Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Versetzungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Versetzung eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz wegfällt, auf einen noch besetzten Arbeitsplatz begründet im Sinne von § 99 Abs 2 Nr 3 BetrVG die Besorgnis, daß dem Arbeitsplatzinhaber gekündigt wird.

Eine vom Betriebsrat mit dieser Begründung verweigerte Zustimmung kann durch das Gericht ersetzt werden, wenn nach den Grundsätzen für eine soziale Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers die betriebsbedingte Kündigung gerade gegenüber demjenigen Arbeitnehmer auszusprechen ist, auf dessen Arbeitsplatz die Versetzung erfolgen soll.

 

Normenkette

ArbGG § 95; BetrVG § 99 Abs. 4, 3; KSchG § 1 Abs. 3 S. 1 Fassung 1969-08-25; BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 27.01.1986; Aktenzeichen 4 TaBV 2/85)

ArbG Hannover (Entscheidung vom 23.08.1985; Aktenzeichen 10 BV 5/85)

 

Gründe

A. Der Arbeitgeber (Antragsteller) will erreichen, daß die Zustimmung zu Versetzungen zweier Arbeitnehmer, die der Betriebsrat (Antragsgegner) verweigert, ersetzt wird.

Der Arbeitgeber betrieb eine Bank. Er beschäftigte in seinem Betrieb in Hannover in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Er verlegte zum 1. Juli 1985 die Wertpapierdepotabteilung (ZWD) von Hannover nach Hamburg. Durch diese Verlegung sind im Betrieb des Arbeitgebers in Hannover insgesamt 29 Arbeitsplätze weggefallen. Allen von der Verlegung betroffenen Mitarbeitern wurden vergleichbare Arbeitsplätze in der Niederlassung Hamburg angeboten. Vier Arbeitnehmer haben von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Acht Arbeitnehmern wurde zum 30. Juni bzw. 30. September 1985 gekündigt.

Zu den Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis gekündigt werden sollte, gehörte der Arbeitnehmer L. Er erhielt eine Vergütung nach der Tarifgruppe 5 und war nach Auffassung des Arbeitgebers vergleichbar mit Arbeitnehmern dieser Vergütungsgruppe, die bisher in der Wertpapierdepotabteilung beschäftigt waren. Der Arbeitnehmer L war zu diesem Zeitpunkt 36 Jahre alt und seit etwa 1 3/4 Jahr bei der Bank beschäftigt. Er sollte entlassen werden, um für den Arbeitnehmer E H aus der Wertpapierdepotabteilung einen Arbeitsplatz freizumachen. Herr H war seinerzeit 58 Jahre alt und gehörte dem Betrieb seit 28 Jahren an. Er war nach dem auf sein Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag unkündbar. Er sollte entsprechend seiner Vorbildung den Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin T M einnehmen, die in der Abteilung "Regionaler Innenbereich" beschäftigt war. Diese Arbeitnehmerin war 45 Jahre alt und gehörte dem Betrieb seit über 26 Jahren an. Wegen ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten sollte sie den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers L einnehmen.

Der Arbeitgeber hörte am 7. März 1985 den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitnehmers L an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung. Der Arbeitgeber kündigte dennoch das Arbeitsverhältnis dieses Arbeitnehmers am 15. März 1985 zum 30. Juni 1985. Der Arbeitnehmer erhob eine Kündigungsschutzklage (2 Ca 165/85 Arbeitsgericht Hannover) und konnte bis zum 20. Dezember 1985 seine Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 BetrVG durchsetzen. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 14. März 1986 wurde die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig geworden.

Ebenfalls am 7. März 1985 bat der Arbeitgeber den Betriebsrat um Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers H in die Abteilung "Regionaler Innenbereich" (RIB). Zum beabsichtigten Versetzungstermin heißt es im Formblatt: "Wird noch aufgegeben". Der Betriebsrat verweigerte am 13. März 1985 seine Zustimmung unter Hinweis auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG mit folgender Begründung:

"Durch die beabsichtigten Versetzungen sollen

Frl. N und Herr L nach den uns vorliegenden

Kündigungsbegehren vom 7. 3. 1985

ihren Arbeitsplatz verlieren. Wir sehen hierfür

keine betriebliche Notwendigkeit, da uns

ein Einsatz auf anderen Arbeitsplätzen möglich

erscheint. Wir verweisen in diesem Zusammenhang

auf unseren Widerspruch zu den Kündigungsbegehren

N und L vom 13. 3. 1985."

