Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschluß tarifwidriger Betriebsvereinbarungen

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 23 Abs 3 BetrVG berechtigt eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft, die hier geregelten Anträge gegen den Arbeitgeber zu stellen, wenn sie geltend macht, eine von den Betriebspartnern abgeschlossene Betriebsvereinbarung verstoße gegen die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung, weil sie den in § 77 Abs 3 BetrVG normierten Vorrang des Tarifvertrages nicht beachte.

Einer Betriebsvereinbarung über Angelegenheiten, die nach § 87 Abs 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen, steht der Tarifvorrang des § 77 Abs 3 BetrVG nicht entgegen.

Eine solche Betriebsvereinbarung verstößt auch dann nicht gegen § 77 Abs 3 BetrVG, wenn sie in einzelnen Bestimmungen gegen zwingende tarifliche Vorgaben verstößt.

Das durch Art 9 Abs 3 GG geschützte Recht der Tarifvertragsparteien, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifverträge zu regeln, wird durch eine nach § 87 Abs 1 BetrVG zulässige Betriebsvereinbarung auch dann nicht verletzt, wenn diese Betriebsvereinbarung in einzelner Bestimmung gegen zwingende tarifliche Vorgaben verstößt.

Eine Gewerkschaft hat daher keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber, daß dieser die Anwendung einer solchen Betriebsvereinbarung im Betrieb deswegen unterläßt, weil diese Betriebsvereinbarung gegen zwingende tarifliche Vorgaben verstößt.

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 29.10.1990; Aktenzeichen 10 TaBV 1/90)

ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 06.12.1989; Aktenzeichen 10 BV 9/90)

 

Nachgehend

BVerfG (Entscheidung vom 29.06.1993; Aktenzeichen 1 BvR 1916/91)

 

Gründe

A. Die antragstellende Industriegewerkschaft Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst (im folgenden nur IG Medien) wendet sich im vorliegenden Beschlußverfahren gegen eine von Arbeitgeber und Betriebsrat für das Druckhaus B. in O. abgeschlossene Betriebsvereinbarung vom 29. April 1988 i. d. F. vom 23. November 1988 und 12. Juni 1989 (im folgenden Betriebsvereinbarung 88) über die Lage und die Verteilung der Arbeitszeit im Betrieb.

Der Arbeitgeber ist Mitglied des Bundesverbandes Druck und betreibt eine Großdruckerei. Die Arbeitnehmer der Druckerei haben einen Betriebsrat gewählt, den Beteiligten im vorliegenden Verfahren. Im Betrieb finden die Tarifverträge für die Druckindustrie, darunter auch der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nebst Durchführungsbestimmungen i. d. F. vom 10. März 1989, in Kraft getreten am 1. Juli 1989 (im folgenden nur MTV) Anwendung.

§ 3 Abs. 1 MTV lautet - soweit hier von Interesse - wie folgt:

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt

37,5 Stunden, ab 1. April 1989 37 Stunden.

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist für

den einzelnen Arbeitnehmer auf fünf Tage von Mon-

tag bis Freitag zu verteilen.

Zur Produktion (einschließlich Weiterverarbeitung

und Versand) von Zeitungen oder Zeitschriften

kann nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse

mit dem Betriebsrat gemäß Betriebsverfassungsge-

setz die Verteilung der regelmäßigen wöchentli-

chen Arbeitszeit abweichend vereinbart werden. In

Zeitungsbetrieben ist regelmäßige Arbeit am Sams-

tag nur zur Produktion von Zeitungen, die am

Samstag oder Sonntag erscheinen, zulässig. Sams-

tagsarbeit zur Produktion von Zeitungen, die mon-

tags erscheinen, kann durch Betriebsvereinbarung

geregelt werden. In diesem Fall kann die Zustim-

mung des Betriebsrates durch die Einigungsstelle

nicht ersetzt werden.

...

Die Bestandteil des MTV bildenden Durchführungsbestimmungen zu § 3 MTV lauten:

2. Die durch Verkürzung der Wochenarbeitszeit

entstehende Freizeit ist auf der Basis

einer Quartals-, Halbjahres- oder Jahres-

planung, die jeweils rechtzeitig durch Be-

triebsvereinbarung zu regeln ist, wie folgt

zu verteilen:

...

2a. In Ausnahmefällen, in denen aus zwingenden

Gründen (insbesondere wegen der Standort-

oder Wettbewerbssituation) die Verteilung

der Wochenarbeitszeit auf fünf Tage nicht

möglich ist, kann die Arbeitszeit auch auf

sechs Tage verteilt werden. Hierzu bedarf

es einer Betriebsvereinbarung. Diese Rege-

lung entfällt zum 31. März 1992.

3. ...

Arbeitnehmer, die zur Produktion von Zeit-

schriften in regelmäßiger wöchentlicher Ar-

beitszeit am Samstag arbeiten, haben am

Sonntag und Montag der jeweiligen Woche ar-

beitsfrei.

...

6. Beginn und Ende der Schichtwoche sind mit

dem Betriebsrat zu vereinbaren. Schichtwo-

che, Lohnwoche und Kalenderwoche müssen

nicht gleichlaufend sein.

Die Betriebsvereinbarung 88 hat - soweit hier von Interesse - folgenden Wortlaut:

Geschäftsführung und Betriebsrat ... schließen

nach langen und schwierigen Verhandlungen über

die tariflich vereinbarten Arbeitszeitverkürzun-

gen ... nachstehende Betriebsvereinbarung.

Die Geschichte dieser Vereinbarung hat bewiesen,

daß durch einen gemeinsamen Willen ein Ziel zu

erreichen ist, das sowohl die Interessen der im

Unternehmen tätigen Mitarbeiter weitgehend be-

rücksichtigt als auch dem Unternehmer zugute

kommt. Durch die Ausdehnung der Produktionszeit

in einigen Bereichen der Technik und die gleich-

zeitige Reduzierung der Arbeitszeit für den ein-

zelnen Mitarbeiter konnten Arbeitsplätze erhalten

und neue geschaffen werden. Gleichzeitig wird die

Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens mit dem

Ziel gestärkt, der Konkurrenz im Inland, aber

auch der immer deutlicher werdenden aus dem euro-

päischen Ausland, gut gerüstet zu begegnen.

