Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsinteresse bei Anfechtung des Spruchs einer Einigungsstelle Mitbestimmung der Personalvertretung bei Flugumläufen. Feststellungsinteresse bei Anfechtung des Spruchs einer Einigungsstelle Mitbestimmung der Personalvertretung bei Flugumläufen Betriebsverfassungsrecht Prozeßrecht

 

Leitsatz (amtlich)

  • § 56 TV PV regelt zwei Mitbestimmungsverfahren: das der Gestaltung der abstrakten Saison- und Monatspläne nach Abs. 1 und das der nachträglichen Änderung mitbestimmter Pläne nach Abs. 2.
  • Das Vorliegen einer besonderen Belastung für das fliegende Personal und die Kostenneutralität von Änderungsvorschlägen begrenzen nur das Mitbestimmungsrecht nach § 56 Abs. 2 TV PV, nicht dagegen das Recht zur Verweigerung der Zustimmung nach § 56 Abs. 1 TV PV.
 

Orientierungssatz

  • Ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß ein Spruch der Einigungsstelle unwirksam ist, besteht nur, soweit und solange diesem ein betriebsverfassungsrechtlicher Konflikt zugrunde liegt und fortbesteht.
  • Nach § 56 Abs. 1 TV PV bedarf die Gestaltung der abstrakten Flugumlaufpläne der Zustimmung der Personalvertretung. Dabei hat diese nicht lediglich im Falle der Überschreitung des gesetzlichen oder tariflichen Gestaltungsrahmens ein Vetorecht.
  • Vorschläge der Personalvertretung zur Umgestaltung des von der Arbeitgeberin vorgelegten Planentwurfs sind nicht an das Vorliegen einer besonderen Belastung und an die Wahrung von Kostenneutralität nach § 56 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 TV PV Condor gebunden. Darauf ist erst bei der nachträglichen Änderung eines mit (ersetzter) Zustimmung der Personalvertretung zustandegekommenen Umlaufplans zu achten.
 

Normenkette

Tarifvertrag Personalvertretung für das Bordpersonal der Condor Flugdienst GmbH vom 31. August 1992 (TV PV) § 56; ZPO § 256 Abs. 1; ZPO a.F. § 554 Abs. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Beschluss vom 15.02.2001; Aktenzeichen 5 TaBV 158/99)

ArbG Darmstadt (Beschluss vom 27.09.1999; Aktenzeichen 6 BV 9/99)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Personalvertretung gegen den Beschluß des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. Februar 2001 – 5 TaBV 158/99 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle und in diesem Zusammenhang über die Reichweite der betrieblichen Mitbestimmung bei der Planung von sog. Flugumläufen.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Bedarfsluftfahrt. Die Antragstellerin ist die für ihre im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer gebildete betriebliche Vertretung (Personalvertretung). Sie wurde errichtet durch den “Tarifvertrag Personalvertretung Condor” vom 19. Dezember 1972, neu gefaßt durch Tarifvertrag vom 31. August 1992, zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 7. Februar 1993 (TV PV). Der TV PV regelt in § 56 die Beteiligungsrechte der Personalvertretung bei der “Gestaltung der Umlaufpläne”. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

  • Die Festsetzung der Arbeitszeit, Flugdienstzeit, Flugzeit und Ruhezeit durch die Gestaltung der abstrakten Saison- und Monatspläne bedarf der Zustimmung der Personalvertretung nach Maßgabe der nachstehenden Regeln.
  • Die Personalvertretung überwacht die Einhaltung des dafür durch Tarifvertrag und Gesetz vorgegebenen Gestaltungsrahmens. Bewirkt ein Umlauf trotz Einhaltung des Gestaltungsrahmens im Ausnahmefall eine besondere Belastung, kann die Personalvertretung Änderungsvorschläge unterbreiten. Diese Vorschläge müssen insgesamt im wesentlichen kostenneutral und von der Personalverfügbarkeit her realisierbar sein. Satz 2 gilt entsprechend für Umläufe, die den Gestaltungsrahmen über- bzw. unterschreiten (§ 12 2. DV LuftBO).
  • Kommt eine Einigung über die Gestaltung des Umlaufs nicht zustande, entscheidet nach vorstehender Maßgabe die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen der CFG (der Antragsgegnerin) und der Personalvertretung.
  • Aktuelle Programmänderungen unterliegen nicht der Mitbestimmung durch die Personalvertretung.
  • Für die Durchführung der Umlaufabstimmung benennt die Personalvertretung 2 Einsatzreferenten für jede Gruppe. Diese haben innerhalb von 4 Tagen nach Vorlage der Pläne durch die CFG (Arbeitgeberin) zu entscheiden. In den Fällen des Abs. (3) hat die Einigungsstelle innerhalb von 10 Tagen zu entscheiden. Liegt bis zum Ablauf dieser Frist eine Entscheidung nicht vor, ohne daß die CFG (Arbeitgeberin) dies zu vertreten hat, ist die CFG (Arbeitgeberin) bis zum Vorliegen der Entscheidung berechtigt, die individuellen Einsatzpläne auf der Basis der unabgestimmten Umlaufpläne zu erstellen.
  • …”