Der beabsichtigte Arbeitsplatz war der der Arbeitnehmerin M . Am 15. März 1985 bat der Arbeitgeber den Betriebsrat um Zustimmung zur Versetzung dieser Arbeitnehmerin auf den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers L. Als Versetzungstermin war der Zeitpunkt der Verlagerung der Wertpapierdepotabteilung (ZWD) angegeben. Auch hier verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung unter Hinweis auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG mit der Begründung:

"Durch die beabsichtigte Versetzung soll Herr

L nach dem uns vorliegenden Kündigungsbegehren

vom 7. 3. 1985 seinen Arbeitsplatz

verlieren. Wir sehen hierfür keine betriebliche

Notwendigkeit, da uns ein Einsatz auf einem

anderen Arbeitsplatz möglich erscheint.

Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf unseren

Widerspruch zum Kündigungsbegehren w/L

vom 13. 3. 1985."

Der Arbeitgeber hat daraufhin das Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet. Er hat beantragt,

die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung

zur Versetzung des Arbeitnehmers E H

von der Wertpapierdepotabteilung in die

Abteilung Regionaler Innenbereich und die

vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur

Versetzung der Arbeitnehmerin T M

von der Abteilung Regionaler

Innenbereich in die Abteilung Regionale

Auslandsabteilung, beide ab 1. Juli 1985,

zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt, diese Anträge des Arbeitgebers abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber habe den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet, es fehle die Angabe, zu welchem Zeitpunkt der Arbeitnehmer den neuen Arbeitsplatz einnehmen solle. Außerdem könne der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzung erst dann fordern, wenn der Arbeitsplatz, auf dem der Arbeitnehmer zukünftig beschäftigt werden solle, auch tatsächlich frei sei. Tatsächlich habe die Versetzung der Arbeitnehmer H und M dazu geführt, daß der Arbeitnehmer L seinen Arbeitsplatz verloren habe.

Das Arbeitsgericht hat entsprechend dem Antrag des Arbeitgebers die Zustimmung zur Versetzung der Arbeitnehmer H und M ersetzt. Die Beschwerde des Betriebsrats ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag auf Abweisung der Zustimmungsersetzungsanträge des Arbeitgebers weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Zustimmung zu den vom Arbeitgeber geplanten Versetzungen ersetzt (§ 99 Abs. 4 BetrVG).

I. Der Senat hat über die Rechtsbeschwerde ohne mündliche Anhörung der Beteiligten entschieden.

Nach § 95 ArbGG ist die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung den Beteiligten zur Äußerung zuzustellen. Deren Äußerung erfolgt durch Einreichung eines Schriftsatzes beim Bundesarbeitsgericht oder durch Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts, das den angefochtenen Beschluß erlassen hat. Anders als § 90 Abs. 2 für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht verweist § 95 ArbGG nicht auf § 83 Abs. 4 ArbGG, wonach die Anhörung der Beteiligten vor der Kammer erfolgt. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ohne mündliche Anhörung der Beteiligten ist daher der gesetzliche Regelfall. Es bedarf dazu weder eines besonderen Beschlusses des Senats noch eines Einverständnisses der Beteiligten (Beschluß des Senats vom 7. Juli 1954, BAGE 1, 29 = AP Nr. 1 zu § 87 ArbGG 1926 und vom 24. August 1976 - 1 ABR 109/74 - AP Nr. 2 zu § 95 ArbGG 1953; Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 95 Rz 7; Dietz/Nikisch, ArbGG, § 95 Rz 1; Dersch/Volkmar, ArbGG, 6. Aufl., § 95 Rz 1). Die Bestimmung des Termins zur Beratung oder zur mündlichen Anhörung der Beteiligten ist eine Maßnahme der Prozeßleitung, die dem Vorsitzenden obliegt. Das schließt nicht aus, daß der Senat aus eigener Entschließung oder auf Anregung eines Beteiligten eine mündliche Anhörung beschließt, wenn dies mit Rücksicht auf die Bedeutung der Rechtssache oder im Hinblick auf neue rechtliche Gesichtspunkte (§ 278 Abs. 3 ZPO) geboten erscheint.

Durch die Entscheidung ohne mündliche Anhörung ist auch das Recht des Rechtsbeschwerdeführers auf rechtliches Gehör in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht verletzt worden. Der Rechtsbeschwerdeführer hatte ausreichend Zeit, seine rechtlichen Erwägungen dem Senat schriftlich vorzutragen (vgl. BAG Beschluß vom 22. Oktober 1985 - 1 ABR 42/84 - AP Nr. 23 zu § 99 BetrVG 1972, zu B I der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).