....

1. Grundsätzliches

1.1 Mitarbeiter, deren Schichtpläne eine gerin-

gere Wochenarbeitszeit im Wochendurch-

schnitt als ... 37 Stunden ergeben, erhal-

ten dennoch die tarifliche Wochenarbeits-

zeit vergütet, es sei denn, sie arbeiten

weniger als die im Schichtplan vereinbarte

Zeit. Im Tiefdruck-Fortdruck ergibt sich im

Wochendurchschnitt beispielsweise nach

Schichtplan eine Arbeitszeit von 34 Stun-

den. Vergütet werden jedoch die Wochen-

stunden nach Tarif, also ... 37, unabhängig

davon, ob durch den Schichtplan in der

Woche tatsächlich 40, 32 oder 24 Stunden

gearbeitet worden sind.

4. Redaktionen und redaktionsnahe Bereiche

4.1 ...

Die Arbeitszeitverkürzung der Mitarbeiter,

für die die Manteltarife der Druckindustrie

maßgeblich sind, werden durch freie Tage

umgesetzt: Ab 1. April 1989 (sind es) 9

Tage p.a. (wobei 1 Tag innerhalb von 6 Wo-

chen realisiert werden muß), die in Ab-

sprache mit dem Personalverantwortlichen

genommen werden können.

...

6. Pforten/Sicherheitszentrale

...

6.3 Die Arbeitszeitverkürzung ab 1. April 1989

wird umgesetzt, indem die Pförtner jährlich

einen Anspruch auf 3 freie Tage bzw. 3

freie Sichten erhalten, die sie in Abspra-

che mit ihren Personalverantwortlichen rea-

lisieren.

...

7. Tiefdruck

7.1 Tiefdruck-Fortdruck

Grundlage ist der Schichtplan gemäß Anlage

Nr. 1. Der Schichtplan setzt 4 Schichtmann-

schaften voraus, die jeweils um 4 Wochen

versetzt in diesem Rhythmus arbeiten. Nach

16 Wochen hat somit jede Schichtmannschaft

und damit der einzelne Mitarbeiter diesen

Rhythmus durchlaufen. Für den einzelnen

Mitarbeiter ergibt sich eine durchschnitt-

liche Wochenarbeitszeit von 34 Stunden

incl. Kurzpausen.

...

Aus diesem Schichtplan ergibt sich, daß innerhalb des 16-Wochen-Rhythmus der Arbeitnehmer in acht Wochen an fünf Tagen, in drei Wochen an vier Tagen, in drei Wochen an drei Tagen, in einer Woche an sieben Tagen und in einer Woche gar nicht arbeiten muß. Gemeint sind jeweils Kalenderwochen. In der 12., 13., 14. und 15. Woche hat der Arbeitnehmer am Samstag in der Frühschicht und Sonntag in der Spätschicht zu arbeiten, wobei die Spätschicht um 22.00 Uhr beginnt.

Die IG Medien hält die Regelungen der Betriebsvereinbarung 88 in mehreren Punkten für unwirksam, da diese gegen § 3 MTV und die Durchführungsbestimmungen dazu verstießen.

Unzulässig sei es, daß die freien Tage "in Absprache mit dem Personalverantwortlichen" genommen werden sollten. Erforderlich sei, diese freien Tage vorab durch Betriebsvereinbarung festzulegen.

Die regelmäßige Arbeitszeit müsse auf die Tage von Montag bis Freitag gelegt werden. Samstagsarbeit sei nur zur Produktion von Zeitungen, die am Samstag oder Sonntag erscheinen, zulässig. Solche Zeitungen würden beim Arbeitgeber nicht gedruckt. Gleichwohl sehe der Schichtplan für den Tiefdruck-Fortdruck Samstags- und Sonntagsarbeit vor. Sofern Samstagsarbeit zulässig sei, müsse der Arbeitnehmer in der jeweiligen Woche am Sonntag und Montag frei haben. Auch diese Bestimmung beachte der Schichtplan nicht. Dieser verteile im übrigen die regelmäßige Arbeitszeit ungleichmäßig, was ebenfalls gegen die tarifliche Regelung verstoße.

Unzutreffend sei es, daß den Pförtnern nur drei freie Tage zuständen. Diese hätten vielmehr einen Anspruch auf neun freie Tage im Jahr.

Die IG Medien hat mit Schriftsatz vom 28. Juli 1989, dem Arbeitgeber und Betriebsrat zugestellt am 18. August 1989, das vorliegende Verfahren anhängig gemacht und vor dem Arbeitsgericht beantragt:

1. Den Arbeitgeber zu verpflichten, es zu unter-

lassen,

a) die Betriebsvereinbarung vom 29. April 1988

in der Fassung vom 23. November und 12. Ju-

ni 1988 in nachstehenden Punkten durchzu-

füh-ren und sie statt dessen aufzuheben:

a.a §§ 4.1., 6.3. insoweit, als danach die

freien Tage in Absprache mit dem Per-

sonal-verantwortlichen genommen werden

können bzw. genommen werden;

b.b die Bestimmung in der Betriebsvereinba-

rung vom 23. November 1988, wonach die

Arbeitswoche für den einzelnen Arbeitneh-

mer auf die Tage Freitag bis Donnerstag

gelegt wird;

c.c den Schichtplan Tiefdruck/Fortdruck, so-

weit die regelmäßige Arbeitszeit nicht

auf 5 Tage und nicht auf die Tage Montag

bis Freitag verteilt ist;

d.d den Schichtplan Tiefdruck/Fortdruck, so-

weit Samstagsarbeit nicht auf die Produk-

tion von Zeitschriften beschränkt ist;

