Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergangenheitsbezogener Antrag, Kosten im Beschlußverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein konkreter Streitfall Ausdruck einer allgemeinen Rechtsfrage, die dem konkreten Streit zugrunde liegt, so kann ein berechtigtes Interesse daran bestehen, zu dieser allgemeinen Streitfrage über den konkreten Anlaß hinaus eine Entscheidung zu erlangen. Dies erfordert freilich einen Antrag, der (auch) die allgemeine Frage hinreichend deutlich vom Anlaßfall losgelöst umschreibt und zum Gegenstand des Verfahrens macht.

2. Im Beschlußverfahren ist kein Raum für eine Entscheidung über die Pflicht eines Beteiligten, anderen Beteiligten die außergerichtlichen Verfahrenskosten zu erstatten (ständige Rechtsprechung). Das gilt auch im Fall der Verfahrensbeteiligung einer Gewerkschaft.

 

Normenkette

ArbGG §§ 81, 84

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Zwischenurteil vom 05.02.1998; Aktenzeichen 7 TaBV 6/97)

ArbG Berlin (Zwischenurteil vom 13.08.1997; Aktenzeichen 14 BV 16747/97)

 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Gewerkschaft wird der im Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. Februar 1998 – 7 TaBV 6/97 – enthaltene Ausspruch über die Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen, ersatzlos aufgehoben.

2. Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Gewerkschaft verlangen kann, daß die Arbeitgeberin es unterläßt, zwei von Tarifverträgen abweichende Betriebsvereinbarungen durchzuführen und die Arbeitnehmer zur Abgabe entsprechender Einverständniserklärungen aufzufordern.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Arbeitgeberin u.a. im Straßen- und Tiefbau tätig und beschäftigt etwa 1500 Arbeitnehmer. Sie hat Betriebsstätten im Ostteils Berlins und in den neuen Bundesländern. Sie gehört dem Deutschen Bauindustrieverband an. Mit diesem hat die Gewerkschaft den für allgemeinverbindlich erklärten Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) und weitere Tarifverträge abgeschlossen, die auf die Betriebe der Arbeitgeberin anwendbar sind.

Nachdem die Arbeitgeberin 1995 und 1996 mit Verlust gearbeitet hatte, schloß sie am 11. Dezember 1996 mit dem Gesamtbetriebsrat die Betriebsvereinbarung 4/96 über die Errichtung von Arbeitszeitkonten für gewerbliche Arbeitnehmer und die Betriebsvereinbarung 5/96 über die einheitliche Gestaltung von Lohnnebenleistungen ab. Beide enthalten Regelungen, die teilweise von denjenigen einschlägiger Tarifverträge abweichen. So heißt es in § 2 der BV 4/96:

  1. „Die Parteien sind sich darüber einig, daß 130 Arbeitsstunden unentgeltlich über die tarifliche Arbeitszeit hinaus von allen gewerblichen Arbeitnehmern der S -Gruppe vom 01.03. – 31.12.1997 zu leisten sind.”

In der BV 5/96 ist eine Verminderung des 13. Monatseinkommens um 25% im Jahr 1996 und um 75% im Jahr 1997 vorgesehen, außerdem der Wegfall des Urlaubsgeldes für Angestellte im Jahr 1997 und in demselben Jahr an Stelle der Auslösung nur noch die Erstattung der Kosten auswärtiger Unterbringung. Hinsichtlich aller betroffenen Leistungen bestanden weitergehende tarifliche Ansprüche.

In einem Brief an alle Arbeitnehmer vom 18. Dezember 1996 wiesen Geschäftsführung und Gesamtbetriebsrat gemeinsam auf die Notwendigkeit einschneidender Sparmaßnahmen im Personalbereich hin und übermittelten die beiden Betriebsvereinbarungen im Wortlaut. Gleichzeitig baten sie die Arbeitnehmer um Unterzeichnung der folgenden Erklärung:

„Ich habe die im Zusammenhang mit den für 1997 notwendigen Sparmaßnahmen getroffenen Betriebsvereinbarungen zur Kenntnis genommen und erkläre hiermit mein Einverständnis, daß diese ab 01.01.1997 auf mein bestehendes Arbeitsverhältnis angewendet werden.”