II. In der Sache selbst hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.

1. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat ausreichend unterrichtet, als er die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einholte (§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).

Die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme kann durch das Arbeitsgericht nur ersetzt werden, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG zuvor ausreichend unterrichtet hatte. Die ordnungsgemäße Unterrichtung ist Voraussetzung dafür, daß die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG zu laufen beginnt. Innerhalb dieser Wochenfrist kann der Betriebsrat seine Zustimmung "nach Unterrichtung" verweigern. Ohne eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats kann die Rechtsfolge des § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nicht eintreten. Nach dieser Bestimmung gilt die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt, wenn der Betriebsrat sie nicht schriftlich innerhalb einer Woche verweigert. Für die Ersetzung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht (§ 99 Abs. 4 BetrVG) gilt das gleiche. Nur bei ordnungsgemäßer Unterrichtung kann der Betriebsrat zu der geplanten personellen Maßnahme abschließend Stellung nehmen und die Gründe, aus denen er seine Zustimmung verweigern will, innerhalb der dann laufenden Wochenfrist nennen. Die dem Betriebsrat mit der Unterrichtung mitgeteilten tatsächlichen Umstände und seine Zustimmungsverweigerungsgründe bestimmen den Streitstoff im Zustimmungsersetzungsverfahren (BAG Beschluß vom 15. April 1986 - 1 ABR 55/84 - AP Nr. 36 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 1 b der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).

Der Betriebsrat ist hier ausreichend unterrichtet worden. Der Betriebsrat beanstandet zwar, daß der Arbeitgeber ihm für die geplanten Versetzungen keinen genauen Versetzungstermin genannt hatte. Das ist im vorliegenden Fall jedoch unschädlich; der Betriebsrat konnte erkennen, daß alle personellen Maßnahmen die Folge der Verlagerung der Wertpapierdepotabteilung von Hannover nach Hamburg waren. Der Zeitpunkt, zu dem die personellen Maßnahmen erfolgen sollten, war deshalb der Zeitpunkt der Verlagerung. Das ergibt sich aus den Begründungen dieser Zustimmungsgesuche. Dem Betriebsrat war aus dem Entwurf eines Sozialplans bekannt, daß der Arbeitgeber diese Abteilung zum 1. Juli 1985 nach Hamburg verlagern wollte. Gleichzeitig mit dem Antrag, der Versetzung des Arbeitnehmers H zuzustimmen, ging dem Betriebsrat außerdem die Begründung für die Kündigung des Arbeitnehmers L zu. In dieser Kündigungsbegründung wird auf die geplante Verlagerung der Wertpapierdepotabteilung zum 30. Juni 1985 hingewiesen. Es handelt sich mithin nicht um eine "auf Vorrat" eingeholte Zustimmung.

2. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats konnte der Arbeitgeber das Zustimmungsersetzungsverfahren schon in einem Zeitpunkt einleiten, in dem der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers L tatsächlich noch nicht frei war. Das Gesetz enthält keine zeitliche Sperre für die Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens. Der Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG, auf den der Betriebsrat im vorliegenden Verfahren abstellt, spricht gegen eine solche zeitliche Sperre. Nach der genannten Bestimmung kann der Betriebsrat die Zustimmung zu einer geplanten Maßnahme verweigern, wenn infolge dieser personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne daß dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Diese Bestimmung setzt nach ihrem Wortlaut voraus, daß eine Kündigung aufgrund einer geplanten Maßnahme - in Frage kommen Einstellungen und Versetzungen anderer Arbeitnehmer - entweder ausgesprochen werden sollen oder gleichzeitig ausgesprochen werden. Der Zustimmungsverweigerungsgrund setzt also voraus, daß der Arbeitsplatz, auf dem die einzustellenden oder zu versetzenden Arbeitnehmer beschäftigt werden sollen, tatsächlich noch besetzt ist. Eine Sperre wäre auch unpraktisch. Der Arbeitgeber, der infolge einer Betriebsänderung Entlassungen und Versetzungen plant, muß diese auch zeitgleich durchführen können. Das wiederum setzt voraus, daß er den Betriebsrat zuvor von seinem einheitlichen Konzept unterrichtet und, soweit erforderlich, die notwendigen Zustimmungen einholt. Der Betriebsrat kann dann im Rahmen des Zustimmungsverweigerungsgrunds nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG prüfen, ob die geplante Kündigung, die Voraussetzung für die Versetzung eines anderen Arbeitnehmers ist, aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Ist er der Auffassung, daß die Kündigung des Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz der zu versetzende Arbeitnehmer einnehmen soll, aus betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht gerechtfertigt ist, kann er seine Zustimmung zur Versetzung nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG verweigern. Hierüber wird dann im Zustimmungsersetzungsverfahren sachlich entschieden (vgl. zur entsprechenden Fallgestaltung bei einer Kündigung wegen beabsichtigter, noch nicht vollzogener Betriebsstillegung BAG Urteil vom 27. Februar 1987 - 7 AZR 652/85 -, zur Veröffentlichung bestimmt).

