Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigung der Hauptsache-Aufhebung einer Eingruppierung

 

Normenkette

BetrVG §§ 101, 99 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Beschluss vom 12.08.1988; Aktenzeichen 2 TaBV 71/88)

ArbG Oberhausen (Beschluss vom 12.04.1988; Aktenzeichen 1 BV 9/88)

 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. August 1988 – 2 TaBV 71/88 – aufgehoben.

2. Der Beschluß des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 12. April 1988 – 1 BV 9/88 – wird abgeändert.

3. Der Antrag des Betriebsrats wird abgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Der Arbeitgeber unterhält in M ein Institut für Strahlenchemie. Dort besteht der antragstellende Betriebsrat. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Arbeitgeber die Chemielaborantin A. S. anläßlich deren Versetzung zugleich eingruppiert hat und deshalb dazu die Zustimmung des Betriebsrats hätte einholen müssen.

Frau S. war als Chemielaborantin seit dem 15. Juli 1987 unter Eingruppierung in die VergGr. VIII BAT innerhalb der Arbeitsgruppe Professor Scha. in einem Labor tätig.

Am 15. Oktober 1987 unterrichtete die Direktion des Instituts den Betriebsrat schriftlich über die beabsichtigte Versetzung von Frau S. ab 1. November 1987 in das Labor Dr. B. als Chemielaborantin mit einer vorgesehenen Einstufung in VergGr. VIII BAT – Zulagen Gift. Im Antwortschreiben des Betriebsrats an die Direktion des Instituts vom 22. Oktober 1987 heißt es u.a.:

„… der Betriebsrat stimmt der Versetzung von Frau A. S. zu Herrn Dr. B. zu.

Die beabsichtigte Eingruppierung in die Vergütungsgruppe VIII BAT erhält von uns gemäß § 99 Abs. 2 Ziffer 1 keine Zustimmung. Aufgrund der angegebenen Tätigkeitsmerkmale und aufgrund der Tatsache, daß Frau S. die gleichen Tätigkeiten wie Frau P. ausüben soll, geht der Betriebsrat von einer richtigen Eingruppierung in die Vergütungsgruppe VII BAT aus.”

Mit Schreiben vom 18. Dezember 1987 teilte das Institut dem Betriebsrat mit, daß anders als bei einer Neueinstellung mit einer Versetzung nicht notwendig auch eine Eingruppierung verbunden sei. Dementsprechend sei im vorliegenden Falle keine Änderung der Einstufung, sondern nur die Beibehaltung der bisherigen Vergütungsgruppe beabsichtigt.

Nach Auffassung des Betriebsrats übt Frau S. im Labor Dr. B. eine Tätigkeit als Laborantin mit Abschlußprüfung aus, die sich durch besondere Leistungen aus der VergGr. VIII BAT heraushebe und deshalb als Tätigkeit der nächsthöheren vorstehend näher bezeichneten VergGr. VII BAT zu qualifizieren sei.

Der Betriebsrat hat im vorliegenden Verfahren zuletzt beantragt,

dem Arbeitgeber aufzugeben, die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Angestellten S. in die VergGr. VIII BAT einzuholen und im Verweigerungsfalle das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Nach seiner Auffassung hat sich durch die Versetzung von Frau S. an deren Eingruppierung nichts geändert. Die Voraussetzungen für eine Höhergruppierung hätten nicht vorgelegen.

Das Arbeitsgericht hat dem Arbeitgeber antragsgemäß aufgegeben, die Zustimmung des Betriebsrats zu der Eingruppierung der Angestellten S. ersetzen zu lassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen und diesem aufgegeben, die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen und im Verweigerungsfalle das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers.

Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist die Angestellte S. aufgrund Eigenkündigung zum 30. September 1988 ausgeschieden. Der Betriebsrat hält gleichwohl an seinem Antrag fest und verweist darauf, daß die zu entscheidende Rechtsfrage für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle von Bedeutung sei.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers hat Erfolg. Der Antrag des Betriebrats ist nicht (mehr) begründet.

Mit dem Ausscheiden der Angestellten S. kann der Arbeitgeber nicht mehr die Zustimmung des Betriebsrats zu einer Eingruppierung dieser Angestellten beantragen und im Verweigerungsfalle das Zustimmungsersetzungsverfahren durchführen.

1. Das Landesarbeitsgericht hat über die unter den Beteiligten streitige Frage, ob auch die vom Arbeitgeber geäußerte Ansicht, anläßlich einer Versetzung eines Arbeitnehmers ändere sich dessen Vergütungsgruppe nicht, eine Eingruppierung sei, die nach § 99 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedürfe, nicht entschieden. Die Mitbestimmungspflichtigkeit einer personellen Einzelmaßnahme sei nicht im Aufhebungsverfahren nach § 101 BetrVG, sondern im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu entscheiden. Dieses Verfahren habe der Arbeitgeber nicht eingeleitet, so daß ihm schon deswegen nach § 101 BetrVG die „Aufhebung” der personellen Einzelmaßnahme aufzugeben sei. Damit hat das Landesarbeitsgericht den Inhalt der Regelung in § 101 BetrVG verkannt.

