Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmtheit des Antrags im Beschlußverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 101 BetrVG schließt den Anspruch des Betriebsrats auf künftige Beachtung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 23 Abs 3 BetrVG nicht aus (Aufgabe von BAG Beschluß vom 5. Dezember 1978 - 6 ABR 70/77 = AP Nr 4 zu § 101 BetrVG 1972).

2. Ein auf § 23 Abs 3 BetrVG gestützter Antrag, dem Arbeitgeber bestimmte Handlungen aufzugeben, ist mangels ausreichender Bestimmtheit unzulässig, wenn der Antrag lediglich den entsprechenden Gesetzeswortlaut wiederholt und unter den Beteiligten gerade der Inhalt der gesetzlichen Regelung umstritten ist.

3. Für den Antrag, dem Arbeitgeber aufzugeben, den Betriebsrat vor jeder Einstellung umfassend zu unterrichten, fehlt es am Rechtsschutzinteresse, weil der Arbeitgeber zur rechtzeitigen Unterrichtung durch Zwangsgeld nicht angehalten werden kann.

 

Normenkette

BetrVG §§ 101, 23 Abs. 3, § 99 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Entscheidung vom 30.04.1985; Aktenzeichen 7 TaBV 1/84)

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 20.12.1983; Aktenzeichen 12 BV 42/83)

 

Gründe

A. Der Betriebsrat, Antragsteller im vorliegenden Verfahren, ist im Mai 1981 im Betrieb des Arbeitgebers "EUR0- GmbH" (im folgenden kurz EUR0-GmbH), gewählt worden. Bis Anfang 1982 beschäftigte die EUR0-GmbH rd. 90 Lehrkräfte.

Im August 1983 hat der Betriebsrat das vorliegende Verfahren gegen die EUR0-GmbH anhängig gemacht. Er hat vorgetragen, die EUR0-GmbH verletze beständig und beharrlich seine Mitbestimmungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen, insbesondere bei Einstellungen und Versetzungen. Er hat dafür rd. 20 Beispielsfälle aus der Zeit von Juli 1981 bis November 1983 vorgetragen und behauptet, er habe die EUR0-GmbH wiederholt auf die Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte hingewiesen und um künftige Beachtung gebeten. Am 8. März 1983 habe die EUR0-GmbH in einer Betriebsvereinbarung auch ausdrücklich "für die Zukunft bei allen geplanten personellen Maßnahmen eine rechtzeitige und umfassende schriftliche Unterrichtung des Betriebsrats" zugesagt. Gleichwohl seien in der Folgezeit wiederholt personelle Einzelmaßnahmen erfolgt, ohne daß er vorher überhaupt oder ausreichend unterrichtet worden sei. Der Betriebsrat hat vor dem Arbeitsgericht - soweit hier noch von Interesse - beantragt,

der EUR0-GmbH aufzugeben, die Mitwirkungs-,

Mitbestimmungs- und Informationsrechte des

Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungs-

gesetz zu wahren, insbesondere gemäß § 99

BetrVG den Betriebsrat vor jeder Einstel-

lung, Eingruppierung, Umgruppierung und Ver-

setzung zu unterrichten, ihm die erforderli-

chen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und

Auskunft über die Person der Beteiligten

zu geben, sowie dem Antragsteller unter

Vorlage der erforderlichen Unterlagen aus-

kunft über die Auswirkung der geplanten

Maßnahme zu geben und die Zustimmung des

Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme ein-

zuholen.

Die EUR0-GmbH hat die Abweisung des Antrags beantragt und geltend gemacht, sie habe die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats stets beachtet. Sie hat zu den vom Betriebsrat genannten Beispielsfällen im einzelnen Stellung genommen. In einer Vielzahl von Fällen sei der Betriebsrat entgegen seiner Behauptung rechtzeitig und ausreichend mündlich unterrichtet worden. Nur in wenigen Ausnahmefällen habe wegen der Eilbedürftigkeit die vorherige Zustimmung des Betriebsrats nicht eingeholt werden können. In einer Reihe von Fällen seien Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht verletzt worden, da es sich nicht um Einstellungen neuer Mitarbeiter gehandelt habe. Vielmehr seien nur kurzfristige Aushilfen für Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen beschäftigt oder von anderen Schulen her eingesetzt worden.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Der Betriebsrat hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt.

