Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Mehrarbeit von Lehrern in Privatschule

 

Leitsatz (amtlich)

Der Betriebsrat hat in einer Privatschule nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei der Festlegung der Höchstgrenzen für Vertretungsstunden gegenüber vollbeschäftigten Lehrern mitzubestimmen.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3, § 118 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Beschluss vom 01.12.1987; Aktenzeichen 11 TaBV 8/87)

ArbG Berlin (Beschluss vom 10.06.1987; Aktenzeichen 34 BV 11/86)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 1. Dezember 1987 – 11 TaBV 8/87 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Der Antragsteller ist ein privater Schulträger, der eine Grundschule im Ganztagsbetrieb unterhält und fast ausschließlich Lehrkräfte beschäftigt. Mit den vollzeitbeschäftigten Lehrkräften ist eine Unterrichtszeit von 26,5 Stunden in der Woche vereinbart. Die Parteien sind darüber einig, daß eine vollzeitbeschäftigte Lehrkraft, die Vertretungsstunden übernimmt, bezogen auf ihr vertraglich vereinbartes Lehrdeputat von 26,5 Pflichtstunden, Überstunden verrichtet.

Zwischen den Beteiligten des Verfahrens hat darüber Streit bestanden, ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Anordnung von Vertretungsstunden, der Auswahl der Lehrkräfte und der Festlegung von Höchstgrenzen für Vertretungsstunden hat. Am 12. Juli 1985 übermittelte der Betriebsrat dem Arbeitgeber den Entwurf einer Betriebsvereinbarung über die Ableistung von Überstunden und das hierbei zu beachtende Verfahren. Der Arbeitgeber teilte dem Betriebsrat in der Besprechung vom 16. Oktober 1986 seinen Standpunkt mit, der in dem Entwurf vorgesehene Regelungsbereich unterliege nicht dessen Mitbestimmungsrecht. Nachdem der Arbeitgeber auch die Mitwirkung an der Bildung der Einigungsstelle abgelehnt hatte, leitete der Betriebsrat beim Arbeitsgericht ein Beschlußverfahren mit dem Antrag ein, einen Vorsitzenden der Einigungsstelle zu bestellen und die Zahl der Beisitzer festzusetzen.

Der Arbeitgeber begehrt in dem vorliegenden Verfahren festzustellen, daß dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Anordnung von Vertretungsstunden, bei der Auswahl der Lehrkräfte und der Festlegung von Höchstgrenzen für Vertretungsstunden nicht zustehe.

Er hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe kein Mitbestimmungsrecht, da er, der Antragsteller, einen Tendenzbetrieb im Sinne des § 118 BetrVG betreibe. Die Lehrkräfte seien Tendenzträger und ihr Einsatz für Vertretungsstunden sei in vollem Umfang dem Mitbestimmungsrecht des Antraggegners entzogen. Die Entscheidung, welche Lehrkraft Unterrichtsstunden einer anderen, wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen fehlenden Lehrkraft vertretungsweise zu übernehmen habe, beruhe auf pädagogischen Erwägungen, die er, der Antragsteller, allein zu treffen habe. Das gelte auch für die vom Betriebsrat begehrte Mitbestimmung bei der Festlegung der Höchstgrenzen für Vertretungsstunden. Würde nämlich eine Höchstgrenze festgelegt, könne er, der Arbeitgeber, möglicherweise die pädagogisch erforderliche Auswahl gar nicht treffen.

Der Betriebsrat habe aber auch schon deshalb kein Mitbestimmungsrecht, weil durch die Übernahme von Vertretungsstunden die betriebsübliche Arbeitszeit nicht verlängert werde.