Im Jahr 1999 konnten sich die Beteiligten über die Gestaltung dreier Flugumlaufpläne nicht verständigen. Daraufhin trat am 25. Juni 1999 die Einigungsstelle zusammen. Sie erreichte für zwei Umläufe eine einvernehmliche Regelung. Für den Einsatz des Kabinenpersonals bei dem Flugumlauf Dominikanische Republik – Curacao – Köln mit einer Flugdienstzeit von 13,25 Stunden kam es zu keiner gemeinsamen Lösung. Die Beisitzer der Personalvertretung beantragten daraufhin, die Einigungsstelle möge beschließen,

der Umlauf sei für das Kabinenpersonal so zu ändern, daß der Einsatz wie beim Cockpitpersonal erfolge;

hilfsweise (1),

es sei vor dem Umlauf eine Ruhezeit von 24 Stunden und nach dem Umlauf ab Ankunft in Köln eine Mindestruhezeit von 48 Stunden zu berücksichtigen;

  • es sei eine Belastungsanalyse dieses Umlaufs durch eine sachverständige Institution, zB die DLR unter medizinischen, physischen und psychischen Gesichtspunkten durchzuführen, die mindestens folgende Elemente enthalte:
  • Ausruhzustand vor Antritt des Umlaufs,
  • Belastung während des Umlaufs durch Zeitzonen, Tageszeit und Flugdauer,
  • Belastungszustand nach Umlaufende;

hilfsweise (2),

  • es sei eine Belastungsanalyse dieses Umlaufs durch eine sachverständige Institution, zB die DLR unter medizinischen, physischen und psychischen Gesichtspunkten durchzuführen die mindestens folgende Elemente enthalte:
  • Ausruhzustand vor Antritt des Umlaufs,
  • Belastung während des Umlaufs durch Zeitzonen, Tageszeit und Flugdauer,
  • Belastungszustand nach Umlaufende;

hilfsweise (3),

es sei vor dem Umlauf eine Ruhezeit von 24 Stunden und nach dem Umlauf ab Ankunft in Köln eine Mindestruhezeit von 48 Stunden zu berücksichtigen.

Unter Beteiligung des Vorsitzenden lehnte die Einigungsstelle den Hauptantrag und die beiden ersten Hilfsanträge ab. Der dritte Hilfsantrag wurde ohne Beteiligung des Vorsitzenden mit den Stimmen aller Beisitzer angenommen. Der Spruch der Einigungsstelle wurde der Personalvertretung am 28. Juni 1999 zugeleitet. Mit einem am 12. Juli 1999 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat sie das vorliegende Anfechtungsverfahren eingeleitet und beantragt festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle unwirksam ist, soweit diese die gestellten Anträge abgelehnt hat. Mit Wirkung vom 1. September 1999 wurde der betreffende Flugumlauf von der Arbeitgeberin so geändert, daß die Personalvertretung dagegen keine Einwände mehr erhob.