Im Laufe des Verfahrens ist für den Schulbetrieb eine weitere Gesellschaft gegründet worden. Der Betriebsrat hat daher im ersten Termin vor dem Landesarbeitsgericht seinen Antrag auch gegen die "Fremdsprachen GmbH" (im folgenden kurz Fremdsprachen GmbH) gerichtet.

Ebenfalls im Laufe des Verfahrens ist der Betriebsrat der EUR0-GmbH zurückgetreten und hat die Neuwahl des Betriebsrats eingeleitet. Diese hat am 13. Februar 1985 stattgefunden. Der Betriebsrat ist als gemeinsamer Betriebsrat für die Arbeitnehmer der Fremdsprachen GmbH und der EUR0-GmbH gewählt worden. Diese Wahl ist von der EUR0-GmbH und der Fremdsprachen GmbH angefochten worden. Beide Arbeitgeber haben ihren Antrag jedoch zurückgenommen.

Vor dem Landesarbeitsgericht haben im vorliegenden Verfahren beide GmbH dem antragstellenden Betriebsrat die Legitimation bestritten, Ansprüche gegen die beiden Gesellschaften geltend zu machen. Sie haben vorgetragen, die Schulbetriebe würden getrennt geführt, eine einheitliche Leitung finde nicht statt.

Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet.

Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung zunächst darauf abgestellt, daß die Sprachschule trotz Aufspaltung des bisherigen Inhabers in zwei Unternehmen weiter als einheitlicher Betrieb geführt werde. Der Betriebsrat könne seinen Antrag gegen beide GmbH als Inhaber dieses Betriebes verfolgen. Der Antrag des Betriebsrats sei jedoch unbegründet. Auf Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen könne der Betriebsrat nur mit einem Antrag auf Aufhebung der personellen Maßnahme nach § 101 BetrVG reagieren. Diese Vorschrift schließe die Anwendung des § 23 Abs. 3 BetrVG aus.

Mit dieser Begründung kann der Antrag des Betriebsrats nicht abgewiesen werden.

II. Die Regelung in § 101 BetrVG schließt einen auf § 23 Abs. 3 BetrVG gestützten Anspruch des Betriebsrats, wie er vorliegend geltend gemacht wird, nicht aus.

1. Das Landesarbeitsgericht stützt seine Entscheidung auf die Entscheidung des Sechsten Senats vom 5. Dezember 1978 (- 6 ABR 70/77 - AP Nr. 4 zu § 101 BetrVG 1972). In dieser Entscheidung hat der Sechste Senat ausgesprochen, daß neben dem Zwangsgeldverfahren nach § 101 BetrVG kein Raum mehr sei für die Anwendung des § 23 Abs. 3 BetrVG. Er hat mit dieser Begründung den Antrag eines Betriebsrats abgewiesen, nach dem dem Arbeitgeber untersagt werden sollte, ohne Zustimmung des Betriebsrats Einstellungen vorzunehmen. Diese Entscheidung des Sechsten Senats hat in einem Teil des Schrifttums - jedoch ohne nähere Problematisierung - Zustimmung gefunden (so Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 101 Rz 1 a; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 23 Rz 65, § 101 Rz 3; Stege/Weinspach, BetrVG, 5. Aufl., §§ 99 bis 101 Rz 48; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 101 Rz 16).

2. Dieser Entscheidung des Sechsten Senats vermag der Senat nicht zu folgen.

a) Der Senat hat schon in seiner Entscheidung vom 16. Juli 1985 (- 1 ABR 35/83 - AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) ausgesprochen, daß § 101 BetrVG nur eine Sonderregelung enthält hinsichtlich der Folgen einer Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei der Vornahme einer konkreten personellen Einzelmaßnahme. Nur insoweit als es um Folgeregelungen gehe, könne § 101 BetrVG allgemeinere Ansprüche des Betriebsrats ausschließen. Er hat deshalb ausgesprochen, daß der Betriebsrat unabhängig von § 101 BetrVG die Feststellung von Mitbestimmungsrechten und deren Grenzen anläßlich streitiger personeller Einzelmaßnahmen beantragen könne. Würde § 101 BetrVG ein solches Feststellungsverfahren ausschließen, wäre der Rechtsschutz des Betriebsrats verkürzt. Streitfragen über das Bestehen und den Umfang von Mitbestimmungsrechten könnten dann einmal immer nur zu Lasten des von der personellen Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers ausgetragen werden. Zum anderen könnten Verfahren nach § 101 BetrVG in vielen Fällen überhaupt nicht zu einer Entscheidung der strittigen Frage führen, weil die jeweilige personelle Einzelmaßnahme vor einer Entscheidung sich erledigt habe.

b) Die gleichen Überlegungen müssen auch hinsichtlich eines Antrages des Betriebsrats gelten, mit dem er erstrebt, daß der Arbeitgeber bei künftigen personellen Einzelmaßnahmen zur Beachtung seiner in § 99 BetrVG normierten Rechte angehalten wird.