e.e den Schichtplan Tiefdruck/Fortdruck, so-

weit Samstagsarbeit in ihm vorgesehen ist

bzw. zur Produktion von Zeitschriften

vorgesehen werden darf, insofern als die

Arbeitnehmer, die diese Samstagsarbeit

leisten, keine Freizeit am Sonntag und

Montag der jeweiligen Woche erhalten;

f.f den Schichtplan für die Pförtner, soweit

lediglich 3 freie Tage pro Jahr vorge-

sehen sind,

unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden

Fall der Zuwiderhandlung, dessen Höhe in das

Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt

wird;

b) den Arbeitgeber zu verpflichten, im Rahmen des

in seinem Betrieb geltenden MTV für die ge-

werb-lichen Arbeitnehmer der Druckindustrie in

der Fassung vom 10. März 1989 solche Schicht-

pläne mit dem Betriebsrat zu vereinbaren und

auf die Arbeitnehmer des Betriebes anzuwenden,

in denen

a.a die sich durch die Verkürzung der Wochen-

arbeitszeit ergebende Freizeit im voraus

tagemäßig geplant und festgeschrieben

ist;

b.b die regelmäßige Arbeitszeit für die ein-

zelnen Arbeitnehmer auf die Tage Montag

bis Freitag verteilt ist;

c.c die Zahl der Arbeitstage pro Woche 5 be-

trägt;

d.d die Samstagsarbeit nur zur Produktion von

Zeitschriften zugelassen wird;

e.e in den Fällen, in denen Arbeitnehmer in

regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit am

Samstag arbeiten, dann am Sonntag und

Montag der jeweiligen Woche arbeitsfrei

haben;

f.f in denen Pförtner 9 freie Tage pro Jahr

erhalten.

Hilfsweise wird der Unterlassungsantrag ohne

Zwangsgeldandrohung gestellt.

2. Hilfsweise festzustellen, daß die Betriebsver-

einbarungen gemäß Ziff. 1 des Antrages unwirk-

sam sind und im Betrieb nicht angewandt werden

dürfen.

Der Arbeitgeber und der Betriebsrat haben beantragt, die Anträge abzuweisen.

Sie halten die Anträge für unzulässig, da der Gewerkschaft die Antragsbefugnis fehle. Die Betriebsvereinbarung sei im übrigen mit § 3 MTV und den dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen vereinbar.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge der IG Medien als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der IG Medien zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die IG Medien ihre Anträge weiter, während der Arbeitgeber und der Betriebsrat um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bitten.

B. Die Rechtsbeschwerde der IG Medien ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben deren Anträge im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Über die Anträge der IG Medien ist im Beschlußverfahren zu entscheiden.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß das Beschlußverfahren die richtige Verfahrensart sei. Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Der Senat selbst hat in zwei früheren Verfahren, in denen eine Gewerkschaft die Feststellung beantragt hatte, daß eine Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen tarifliche Vorschriften unwirksam ist, ebenfalls ausgesprochen, daß über einen solchen Antrag im Beschlußverfahren zu entscheiden ist (Beschluß des Senats vom 18. August 1987, BAGE 56, 44 = AP Nr. 6 zu § 81 ArbGG 1979; Beschluß vom 23. Februar 1988 - 1 ABR 75/86 - AP Nr. 9 zu § 81 ArbGG 1979). Daran ist auch für die hier gestellten Anträge festzuhalten.

Der Senat ist der Prüfung der Frage, ob das Landesarbeitsgericht in der zutreffenden Verfahrensart entschieden hat, nicht deswegen enthoben, weil durch Art. 6 des Vierten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung - 4. VwGOÄndG - vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) § 93 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 65 ArbGG dahin geändert worden ist, daß das Rechtsmittelgericht nicht (mehr) prüft, ob die Verfahrensart zulässig ist. Diese Vorschrift ist auf das vorliegende Verfahren noch nicht anzuwenden. Zwar ist das 4. VwGOÄndG insoweit am 1. Januar 1991 in Kraft getreten, gleichwohl ist die genannte Neufassung des Arbeitsgerichtsgesetzes noch nicht zu beachten.

Die Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes beruht auf der durch Art. 2 des 4. VwGOÄndG vorgenommenen Änderung der §§ 17 ff. GVG, durch die die Verweisung eines Rechtsstreits in den zulässigen Rechtsweg neu geregelt worden ist. Über die Zulässigkeit des Rechtsweges wird danach von dem Gericht erster Instanz durch Beschluß entschieden, der der sofortigen Beschwerde und unter Umständen auch der weiteren Beschwerde unterliegt. Damit wird über die Zulässigkeit des Rechtsweges vorab rechtskräftig entschieden. Für die Rechtsmittelgerichte besteht daher bei der Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache kein Anlaß mehr, die Zulässigkeit des Rechtsweges zu prüfen.

Wenn für die Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen Gleiches auch für die Prüfung der zulässigen Verfahrensart gelten soll, kann dies nur bedeuten, daß auch über die Frage, ob über die gestellten Anträge im Urteils- oder Beschlußverfahren zu entscheiden ist, vorab eine gesonderte Entscheidung durch Beschluß des Arbeitsgerichts zu ergehen hat, der einer gesonderten Anfechtung unterliegt. Die §§ 17 a und 17 b GVG n.F. müssen insoweit analog angewandt werden.

Im vorliegenden Verfahren konnte eine solche Vorabentscheidung über die zutreffende Verfahrensart durch das Arbeitsgericht noch nicht getroffen werden, da das Gesetz zur Zeit seiner Entscheidung noch nicht in Kraft war. Damit entfällt die Grundlage für die Bestimmung in § 65 ArbGG, wonach das Rechtsmittelgericht nicht (mehr) prüft, ob die Verfahrensart zulässig ist. Der Senat folgt insoweit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach § 17 a Abs. 5 GVG n.F. in den Fällen noch keine Anwendung findet, in denen die geänderten Rechtswegvorschriften bei Abschluß des ersten Rechtszuges noch nicht in Kraft getreten waren (Urteil vom 28. Februar 1991 - III ZR 49/90 - NVwZ 1991, 606). § 17 a Abs. 5 GVG n.F. entspricht inhaltlich § 65 ArbGG n.F.