3. Der Betriebsrat hat zu Unrecht die Zustimmung zu den geplanten Versetzungen verweigert. Innerhalb der Wochenfrist hat er sich nur auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG berufen. Die tatsächlichen Voraussetzungen, die eine Zustimmungsverweigerung nach dieser Bestimmung rechtfertigen könnten, liegen jedoch nicht vor. Auf andere Gründe kann sich der Betriebsrat nach Ablauf der Wochenfrist nicht mehr berufen.

a) Nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung zu geplanten personellen Maßnahmen verweigern, wenn die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, daß infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne daß dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist.

aa) Die vom Arbeitgeber geplanten Versetzungen haben die Besorgnis begründet, daß infolge dieser personellen Maßnahme dem im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer L gekündigt werden muß.

Die Kündigung des Arbeitnehmers L ist eine Folge der geplanten Versetzung. Wären die Versetzungen der Arbeitnehmer H und M nicht möglich, brauchte der Arbeitnehmer L nicht um seinen Arbeitsplatz zu fürchten; er würde - da sein Arbeitsplatz nicht wegfällt - weiter an seinem Arbeitsplatz gebraucht. Die Kündigung wäre nur dann keine Folge der Versetzung, wenn sie zeitlich und sachlich unabhängig von der geplanten Versetzung ausgesprochen würde. Davon kann hier keine Rede sein. Sowohl die geplanten Versetzungen als auch die Entlassung des Arbeitnehmers L sind ihrerseits Folge der geplanten Betriebsänderung, der Verlagerung der Wertpapierdepotabteilung von Hannover nach Hamburg. Diese Maßnahme des Arbeitgebers hat Entlassungen zur Folge. In die Auswahl der für eine Kündigung in Betracht kommenden Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber alle vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebs einzubeziehen. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, wenn sie nach ihren bisherigen Tätigkeiten miteinander verglichen werden können und damit auf ihren innegehabten Arbeitsplätzen gegeneinander austauschbar sind (BAG Urteil vom 16. September 1982 - 2 AZR 271/80 - AP Nr. 4 zu § 22 KO, zu B II 4 a der Gründe; Urteil vom 13. Juni 1986 - 7 AZR 623/84 - AP Nr. 13 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu II 2 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Unter den vergleichbaren Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber nach sozialen Gesichtspunkten den oder die Arbeitnehmer auszuwählen, denen er aus betriebsbedingten Gründen kündigen will (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG). In diesem Sinne waren die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer H, M und L vergleichbar. Diese Arbeitnehmer hatten vergleichbare Tätigkeiten auszuführen. Sie erhielten eine Vergütung nach derselben tariflichen Vergütungsgruppe. Zumindest in einem solchen Fall gibt es keinen Sinn, zwischen - beachtlichen - unmittelbaren und - unbeachtlichen - mittelbaren Folgen der Einstellung oder Versetzung zu unterscheiden (so jedoch Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 85; Kraft, GK-BetrVG, 3. Bearbeitung, § 99 Rz 116; a.A. Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 99 Rz 114; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 175). Jedenfalls ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der geplanten personellen Einzelmaßnahme - hier der Versetzung - und der Gefährdung des Arbeitsplatzes eines anderen Arbeitnehmers immer dann zu bejahen, wenn beide Maßnahmen nur deshalb ausgesprochen werden, weil sie kündigungsschutzrechtlich (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG) geboten sind.