§ 101 BetrVG gibt dem Betriebsrat lediglich das Recht, die Aufhebung gerade derjenigen konkreten personellen Einzelmaßnahme zu verlangen, die der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats, und ohne daß die Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzt worden ist, tatsächlich durchgeführt hat. Nur insoweit, als es um die Beseitigung eines bereits eingetretenen mitbestimmungswidrigen Zustandes geht, enthält § 101 BetrVG eine Sonderregelung, die einem aus § 23 Abs. 3 BetrVG etwa sich ergebenden Anspruch auf Aufhebung dieser personellen Maßnahme vorgeht. Sie privilegiert diesen Aufhebungsanspruch gerade dadurch, daß dieser schon immer dann gegeben ist, wenn der Arbeitgeber die personelle Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrats und ohne Ersetzung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht durchgeführt hat, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber dabei in einem entschuldbaren Irrtum über Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gehandelt oder grob gegen seine Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz verstoßen hat, wie es ein entsprechender Anspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG voraussetzen würde. Auch in seiner Entscheidung vom 22. März 1983 (BAGE 42, 121 = AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972) hat der Senat gerade darauf abgestellt, daß es Sinn des Aufhebungsverfahrens nach § 101 BetrVG sei, den mitbestimmungswidrigen Zustand zu beseitigen, so daß der Betriebsrat bei einer ohne Zustimmung durchgeführten Eingruppierung nach § 101 BetrVG vom Arbeitgeber verlangen könne, daß dieser die Zustimmung des Betriebsrats - nachträglich - einholt und notfalls dessen Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen läßt.

c) Der Sinn dieser so beschränkten Regelung rechtfertigt es nicht, dem Betriebsrat einen sich aus § 23 Abs. 3 BetrVG etwa ergebenden Anspruch auf künftige Beachtung seiner Mitbestimmungsrechte zu versagen.

Der Sechste Senat hat in seiner späteren Entscheidung vom 18. April 1985 (BAGE 48, 246 = AP Nr. 5 zu § 23 BetrVG 1972) darauf verwiesen, daß ein Anspruch des Betriebsrats nach § 23 Abs. 3 BetrVG dann in Betracht komme, wenn der Betriebsrat vom Arbeitgeber bei regelungspflichtigen Tatbeständen übergangen worden sei und er nunmehr diesen zur künftigen Beachtung der gemeinsam wahrzunehmenden betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsbefugnisse anhalten wolle. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. § 23 Abs. 3 BetrVG will dem Betriebsrat gerade in den Fällen, in denen der Arbeitgeber seine Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz grob verletzt hat, einen Anspruch darauf geben, daß der Arbeitgeber die verletzten Pflichten künftig beachtet. Das soll dadurch geschehen, daß das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber - je nach Art der vorgekommenen groben Verstöße - aufgibt, eine Handlung zu unterlassen, eine Handlung vorzunehmen oder eine Handlung des Betriebsrats zu dulden. Aus diesem Grunde hat der Senat in seiner Entscheidung vom 22. Februar 1983 (BAGE 42, 11 = AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972) ausgesprochen, daß § 23 Abs. 3 BetrVG dem Betriebsrat einen Anspruch auf Unterlassung mitbestimmungswidriger Handlungen des Arbeitgebers gibt, vorausgesetzt, daß der Arbeitgeber zuvor grob gegen seine Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz verstoßen, d.h. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht beachtet hat. Dieser mit den in § 23 Abs. 3 Satz 2 und 3 BetrVG geregelten Sanktionen bewehrte Anspruch des Betriebsrats auf künftige Beachtung aller seiner Mitbestimmungsrechte würde entwertet, wenn die Verletzung von Mitbestimmungsrechten bei personellen Einzelmaßnahmen im Sinne von § 99 BetrVG nur dadurch geltend gemacht und sanktioniert werden könnte, daß der Arbeitgeber die mitbestimmungswidrig durchgeführte Maßnahme wieder aufheben muß. Der Anspruch des Betriebsrats gerade auf künftige Beachtung seiner Mitbestimmungsrechte wird nicht dadurch erfüllt, daß eine mitbestimmungswidrig durchgeführte Maßnahme wieder aufgehoben wird. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde und ein Teil des Schrifttums darauf hin, daß der Betriebsrat an der Aufhebung der konkreten Maßnahme trotz ihrer mitbestimmungswidrigen Durchführung vielfach kein Interesse haben wird, da er einmal die Maßnahme im Ergebnis durchaus billigen kann und zum anderen die Aufhebung stets zu Lasten des von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers erfolgen muß, was den Betriebsrat dazu zwingt, die Beachtung seiner Mitbestimmungsrechte auch auf Kosten des betroffenen Arbeitnehmers durchzusetzen. Hinzu kommt, daß in vielen Fällen, nämlich bei allen personellen Einzelmaßnahmen von beschränkter Dauer, eine Aufhebung der Maßnahme aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung überhaupt nicht mehr erfolgen kann (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 101 Rz 5; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 101 Rz 3 und 16; Heinze, Die betriebsverfassungsrechtlichen Ansprüche des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber, DB Beilage 9/83, S. 19; Kittner in Anm. zu AP Nr. 4 zu § 101 BetrVG 1972).