2. Der Streit der Beteiligten betrifft im Kern die Frage, ob die Betriebsvereinbarung 88 unwirksam ist und ob deswegen der Arbeitgeber deren Anwendung zu unterlassen hat und verpflichtet ist, die Betriebsvereinbarung "aufzuheben" und eine neue, tarifkonforme Betriebsvereinbarung abzuschließen. Dieser Streit betrifft eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne von § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Mit der Entscheidung über die Anträge der IG Medien wird ausgesprochen, ob die Betriebspartner von ihrer Regelungsbefugnis einen zulässigen und damit abschließenden Gebrauch gemacht haben, oder ob die Arbeitszeitfragen erneut von ihnen zu regeln sind. Es soll entschieden werden, ob der Arbeitgeber noch nach § 77 Abs. 1 BetrVG dem Betriebsrat gegenüber verpflichtet ist, die Betriebsvereinbarung 88 durchzuführen. Durch die erbetene Entscheidung wird unmittelbar in die durch die Betriebsvereinbarung 88 gestalteten Rechtsverhältnisse der Arbeitnehmer zum Arbeitgeber eingegriffen. Damit ergeht die beantragte Entscheidung über Rechtsbeziehungen der Betriebspartner zueinander und der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zum Arbeitgeber, die durch das Betriebsverfassungsgesetz näher ausgestaltet sind. Diese sind aber eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz.

Unerheblich ist demgegenüber, ob sich auch das von der IG Medien in Anspruch genommene Recht, die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung 88 anzugreifen, aus dem Betriebsverfassungsrecht ergibt oder in anderen Vorschriften der Rechtsordnung seine Grundlage findet. Auch wenn die von der IG Medien verfolgten Anträge ihre Grundlage allein in Art. 9 Abs. 3 GG haben sollten und mit diesen Anträgen ein eigenes Recht der IG Medien auf Wahrung ihrer Normsetzungsbefugnis durch die Betriebspartner verfolgt wird, ändert dies doch nichts daran, daß durch die erbetene Entscheidung die durch das Betriebsverfassungsgesetz geregelten Rechtsbeziehungen der Betriebspartner und der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zum Arbeitgeber betroffen werden.

II. Für die von ihr verfolgten Hauptanträge ist die IG Medien antragsbefugt.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die Antragsbefugnis der IG Medien unter Bezugnahme auf die genannten Entscheidungen des Senats vom 18. August 1987 und 23. Februar 1988 (aa0) verneint. Es hat dabei übersehen, daß in diesen Verfahren jeweils über einen Feststellungsantrag der Gewerkschaft zu entscheiden war, daß eine bestimmte Betriebsvereinbarung unwirksam ist. Im vorliegenden Verfahren verfolgt die IG Medien jedoch mit ihren Hauptanträgen einen Leistungsanspruch gegen den Arbeitgeber. Dieser soll die weitere Anwendung der Betriebsvereinbarung 88 in den beanstandeten Punkten unterlassen, die Betriebsvereinbarung aufheben und eine neue, tarifkonforme Betriebsvereinbarung abschließen. Für einen solchen auf ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers gerichteten Antrag gewährt aber § 23 Abs. 3 BetrVG der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft ein Antragsrecht in denjenigen Fällen, in denen mit diesem Antrag geltend gemacht wird, daß der Arbeitgeber gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz grob verstoßen hat.

2. Aus der Regelung in § 23 Abs. 3 BetrVG folgt allerdings nicht, daß eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft schon immer dann antragsbefugt ist, wenn sie nur beantragt, daß dem Arbeitgeber - irgendeine - Handlung aufgegeben oder untersagt wird, und daß dieser Antrag nur unbegründet ist, wenn es an dem groben Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz fehlt. § 23 Abs. 3 BetrVG dient dem Schutz der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung gegen grobe Verstöße des Arbeitgebers. Es soll ein Mindestmaß gesetzmäßigen Verhaltens des Arbeitgebers im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung sichergestellt werden (Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 23 Rz 108). Mit dieser Vorschrift soll der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten angehalten werden (Beschluß des Sechsten Senats vom 5. Dezember 1978 - 6 ABR 70/77 - AP Nr. 4 zu § 101 BetrVG 1972). Nur soweit es um den Schutz dieser betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung geht, werden auch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften einbezogen und wird ihnen eine Antragsbefugnis verliehen.

Im vorliegenden Fall sieht die IG Medien diese betriebsverfassungsrechtliche Ordnung dadurch als verletzt an, daß die Betriebsvereinbarung 88 gegen Vorschriften des MTV und seiner Durchführungsbestimmungen verstößt. Sie beruft sich auf § 2 Abs. 1 BetrVG, wonach die Betriebspartner die geltenden Tarifverträge zu beachten haben. Sie macht geltend, daß die Betriebsvereinbarung 88 gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstößt, wonach Betriebsvereinbarungen über Arbeitsbedingungen, die tariflich geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nur insoweit zulässig sind, als in den Tarifverträgen ausdrücklich ergänzende Regelungen gestattet werden.

Mit dieser Begründung sind die Hauptanträge zulässig. Daß die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung, so wie sie Schutzgegenstand von § 23 Abs. 3 BetrVG ist, durch die Betriebsvereinbarung 88 verletzt ist, erscheint nicht ausgeschlossen. Zumindest auch zum Schutz dieser Ordnung verfolgt die IG Medien ihre Hauptanträge. Gerade zum Schutz dieser Ordnung ist ihr in § 23 Abs. 3 BetrVG die Befugnis verliehen, Anträge gegen den Arbeitgeber zu stellen, mit denen die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung wiederhergestellt werden soll.