Nach Angaben der Arbeitgeberin kamen 95,85% der Belegschaft dieser Aufforderung nach.

Die Gewerkschaft hat die Auffassung vertreten, beide Betriebsvereinbarungen seien unwirksam, da sie tarifliche Arbeitsbedingungen regelten. Sie könne daher von der Arbeitgeberin verlangen, die Durchführung der Betriebsvereinbarungen zu unterlassen.

Die Gewerkschaft hat, soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Interesse, beantragt,

  1. die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, die Gesamtbetriebsvereinbarungen 4/96 und 5/96, abgeschlossen zwischen dem Gesamtbetriebsrat der beteiligten Gesellschaft und der Gesellschaft, vom 11. Dezember 1996 durchzuführen, unter Androhung eines Ordnungsgeldes in jedem Fall der Zuwiderhandlung, dessen Höhe in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt wird;
  2. die Arbeitgeberin zu verurteilen, es zu unterlassen, bei ihr beschäftigte Arbeitnehmer (ausgenommen: leitende Angestellte) aufzufordern, eine Einverständniserklärung des Inhalts abzugeben, daß diese ihr Einverständnis damit erklären, die Betriebsvereinbarungen 4/96 und 5/96 ab dem 01.01.1997 oder zu einem späteren Zeitpunkt auf ihr bestehendes Arbeitsverhältnis anzuwenden,

    hilfsweise dazu:

    die Unterlassungspflicht lediglich auf alle Arbeiter und die gewerkschaftlich organisierten Angestellten zu beschränken.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Nach ihrer Meinung sind die Anträge bereits unzulässig. Sie seien nicht hinreichend bestimmt, da sie nicht erkennen ließen, welche Regelungen der Betriebsvereinbarungen gemeint seien. Überdies fehle der Gewerkschaft die Antragsbefugnis. Das in § 23 Abs. 3 BetrVG vorgesehene Antragsrecht diene nicht dem Schutz der Tarifautonomie, für den es die Gewerkschaft hier in Anspruch nehme. Schließlich sei für den Antrag zu 2) das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Seit März 1997 sei kein Arbeitnehmer mehr zur Abgabe der beanstandeten Erklärung aufgefordert worden, auch künftig werde dies nicht mehr geschehen. Jedenfalls seien die Anträge unbegründet. Die Betriebsvereinbarungen seien wirksam, obwohl sie auch tariflich geregelte Arbeitsbedingungen zum Gegenstand hätten. Da sie dem Erhalt der Arbeitsplätze dienten, seien sie für die Arbeitnehmer günstiger als die betreffenden Tarifbestimmungen.

Das Arbeitsgericht hat den hier noch interessierenden Anträgen stattgegeben und weitere, auf die Verpflichtung zur Anwendung einschlägiger Tarifverträge gerichtete Anträge abgewiesen. Auf die Beschwerden der Arbeitgeberin und des Gesamtbetriebsrats hat das Landesarbeitsgericht den erstinstanzlichen Beschluß abgeändert und die Anträge insgesamt abgewiesen. Es hat der Gewerkschaft die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt und den Gegenstandswert auf 1 Mio. DM festgesetzt.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gewerkschaft ihre zweitinstanzlich abgewiesenen Anträge weiter. Die streitbefangenen Betriebsvereinbarungen sind allerdings nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten zum 31. März 1998 aufgehoben worden. Am 2. April 1998 schloß die Arbeitgeberin mit dem Gesamtbetriebsrat eine ganze Reihe neuer Betriebsvereinbarungen ab. Auch diese sind nach Auffassung der Gewerkschaft tarifwidrig. So weiche die BV 1/98 über Arbeitszeitkonten für gewerbliche Arbeitnehmer wegen Fehlens einer Höchstgrenze für den Kontostand vom Tarifvertrag ab, ebenso hinsichtlich der Gutschrift von Mehrarbeitsstunden, weiter beim Freizeitausgleich für Überstundenzuschläge und außerdem hinsichtlich des Winterausfallgeldes. Die BV 8/98 über Arbeitszeitkonten für Werkpoliere sei hinsichtlich des Einsatzes von Zeitguthaben bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall tarifwidrig, ebenso die BV 3/98 über Arbeitszeitkonten bei Polieren. Die BV 6/98 über Gleitzeitarbeit stimme bezüglich der Übertragung von Zeitguthaben auf das jeweils nächste Quartal nicht mit dem Tarifvertrag überein. Die BV 9/98 über Arbeitszeitregelungen habe für Zeiträume im Jahr 1998 die tarifliche Arbeitszeit ohne Lohnausgleich verlängert. Die BV 4/98 über Arbeitszeitkonten im Abbruch- und Abwrackgewerbe sei wegen Fehlens von Vorgaben für die Arbeitszeitverteilung im Ausgleichszeitraum tarifwidrig. Schließlich würden in der BV 7/98 über Nebenleistungen tarifliche Ansprüche auf das 13. Monatseinkommen, das Urlaubsgeld, den Verpflegungszuschuß, die Auslösung und den Fahrtkostenzuschuß in unzulässiger Weise vermindert oder gestrichen.

Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen und der Gewerkschaft die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Nach ihrer Meinung ist nach Aufhebung der BV 4/96 und der BV 5/96 das Rechtsschutzinteresse entfallen.

B. In der Sache ist die Rechtsbeschwerde erfolglos (I), hinsichtlich der Kostenentscheidung dagegen begründet (II).

I. Im Ergebnis zutreffend, wenn auch mit fehlerhafter Begründung, hat das Landesarbeitsgericht die Anträge der Gewerkschaft abgewiesen.

1. Der Unterlassungsantrag zu 1) ist unzulässig.

a) Die Gewerkschaft ist allerdings antragsbefugt. Die umstrittene Senatsrechtsprechung, nach der eine Gewerkschaft nicht befugt ist, vom Gericht die Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG feststellen zu lassen (BAG Beschluß vom 23. Februar 1988 – 1 AZR 75/86 – AP Nr. 9 zu § 81 ArbGG 1979, zu C der Gründe; dazu kritisch z.B. Grunsky DB 1990, 526; Matthießen DB 1988, 285), steht dem nicht entgegen. Diese Rechtsprechung beruht auf der Annahme, daß die Betriebsvereinbarung ausschließlich die Rechtsverhältnisse zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sowie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern betreffe, und daß die Gewerkschaft an diesen Rechtsverhältnissen nicht beteiligt sei.

Anders verhält es sich jedoch bei Unterlassungsanträgen der vorliegenden Art. Hier verteidigt die Gewerkschaft eigene Rechte. Das gilt unabhängig davon, ob sie den Unterlassungsanspruch auf § 23 Abs. 3 BetrVG stützt oder sich gegen das Vorgehen der Arbeitgeberin mit der Begründung wendet, sie werde in ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit verletzt (BAGE 68, 200, 208 ff. = AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt, zu B II der Gründe).

b) Der Antrag genügt auch – entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin – den Bestimmtheitserfordernissen des § 253 ZPO. Nach seinem klaren Wortlaut bezieht er sich ausschließlich auf die BV 4/96 und die BV 5/96. Die später abgeschlossenen, von der Gewerkschaft ebenfalls als tarifwidrig angesehenen Betriebsvereinbarungen sind dagegen nicht einbezogen. Dieses Verständnis wird durch die Argumentation der Gewerkschaft bestätigt, welche auf die neuen Betriebsvereinbarungen nur verweist, um darzutun, daß die von der BV 4/96 und der BV 5/96 ausgehende Rechtsverletzung weiterhin anhalte. In diesem Sinne hat sich die Gewerkschaft auch in der mündlichen Anhörung vor dem Senat geäußert.