Der Senat gibt daher die Ansicht des Sechsten Senats in der genannten Entscheidung vom 5. Dezember 1978 auf. Einer Anfrage beim Sechsten Senat, ob er der Aufgabe zustimmt, bedarf es nicht, da der Senat nunmehr für alle Fragen der Beteiligungsrechte des Betriebsrats und ihre Durchsetzung allein zuständig ist. Auch soweit der Entscheidung des Senats vom 16. Juli 1985 entnommen werden kann, der Senat folge der Ansicht des Sechsten Senats, hält der Senat daran nicht fest.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts beruht auf der nach dem Gesagten unzutreffenden Begründung, daß § 101 BetrVG Ansprüche aus § 23 Abs. 3 BetrVG ausschließt.

III. Gleichwohl braucht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht aufgehoben zu werden. Sie erweist sich aus einem anderen Grunde als zutreffend.

1. Der Antrag des Betriebsrats ist unzulässig. Es fehlt ihm an der erforderlichen Bestimmtheit des Begehrens.

Der Antrag wiederholt nahezu wörtlich die in § 99 Abs. 1 BetrVG geregelten Verpflichtungen des Arbeitgebers anläßlich der geplanten Vornahme personeller Einzelmaßnahmen. Eine diesem Antrag stattgebende Entscheidung des Gerichts würde daher im Ergebnis lediglich den Gesetzestext in § 99 Abs. 1 BetrVG wiederholen.

Es braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend entschieden zu werden, ob in Ausnahmefällen eine gerichtliche Entscheidung, die lediglich eine gesetzliche Regelung wiederholt, deswegen ergehen kann, weil - wie in § 23 Abs. 3 Satz 2 und 3 BetrVG - erst der Verstoß gegen die gerichtliche Entscheidung Sanktionen gegen den Arbeitgeber zur Folge hat. Immer aber muß die gerichtliche Entscheidung und damit der darauf gerichtete Antrag des Betriebsrats so bestimmt sein, daß der Arbeitgeber der Entscheidung unschwer entnehmen kann, welches Verhalten ihm aufgegeben worden ist. Daran fehlt es im vorliegenden Falle.