Die Personalvertretung hat gemeint, der Spruch vom 25. Juni 1999 sei ermessensfehlerhaft. Während die Umlaufplanung für die Cockpitbesatzung einen siebentägigen Aufenthalt in der Karibik vorgesehen habe, habe das Kabinenpersonal statt dessen einen sehr belastenden Flug antreten müssen. Dafür gebe es keine sachlichen Gründe. Die Ansicht der Mehrheit der Mitglieder der Einigungsstelle, die Änderung eines von der Arbeitgeberin geplanten Flugumlaufs komme nur in Frage, wenn sie sich als kostenneutral erweise, beruhe auf einem falschen Verständnis des § 56 Abs. 2 TV PV. Dort werde die Kostenneutralität nicht hinsichtlich eines einzelnen Umlaufs, sondern nur mit Blick auf die Gesamtheit von Änderungsvorschlägen verlangt. Der Flugumlauf bewege sich bei einer Flugdienstzeit von 13,25 Stunden an der oberen Grenze der zulässigen Höchstdauer von 14 Stunden und sei wegen der vorgesehenen Unterbrechung in Curacao und der Flugrichtung gegen den Sonnenumlauf besonders belastend.

Was ihre von der Einigungsstelle abgelehnten ersten beiden Hilfsanträge angehe, so sei sie im Rahmen des § 56 Abs. 2 TV PV berechtigt, eine Belastungsanalyse vorzuschlagen. Dies sei eine Voraussetzung für sachgerechte Änderungsvorschläge. Ein Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung von Gefährdungs- und Belastungsanalysen stehe ihr überdies auch nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 TV PV iVm. § 5 ArbSchG zu. Im übrigen habe der zweite Hilfsantrag auch der weiteren Sachaufklärung in der Einigungsstelle selbst dienen sollen.

Die Personalvertretung hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle betreffend den Umlauf POJ bzw. SDQ-CUR-CGN hinsichtlich der Abweisung des Hauptantrags rechtsunwirksam ist, und den Spruch der Einigungsstelle insoweit aufzuheben;

hilfsweise

festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle betreffend den Umlauf POJ bzw. SDQ-CUR-CGN hinsichtlich der Hilfsanträge zu 1 und 2 rechtsunwirksam ist, und den Spruch der Einigungsstelle insoweit aufzuheben;

äußerst hilfsweise

festzustellen,

  • daß sich die in § 56 Abs. 2 TV PV geregelte wesentliche Kostenneutralität eines Änderungsvorschlags auf alle Vorschläge im Rahmen des § 56 Abs. 1 TV PV bezieht;
  • daß sie bei Umläufen der Antragsgegnerin im Rahmen des § 56 Abs. 2 TV PV berechtigt ist, eine Belastungsanalyse vorzuschlagen;
  • daß eine besondere Belastung im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 2 TV PV immer dann vorliegt, wenn die Flugdienstzeit bei den Umläufen der Antragsgegnerin zwischen 12 und 14 Stunden liegt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, es mangele allen Anträgen am Rechtsschutzbedürfnis. Im übrigen habe die Einigungsstelle das ihr eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Das Verständnis der Personalvertretung von Kostenneutralität iSd. § 56 Abs. 2 TV PV sei unrichtig. Das Recht der Personalvertretung, die Einholung einer Belastungsanalyse vorzuschlagen, stehe außer Zweifel. Eine besondere Belastung liege aber nicht immer schon dann vor, wenn die Flugdienstzeit zwölf Stunden überschreite.

Das Arbeitsgericht hat die erstinstanzlich gestellten Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die um den zweiten Hilfsantrag erweiterte Beschwerde der Personalvertretung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Personalvertretung ihre zweitinstanzlich gestellten Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ein Rechtsschutzbedürfnis der Personalvertretung für den Hauptantrag, den ersten Hilfsantrag und den zweiten Hilfsantrag zu Buchst. b) verneint. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dem zweiten Hilfsantrag auch im übrigen nicht entsprochen. Entgegen seiner Auffassung folgt dies aber nicht aus der Unbegründetheit der begehrten Feststellungen, sondern daraus, daß auch dieser Antrag insgesamt unzulässig ist.

  • Mit ihrem Hauptantrag begehrt die Personalvertretung festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 25. Juni 1999 über den Flugumlauf Dominikanische Republik – Curacao – Köln insoweit unwirksam ist, als er den im Einigungsstellenverfahren verfolgten Hauptantrag abgewiesen hat. Dieser Antrag war darauf gerichtet, den genannten Umlauf für das Kabinenpersonal so zu ändern, daß dessen Einsatz dem des Cockpitpersonals entspricht. An der begehrten gerichtlichen Feststellung besteht kein rechtliches Interesse.

