Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbezahlte Ausgleichstage bei Fehlzeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 2 Nr 2 des Manteltarifvertrages Teil 2 für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metallindustrie Hamburgs und Umgebung haben die Arbeitnehmer einen Anspruch auf unbezahlte Ausgleichszeit bei einer Differenz zwischen Betriebsmittelnutzungszeit und tarifvertraglich geschuldeter Arbeitszeit nur für die Tage, an denen sie tatsächlich gearbeitet haben.

 

Normenkette

TVG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 04.02.1987; Aktenzeichen 5 TaBV 11/86)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 09.06.1986; Aktenzeichen 15 BV 3/86)

 

Gründe

A. Arbeitgeber (Antragsgegnerin) und Betriebsrat (Antragsteller) streiten über die Frage, ob sich die Anzahl der im Rahmen der Durchführung der 38,5-Stunden-Woche zu gewährenden freien Tage nach längeren krankheitsbedingten Fehlzeiten der Arbeitnehmer verkürzt.

Der Arbeitgeber betreibt eine Schiffswerft. Auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer finden die Bestimmungen der Manteltarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte im Tarifgebiet Hamburg und Umgebung für die Metallindustrie Anwendung.

§ 2 des Manteltarifvertrages (MTV) Teil 2 für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metallindustrie Hamburgs und Umgebung vom 11. Juli 1984 - gültig ab 1. April 1985 - hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"1. Wochenarbeitszeit und tägliche Arbeitszeit

Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne

Pausen beträgt 38,5 Stunden.

Die Arbeitszeit im Betrieb wird im Rahmen des

Volumens, das sich aus der für den Betrieb

festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit von

38,5 Stunden im Durchschnitt aller Vollzeit-

beschäftigten ergibt, durch Betriebsvereinba-

rung geregelt. Dabei können für Teile des

Betriebes, für einzelne Arbeitnehmer oder für

Gruppen von Arbeitnehmern unterschiedliche

wöchentliche Arbeitszeiten festgelegt werden.

Die individuelle regelmäßige wöchentliche Ar-

beitszeit kann zwischen 37 und 40 Stunden

(Vollzeitbeschäftigte) betragen.

Die Spanne zwischen 37 und 40 Stunden soll an-

gemessen ausgefüllt werden. Dabei sind die be-

trieblichen Bedürfnisse zu berücksichtigen.

.....

Im Falle der Nichteinigung über die Festlegung

und Anpassung der individuellen regelmäßigen

wöchentlichen Arbeitszeit entscheidet die Eini-

gungsstelle im Sinne des § 76 Betriebsverfas-

sungsgesetz (BetrVG) auf Antrag jeder Seite

verbindlich.

.....

Die individuelle regelmäßige wöchentliche Ar-

beitszeit kann gleichmäßig oder ungleichmäßig

auf 5 Werktage in der Woche verteilt werden.

Eine davon abweichende Verteilung kann nach

Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse mit

dem Betriebsrat vereinbart werden. Die wöchent-

liche Arbeitszeit muß im Durchschnitt von 2 Mo-

naten erreicht werden.

Die Arbeitszeit an den einzelnen Werktagen so-

wie Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit

und der Pausen werden gemäß § 87 BetrVG durch

Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat nach

Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse unter

Beachtung der arbeitszeitrechtlichen Vorschrif-

ten festgesetzt.

.......

2. Auslastung der betrieblichen Anlagen

Aus Anlaß der Neufestlegung der Arbeitszeit

wird die Auslastung der betrieblichen Anlagen

und Einrichtungen nicht vermindert. Bei einer

Differenz zwischen Betriebsmittelnutzungszeit

und der Arbeitszeit für den einzelnen Arbeit-

nehmer kann der Zeitausgleich auch in Form von

freien Tagen erfolgen. Dabei muß zur Vermeidung

von Störungen im Betriebsablauf eine möglichst

gleichmäßige Anwesenheit der Arbeitnehmer ge-

währleistet sein. Bei der Festlegung der freien

Tage sind die Wünsche der Arbeitnehmer zu be-

rücksichtigen.

3. ..."