Der Antrag kann nicht dahingehend ausgelegt werden, die Nennung der Betriebsvereinbarungen habe nur die Funktion einer Kurzbezeichnung und solle bestimmte, in den genannten Betriebsvereinbarungen geregelte Sachfragen zum Verfahrensgegenstand machen, unabhängig davon, in welchen Betriebsvereinbarungen sie geregelt sind. Hierfür fehlt jeder Anhaltspunkt im Vortrag der Gewerkschaft, die sich nicht im einzelnen zu der Frage geäußert hat, welche der unterschiedlichen in der BV 4/96 und der BV 5/96 enthaltenen Bestimmungen tarifwidrig sein sollen und welche nicht. Sie hat vielmehr die Betriebsvereinbarungen jeweils mit allen in ihnen enthaltenen Regelungen zum Antragsgegenstand gemacht. So hat auch das Landesarbeitsgericht das Begehren der Gewerkschaft verstanden, und diese hat das nicht gerügt.

c) Für den Antrag fehlt indessen das Rechtsschutzbedürfnis. Das ist auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen (BAGE 39, 259, 264 = AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979, zu III 1 der Gründe).

aa) Nach ständiger Rechtsprechung zu Feststellungs- und Leistungsanträgen (BAG Beschluß vom 17. März 1987 – 1 ABR 65/85 – AP Nr. 7 zu § 23 BetrVG 1972, zu B III 2 der Gründe; Beschluß vom 10. April 1984 – 1 ABR 73/82 – AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979, zu B II 1 der Gründe; BAGE 39, 259, 264, 267 = AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979, zu III 1 und 4 der Gründe; Beschluß vom 5. März 1991 – 1 ABR 40/90 – nicht veröffentlicht, zu B 2 b bb der Gründe) besteht für die gerichtliche Entscheidung über Verpflichtungen aus einem konkreten Vorgang kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, wenn dieser Vorgang abgeschlossen ist und keine Rechtsfolgen mehr erzeugt.

Diese Rechtsprechung erkennt allerdings an, daß konkrete Streitfälle oft Ausdruck einer generellen Streitfrage sind, die immer wieder zu ähnlichen Auseinandersetzungen führen kann. Auch vorliegend beruft sich die Gewerkschaft auf ein berechtigtes Interesse daran, über den konkreten Anlaß hinaus eine Entscheidung über eine betriebsverfassungsrechtliche Grundsatzfrage zu erlangen.

bb) Hierzu wäre freilich ein bereits in der Tatsacheninstanz gestellter Antrag erforderlich, der die vom Anlaßfall losgelöste allgemeine Frage hinreichend deutlich umschreibt und zum Verfahrensgegenstand macht. Diesen Voraussetzungen wird der vorliegende Antrag nicht gerecht.

Der von der Gewerkschaft begehrte Ausspruch könnte keine rechtlichen Wirkungen mehr entfalten, denn er wäre auf die Begutachtung eines in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalts beschränkt. Insbesondere könnte ein stattgebender Beschluß den Zweck nicht erfüllen, der jedem Unterlassungsgebot innewohnt, nämlich das Verhalten des Adressaten zu steuern. Die Arbeitgeberin würde lediglich verpflichtet, die Durchführung der BV 4/96 und der BV 5/96 zu unterlassen. Diese Betriebsvereinbarungen kommen aber für eine Durchführung nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ohnehin nicht mehr in Betracht, denn sie sind seit über einem Jahr aufgehoben. Es kommt hinzu, daß gerade diejenigen Bestimmungen der beiden Betriebsvereinbarungen, welche von der Gewerkschaft als Beispiele tarifwidriger Regelungen angeführt werden – über die Leistung unbezahlter Überstunden (§ 2.1 BV 4/96), das 13. Monatseinkommen (§ 2.2 BV 5/96), Urlaubsgeld (§ 2.3 BV 5/96) und Auslösung (§ 2.5 BV 5/96) –, von vornherein auf Zeiträume bis Ende 1997 beschränkt waren.