    • Streiten die Betriebsparteien über die Rechtswirksamkeit eines Spruchs der Einigungsstelle, ist das Feststellungsbegehren und nicht die Aufhebungsklage die zutreffende Verfahrensart. Eine gerichtliche Entscheidung nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG hat nur feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung (BAG 31. August 1982 – 1 ABR 27/80 – BAGE 40, 107; 27. Oktober 1992 – 1 ABR 4/92 – BAGE 71, 259 mwN). Antragsberechtigt ist auch eine auf der Grundlage von § 117 Abs. 2 BetrVG in zulässiger Weise errichtete Personalvertretung, die das ihr tariflich eingeräumte Mitbestimmungsrecht wahrgenommen hat und durch den Spruch der Einigungsstelle die Interessen des von ihr vertretenen fliegenden Personals für nicht gewahrt ansieht.
    • Für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags bedarf es eines rechtlichen Interesses gem. § 256 Abs. 1 ZPO. Das rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung als besondere Prozeßvoraussetzung ist die spezielle Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung erforderlichen Rechtsschutzinteresses (Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 256 Rn. 13 mwN). § 256 ZPO ist deshalb auch im Beschlußverfahren anwendbar (BAG 15. Dezember 1998 – 1 ABR 9/98 – BAGE 90, 288; 1. Dezember 1961 – 1 ABR 9/60 – AP ArbGG 1953 § 80 Nr. 1). Ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß ein Spruch der Einigungsstelle rechtsunwirksam ist, besteht, soweit und solange diesem ein betriebsverfassungsrechtlicher Konflikt zu Grunde liegt und fortbesteht. Hat ein solcher Konflikt zwar zunächst bestanden, ist er aber auf Grund veränderter tatsächlicher Umstände gegenstandslos geworden, so kann ein ursprünglich gegebenes Feststellungsinteresse entfallen. Dies ist dann anzunehmen, wenn der konfliktauslösende Vorgang abgeschlossen ist, ohne daß sich aus ihm fortbestehende Rechtswirkungen für die Zukunft ergeben (BAG 18. April 2000 – 1 ABR 22/99 – AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 33 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Übung Nr. 27 mwN).
    • So liegen die Dinge im Streitfall. Der Spruch der Einigungsstelle betrifft einen Flugumlauf, der nicht mehr durchgeführt wird. Die Personalvertretung hat auch nicht behauptet, es stehe zu erwarten, daß die Arbeitgeberin den Umlauf in der strittigen Form demnächst wieder vorsehen werde. Damit hat sich der der Einigungsstelle unterbreitete Konflikt erledigt, ohne daß von ihm in der Zukunft weitere Rechtswirkungen für die Beteiligten ausgehen würden.

      Die hiergegen von der Personalvertretung erhobenen Einwände greifen nicht durch. Die Personalvertretung hat vorgebracht, die Frage der Wirksamkeit des Spruchs behalte ihre Bedeutung für mögliche individualrechtliche Vergütungs- oder Schadensersatzansprüche der auf dem Flugumlauf in seiner ursprünglichen Form eingesetzten Arbeitnehmer. Damit läßt sich ein Feststellungsinteresse nicht begründen. Die Personalvertretung kann lediglich eigene Ansprüche oder Rechtspositionen gerichtlich feststellen lassen. Das Interesse an der Feststellung eines Rechtsverhältnisses, aus dem sich Folgen nur für die einzelnen Arbeitnehmer und nicht auch für sie selbst ergeben, ist dagegen rechtlich nicht geschützt.

      Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung folgt auch nicht daraus, daß andernfalls, wie die Personalvertretung meint, der unzutreffende Eindruck erweckt werde, die von der Einigungsstelle beschlossenen Änderungen des Umlaufs seien inhaltlich ausreichend; das könne die Arbeitgeberin künftig zur “Legitimation weiterer mitbestimmungswidriger Umläufe” anführen. Die Gerichte haben konkrete Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden. Es ist nicht ihre Aufgabe, bestimmten Vorstellungen über den möglichen Ausgang erledigter und deshalb unentschiedener Rechtsstreitigkeiten entgegenzutreten.