Im Zuge der Umsetzung der tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeit haben die Beteiligten die Betriebsvereinbarung Nr. 132/1 vom 6. März 1985 abgeschlossen. Diese Betriebsvereinbarung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

2. Individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeits-

----------------------------------------------

zeit

----

2.1 Die individuelle regelmäßige wöchentliche Ar-

beitszeit beträgt 38,5 Stunden.

2.2 ...

3. Formen der Arbeitszeitverkürzung

--------------------------------

3.1 Aus Anlaß der Neufestsetzung der Arbeits-

zeit wird die Auslastung der betrieblichen

Anlagen und Einrichtungen nicht vermindert.

3.2 Der Zeitausgleich für die Differenz zwischen

der Betriebsmittelnutzungszeit und der indi-

viduellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeits-

zeit erfolgt in Form von freien Tagen (Aus-

gleichstage).

3.3 Die Zahl der Ausgleichstage wird für das Jahr

1985 auf sieben und für das Jahr 1986 auf neun

Tage festgesetzt.

3.4 Festlegung der Ausgleichstage

-----------------------------

3.4.1 Es ist jeweils ein freier Tag innerhalb eines

Monats, in jedem Fall sind jedoch drei

freie Tage im Zeitraum von 3,5 Kalender-

monaten zu nehmen.

Die Ausgleichstage sind Freizeit. Dem Be-

triebsrat ist ein Nachweis über diesen

Freizeitausgleich vorzulegen.

......

3.5 Vergütung

---------

3.5.1 Lohnempfänger

Der Lohn wird auf der Basis von Stunden be-

rechnet:

Die Arbeitstage werden mit den geleisteten

Stunden berechnet. Die Ausgleichstage sind

unbezahlte Freizeit.

3.5.3 ...

4. ..."

Der Arbeitgeber gewährt Arbeitnehmern, die längere Zeit arbeitsunfähig krank waren, nicht die volle Anzahl der in Ziffer 3.3 der Betriebsvereinbarung festgesetzten Ausgleichstage. Für je 25 Fehltage bringt er einen Ausgleichstag in Abzug.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei nicht berechtigt, bei längeren krankheitsbedingten Fehlzeiten die Anzahl der Ausgleichstage zu kürzen. Die Betriebsparteien hätten die Anzahl der Ausgleichstage zahlenmäßig festgelegt, ohne eine Kürzungsmöglichkeit im Falle von Krankheit zu vereinbaren. Hierzu seien sie auch berechtigt gewesen. Es hätte ihnen freigestanden, jede beliebige Zahl von freien Tagen festzusetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt

festzustellen, daß die Kürzung der pro Jahr

vorhandenen Ausgleichstage für jeweils 25

Ausfalltage gegen die Betriebsvereinbarung

Nr. 132/1 vom 06. März 1985 zur "regelmäßigen

Arbeitszeit" verstößt.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, die Ausgleichstage seien als Ausgleich für vorgeholte Arbeitszeit zu gewähren. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden seien bei gleichmäßiger Verteilung auf die 5-Tage-Woche täglich 7,7 Stunden zu arbeiten. Infolge der Beibehaltung der Betriebsmittelnutzungszeit belaufe sich die tägliche Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer auf 8 Stunden. Der einzelne Arbeitnehmer arbeite deshalb täglich 18 Minuten zuviel. Die auf diese Weise vorgeholte Arbeitszeit sei dann in Form der freien Tage auszugleichen. Während einer Ausfallzeit könne aber keine Arbeit vorgeholt werden. Deshalb sei für diese Zeiten auch kein freier Tag zum Ausgleich vorgeholter Arbeitszeit zu gewähren.

Die in Ziffer 3.3 der Betriebsvereinbarung 132/1 festgelegten Ausgleichstage seien auf der Grundlage der möglichen Arbeitstage errechnet worden. Vorhersehbare Ausfallzeiten seien dabei berücksichtigt worden. So seien von 365 Kalendertagen 104 Tage für Sonnabende und Sonntage sowie die Wochenfeiertage und die tariflich festgelegten Urlaubstage in Abzug gebracht worden. Aus den dann verbleibenden Arbeitstagen zu je 8 Stunden errechne sich ein Freizeitvolumen für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1985 von sieben Tagen und für das Jahr 1986 von neun Tagen.