Diese Vorschrift gibt dem Betriebsrat nur dann einen Anspruch auf Aufhebung einer personellen Einzelmaßnahme, wenn diese Maßnahme ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats durchgeführt worden ist. Voraussetzung des Aufhebungsanspruchs ist daher stets, daß die personelle Maßnahme, deren Aufhebung der Betriebsrat begehrt, überhaupt der Zustimmung des Betriebsrats bedurfte. Lag in der Versetzung der Angestellten S. auf einen anderen Arbeitsplatz unter Beibehaltung ihrer Vergütungsgruppe – wie der Arbeitgeber meint – keine (Neu-)Eingruppierung, so bedurfte diese nicht der Zustimmung des Betriebsrats. Der Betriebsrat kann dann auch nicht die Aufhebung dieser Maßnahme verlangen. Das Landesarbeitsgericht hätte daher über die „Mitbestimmungspflichtigkeit dieser Eingruppierung” entscheiden müssen. Schon dieser Rechtsfehler macht die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung erforderlich.

2. Der Senat kann in der Sache selbst nicht mehr entscheiden.

Dadurch, daß die Angestellte S. aus dem Betrieb des Arbeitgebers ausgeschieden ist, ist dem Arbeitgeber eine Aufhebung einer möglicherweise zustimmungspflichtigen Eingruppierung der Angestellten S. unmöglich geworden. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß die Durchführung einer nach § 99 BetrVG zustimmungspflichtigen personellen Einzelmaßnahme ohne erteilte, fingierte oder ersetzte Zustimmung des Betriebsrats zu einem betriebsverfassungswidrigen Zustand führt, dessen Beseitigung der Betriebsrat mit dem Antrag nach § 101 BetrVG betreiben kann. Im Falle einer ohne die erforderliche Zustimmung erfolgten Ein- oder Umgruppierung kann dieser betriebsverfassungswidrige Zustand nur dadurch beseitigt werden, daß dem Arbeitgeber aufgegeben wird, die Zustimmung des Betriebsrats zu der Ein- oder Umgruppierung noch einzuholen und im Falle der Verweigerung der Zustimmung das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen (Beschluß des Senats vom 22. März 1983 – 1 ABR 49/81 –, BAGE 42, 121 = AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972).

Bei dem Antrag auf Aufhebung einer personellen Einzelmaßnahme nach § 101 BetrVG handelt es sich um einen Leistungsantrag, für den es der Darlegung eines besonderen Rechtsschutzinteresses nicht bedarf. Der Antrag wird jedoch unbegründet, wenn der von der personellen Einzelmaßnahme betroffene Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheidet. Mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers endet der betriebsverfassungswidrige Zustand von selbst, dessen Beseitigung durch eigenes Tun wird dem Arbeitgeber unmöglich (Beschluß des Senats vom 1. September 1987 – 1 ABR 23/86 –, BAGE 56, 81 = AP Nr. 11 zu § 101 BetrVG 1972). Was in dieser Entscheidung für einen Antrag auf Aufhebung einer Einstellung nach dem Ausscheiden des eingestellten Arbeitnehmers gesagt worden ist, muß auch für den Fall der Aufhebung einer Eingruppierung gelten. Wenn auch die zustimmungsbedürftige Ein- oder Umgruppierung nicht wie eine Einstellung oder Versetzung sich in einem tatsächlichen Handeln, sondern in der Äußerung einer Rechtsansicht vollzieht, so ist doch auch diese für die Betriebspartner nur solange relevant, als der von der Ein- oder Umgruppierung betroffene Arbeitnehmer noch im Betrieb beschäftigt ist. Auch die Ein- oder Umgruppierung, die nach § 99 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, bezieht sich auf einen konkreten Arbeitnehmer, nicht aber abstrakt auf einen bestimmten Arbeitsplatz. Ist dieser Arbeitnehmer nicht mehr im Betrieb beschäftigt, kann er nicht mehr eingruppiert, die Zustimmung zu seiner Eingruppierung nicht mehr erteilt oder ersetzt werden.

3. Soweit der Betriebsrat geltend macht, an der Entscheidung der unter den Beteiligten streitigen Frage, ob auch darin eine zustimmungspflichtige Eingruppierung eines Arbeitnehmers liege, wenn der Arbeitgeber anläßlich einer Versetzung erklärt, eine Änderung der Vergütungsgruppe sei damit nicht verbunden, bestehe nach wie vor ein Rechtsschutzinteresse, weil diese Frage immer wieder auftauche, so vermag der Senat über diese Frage im Rahmen des vom Betriebsrat allein gestellten Aufhebungsantrages nicht zu entscheiden. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß die Betriebspartner die unter ihnen streitige Frage, ob der Betriebsrat in einer bestimmten Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht habe oder an einer Maßnahme in bestimmter Weise zu beteiligen sei, durch einen entsprechenden Antrag auch losgelöst von einem konkreten Einzelfall zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden kann. Ein solcher abstrakter Feststellungsantrag ist jedoch nicht in einem auf eine konkrete Einzelmaßnahme bezogenen Antrag enthalten. Er muß auch schon in der Tatsacheninstanz gestellt werden (BAGE 39, 259 = AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979; Beschluß vom 10. April 1984 – 1 ABR 73/82 – AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979). Einen solchen abstrakten Feststellungsantrag hat der Betriebsrat jedoch nicht gestellt.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Matthes, Dr. Weller, Gnade, Spiegelhalter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI969660

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