Die Anträge der IG Medien sind daher zulässig. Ob die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung durch die Betriebsvereinbarung 88 schon dann verletzt wird, wenn diese - wie behauptet - nur gegen Vorschriften des MTV und seiner Durchführungsbestimmungen verstößt, und ob in diesem Falle dem Arbeitgeber das mit den Anträgen geforderte Verhalten aufgegeben werden kann, ist eine Frage der Begründetheit des Antrages.

3. Auch soweit die IG Medien ihre Anträge damit begründet, daß sie durch die Betriebsvereinbarung 88 in ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Befugnis zur Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifverträge verletzt werde, ist sie antragsbefugt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß die in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzte Koalition von demjenigen, der dieses Grundrecht verletzt, Unterlassung und Beseitigung dieser Rechtsverletzung verlangen kann (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 26. April 1988, BAGE 58, 138 = AP Nr. 101 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Die gegen den Arbeitgeber gerichteten Anträge sind auf Unterlassung und Beseitigung der von der IG Medien angenommenen Grundrechtsverletzung gerichtet. Mit diesen Anträgen macht die IG Medien Leistungsansprüche gegen den Arbeitgeber aus eigenem Recht geltend. Ihre Antragsbefugnis ist damit auch insoweit zu bejahen.

Ob die IG Medien durch die Betriebsvereinbarung 88 in ihrem Grundrecht verletzt ist, ist eine Frage der Begründetheit des Antrages.

III. Die danach zulässigen Hauptanträge sind nicht begründet.

1. Durch die Betriebsvereinbarung 88 haben die Betriebspartner und damit auch der Arbeitgeber nicht gegen die durch § 23 Abs. 3 BetrVG geschützte betriebsverfassungsrechtliche Ordnung verstoßen, und zwar auch dann nicht, wenn diese Betriebsvereinbarung in den beanstandeten Punkten gegen den Manteltarifvertrag und seine Durchführungsbestimmungen verstoßen sollte.

a) Wenn § 2 Abs. 1 BetrVG bestimmt, daß Arbeitgeber und Betriebsrat "unter Beachtung der geltenden Tarifverträge" vertrauensvoll zusammenarbeiten, folgt daraus noch nicht, daß die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung schon immer dann gestört ist, wenn eine Betriebsvereinbarung gegen Bestimmungen eines Tarifvertrages verstößt. Zur Beachtung höherrangigen Rechtes und damit auch der Normen eines Tarifvertrages sind die Betriebspartner ohnehin verpflichtet, eine solche Verpflichtung wird nicht erst durch § 2 Abs. 1 BetrVG begründet. § 2 Abs. 1 BetrVG regelt die Zusammenarbeit der Betriebspartner und damit deren Verhältnis zueinander, wobei diese Zusammenarbeit sich auch an den geltenden Tarifverträgen zu orientieren hat. Schließen die Betriebspartner in Praktizierung dieser Zusammenarbeit eine Betriebsvereinbarung, die gegen Bestimmungen eines Tarifvertrages verstößt, so liegt darin zwar ein Verstoß gegen das Gebot der Beachtung höherrangigen Rechtes, nicht aber ein Verstoß gegen die durch § 2 Abs. 1 BetrVG begründete Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit unter Beachtung der geltenden Tarifverträge. Ob etwas anderes dann gilt, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich bewußt und gewollt über geltendes Tarifrecht hinwegsetzen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

b) Einen Verstoß gegen die durch § 23 Abs. 3 BetrVG - und auch durch § 23 Abs. 1 BetrVG - geschützte betriebsverfassungsrechtliche Ordnung stellt es jedoch dar, wenn die Betriebspartner eine Betriebsvereinbarung schließen, obwohl ihnen dazu nach § 77 Abs. 3 BetrVG die Befugnis fehlt.

Nach dieser Vorschrift können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, grundsätzlich nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Tarifvertrag ausdrücklich den Abschluß einer ergänzenden Betriebsvereinbarung zuläßt.

§ 77 Abs. 3 BetrVG regelt das Verhältnis der Tarifvertragsparteien und der Betriebspartner in ihrer Befugnis, Arbeitsbedingungen mit normativer Wirkung zu regeln. Der Gesetzgeber hat dabei im Interesse des Funktionierens der Tarifautonomie der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien den Vorrang eingeräumt. Die Befugnis der Tarifvertragsparteien zur Regelung von Arbeitsentgelten und sonstigen Arbeitsbedingungen soll nicht dadurch ausgehöhlt werden, daß Arbeitgeber und Betriebsrat ergänzende oder abweichende Regelungen vereinbaren (ständige Rechtsprechung des Senats, Beschluß vom 18. August 1987 - 1 ABR 30/86 - BAGE 56, 18 = AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972; Beschluß des Senats vom 23. Februar 1988, aaO).

§ 77 Abs. 3 BetrVG stellt damit eine Grundnorm der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung dar. Sie weist dieser ihren Platz innerhalb der arbeitsrechtlichen Rechtsordnung zu und verpflichtet die Betriebspartner, diese Ordnung bei der Regelung von Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung zu beachten. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung stellt daher für den Betriebsrat eine Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrVG und für den Arbeitgeber einen Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz im Sinne von § 23 Abs. 3 BetrVG dar. Auch das Schrifttum ist weitgehend der Ansicht, der Abschluß einer Betriebsvereinbarung unter Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG könne ein grober Verstoß i. S. von § 23 Abs. 1 oder Abs. 3 BetrVG sein (so etwa Wiese, aaO, § 23 Rz 89; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 23 Rz 50; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 23 Rz 28 - alle eigenartigerweise jedoch nur für den Betriebsrat nicht jedoch für den Arbeitgeber - Däubler, Gewerkschaftliches Klagerecht gegen tarifwidrige Betriebsvereinbarungen? BB 1990, 2256, 2259; Kempen, Zur Rechtsschutzgewähr für die Tarifvertragsparteien im neuen tariflichen Arbeitszeitrecht, AuR 1989, 261, 264; zweifelnd Matthießen, Antragsbefugnisse der Tarifparteien im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, DB 1988, 285, 290).