  • Mit dem ersten Hilfsantrag begehrt die Personalvertretung die Feststellung, der Spruch vom 25. Juni 1999 sei jedenfalls insoweit unwirksam, als er nicht wenigstens einem der in der Einigungsstelle gestellten Hilfsanträge zu (1) und (2) entsprochen habe. Diese waren auf die Einhaltung bestimmter Ruhezeiten einschließlich der Durchführung einer Belastungsanalyse für den strittigen Umlauf bzw. ausschließlich auf die Durchführung einer Belastungsanalyse gerichtet.

    Da die Einigungsstelle die Einhaltung der von der Personalvertretung gewünschten Ruhezeiten beschlossen hat, besteht für das Festsstellungsbegehren insoweit schon aus diesem Grunde kein rechtliches Interesse. Im übrigen fehlt, nachdem der Flugumlauf geändert wurde, das Feststellungsinteresse für den gesamten ersten Hilfsantrag aus den gleichen Gründen wie für den Hauptantrag.

  • Mit ihrem zweiten Hilfsantrag hat die Personalvertretung den Verfahrensgegenstand zweitinstanzlich über die Anfechtung des Einigungsstellenspruchs hinaus erweitert. Das Landesarbeitsgericht hat dies als sachdienlich iSd. § 263 ZPO angesehen. Daran ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden (für die zweitinstanzliche Zulassung einer Widerklage nach § 530 ZPO aF BGH 20. Juni 2000 – IX ZR 81/98 – NJW 2000, 3273 mwN).

    • Das mit dem Hilfsantrag verfolgte Feststellungsbegehren zu a) hat das Landesarbeitsgericht für zulässig gehalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag sei auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Er sei dahin auszulegen, daß die Personalvertretung das Recht festgestellt wissen wolle, Änderungsvorschläge zu unterbreiten, wenn diese zusammen betrachtet und bezogen auf alle Umläufe iSd. § 56 Abs. 1 TV PV im wesentlichen kostenneutral sind. Damit gehe es der Personalvertretung um die Feststellung einer bestimmten Anspruchsbeziehung zwischen den Beteiligten. Ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung sei zu bejahen. Die Arbeitgeberin vertrete den Standpunkt, die Personalvertretung sei nach § 56 Abs. 2 TV PV nur berechtigt, solche Änderungsvorschläge zu unterbreiten, die sich schon bezogen auf den einzelnen fraglichen Umlauf als im wesentlichen kostenneutral erwiesen. Diese Frage spiele zwischen den Beteiligten auch in Zukunft “bei jeder Mitbestimmungsrunde” eine Rolle.
    • Dem folgt der Senat nicht.

      • Der Antrag bedarf der Klarstellung. Die Personalvertretung beantragt festzustellen, daß sich die “Kostenneutralität eines Änderungsvorschlags auf alle Vorschläge im Rahmen des § 56 Abs. 1 TV PV bezieht”. Diese Vorschrift sieht vor, daß die Festsetzung der Arbeitszeit, Flugdienstzeit, Flugzeit und Ruhezeit durch die Gestaltung der abstrakten Saison- und Monatspläne der Zustimmung der Personalvertretung bedarf. Unter “Vorschlägen im Rahmen des § 56 Abs. 1 TV PV” versteht die Personalvertretung damit diejenigen Vorschläge, die sie im Rahmen ihrer Beteiligung nach dieser Tarifregelung zur Gestaltung eines von der Arbeitgeberin vorgelegten Entwurfs eines Saison- und Monatsplans macht. Die Personalvertretung will festgestellt wissen, daß kostenneutral nur die Summe der Vorschläge sein muß, die sie zur Änderung eines Planentwurfs unterbreitet.
      • Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Antrag auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder lediglich auf die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage gerichtet ist. Unter einem Rechtsverhältnis ist die aus einem konkreten Lebenssachverhalt entstehende rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder Gegenständen zu verstehen. Keine Rechtsverhältnisse sind bloße Tatfragen oder abstrakte Rechtsfragen (ständige Rechtsprechung BAG 5. Oktober 2000 – 1 ABR 52/99 – EzA ZPO § 256 Nr. 54 mwN; 11. September 2001 – 1 ABR 1/01 – nv.). Streiten die Betriebsparteien über den Bestand, den Inhalt oder den Umfang von Mitbestimmungsrechten, streiten sie damit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines entsprechenden Rechtsverhältnisses. Dieser Streit kann im Wege des Feststellungsverfahrens geklärt werden (ständige Rechtsprechung; zuletzt BAG 21. September 1999 – 1 ABR 40/98 – AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 21 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 30; 7. November 2000 – 1 ABR 28/00 – EzA BetrVG 1972 § 117 Nr. 4). Zwischen den Beteiligten steht allerdings das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung nach § 56 Abs. 1 TV PV bei der Festlegung von Flugumläufen nicht in Frage.
      • Für den Antrag fehlt jedenfalls das Interesse an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung. Zwar mag sich die Frage nach dem richtigen Verständnis des Ausdrucks “insgesamt im wesentlichen kostenneutral” für die Beteiligten bei Verhandlungen über Flugumläufe auch künftig ergeben. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß diese Frage nach dem Umfang des Mitbestimmungsrechts – möglicherweise entgegen der Auffassung beider Beteiligten – allein im Zusammenhang mit einer Änderung schon bestehender Flugumlaufpläne erheblich ist. Bei der ursprünglichen Plangestaltung nach § 56 Abs. 1 TV PV kommt es auf die Kostenneutralität eines Gestaltungsvorschlags der Personalvertretung nicht an. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Beteiligten bislang nicht nur über die jeweils erstmalige Gestaltung der Saison- und Monatspläne iSd. § 56 Abs. 1 TV PV, sondern auch bereits über die Änderung bestehender und mitbestimmter Umlaufpläne gestritten hätten. Die begehrte Feststellung bezieht sich auf einen bislang nicht aufgetretenen Konflikt.