Der Arbeitgeber hat beantragt

festzustellen, daß dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nicht zusteht bei der Anordnung von Vertretungsstunden gegenüber seinen Lehrkräften, bei der Auswahl seiner Lehrkräfte, die zu Vertretungsstunden herangezogen werden, und bei der Festlegung von Höchstgrenzen für Vertretungsstunden.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung hat er vorgetragen, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht bei den vom Arbeitgeber zur Entscheidung gestellten Fragen bei der Anordnung von Vertretungsstunden für Lehrkräfte nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG in vollem Umfang zu. Bei der Ableistung von Vertretungsstunden handele es sich um Überstundenarbeit der Lehrkräfte, da die regelmäßige Arbeitszeit von 26,5 Stunden für vollbeschäftigte Lehrkräfte hierdurch überschritten werde. Damit trete aber eine Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit im Sinne jener Vorschrift ein. Dieser Mitbestimmungstatbestand umfasse nicht nur die Anordnung der Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit selbst, sondern auch, nach welchen Grundsätzen die Arbeitnehmer, die zur Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit herangezogen werden, auszuwählen sind. Schließlich falle auch die Festlegung der Höchstgrenzen für Vertretungsstunden unter den Mitbestimmungstatbestand.

Dem Mitbestimmungsrecht stehe nicht der Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 BetrVG entgegen. Dieser werde nicht berührt, da bei der Anordnung von Vertretungsstunden pädagogische Erwägungen keine Rolle spielten, sondern allein entscheidend sei, welche Lehrkraft kurzfristig einsetzbar sei. Dies ergebe sich auch aus dem seit Beginn des Schuljahres 1987/88 praktizierten Modell der Unterrichtsbereitschaft: Jeweils für die ersten beiden und zumeist auch für die letzten beiden Unterrichtsstunden eines Unterrichtstages werde eine Reserve bereitgestellt, wie dies auch in Industriebetrieben üblich sei. Zu diesem Zweck hätten sich nach einem festen Plan bestimmte Kollegen während des „Bereitschaftsdienstes” im Lehrerzimmer aufzuhalten, damit sie, falls erforderlich, zu Vertretungsstunden herangezogen werden könnten. Es werde also nicht auf pädagogische Gesichtspunkte Rücksicht genommen.

Der Arbeitgeber hat erwidert, die Darstellung des mit Beginn des Schuljahrs 1987/88 eingeführten Vertretungsmodells sei in wesentlichen Punkten falsch. Das Modell verbinde Förder- und Vertretungsunterricht. Die Lehrer hätten nach einem bestimmten Plan Förderunterricht zu erteilen. Falls nun ein Vertretungsfall eintrete, habe der betreffende Lehrer statt der Förderstunde Vertretungsunterricht zu erteilen. Eine Automatik gebe es aber auch hier nicht. Halte die Schulleitung eine Lehrkraft nicht für geeignet, in einer bestimmten Klasse zu vertreten, würden entweder mehrere Klassen zusammengelegt oder eine Klasse nach Hause entlassen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Arbeitgebers stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Betriebsrats den Beschluß des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und den Antrag des Arbeitgebers festzustellen, daß dem Antragsgegner bei der Festlegung von Höchstgrenzen für Vertretungsstunden ein Mitbestimmungsrecht nicht zustehe, zurückgewiesen. Im übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Arbeitgeber, den Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts vollständig zurückzuweisen, während der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

I. Es ist rechtskräftig festgestellt, daß der Betriebsrat bei der Anordnung von Vertretungsstunden gegenüber Lehrkräften sowie bei der Auswahl der Lehrkräfte für die Vertretungsstunden kein Mitbestimmungsrecht hat. Rechtshängig ist nur noch der Antrag des Arbeitgebers festzustellen, daß dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Höchstgrenzen für Vertretungsstunden nicht zusteht. Dieser Antrag ist zulässig. Der Betriebsrat hat sich mit der Vorlage eines Entwurfs für eine Betriebsvereinbarung und der Einleitung eines Beschlußverfahrens für die Errichtung einer Einigungsstelle eines Mitbestimmungsrechts gerade bei der Festlegung von Höchstgrenzen für Vertretungsstunden der Lehrer berühmt. Damit hat der Betriebsrat ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis geltend gemacht. Dementsprechend ist für den negativen Feststellungsantrag des Arbeitgebers das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben.

II. Der Antrag und damit die Rechtsbeschwerde sind aber nicht begründet.

1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit mitzubestimmen.