Damit ist auch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft befugt, die nach § 23 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG möglichen Anträge zu stellen, wenn die Betriebspartner ihre Zuständigkeit zur Regelung von Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung überschreiten und damit die durch § 77 Abs. 3 BetrVG in ihren Grundlagen normierte betriebsverfassungsrechtliche Ordnung verletzen.

c) § 77 Abs. 3 BetrVG gilt jedoch nicht für Betriebsvereinbarungen über Angelegenheiten, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.

Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 24. Februar 1987 (BAGE 54, 191 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972) ausgesprochen und näher begründet.

Diese Mitbestimmungsrechte werden nicht dadurch ausgeschlossen, daß die entsprechende Angelegenheit üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt wird oder auch gegenwärtig geregelt ist, diese tarifliche Regelung aber im Betrieb mangels Tarifbindung des Arbeitgebers keine Anwendung findet. Der Senat hat dies mit der Schutzfunktion der in dieser Vorschrift geregelten Mitbestimmungsrechte begründet, die auch dann zum Tragen kommen muß, wenn die entsprechende Angelegenheit entweder nur tarifüblich geregelt wird und deshalb gegenwärtig keine Schutzwirkung entfalten kann, oder aber zwar gegenwärtig tariflich geregelt ist, für den Betrieb aber mangels Tarifbindung des Arbeitgebers eine Schutzwirkung nicht entfalten kann. Ein und dieselbe Arbeitsbedingung - etwa die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage - kann damit auch im räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages sowohl durch Tarifvertrag als auch durch Betriebsvereinbarung in zulässiger Weise geregelt sein. Schließen die Betriebspartner eine solche Betriebsvereinbarung, so handeln sie im Rahmen ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeit. Sie machen von ihrer durch § 77 Abs. 3 BetrVG nicht eingeschränkten Normsetzungsbefugnis Gebrauch.

Bei der Wahrnehmung dieser Normsetzungsbefugnis sind die Betriebspartner jedoch nicht frei. Sie haben dabei höherrangiges Recht zu beachten. Das gilt gerade auch für Vorgaben in einer tariflichen Regelung der Angelegenheit, die für ihren Betrieb im Sinne des Eingangssatzes von § 87 Abs. 1 BetrVG besteht (Beschluß des Senats vom 18. August 1987 - 1 ABR 30/86 -, aa0).

Der Verstoß einer Betriebsvereinbarung gegen solche tariflichen Vorgaben mag die entsprechende Regelung in der Betriebsvereinbarung oder die Betriebsvereinbarung selbst unwirksam machen, er stellt aber ebensowenig einen Verstoß gegen die auch durch § 77 Abs. 3 BetrVG normierte betriebsverfassungsrechtliche Ordnung dar wie der Verstoß einer Regelung in der Betriebsvereinbarung gegen eine gesetzliche Vorschrift. Die Betriebspartner handeln bei Abschluß einer Betriebsvereinbarung über eine nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Angelegenheit in Ausübung ihrer Zuständigkeit und damit im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung. Daß eine solche Betriebsvereinbarung in Einzelheiten ihrer Regelung gegen höherrangiges Recht und damit auch gegen Vorgaben in einem Tarifvertrag verstößt, stellt daher auch keinen Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne von § 23 Abs. 3 BetrVG dar. Ein auf diese Vorschrift gestützter Antrag ist unbegründet, wenn eine solche Betriebsvereinbarung lediglich gegen gesetzliche oder tarifliche Vorgaben verstößt.

Bei der Betriebsvereinbarung 88 handelt es sich um eine Betriebsvereinbarung über eine nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Angelegenheit. In ihr wird gemäß Nr. 2 dieser Vorschrift Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage für die im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigten Arbeitnehmer geregelt. Der MTV und seine Durchführungsbestimmungen enthalten insoweit keine abschließende Regelung, sondern überlassen die nähere Ausgestaltung ausdrücklich den Betriebspartnern. Auch bei der näheren Ausgestaltung einer bloßen tariflichen Rahmenregelung handeln die Betriebspartner in Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Regelungsbefugnisse, nicht aber werden sie nur aufgrund einer durch die Tarifvertragsparteien delegierten Regelungsbefugnis tätig (Beschluß des Senats vom 22. Dezember 1981, BAGE 37, 255 = AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Auch wenn die Betriebsvereinbarung 88 in einzelnen Bestimmungen gegen den MTV und seine Durchführungsbestimmungen verstößt, ist daher der auf § 23 Abs. 3 BetrVG gestützte Antrag der IG Medien nicht begründet.

2. Die Betriebsvereinbarung 88 verletzt die IG Medien nicht in ihrem durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützen Recht zur Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifverträge.

a) Der Senat braucht dabei nicht zu entscheiden, ob eine Betriebsvereinbarung, die die Betriebspartner unter Überschreitung ihrer Normsetzungsbefugnis und damit unter Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG abschließen, gegen dieses Recht verstößt. Auf der einen Seite dient § 77 Abs. 3 BetrVG nach der Rechtsprechung des Senats auch dem Schutz der aktualisierten und ausgeübten Tarifautonomie vor konkurrierenden Betriebsvereinbarungen (BAGE 54, 191 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972; Beschluß vom 23. Februar 1988 - 1 ABR 75/86 - AP Nr. 9 zu § 81 ArbGG 1979; so auch Grunsky, Antragsbefugnis der Gewerkschaft zur Feststellung der Tarifvertragswidrigkeit einer Betriebsvereinbarung, DB 1990, 526, 529; Matthießen, Antragsbefugnisse der Tarifparteien im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, DB 1988, 285, 288; Weyand, Möglichkeiten und Grenzen der Verlagerung tariflicher Regelungskompetenzen auf die Betriebsebene, AuR 1989, 193, 199). Auf der anderen Seite wird das Recht, gegen eine nach § 77 Abs. 3 BetrVG unzulässige Betriebsvereinbarung gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, jedoch in § 23 Abs. 1 und 3 BetrVG nicht der Gewerkschaft als Tarifvertragspartei schlechthin, sondern ausdrücklich nur der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft eingeräumt.