        • Das Mitbestimmungsverfahren nach § 56 TV PV unterscheidet zwei Stadien. Für die Festsetzung der Arbeitszeit, Flugdienstzeit, Flugzeit und Ruhezeit durch die Gestaltung der abstrakten Saison- und Monatspläne bedarf die Arbeitgeberin gem. § 56 Abs. 1 TV PV der Zustimmung der Personalvertretung “nach Maßgabe der nachstehenden Regeln”. Zu den “nachstehenden” Regeln gehört zunächst § 56 Abs. 2 Satz 1 TV PV. Danach überwacht die Personalvertretung die Einhaltung des dafür durch Tarifvertrag und Gesetz vorgegebenen Gestaltungsrahmens. Der Vergleich dieser tariflichen Regelung mit § 57 TV PV macht deutlich, daß sich das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung nicht auf die “individuellen Einsatzpläne” erstreckt, sondern sich auf die abstrakte Planung der Umläufe beschränkt. Diese bedarf der Zustimmung. Dabei hat die Personalvertretung nach § 56 Abs. 2 Satz 1 TV PV auch darüber zu wachen, daß die abstrakte Planung die tatsächliche Einhaltung der höchstzulässigen Flugdienstzeiten ermöglicht. Die Personalvertretung kann daher die Zustimmung mit der Begründung verweigern, die vorgesehene Planung lasse die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Grenzen nicht zu (BAG 7. November 2000 – 1 ABR 28/00 – aaO).

          Die Personalvertretung ist aber auf diese Überwachungsfunktion nicht beschränkt. Weder der Wortlaut noch der systematische Zusammenhang oder Sinn und Zweck von § 56 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 TV PV lassen die Annahme zu, daß der Personalvertretung bei der Gestaltung der abstrakten Saison- und Monatspläne lediglich ein Vetorecht für den Fall der Nichteinhaltung des vorgegebenen rechtlichen Gestaltungsrahmens zusteht. So haben die Tarifvertragsparteien in § 69 Abs. 2 TV PV, der die Mitbestimmung der Personalvertretung bei personellen Einzelmaßnahmen betrifft, eine gewollte Beschränkung von Zustimmungsverweigerungsgründen deutlich zum Ausdruck gebracht; die Regelung des § 69 Abs. 2 TV PV ist § 99 Abs. 2 BetrVG nahezu wortgleich nachgebildet. Auch der Umstand, daß im Falle der Nichteinigung zwischen Arbeitgeberin und Personalvertretung gem. § 56 Abs. 3, Abs. 5 TV PV die Einigungsstelle und nicht das Arbeitsgericht zur Entscheidung aufgerufen ist, spricht dafür, daß der Personalvertretung bei der Gestaltung der Umlaufpläne nicht bloß eine Überwachungsaufgabe hinsichtlich der Einhaltung des Arbeitszeitrahmens zukommen soll.