Die Vorschrift ist auch nicht deshalb unanwendbar, weil sie mittelbar auf eine Verstärkung des Kündigungsschutzes anderer Arbeitnehmer hinausläuft. Diese Vorschrift zielt auf eine faktische Verstärkung des Kündigungsschutzes (vgl. Galperin/Löwisch, aaO, § 99 Rz 83; Heinze, Personalplanung, Einstellung und Kündigung, 1982, Rz 314, S. 123; Schmidt, AuR 1986, 97, 99). Unnötige Kündigungen sollen durch das Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG vermieden werden. Der Arbeitgeber soll die von ihm geplante Kündigung nicht allein mit der Situation rechtfertigen können, die sich aus der Einstellung oder Versetzung anderer Arbeitnehmer ergibt (vgl. Galperin/Löwisch, aaO, § 99 Rz 83).

Auf eine weitere in der Literatur erörterte Fallgestaltung braucht der Senat nicht einzugehen. Nach Auffassung von Galperin/Löwisch (aaO, § 99 Rz 86 a; ebenso auch Arbeitsgericht Offenbach, BB 1981, 1462) soll sich der Betriebsrat nicht auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG berufen dürfen, wenn der Arbeitgeber die Kündigung zuvor ausgesprochen hatte (kritisch dazu Schmidt, AuR 1986, 97 ff.). Hier wurde die Kündigung erst nach Einleitung des ersten Verfahrens auf Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers H und zeitgleich mit den Zustimmungsgesuchen zur Versetzung der Arbeitnehmerin M ausgesprochen. Auf die zeitliche Reihenfolge kann es letztlich nicht ankommen, wenn - wie hier - Versetzung und Entlassung auf einem einheitlichen Plan des Arbeitgebers beruhen.

bb) Die Zustimmung ist jedoch zu ersetzen, weil die Kündigung des Arbeitnehmers L aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt war. Hierauf hat das Landesarbeitsgericht zu Recht abgestellt.

Ob die Zustimmung zu ersetzen ist, muß in diesem Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt entschieden werden. Jetzt steht fest, daß die Kündigung des Arbeitgebers, mit der er das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers L zum 30. Juni 1985 gekündigt hatte, rechtswirksam war. Das Arbeitsverhältnis dieses Arbeitnehmers zum Arbeitgeber wurde zum 30. Juni 1985 beendet (Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 14. März 1986 - 2 Ca 165/85 -). Davon muß der Senat auch bei seiner Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat ausgehen. Dieses Urteil entfaltet insoweit Tatbestandswirkung. Eine gegenteilige Beurteilung wäre dem Senat nicht möglich.

Aber auch aus der damaligen Sicht war die Kündigung des Arbeitnehmers L aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt. Durch die Verlagerung der Wertpapierdepotabteilung waren Arbeitsplätze in Hannover weggefallen. Es mußten Kündigungen ausgesprochen werden. Bei der Auswahl des Arbeitnehmers, der entlassen werden mußte, hat der Arbeitgeber soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Das Landesarbeitsgericht stellt zu Recht auf den erheblichen Unterschied in den Sozialdaten zwischen den zu versetzenden und den zu entlassenden Arbeitnehmern ab. Nach dieser Sozialauswahl war deshalb die Kündigung des Arbeitnehmers L gerechtfertigt. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts hat der Betriebsrat in der Rechtsbeschwerde auch nicht mehr angegriffen.

b) Mit Gründen, auf die sich der Betriebsrat nicht innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG berufen hatte, kann er später im Rechtsstreit die Verweigerung der Zustimmung nicht rechtfertigen. Der Betriebsrat muß alle Gründe, mit denen er seine Zustimmung zu einer vom Arbeitgeber geplanten personellen Einzelmaßnahme verweigern will, innerhalb einer Woche dem Arbeitgeber mitteilen. Er kann im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren keine neuen Gründe nachschieben (Beschluß des Senats vom 3. Juli 1984 - 1 ABR 74/82 - BAGE 46, 158 = AP Nr. 20 zu § 99 BetrVG 1972, zu B 2 der Gründe).

Dr. Kissel Dr. Heither Matthes

Dr. Hoffmann Dr. Gentz

 

Fundstellen

BAGE 56, 99-108 (LT1)

BAGE, 99

DB 1988, 235-236 (LT)

JR 1988, 264

NZA 1988, 625-626 (LT1)

RdA 1988, 59

SAE 1988, 192-194 (lT1)

AP § 99 BetrVG 1972 (LT1), Nr 45

AR-Blattei, ES 1700 Nr 8 (LT1)

AR-Blattei, Versetzung des Arbeitnehmers Entsch 8 (LT1)

EzA § 99 BetrVG 1972, Nr 56 (LT)

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