Die Betriebsvereinbarung 88 ist - wie dargelegt - keine Betriebsvereinbarung, deren Abschluß den Betriebspartnern nach § 77 Abs. 3 BetrVG untersagt ist. Zu entscheiden ist daher lediglich, ob das durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Recht der Tarifvertragsparteien zur Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifverträge schon dann verletzt ist, wenn eine von den Betriebspartnern im Rahmen ihrer Regelungskompetenz abgeschlossene Betriebsvereinbarung in einzelnen Bestimmungen gegen Vorgaben in einem Tarifvertrag verstößt.

b) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Meinung im Schrifttum, daß einzelvertragliche Abreden, die gegen zwingendes Tarifrecht verstoßen, der Gewerkschaft noch keinen Anspruch gegen den tarifgebundenen Arbeitgeber auf Beachtung des Tarifvertrages zugunsten ihrer Mitglieder geben (so schon Beschluß des Senats vom 8. November 1957, BAGE 5, 115 = AP Nr. 7 zu § 256 ZPO und vom 8. Februar 1963 - 1 AZR 511/61 - AP Nr. 42 zu § 256 ZPO; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 356; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl., § 4 Rz 90). Für tarifwidrige Bestimmungen in Betriebsvereinbarungen kann nichts anderes gelten. Auch soweit Tarifverträge zwingende Vorgaben für betriebliche Regelungen durch Betriebsvereinbarung enthalten, kommt ihnen eine Schutzfunktion zugunsten der Arbeitnehmer zu. Diesen Schutz geltend zu machen und in Anspruch zu nehmen, überläßt § 4 TVG dem durch die tarifliche Regelung begünstigten Arbeitnehmer. In den Fällen, in denen der Gesetzgeber eine eigene Reaktion des Betroffenen nicht für ausreichend hält, um die Beachtung zwingenden Rechts wirksam werden zu lassen, hat er jeweils ausdrücklich bestimmt, daß auch Dritte die verletzten Rechte gerichtlich geltend machen können, so etwa in den §§ 24 und 25 HAG.

Zutreffend ist, daß durch Betriebsvereinbarungen, die gegen zwingendes Tarifrecht verstoßen, die tarifliche Ordnung der Arbeitsverhältnisse und damit der bezweckte Schutz der Arbeitnehmer in weit stärkerem Maße gefährdet werden kann als durch den Abschluß auch einer Vielzahl tarifwidriger Arbeitsverträge. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die tarifliche Ordnung der Arbeitsverhältnisse durch eine solche Betriebsvereinbarung für den Betrieb ohne Wirkung bleibt, weil die Arbeitnehmer die betriebliche Regelung als legitim und verbindlich ansehen oder doch sich scheuen, die von den Betriebspartnern gesetzte Ordnung anzugreifen und damit auch gegen den Betriebsrat den Vorwurf eines rechtswidrigen Verhaltens zu erheben.

Daraus folgt jedoch noch nicht, daß die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie durch solche Betriebsvereinbarungen verletzt wird und die Tarifvertragsparteien deswegen berechtigt sind, gegen tarifwidrige Betriebsvereinbarungen aus eigenem Recht gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Tarifautonomie und damit auch die Befugnisse der Tarifvertragsparteien sind durch Art. 9 Abs. 3 GG nur in ihrem Kernbereich gewährleistet. Die Befugnisse der Tarifvertragsparteien im Rahmen der Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifverträge näher auszugestalten, obliegt dem Gesetzgeber (BVerfGE 20, 312, 317 = AP Nr. 24 zu § 2 TVG, zu C I der Gründe; 50, 290, 368 = AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG, zu C IV 1 der Gründe). Er hat von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, als er in § 77 Abs. 3 BetrVG den Vorrang der Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien vor dem der Betriebspartner normierte und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften das Recht einräumte, bei einer Mißachtung dieses Vorranges durch die Betriebspartner die in § 23 Abs. 1 und 3 BetrVG geregelten Anträge zu stellen. Darüber hinausgehende Befugnisse der Tarifvertragsparteien zur Sicherung der tarifvertraglichen Ordnung aus eigenem Recht hat der Gesetzgeber damit nicht für erforderlich gehalten.

Ein Anspruch der Tarifvertragsparteien gegen die Betriebspartner, auch den Abschluß an sich zulässiger Betriebsvereinbarungen zu unterlassen und diese im Betrieb nicht anzuwenden, wenn einzelne Bestimmungen gegen Vorgaben des Tarifvertrages verstoßen, wäre daher nur dann zu bejahen, wenn durch solche tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen das Recht der Tarifvertragsparteien zur Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Tarifverträge in seinem Kernbereich verletzt wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Den Tarifvertragsparteien bleibt das Recht zur Regelung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge ungeschmälert erhalten. Dieses Recht schließt nicht notwendig die Befugnis ein, die Beachtung der gesetzten tariflichen Ordnung durch die tarifunterworfenen Parteien des Arbeitsvertrages oder die Betriebspartner auch durchzusetzen. Die tarifliche Ordnung der Arbeitsbedingungen ist Teil der Arbeitsordnung insgesamt. Gegen deren Verletzung kann der davon Betroffene gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, wenn er dadurch in einem eigenen Recht verletzt ist. Daß die Verletzung eines Teils dieser Rechtsordnung, nämlich der tariflichen Ordnung, von den Tarifvertragsparteien selbst auch dann soll gerichtlich geltend gemacht werden können, wenn sie in ihrem eigenen Recht noch nicht betroffen sind, bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Daran fehlt es jedenfalls für den Fall, daß eine von den Betriebspartnern im Rahmen ihrer Zuständigkeit abgeschlossene und damit zulässige Betriebsvereinbarung in einzelnen ihrer Bestimmungen gegen tarifliche Regelungen verstößt.