          Die Personalvertretung kann bei der erstmaligen Gestaltung der Umlaufpläne iSd. § 56 Abs. 1 TV PV jeden ihr geeignet erscheinenden Vorschlag zur Durchführung eines bestimmten Flugumlaufs unterbreiten. Sie ist dazu weder auf das Vorliegen einer “besonderen Belastung” angewiesen noch durch eine einzuhaltende “Kostenneutralität” eingeschränkt. Für die Erstabstimmung der Umlaufpläne gelten die Beschränkungen des § 56 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 TV PV nicht. Diese Regelungen setzen voraus, daß “ein Umlauf im Ausnahmefall eine besondere Belastung bewirkt”. Ob dies der Fall ist, läßt sich regelmäßig erst anhand der praktischen Durchführung der Umlaufpläne feststellen. Die Tarifbestimmung geht demnach davon aus, daß ein bereits feststehender Umlaufplan trotz Einhaltung des rechtlichen Gestaltungsrahmens eine besondere Belastung mit sich bringt. Für die Festlegung des Umlaufplans selbst beansprucht diese Bestimmung dagegen keine Geltung. Dies zeigt auch § 56 Abs. 5 TV PV. Danach hat die Personalvertretung “für die Durchführung der Umlaufabstimmung” sog. Einsatzreferenten zu benennen. Der Tarifvertrag spricht also im Zusammenhang mit der erstmaligen Festlegung der Umlaufpläne nicht von Änderungsvorschlägen, die die Personalvertretung unterbreiten könne, sondern von einer durchzuführenden “Umlaufabstimmung” und “unabgestimmten Umlaufplänen”. Erst hinsichtlich bereits abgestimmter, dh. mit Zustimmung der Personalvertretung durchgeführter Umlaufpläne können “Änderungsvorschläge” unterbreitet werden.

          Kommt es über erstmalige Gestaltung der abstrakten Pläne nicht zu einer Einigung, entscheidet gem. § 56 Abs. 3 TV PV die Einigungsstelle. Auch diese ist bei ihrer Entscheidung durch die genannten Gesichtspunkte nicht begrenzt.

        • Hat die Personalvertretung den abstrakten Saison- und Monatsplänen zugestimmt oder hat die Einigungsstelle eine bindende Entscheidung getroffen, so ermöglicht es § 56 Abs. 2 Satz 2 TV PV der Personalvertretung, Änderungsvorschläge zu unterbreiten, wenn ein Umlauf trotz Einhaltung des Gestaltungsrahmens im Ausnahmefall eine besondere Belastung bewirkt. Die Funktion und Besonderheit von § 56 Abs. 2 Satz 2 TV PV besteht darin, daß die Personalvertretung unter dieser Voraussetzung die Änderung einer mitbestimmten Regelung noch während deren Laufzeit erzwingen kann. Nur dieses Recht ist auf Vorschläge beschränkt, die “insgesamt im wesentlichen kostenneutral” sind. Können sich Arbeitgeberin und Personalvertretung darüber nicht verständigen, entscheidet (erneut) die Einigungsstelle, die nunmehr ebenfalls auf das Vorliegen einer besonderen Belastung und Kostenneutralität zu achten hat.
    • Das Feststellungsbegehren zu b) hat das Landesarbeitsgericht zutreffend für unzulässig gehalten.

      • Auch dieser Antrag bedarf der Klarstellung. Nach seinem Wortlaut bezieht er sich auf das Recht der Personalvertretung, eine Belastungsanalyse im Rahmen des § 56 Abs. 2 TV PV vorzuschlagen. Sowohl in der Beschwerdebegründung als auch in der Begründung der Rechtsbeschwerde hat die Personalvertretung allerdings zugleich auf ihre Rechte aus § 55 Abs. 1 Nr. 4 TV PV iVm. § 5 ArbSchG hingewiesen, aus denen sich ein Mitbestimmungsrecht bei Gefährdungs- und Belastungsanalysen ergebe. Damit hat sie aber ersichtlich keinen eigenständigen Antrag auf Feststellung bestimmter Mitbestimmungsrechte aus § 55 Abs. 1 Nr. 4 TV PV stellen wollen. Der Verweis auf diese Vorschrift dient vielmehr der Unterstützung ihres Anspruchs, im Rahmen der Verhandlungen über Änderungsvorschläge zu Flugumläufen auch eine Belastungsanalyse vorschlagen zu dürfen. Deutlich wird dies daran, daß die Rechtsbeschwerde zur Darlegung eines entsprechenden Rechtsschutzinteresses anführt, die Personalvertretung wolle “auch bei zukünftigen Mitbestimmungsverfahren nach § 56 TV PV Belastungsanalysen vorschlagen bzw. vornehmen lassen”. Verfahrensgegenstand sind damit lediglich Rechte der Personalvertretung im Rahmen dieser Bestimmung.

