Entscheidungsstichwort (Thema)

Weiterbeschäftigungsanspruch bei einer Änderungskündigungsschutzklage

 

Leitsatz (redaktionell)

Hinweise des Senats:

Bestätigung der Senatsrechtsprechung vom 18. Januar 1990 – 2 AZR 183/89BAGE 64, 24 = AP Nr. 27 zu § 2 KSchG 1969

 

Normenkette

ZPO §§ 91a, 92; KSchG §§ 2, 8; BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 23.05.1991; Aktenzeichen 7 Sa 4/91)

ArbG Hamburg (Urteil vom 14.11.1990; Aktenzeichen 25a Ca 238/90)

 

Tenor

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von den Kosten erster und zweiter Instanz tragen der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4.

 

Tatbestand

I. Der Kläger war seit 1975 bei der Beklagten als Meister mit einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von 5.500,– DM beschäftigt. Am 28. Juni 1990 kam es im Büro des Fertigungsleiters der Beklagten zwischen dem Kläger und dem stellvertretenden Fertigungsleiter, Herrn R, im Beisein eines Bewerbers um einen Arbeitsplatz und eines weiteren Mitarbeiters der Beklagten zu einer Auseinandersetzung. Dabei soll nach der Darstellung der Beklagten der Kläger sich geweigert haben, dem Bewerber Sch einen bestimmten Arbeitsplatz zu zeigen, wofür er als Meister an sich zuständig war. Als Herr R daraufhin angekündigt habe, die Arbeitsverweigerung der Geschäftsleitung anzeigen zu müssen, sei der Kläger lauter geworden und habe sinngemäß gesagt, das sei ihm egal, wonach er unaufgefordert das Büro des Herrn R verlassen und dem Bewerber den Arbeitsplatz nicht mehr gezeigt habe. Der Kläger hat demgegenüber darauf verwiesen, er habe zuvor etwa 20 Bewerbern Arbeitsplätze zeigen müssen, die die Personalabteilung anschließend deshalb nicht eingestellt habe, weil die Bewerber eine von der Beklagten für erforderlich gehaltene Krankheitsbescheinigung nicht vorgelegt hätten. Deshalb habe er es abgelehnt, dem Bewerber den Arbeitsplatz zu zeigen, bevor dieser nicht die erforderliche Krankenbescheinigung vorgelegt habe.

Nach Anhörung des Betriebsrats sprach die Beklagte mit Schreiben vom 9. Juli 1990 dem Kläger die außerordentliche Änderungskündigung hinsichtlich seines bisherigen Arbeitsplatzes als Meister in der Abteilung FHB aus und bot ihm gleichzeitig einen neuen Arbeitsplatz im Bereich CQ (Qualitätswesen) in der Warenannahme an. Der Kläger hat dieses Angebot nach § 2 KSchG unter Vorbehalt angenommen. Bereits zuvor hatte die Beklagte mit Schreiben vom 5. Juli 1990 den Kläger aufgefordert, seinen Arbeitsplatz im Bereich FHB zu räumen, und hat ihn zunächst für die Zeit vom 6. bis 20. Juli 1990 von der Arbeit freigestellt.

Der Kläger hat die Änderungskündigung als sozial ungerechtfertigt angegriffen und mit dieser Klage den Antrag verbunden, die Beklagte zu verurteilen, ihn, den Kläger, zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Meister in der Abteilung FHB weiterzubeschäftigen.

Das Arbeitsgericht hat die Änderungskündigung für sozial ungerechtfertigt gehalten und hat die Beklagte ferner entsprechend dem Weiterbeschäftigungsanspruch verurteilt. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Wegen der Weiterbeschäftigungsverurteilung hat das Landesarbeitsgericht die Revision zugelassen. Durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 2. August 1991 – 2 AZN 324/91 – ist die von der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hinsichtlich der Entscheidung über die Änderungskündigungsschutzklage eingelegte Beschwerde als unzulässig verworfen worden. Inzwischen haben die Parteien einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Ablauf des 30. Juni 1992 beendet wird, wenn der Kläger die Altersgrenze erreicht und zu diesem Zeitpunkt aus der Firma ausscheidet. Gleichzeitig wurde der Kläger mit Wirkung ab 5. August 1991 bis zum Vertragsende von der Arbeitsleistung freigestellt. Die Kostentragungspflicht sollte sich nach der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung richten.

Mit Schreiben vom 16. und 19. September 1991 haben die Parteien übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragen nunmehr wechselseitig, die Kosten des Verfahrens dem Gegner aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Kosten des Revisionsverfahrens waren nach § 91 a ZPO dem Kläger aufzuerlegen, da der von ihm ursprünglich geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch keine Aussicht auf Erfolg hatte; dementsprechend war der Kläger anteilig auch an den Kosten der Vorinstanzen zu beteiligen, §§ 91 a, 92 ZPO.

1. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, § 91 a ZPO. Danach trifft den Kläger die Kostenlast des Streites um die vorläufige Weiterbeschäftigung, weil dieser Anspruch jedenfalls zur Zeit der Erledigungserklärung nicht begründet war, so daß auf die Revision der Beklagten hin das Berufungsurteil insoweit hätte abgeändert und die Klage abgewiesen werden müssen. Das folgt aus der Rechtsprechung des Senats vom 18. Januar 1990 (– 2 AZR 183/89BAGE 64, 24 = AP Nr. 27 zu § 2 KSchG 1969), wonach der Arbeitgeber im Falle einer Änderungskündigung, die der Arbeitnehmer unter Vorbehalt nach § 2 KSchG angenommen hat, nicht aufgrund des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs verpflichtet ist, den Arbeitnehmer vorläufig zu den bis-herigen Bedingungen weiterzubeschäftigen. In dieser Entscheidung hat der Senat im Hinblick auf die Materialien zu §§ 2, 8 KSchG ausgeführt, der Gesetzgeber gehe bei der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den „alten Arbeitsbedingungen” (§ 8 KSchG) von einer rechtskräftigen Entscheidung über die soziale Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen aus. Er hat sich dabei der in der arbeitsrechtlichen Literatur ganz überwiegend und von verschiedenen Landesarbeitsgerichten (u.a. LAG München, Urteil vom 31. Juli 1986 – 7 Sa 23/86 – LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht, Nr. 18, m.w.N.) vertretenen Auffassung angeschlossen, im Hinblick auf die geforderte Rechtskraft der Entscheidung zur Änderungskündigung sei ein Weiterbeschäftigungsanspruch zu den bisherigen Arbeitsbedingungen ausgeschlossen. Da im Falle der Vorbehaltsannahme kein Streit mehr über den Fortbestand, sondern nur noch über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestehe, stelle sich das Problem eines Weiterbeschäftigungsanspruchs – wie bei umstrittenem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses – nicht. Werde der Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist aufgrund der Vorbehaltsannahme tatsächlich weiterbeschäftigt – wenn auch zu anderen Arbeitsbedingungen –, so sei den Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers damit zunächst gedient; nach Rechtskraft der Entscheidung zu §§ 2, 8 KSchG seien ihm ohnehin wieder im Fall des Obsiegens die „alten Arbeitsbedingungen” zu gewährleisten.

2. An dieser Rechtsprechung hält der Senat entgegen der vom Landesarbeitsgericht geäußerten Kritik fest, zumal ein echtes Bedürfnis für eine über die Entscheidung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (BAGE 48, 122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) hinausgehende Rechtsfortbildung nicht besteht. Der Kläger hat hier selbst durch die Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt zu erkennen gegeben, daß ihm zunächst die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz zumutbar war, womit sich das Landesarbeitsgericht auch nicht näher auseinandersetzt. Damit war dem Bestandsschutzinteresse des Klägers vorläufig ausreichend Rechnung getragen. Insofern handelt ein Arbeitnehmer im Regelfall sogar widersprüchlich (§ 242 BGB, venire contra factum proprium), wenn er trotz der Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt mit der Geltendmachung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs zu den alten Arbeitsbedingungen während des Kündigungsschutzprozesses hiervon abrücken will. Demgegenüber hat der Senat bereits im Urteil vom 28. März 1985 (– 2 AZR 548/83 – AP Nr. 4 zu § 767 ZPO; ebenso Urteil des Siebten Senats vom 27. März 1987 – 7 AZR 790/85 – AP Nr. 20 zu § 2 KSchG 1969) entschieden, der Arbeitnehmer sei auch bei einer Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren zur Weiterarbeit zu den geänderten Arbeitsbedingungen verpflichtet. War demnach der vom Kläger geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch aus diesen Gründen von vornherein unbegründet, so hatte seine diesbezügliche Klage von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg.

3. Es braucht daher nicht mehr entschieden zu werden, ob dies schon deshalb gilt, weil der vom Landesarbeitsgericht im Anschluß an die Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (BAGE 48, 122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) zugesprochene Weiterbeschäftigungsanspruch, der nur für die Dauer des Kündigungsprozesses bis zu dessen rechtskräftigem Abschluß tragfähig ist (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 2. April 1987 – 2 AZR 418/86 – AP Nr. 96 zu § 626 BGB, zu B II der Gründe), mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Änderungskündigungsschutzklage (§ 2 KSchG) ohnehin „erledigt” war und deshalb zur Zeit der formellen Erledigungserklärung der Parteien nach § 91 a ZPO nicht mehr bestand.

 

Unterschriften

Triebfürst, Dr. Rost, Bitter, Dr. Roeckl, Walter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI916007

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