Sonstige individuelle Ausfalltage seien nicht vorhersehbar und hätten deshalb nicht in die Berechnung mit einbezogen werden können. Deshalb sei in diesen Fällen eine Nachberechnung erforderlich, wenn die entsprechende Zeit nicht durch eine entsprechende Anzahl von 8-Stunden-Schichten vorgeholt worden sei.

Etwas anderes würde auch zu einem unbilligen Ergebnis führen. So sei z.B. ein Arbeitnehmer, der die ersten elf Monate des Jahres ausgefallen sei, gezwungen, im 12. Monat neun freie Tage ohne Lohnausgleich hinzunehmen.

Auch eine Bewertung der Betriebsvereinbarung unter Berücksichtigung der tariflichen Bestimmungen führe zu dem Ergebnis, daß ein Arbeitnehmer nicht mehr Ausgleichszeit erhalten könne, als er vorgearbeitet habe.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.

I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.

Der Betriebsrat begehrt die Feststellung, daß die Betriebsvereinbarung Nr. 132/1 vom 6. März 1985 einen bestimmten Inhalt hat, nämlich, daß bei längeren krankheitsbedingten Fehlzeiten der im Freischichtenmodell tätigen Arbeitnehmer die in der Betriebsvereinbarung niedergelegten Ausgleichstage unverkürzt vom Arbeitgeber zu gewähren sind. Das beinhaltet gleichzeitig die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 ZPO, nämlich die Feststellung, daß der Arbeitgeber aus der Betriebsvereinbarung vom 6. März 1985 dem Betriebsrat gegenüber verpflichtet ist, diese ihrem behaupteten Inhalt entsprechend durchzuführen. Für diese Feststellung ist das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben (vgl. für einen ähnlichen Antrag Beschluß des Senats vom 24. Februar 1987 - 1 ABR 18/85 -, zu B I 2 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Beteiligten streiten darum, welchen Inhalt die Betriebsvereinbarung vom 6. März 1985 hinsichtlich der Entstehung von Zeitausgleichsanteilen während krankheitsbedingter Abwesenheit für im Freischichtenmodell tätige Arbeitnehmer hat und wie demgemäß die Betriebsvereinbarung durchzuführen ist. Die vom Betriebsrat begehrte Entscheidung ist geeignet, diese Streitfrage zu klären.

II. Der Antrag des Betriebsrats ist aber nicht begründet.

1. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, daß dieser eine Betriebsvereinbarung entsprechend ihrem Regelungsinhalt im Betrieb anwendet. Umstritten ist lediglich, ob sich der Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung unmittelbar aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergibt oder ob er seinen Grund in der Betriebsvereinbarung selbst hat. Darauf kommt es hier jedoch nicht an. Jedenfalls kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Durchführung aller getroffenen Vereinbarungen verlangen, gleichgültig, ob diese Vereinbarungen eine Pflicht des Arbeitgebers begründen oder sie - wäre nur § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG Anspruchsgrundlage - voraussetzen (vgl. dazu Beschluß vom 24. Februar 1987 - 1 ABR 18/85 - zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe; Beschluß des Senats vom 13. Oktober 1987 - 1 ABR 51/86 - AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung, zu B II 1 der Gründe; Beschluß vom 10. November 1987 - 1 ABR 55/86 - zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe). Dementsprechend besteht zwischen den Beteiligten kein Streit darüber, daß der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung vom 6. März 1985 durchzuführen hat.