        Als Inhalt des Antrags der Personalvertretung hat das Landesarbeitsgericht die “Inanspruchnahme der Berechtigung zum Vorschlag einer Belastungsanalyse” angesehen. Verfahrensgegenstand ist danach nicht die Frage, ob die Arbeitgeberin dem Ansinnen der Personalvertretung, eine Belastungsanalyse für Flugumläufe durchzuführen, stets oder unter bestimmten Umständen nachkommen muß. Zu entscheiden ist nur, ob die Personalvertretung einen entsprechenden Vorschlag bei den Verhandlungen über Flugumläufe unterbreiten darf. Diese Antragsauslegung durch das Landesarbeitsgericht ist nicht zu beanstanden. Der Antragswortlaut legt sie nahe, die Rechtsbeschwerde hat dagegen Einwände nicht erhoben. Selbst angesichts der Erklärung der Arbeitgeberin, sie stelle ein solches Vorschlagsrecht der Personalvertretung nicht in Abrede, hat diese ihren Antrag in der bisherigen Form aufrecht erhalten.

      • Das Landesarbeitsgericht hat das erforderliche Feststellungsinteresse mit der Begründung verneint, die Arbeitgeberin habe das Recht der Personalvertretung, eine Belastungsanalyse vorzuschlagen, zu keiner Zeit bestritten. Auch wenn die Personalvertretung ihr Recht auf Hinzuziehung von Sachverständigen nach Maßgabe des § 48 Abs. 3 TV PV gemeint haben sollte, stehe dies außer Frage. Dem Landesarbeitsgericht ist zuzustimmen. Die Personalvertretung hat an der beantragten Feststellung kein rechtliches Interesse. Zwischen den Beteiligten besteht insoweit objektiv kein Streit. Es fehlt an einem Konflikt, der der gerichtlichen Entscheidung bedürfte. Die Arbeitgeberin stellt nicht in Frage, daß die Personalvertretung das Recht hat, ihr oder der Einigungsstelle im Rahmen der Erörterungen über besonders belastende Flugumläufe die Durchführung einer Belastungsanalyse vorzuschlagen. Die möglicherweise streitige Verpflichtung, einem solchen Vorschlag auch nachzukommen, ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
    • Mit dem Antrag zu c) möchte die Personalvertretung festgestellt wissen, daß eine besondere Belastung iSd. § 56 Abs. 2 Satz 2 TV PV immer dann vorliegt, wenn die Flugdienstzeit bei einem Flugumlauf zwischen 12 und 14 Stunden beträgt. Auch dieser Antrag ist unzulässig. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist auch er nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Die Frage, ab welcher Flugdienstzeit ein Flugumlauf eine besondere Belastung iSd. § 56 Abs. 2 TV PV bewirkt, betrifft nicht die rechtliche Beziehung zwischen den Beteiligten, sondern stellt eine abstrakte Rechtsfrage und eine bloße Vorfrage bei der konkreten Gestaltung von Flugumläufen dar. Im übrigen fehlt es erneut am Feststellungsinteresse. Auch wenn das Bestehen einer besonderen Belastung antragsgemäß festgestellt würde, wäre damit einem künftigen Streit der Beteiligten über die konkrete Gestaltung bestimmter Flugumläufe nicht vorgebeugt.
 

Unterschriften

Wissmann, Schmidt, Kreft, Spiegelhalter, Brunner

 

Fundstellen

BAGE, 281

BB 2002, 2236

NZA 2003, 1159

SAE 2002, 351

AP, 0

AUR 2002, 438

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