposten vereinbart, so wird das Anstellungsverhältnis allerdings in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt (BAG Urteil vom 22. Februar 1974 – 2 AZR 289/73 – AP Nr. 19 zu § 5 ArbGG 1953). Dies gilt auch dann, wenn dieser andere Dienstposten die Organstellung bei einer abhängigen Gesellschaft beinhaltet. Ein Geschäftsführer einer abhängigen GmbH, dessen Bestellung ein Vertragsverhältnis mit dem beherrschenden Unternehmen zugrundeliegt, ist schon begrifflich aus dem Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausgenommen und als Arbeitnehmer anzusehen (BAG Urteil vom 27. Oktober 1960 – 5 AZR 578/59 –, AP Nr. 14 zu § 5 ArbGG 1953; Matthes in: Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 5 Rz 31).

Diese Voraussetzungen liegen jedoch hier nicht vor. Die unveränderte Tätigkeit als Geschäftsführer bei der abhängigen P… GmbH beruhte nicht auf einer nachträglichen Vereinbarung zwischen den Parteien; vielmehr lag der Organstellung des Klägers bei der abhängigen Pagendarm GmbH der Anstellungsvertrag mit der E… GmbH zugrunde, wobei die Beklagte bereits im Zusammenhang mit der Verschmelzung Anfang Juli 1992 dem Kläger vorschlug, seinen Anstellungsvertrag aufzuheben und durch einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit der P… GmbH zu ersetzen. Als die Parteien hierüber keine Einigung erzielten, kam es dann zur Aufkündigung des Anstellungsvertrages vom 8. Juli 1988. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, es sei etwa durch eine vorbehaltlose Weiterbeschäftigung des Klägers für die Beklagte als beherrschendes Unternehmen im Verhältnis zu der abhängigen P… GmbH zur Entstehung eines Arbeitsverhältnisses gekommen. Dagegen spricht eindeutig der schon frühzeitig zum Ausdruck gekommene Wille der Beklagten, den eigenen Anstellungsvertrag mit dem Kläger aufzuheben und durch einen eigenständigen Geschäftsführervertrag mit der P… GmbH zu ersetzen.

4. Der Kläger trägt gem. § 91 ZPO die Kosten beider Beschwerdeverfahren.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Bitter, Bröhl

 

Fundstellen

Haufe-Index 856640

BB 1994, 1224

NJW 1995, 675

JR 1994, 528

NZA 1994, 905

ZIP 1994, 1044

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