Ein Mitbestimmungsrecht besteht also nur, soweit die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend verändert wird.

a) Unter der betriebsüblichen Arbeitszeit ist die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit zu verstehen (Senatsbeschluß vom 21. November 1978 – 1 ABR 67/76 – AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; GK-Wiese, BetrVG, 3. Bearbeitung, § 87 Rz 160; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 238). Der Begriff der Betriebsüblichkeit ist aber nicht so zu verstehen, daß nur Veränderungen der im Betrieb häufigsten Arbeitszeit gemeint wären. Vielmehr wird auf die im Betrieb für bestimmte Arbeitsplätze und Arbeitnehmergruppen geltenden Arbeitszeiten abgestellt (Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 108). Es kann also in einem und demselben Betrieb mehrere betriebsübliche Arbeitszeiten geben.

b) Im vorliegenden Fall geht es um die betriebsübliche Arbeitszeit der Lehrer.

Einigkeit besteht zwischen den Beteiligten darüber, daß die Lehrer 26,5 Pflichtunterrichtsstunden in der Woche haben. Der Arbeitgeber hat allerdings bereits vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, daß seine Lehrer nach § 3 des von ihm vorformulierten Arbeitsvertrages pro Monat bis zu 10 % des Wochenstundensolls an Vertretungsstunden für fehlende Mitglieder des Kollegiums unentgeltlich zu übernehmen haben. Des ungeachtet hat der Arbeitgeber aber selbst eingeräumt, die Lehrer verrichteten mit der Übernahme von Vertretungsstunden Mehrarbeit und ist mit dem Hinweis auf die Verpflichtung zur unentgeltlichen Vertretung von 10 % des Pflichtstundensolls nur dem ursprünglich auch geltend gemachten Mitbestimmungsrecht für die Vergütung der Vertretungsstunden entgegengetreten. Es kann dahingestellt bleiben, ob nach diesen Ausführungen die vom Arbeitgeber selbst formulierte Vertragsklausel nur so zu verstehen ist, daß bis zu 2,7 Vertretungsstunden im Monat nicht bezahlt werden, nicht aber, daß die Lehrer bereits arbeitsvertraglich zur Ableistung von Vertretungsstunden verpflichtet sein sollen.

Zur betriebsüblichen Arbeitszeit kann nämlich nicht das gezählt werden, was zur feststehenden Verpflichtung, nämlich der Ableistung der 26,5 Pflichtstunden nebst Vor- und Nacharbeit möglicherweise noch hinzukommen kann. Hierbei handelt es sich gerade um eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit, die sich aus den 26,5 Pflichtstunden mit Vor- und Nacharbeit sowie der Zeit, die für die übrigen Aufgaben (Korrektur von Klassenarbeiten, Pausenaufsicht, Teilnahme an Gesamt- und Fachkonferenzen, Schulveranstaltungen und Elternsprechtagen u.a.) anfallen, zusammensetzt. Der Betriebsrat hat unwidersprochen vorgetragen, mit der Ableistung von 26,5 Pflichtstunden in der Woche und der hierfür benötigten Vor- und Nacharbeit sowie den anfallenden übrigen Unterrichts- und Erziehungsarbeiten betrage die wöchentliche Arbeitszeit der Lehrer 40 Stunden. Jede Vertretungsstunde bedeutet daher eine vorübergehende Verlängerung dieser betriebsüblichen Arbeitszeit.

Ist die Arbeitszeit für die Lehrer, die sie für Unterricht, Vor- und Nacharbeit sowie die übrigen Unterrichts- und Erziehungsaufgaben benötigen, die betriebsübliche Arbeitszeit, ergibt sich eine vorübergehende Verlängerung aus der Heranziehung zu Vertretungsstunden schon daraus, daß sich an den übrigen Pflichten nichts ändert und die eigentlichen Unterrichtsstunden um die Vertretungsstunden vermehrt werden, der Lehrer also dementsprechend weniger Freizeit hat.