§ 99 Abs. 1 BetrVG und damit auch der Antrag des Betriebsrats enthält eine Vielzahl von Rechtsbegriffen, über deren Inhalt nicht nur im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, sondern auch die Beteiligten im vorliegenden Falle streiten. So macht beispielsweise gerade das Vorbringen des Arbeitgebers deutlich, daß er unter einer mitbestimmungspflichtigen Einstellung nur einen Vorgang versteht, durch den ein Arbeitsverhältnis mit einem neuen Mitarbeiter begründet wird. Die Beschäftigung kurzfristiger Aushilfen für Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen oder die Heranziehung von Lehrkräften anderer Schulen sieht er nicht als Einstellung an. Gleichgültig, ob diese Ansicht zutrifft (vgl. dazu die Entscheidungen des Senats vom 15. April 1986 - 1 ABR 44/84 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, und vom 16. Dezember 1986 - 1 ABR 52/85 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen), wäre die vom Betriebsrat begehrte Entscheidung nicht geeignet, diese unter den Beteiligten strittige Frage zu entscheiden. Einem Ausspruch des Gerichts, so wie er vom Betriebsrat beantragt wird, könnte der Arbeitgeber nicht entnehmen, ob sich die ausgesprochene Verpflichtung auch auf diese Fälle erstreckt. Schon das macht deutlich, daß der Antrag des Betriebsrats zu unbestimmt ist, als daß eine ihm stattgebende gerichtliche Entscheidung Rechtsfrieden unter den Beteiligten schaffen könnte. Der Betriebsrat hätte seinen Antrag gerade auf die umstrittenen personellen Maßnahmen beziehen und diese eindeutig umschreiben müssen. Er hätte auch feststellen lassen können, daß sich sein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG auch auf diejenigen Maßnahmen des Arbeitgebers erstreckt, für die dieser das Mitbestimmungsrecht leugnet (vgl. die genannte Entscheidung des Senats vom 16. Juli 1985 - 1 ABR 35/83 - AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972). Ein solcher Feststellungsantrag lag um so näher, als wegen der damals noch ungeklärten Streitfragen unter den Beteiligten nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden konnte, daß der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG grob mißachtet hat.

2. Der Antrag des Betriebsrats erweist sich aus einem weiteren Grunde als unzulässig. Eine antragsgemäße Entscheidung wäre nicht geeignet, den Arbeitgeber für die in § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG normierten Sanktionen zur Befolgung der gerichtlichen Entscheidung und damit zur Beachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats anzuhalten. An der erbetenen Entscheidung besteht daher auch kein Rechtsschutzinteresse.

Nach dem Antrag soll dem Arbeitgeber aufgegeben werden, bei personellen Einzelmaßnahmen den Betriebsrat zu unterrichten, ihm Unterlagen vorzulegen und die Zustimmung zur Maßnahme einzuholen, und zwar jeweils vor der Durchführung der personellen Maßnahme. Dem Arbeitgeber sollen damit bestimmte Handlungen aufgegeben werden. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so ist er nach § 23 Abs. 3 Satz 3 BetrVG zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld anzuhalten. Nach Durchführung der personellen Maßnahmen ohne Beachtung des gerichtlichen Gebots kann die aufgegebene Handlung - Unterrichtung des Betriebsrats v o r Durchführung der Maßnahme - nicht mehr erfolgen. Sie ist unmöglich geworden, so daß die Androhung von Zwangsgeld auch nicht mehr erfolgen kann. Zu einem Ordnungsgeld kann der Arbeitgeber nur verurteilt werden, wenn er einem gerichtlichen Gebot, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, zuwidergehandelt hat. Ein solches Unterlassungsgebot hat der Betriebsrat jedoch nicht beantragt, obwohl es nahegelegen hätte, zu beantragen, dem Arbeitgeber zu untersagen, etwa Aushilfskräfte für nur wenige Tage zu beschäftigen, ohne daß die Zustimmung des Betriebsrats erteilt oder durch das Arbeitsgericht ersetzt worden ist.

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats war daher zurückzuweisen. Auf die Frage, welche Bedeutung die Aufspaltung der Sprachschule in zwei Unternehmen für das Begehren des Betriebsrats hat, kommt es damit nicht an.

Dr. Kissel Matthes Dr. Becker

Heisler Koerner

 

Fundstellen

Haufe-Index 437010

BB 1987, 1878

BB 1987, 1878-1880 (LT1-3)

DB 1987, 2051-2052 (LT1-3)

BetrR 1988, Nr 2, 14-16 (LT1-3)

NZA 1987, 786-788 (LT1-3)

RdA 1987, 256

SAE 1989, 24-26 (LT1-3)

ZTR 1987, 186-188 (LT1-3)

AP § 23 BetrVG 1972 (LT1-3), Nr 7

AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit XII Entsch 149 (LT1-3)

AR-Blattei, ES 160.12 Nr 149 (LT1-3)

EzA § 23 BetrVG 1972, Nr 16 (LT1-3)

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