2. Die Betriebsvereinbarung vom 6. März 1985 hat nicht den vom Betriebsrat angenommenen Inhalt.

a) Das Landesarbeitsgericht hat den zur Entscheidung gestellten Antrag auf Durchführung der Betriebsvereinbarung vom 6. März 1985 mit dem vom Betriebsrat behaupteten Inhalt abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Zwar ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung vom 6. März 1985 keine Berechtigung des Arbeitgebers, die Anzahl der Ausgleichstage entsprechend den Ausfallzeiten, die auf Arbeitsunfähigkeit oder auf sonstigen unvorhersehbaren Gründen beruhen, zu kürzen. Vielmehr ergebe eine Auslegung der Betriebsvereinbarung, daß diese Zeiten keinen Einfluß auf die Anzahl der Ausgleichstage haben sollten. Diese Regelung widerspreche aber dem MTV vom 11. Juni 1984 und sei daher unwirksam. Ziffer 3.3 der Betriebsvereinbarung beinhalte im Falle längerer Ausfallzeiten eine Verkürzung der tarifvertraglich geregelten wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Arbeitnehmer mit längeren Ausfallzeiten seien berechtigt und auch gezwungen, ohne Lohnausgleich während der Zeit ihrer Arbeitsfähigkeit und Arbeitsbereitschaft weniger als 38,5 Stunden je Woche zu arbeiten. In Zeiten der Arbeitsfähigkeit solle der Arbeitnehmer aber nach dem Willen der Tarifvertragsparteien im Durchschnitt nicht mehr, aber auch nicht weniger als 38,5 Stunden arbeiten. Eine Regelung, die auch nach längeren krankheitsbedingten Ausfallzeiten vom Arbeitnehmer verlange, daß er ebenso viele unbezahlte Ausgleichstage in Anspruch nehme, als wenn er das ganze Jahr hindurch mit Ausnahme der vorhersehbaren arbeitsfreien Tage gearbeitet hätte, führe dazu, daß die bezahlte wöchentliche durchschnittliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden unterschritten werde. Diese Regelung habe daher nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können.

b) Dieser Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hat der Senat nur im Ergebnis folgen können. Der Arbeitgeber ist schon nach § 2 Nr. 2 MTV berechtigt, die pro Jahr vorhandenen Ausgleichstage um je einen Ausgleichstag für 25 nicht voraussehbare Ausfalltage zu kürzen.

Diese Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers widerspricht nicht der Betriebsvereinbarung vom 6. März 1985. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Betriebsvereinbarung vom 6. März 1985 nicht dahingehend auszulegen, daß die darin festgelegten unbezahlten Ausgleichstage stets, d.h. auch bei nicht vorhersehbaren Ausfalltagen, z.B. Krankheitstagen, unverkürzt zu gewähren sind. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (S. 14 des Beschlusses) und dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Arbeitgebers ist die Anzahl der Ausgleichstage für die Jahre 1985 und 1986 unter Berücksichtigung der im voraus berechenbaren arbeitsfreien Tage festgelegt worden. Zu diesen im voraus berechenbaren freien Tagen gehören Samstage, Sonntage, Wochenfeiertage und Urlaubstage. Hierbei handelt es sich um die maximal zu erreichende Anzahl von Ausgleichstagen. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Auslegung der Betriebsvereinbarung nicht die von den Betriebspartnern zugrunde gelegte Berechnungsweise der maximal zu gewährenden Anzahl von unbezahlten Ausgleichstagen berücksichtigt. Danach haben die Betriebspartner bei der Berechnung der Anzahl der freien Tage die Ausfalltage "vor die Klammer" gezogen: ebenso wie die Samstage und Sonntage werden dabei auch die von vornherein pro Jahr feststehenden 11 Wochenfeiertage und 30 Urlaubstage nicht bei der Berechnung des Freizeitguthabens berücksichtigt (vgl. zu dieser Berechnungsweise Ziepke, Kommentar zum Tarifvertrag vom 3. Juli 1984 zur Änderung des MTV vom 30. April 1980 für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW, § 3 Anm. 36 = S. 96 ff. und Kommentar zum Tarifvertrag vom 5. Mai 1987 zur 2. Änderung des MTV vom 30. April 1980, § 3 Anm. 65 VIII = S. 128 ff.). Da insbesondere Krankheitstage, Freistellungen, Bummeltage nicht im voraus bekannt sind, wäre es an und für sich notwendig, für jeden im Freischichtenmodell tätigen Arbeitnehmer ein individuelles Freizeitkonto zu führen, aus dem bei Bedarf die freien Tage "abgerufen" werden können. Dann könnte aber die Anzahl der freien Tage für jeden Arbeitnehmer unter Berücksichtigung seiner Fehlzeiten erst im nachhinein berechnet werden. Um diesen Nachteil zu vermindern, erscheint es daher zweckmäßig, in der Praxis - wie auch im vorliegenden Fall - im voraus die Zahl der freien Tage unter Berücksichtigung von 30 Urlaubstagen und elf Wochenfeiertagen zu errechnen (vgl. Ziepke, aaO). Wird ein entsprechender Tabellenwert zugrunde gelegt, so ermäßigt sich die Zahl der freien Tage für jeden nicht vorhersehbaren weiteren Fehltag, wie z.B. Krankheitstage, bei einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden um 18 Minuten (Ziepke, Komm. zum TV vom 3. Juli 1984, S. 101).