2.a) Bedeutet die Anordnung von Vertretungsstunden eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit, so hat der Betriebsrat grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung von Überstunden setzt allerdings einen kollektiven Tatbestand voraus. Es greift nicht ein bei individuellen Regelungen ohne kollektiven Bezug (ständige Rechtsprechung des Senats: BAGE 38, 96 = AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAGE 41, 200 = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAGE 42, 11 = AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972; BAGE 44, 226 = AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit und BAGE 52, 160, 170 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B III 2 d der Gründe). Dabei liegt ein kollektiver Tatbestand immer dann vor, wenn sich eine Regelungsfrage stellt, die kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebes berührt. So ist bei einem zusätzlichen Arbeitsbedarf immer die Frage zu regeln, ob und in welchem Umfang zur Abdeckung dieses Arbeitskräftebedarfs Überstunden geleistet werden sollen oder ob die Neueinstellung eines Arbeitnehmers zweckmäßiger wäre. Weiter ist zu entscheiden, wann und von wem die Überstunden geleistet werden sollen. Diese Regelungsprobleme bestehen unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen des einzelnen Arbeitnehmers (BAGE 52, 160, 170 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B III 2 d der Gründe). Ebenso verhält es sich bei der Festlegung von Höchstgrenzen für Vertretungsstunden. Aus ihnen kann sich u.a. ergeben, ob wenigstens vorübergehend weitere Arbeitnehmer einzustellen sind.

Von dem Umfang, in dem Überstunden angeordnet werden können, hängt auch ab, welche Arbeitnehmer nicht mehr zu Vertretungsstunden herangezogen werden können.

b) Das Mitbestimmungsrecht wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Arbeitgeber nach seiner Darstellung parallel in den einzelnen Arbeitsverträgen die Lehrer zur unentgeltlichen Wahrnehmung von Vertretungsstunden verpflichtet hat, wenn diese monatlich nicht mehr als 10 % der Wochenpflichtstunden betragen (bei vollzeitbeschäftigten Lehrern also 2,7). Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats weder dadurch ausschließen kann, daß er dem Regelungsbedürfnis entsprechend einzelvertragliche Vereinbarungen trifft, noch dadurch, daß er dem Regelungswunsch aller oder einzelner Arbeitnehmer nachkommt (BAGE 41, 200, 205 = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 3 b der Gründe; BAGE 42, 11, 14 = AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972, zu I 1 a der Gründe, sowie BAGE 52, 160, 170 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B III 2 c der Gründe).

3. Dem Landesarbeitsgericht war auch darin zu folgen, daß das Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Höchstgrenzen für Vertretungsstunden nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil es sich bei dem Arbeitgeber um den Träger einer Privatschule handelt.

a) Nach § 118 Abs. 1 BetrVG finden die Vorschriften des BetrVG auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend u.a. erzieherischen Bestimmungen dienen, keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht. Der Arbeitgeber betreibt eine ganztägige private Grundschule und dient damit überwiegend erzieherischen Bestimmungen im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG und ist daher ein sogenanntes Tendenzunternehmen. Nach der Senatsentscheidung vom 13. Januar 1987 (– 1 ABR 49/85 – AP Nr. 33 zu § 118 BetrVG 1972) dient eine Schule jedenfalls dann einer erzieherischen Bestimmung, wenn durch planmäßige und methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemeinbildender oder berufsbildender Fächer die Persönlichkeit eines Menschen geformt wird (vgl. dazu auch Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 19; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 118 Rz 21 und Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 118 Rz 18). Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 7. April 1981 (– 1 ABR 62/78 – AP Nr. 17 zu § 118 BetrVG 1972) gefordert, daß nicht die bloße Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten die Bestimmung des Unternehmens prägen müsse, sondern daß diese darauf gerichtet sein muß, die Persönlichkeit des jungen Menschen zu entfalten und seine Entwicklung zu einem Glied der menschlichen Gesellschaft zu fördern. Diese Voraussetzungen erfüllt im besonderen Maße eine allgemeinbildende private Ersatzschule mit angeschlossenem Internat, weil hier über die methodische Unterweisung in einer Mehrzahl allgemeinbildender Fächer hinaus durch die Erziehung im Heim die Entfaltung der Persönlichkeit des jungen Menschen gefördert werden soll.