Damit sind die Hauptanträge der IG Medien nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Ergebnis zu Recht abgewiesen, so daß ihre Rechtsbeschwerde insoweit unbegründet ist.

IV. Der hilfsweise gestellte Antrag festzustellen, daß die Betriebsvereinbarung 88 unwirksam ist, ist unzulässig. Für diesen Antrag fehlt es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse.

Die Betriebsvereinbarung bestimmt das Rechtsverhältnis einmal zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, zum anderen aber zwischen dem Arbeitgeber und den von der Betriebsverfassung erfaßten Arbeitnehmern. An diesem Rechtsverhältnis ist die Gewerkschaft nicht unmittelbar beteiligt. Die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses zwischen Dritten kann die IG Medien daher nach § 256 ZPO nur beantragen, wenn die Frage, ob die Betriebsvereinbarung wirksam ist oder nicht, auch für Rechtsbeziehungen zwischen ihr, der Gewerkschaft, und dem Betriebsrat, dem Arbeitgeber oder den Arbeitnehmern von Bedeutung ist. Das ist nicht der Fall. Auch das hat der Senat schon in seiner Entscheidung vom 23. Februar 1988 (aaO) ausgesprochen und begründet. Die dagegen von der Rechtsbeschwerde unter Berufung auf Grunsky vorgebrachten Einwände vermögen nicht zu überzeugen (siehe Grunsky, Antragsbefugnis der Gewerkschaft zur Feststellung der Tarifvertragswidrigkeit einer Betriebsvereinbarung, DB 1990, 526).

Grunsky sieht die Funktion der nach § 256 ZPO möglichen Feststellung eines zwischen Dritten bestehenden Rechtsverhältnisses darin, daß die beantragte Entscheidung des Gerichts dem Kläger bzw. Antragsteller eine Planungsgrundlage für sein zukünftiges Vorgehen verschaffen soll. Sie soll eine verbindliche Klärung über die Rechtmäßigkeit seines künftigen Verhaltens ermöglichen (aaO, S. 531).

Auch wenn man diese Funktion eines Feststellungsantrages anerkennt (dagegen de lege lata auch Wiedemann in Anm. zu AP Nr. 3 zu § 1 TVG Verhandlungspflicht), ist doch nicht zu erkennen, inwieweit eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung Grundlage einer Planung für künftiges Verhalten der Tarifvertragsparteien sein kann. Wenn - wie dargelegt - den Tarifvertragsparteien nicht eine Rechtskontrolle abgeschlossener Betriebsvereinbarungen obliegt, kann allein das Interesse daran, daß tarifwidrige Betriebsvereinbarungen nicht abgeschlossen werden, ein Feststellungsinteresse nicht begründen. Grundlage für die Planung künftigen Verhaltens kann daher auch nicht die Feststellung der Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung sein, sondern allenfalls der tatsächliche Umstand, daß Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden, die inhaltlich den mit der tariflichen Regelung verfolgten Zielen zuwiderlaufen. Solchen unerwünschten Entwicklungen entgegenzuwirken, bleibt den Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer Möglichkeiten unabhängig davon unbenommen, ob die Betriebsvereinbarung wirksam ist oder nicht.

Wenn Grunsky meint, der Betriebsrat habe ein berechtigtes Interesse an der Entscheidung der Frage, ob er sich bei Abschluß einer Betriebsvereinbarung "tarifgetreu" verhalte, und deswegen müsse auch die Gewerkschaft ein rechtliches Interesse an der Feststellung haben, daß der Betriebsrat bzw. die Betriebspartner sich "tarifwidrig" verhalten, so vermag auch das nicht zu überzeugen. Der Senat hat zwar ein rechtliches Interesse der Betriebspartner an einer gerichtlichen Entscheidung der Frage anerkannt, ob eine in Aussicht genommene Regelung einer Betriebsvereinbarung gesetzlich zulässig ist (vgl. den Beschluß vom 28. Juli 1981, BAGE 36, 26 = AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit), dies aber nur im Verhältnis der Betriebspartner zueinander, weil durch diese Entscheidung die gerade unter den Betriebspartnern strittige Grenze ihrer Regelungskompetenz geklärt wurde und eine andere Klärung der strittigen Rechtsfrage unter den gegebenen Umständen nicht möglich war. Damit können zwar die Betriebspartner ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Vorabentscheidung einer unter ihnen strittigen Rechtsfrage haben, daraus folgt aber entgegen Grunsky nicht, daß auch den Tarifvertragsparteien ein rechtliches Interesse an der Feststellung zuzuerkennen sei, eine von den Betriebspartnern abgeschlossene Betriebsvereinbarung sei tarifwidrig. In einem Streit der Betriebspartner über die rechtliche Zulässigkeit einer betrieblichen Regelung ist "Gegner" nicht der jeweilige Normgeber. Die Argumentation von Grunsky, es sei gleichgültig, wer von den Parteien des Rechtsstreites den positiven oder negativen Feststellungsantrag stelle, trifft daher für den Antrag der IG Medien nicht zu.

Auch insoweit erweist sich daher die Rechtsbeschwerde der IG Medien als unbegründet.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

K. H. Janzen Heisler

 

Fundstellen

Haufe-Index 437089

BAGE 68, 200-218 (LT1)

BAGE, 200

BB 1991, 1784

BB 1992, 490

BB 1992, 490-492 (LT1)

DB 1992, 275-278 (LT1)

DStR 1991, 1571-1571 (T)

BetrVG, (18) (LT1)

JR 1992, 176

JR 1992, 176 (S)

NZA 1992, 317

NZA 1992, 317-321 (LT1)

RdA 1992, 60

SAE 1992, 151-157 (LT1)

AP § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt (LT1), Nr 2

AR-Blattei, ES 520 Nr 55 (LT1)

AfP 1992, 179-183 (ST1)

EzA, (LT1)

JuS 1992, 620-621 (ST1-2)

MDR 1992, 493 (LT1)

VersR 1992, 985 (L)

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