Zu Unrecht beruft sich die Gewerkschaft in diesem Zusammenhang darauf, daß die Arbeitgeberin seither erneut tarifwidrige Betriebsvereinbarungen, im wesentlichen allerdings zu anderen Gegenständen, mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossen habe. Dies hat nichts mit einer Durchführung der streitbefangenen Betriebsvereinbarungen zu tun. Die neuen Betriebsvereinbarungen sind hingegen nicht Antragsgegenstand. Der bloße Umstand, daß auch diese Bestimmungen enthalten, die möglicherweise nicht mit § 77 Abs. 3 BetrVG vereinbar sind, stellt keine ausreichende Verbindung zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens dar. Es wäre auch nicht möglich, einen Antrag so allgemein zu fassen, daß er die Durchführung von Betriebsvereinbarungen beliebigen Inhalts verbietet, soweit diese unter Mißachtung des § 77 Abs. 3 BetrVG zustande gekommen sind. Ein solcher Antrag umschriebe nur eine allgemeine Rechtspflicht und würde damit den gesamten Streit zwischen den Beteiligten darüber, welche konkreten Bestimmungen in Betriebsvereinbarungen betroffen sind, ins Vollstreckungsverfahren verlagern. Gegenstand eines Unterlassungsantrags kann aber nur ein bestimmtes Verhalten sein.

Schließlich kann auch nicht eingewandt werden, es gehe hier um die Gefahr einer Wiederholung der mit dem Abschluß der BV 4/96 und der BV 5/96 begangenen Rechtsverstöße; die Frage der Wiederholungsgefahr gehöre aber nicht zur Zulässigkeit, sondern allenfalls zur Begründetheit eines Unterlassungsantrags nach § 23 Abs. 3 BetrVG (Senatsbeschluß vom 9. Mai 1995 – 1 ABR 58/94 – nicht veröffentlicht, zu B I 2 der Gründe). Gegenstand des Antrags zu 1) ist nicht der mögliche Abschluß künftiger Betriebsvereinbarungen, sondern ausschließlich die – nicht mehr in Betracht kommende – Durchführung der BV 4/96 und der BV 5/96.

2. Der Unterlassungsantrag zu 2) ist ebenfalls unzulässig.

Zwar richtet er sich anders als der Antrag zu 1) unmittelbar gegen individualrechtliche Absprachen mit den Arbeitnehmern. Deren Inhalt wird aber ebenso wie im Antrag zu 1) durch die Betriebsvereinbarungen 4/96 und 5/96 bestimmt. Insoweit und hinsichtlich der Antragsbefugnis der Gewerkschaft kann zunächst auf die Ausführungen zum Antrag zu 1) (oben 1) verwiesen werden. Hinsichtlich der Reichweite des Antrags kommt bestätigend noch der Umstand hinzu, daß die streitgegenständliche Erklärung eindeutig auf Betriebsvereinbarungen begrenzt ist, welche für das Jahr 1997 getroffene Sparmaßnahmen zum Gegenstand hatten.

Die Unzulässigkeit ergibt sich wie beim Antrag zu 1) aus dem Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses. Dies folgt allerdings nicht, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat, daraus, daß die Arbeitgeberin inzwischen die streitigen Erklärungen nicht mehr verlangt. Letzteres ist eine Frage der Wiederholungsgefahr und damit nicht der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrags (BAG Beschluß vom 9. Mai 1995 – 1 ABR 58/94 – nicht veröffentlicht, zu B I 2 der Gründe). Entscheidend ist vielmehr, daß die mit dem Antrag angegriffenen Erklärungen allein die Anwendung der BV 4/96 und der BV 5/96 flankieren sollen, die jedoch aufgehoben sind. Daher gelten auch hier die zum Antrag zu 1) angestellten Erwägungen.