Die vom Landesarbeitsgericht vermißte eindeutige entsprechende Regelung läßt sich Nr. 3.2 und 3.3 der Betriebsvereinbarung vom 6. März 1985 entnehmen. Abgesehen davon hätte auch eine Betriebsvereinbarung, die ausdrücklich regelt, daß die bei dem Arbeitgeber im Freischichtenmodell beschäftigten Arbeitnehmer Zeitgutschriften nur für jeden geleisteten Arbeitstag erhalten und der Arbeitgeber die in der Betriebsvereinbarung festgelegte Anzahl der Ausgleichstage bei Ausfalltagen entsprechend kürzen dürfe, nur deklaratorische Bedeutung (vgl. Urteil des Achten Senats vom 7. Juli 1988 - 8 AZR 198/88 - zu B 3 der Gründe; a.A.: Urteil des Fünften Senats vom 2. Dezember 1987 - 5 AZR 557/86 - beide Urteile zur Veröffentlichung bestimmt). Denn dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß bereits nach § 2 Nr. 2 MTV die Arbeitnehmer für Fehltage, z.B. Krankheitstage, keinen Anspruch auf ein Zeitguthaben von 0,3 Stunden haben. Aus dieser Regelung läßt sich entnehmen, daß Zeitausgleichsanteile nur für tatsächlich geleistete Arbeit entstehen (vgl. entsprechend für Urlaubstage nach der inhaltsgleichen Bestimmung des § 2 Nr. 3 MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer in der niedersächsischen Metallindustrie vom 18. Juli 1984, Urteil des Achten Senats vom 7. Juli 1988, aaO). Der nach dem MTV zulässige Zeitausgleich für die im Freischichtenmodell tätigen Arbeitnehmer eröffnet die Möglichkeit, trotz einer tatsächlichen betrieblichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche durch den Einschub freier Tage die tarifliche Wochenarbeitszeit einzuhalten. Daraus folgt aber notwendig, daß nach § 2 Nr. 2 MTV Zeitausgleichstage nur für geleistete Arbeit entstehen können. Sollen dennoch Zeitausgleichsanteile auch für Zeiträume entstehen, in denen die Vergütung weitergezahlt wird, ohne daß eine Arbeitsleistung erbracht wird, bedarf es einer besonderen Regelung im Tarifvertrag. Während der Krankheit werden die beim Arbeitgeber im Freischichtenmodell tätigen Arbeitnehmer zwar bezahlt, als hätten sie gearbeitet, sie haben aber keine (betriebliche oder individuelle) Arbeitszeit einzuhalten; sie arbeiten nicht. Damit entstehen für Krankheitstage keine Zeitausgleichsanteile, die zu einem freien Tag angesammelt werden können. § 2 Nr. 2 MTV bestimmt, daß nur die Differenz zwischen Betriebsmittelnutzungszeit und Arbeitszeit auszugleichen ist. Diese Regelung wird in Ziffer 3.2 der Betriebsvereinbarung vom 6. März 1985 wiederholt. Zeiten der Lohnfortzahlung begründen keine Arbeitszeit, auch wenn sie wie Arbeitszeit zu vergüten sind (Urteil des Achten Senats vom 7. Juli 1988 - 8 AZR 198/88 -, aaO).

Dementsprechend war die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Matthes Dr. Weller Dr. Etzel

Mager H. Blanke

 

Fundstellen

Haufe-Index 436852

DB 1989, 785-785 (LT1)

EEK, I/962 (ST1)

NZA 1989, 767-768 (LT1)

RdA 1989, 130

AP § 1 Tarifverträge-Metallindustrie (LT1), Nr 68

AR-Blattei, Arbeitszeit I Entsch 14 (LT1)

AR-Blattei, ES 240.1 Nr 14 (LT1)

EzA § 4 TVG Metallindustrie, Nr 51 (LT1)

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