II. Die Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts kann keinen Bestand haben.

Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung in der arbeitsrechtlichen Literatur ist im Beschlußverfahren kein Raum für eine Kostenentscheidung. Das gilt nicht nur aufgrund der in § 12 Abs. 5 ArbGG enthaltenen Regelung für die Erhebung von Gerichtskosten, sondern trotz Fehlens einer entsprechenden Vorschrift auch hinsichtlich einer Erstattung außergerichtlicher Kosten. Die §§ 91 ff. ZPO sind in § 80 Abs. 2 ArbGG für das Beschlußverfahren nicht in Bezug genommen. Sie sind auch nicht entsprechend anzuwenden (z.B. BAGE 24, 459, 467 f. = AP Nr. 2 zu § 40 BetrVG 1972, zu C der Gründe; BAGE 4, 268, 274 = AP Nr. 2 zu § 81 ArbGG 1953, zu II d der Gründe; BVerwG Beschluß vom 8. August 1958 – VII P 14.57 – AP Nr. 14 zu § 76 PersVG 1955; Ascheid, Urteils- und Beschlußverfahren im Arbeitsrecht, Rz 1817; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 80 Rz 30; Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung und Arbeitsgerichtsverfahren, 6. Aufl., S. 949; Tschischgale/Satzky, Das Kostenrecht in Arbeitssachen, 3. Aufl., S. 192; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rz 256; a.A. Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 80 Rz 46).

Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung über die außergerichtlichen Kosten, wie sie für das Urteilsverfahren in Form der Sondervorschrift des § 12 a ArbGG i.V.m. der allgemeinen Verweisung auf die einschlägigen Bestimmungen der ZPO in § 46 Abs. 2 ArbGG besteht, ist keine planwidrige Regelungslücke. Die Rollen der Beteiligten im Beschlußverfahren stimmen nicht mit denjenigen der Parteien im Urteilsverfahren überein. So folgt die Beteiligtenstellung dem materiellen Recht, hängt also nicht vom Willen der Betroffenen ab. Auch ist nicht immer feststellbar, ob Beteiligte obsiegen oder unterliegen, denn die bloße Beteiligung erfordert keine Antragstellung; insbesondere gibt es keinen Antragsgegner. Schließlich geht es vielfach um Rechte und Pflichten des Betriebsrats, der vermögenslos ist.

Das Landesarbeitsgericht hält dem entgegen (ähnlich Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 80 Rz 46), für Fälle wie den vorliegenden müsse etwas anderes gelten, weil es nicht um einen Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gehe, sondern um die Rollen der Gewerkschaft und der Arbeitgeberin, die denjenigen von Prozeßparteien in einem Urteilsverfahren glichen. Das kann nicht überzeugen. Zwar ist zuzugeben, daß sich Beteiligte eines Beschlußverfahrens in ähnlicher Weise gegenüberstehen können wie die Parteien im Urteilsverfahren. Das ändert aber nichts an dem grundsätzlich unterschiedlichen Ausgangspunkt, der in der materiell-rechtlich determinierten Beteiligtenstellung und darin liegt, daß es keinen Antragsgegner im Sinne eines „Beklagten” gibt. Ein Beispiel für diese Besonderheit ist das vorliegende Verfahren, in dem neben der Arbeitgeberin und der Gewerkschaft auch der Gesamtbetriebsrat beteiligt ist. Die vielfältigen Gestaltungsformen, die bei einem Beschlußverfahren hinsichtlich der Beteiligung von betriebsverfassungsrechtlichen und anderen Rechtsträgern in Betracht kommen, lassen es nicht zu, je nach den Umständen des Einzelfalles und hinsichtlich bestimmter Beteiligter bei der Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten zu differenzieren. Das Gesetz bietet keinen Anhaltspunkt dafür, die Rechtsstellung der Beteiligten eines Beschlußverfahrens derart unterschiedlich zu bewerten. Insoweit ist vielmehr von typisierenden Wertungen auszugehen, die nur einheitlich für alle Fälle des Beschlußverfahrens getroffen werden können.

Danach ist auch für die von der Arbeitgeberin in der Rechtsbeschwerdeinstanz beantragte Kostenentscheidung kein Raum.

 

Unterschriften

Dieterich, Rost, Wißmann, Federlin, Lappe

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 20.04.1999 durch Klapp, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436282

BAGE, 235

BB 1999, 1768

DB 1999, 2016

ARST 1999, 285

FA 1999, 300

NZA 1999, 1235

SAE 2000, 251

AP, 0

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