b) Nach § 118 Abs. 1 BetrVG entfallen die Beteiligungsrechte des Betriebsrats aber nur, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebes dem entgegensteht. Dazu ist Voraussetzung zunächst einmal, daß die Maßnahme Arbeitnehmer betrifft, für deren Tätigkeit die Bestimmungen und Zwecke der in § 118 Abs. 1 BetrVG genannten Unternehmen und Betriebe prägend sind, die sogenannten Tendenzträger (ständige Rechtsprechung, zuletzt BAGE 40, 296 = AP Nr. 12 zu § 15 KSchG 1969 sowie BAGE 53, 237 = AP Nr. 32 zu § 118 BetrVG 1972). Die allgemeinbildende Erziehung durch den Unterricht hat die Schule den Lehrern übertragen. Diese sind damit Tendenzträger.

c) Das reicht aber – wie das Landesarbeitsgericht richtig gesehen hat – für den Ausschluß eines Mitbestimmungsrechts nicht aus. Die Mitbestimmungsrechte werden nur soweit ausgeschlossen, wie ihnen die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs entgegensteht. Dies ist nicht bei allen Maßnahmen gegenüber Tendenzträgern der Fall. Es muß sich jeweils um eine tendenzbezogene Maßnahme handeln.

Nach ganz überwiegender Meinung kommt eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts in sozialen Angelegenheiten nur in Ausnahmefällen in Betracht, da es hier meist um den wertneutralen Arbeitsablauf des Betriebes geht (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 118 Rz 33; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz 108, 127; Galperin/Löwisch, aaO, § 118 Rz 62). Auch die Frage, ob die Anordnung von Überstunden erforderlich ist, ist nicht tendenzspezifisch, sondern stellt sich in jedem Betrieb (Galperin/Löwisch, aaO). Nur dort, wo tendenzbedingte Gründe für die Anordnung ausschlaggebend sind, entfällt das Mitbestimmungsrecht (Otto, AuR 1980, 289, 300). Dementsprechend hat der Senat in dem Beschluß vom 22. Mai 1979 (– 1 ABR 100/77 – AP Nr. 13 zu § 118 BetrVG 1972) entschieden, aus der Tatsache, daß Redakteure eines Zeitschriftenverlages sogenannte Tendenzträger sind, folge nicht, daß jede ihre Arbeitszeit betreffende Anordnung des Arbeitgebers eine tendenzbezogene und deshalb mitbestimmungsfreie Maßnahme sei. Gehe es nur darum, den Einsatz der Redakteure dem technischorganisatorischen Ablauf des Herstellungsprozesses der Zeitschrift anzupassen, ohne daß dabei besondere tendenzbedingte Gründe, wie etwa die Aktualität der Berichterstattung, eine Rolle spielen, müsse wegen der Eigenart eines Presseunternehmens das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht zurücktreten.

d) Vorliegend geht es nicht um die konkrete Anordnung von Überstunden, auch nicht um die Auswahl der Arbeitnehmer bei der Anordnung von Vertretungsstunden, sondern nur um die Frage, ob die Festlegung von Höchstgrenzen für Vertretungsstunden eine tendenzbezogene Maßnahme ist. Das hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler verneint. Durch die Mitbestimmung bei der Festlegung solcher Höchstgrenzen wird kein Einfluß auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts genommen. Ebenso bleibt der Arbeitgeber in der – nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts – tendenzbezogenen Entscheidung frei, ob er den Unterricht ausfallen oder durch eine andere Lehrkraft erteilen lassen will. Wie das Beschwerdegericht zu Recht hervorgehoben hat, wird durch das Mitbestimmungsrecht auch nicht in die Entscheidungsfreiheit des Antragstellers eingegriffen, von mehreren Lehrern einen bestimmten (pädagogisch besonders begabten oder fachlich qualifizierten) mit der Vertretung zu beauftragen. Aus der mitbestimmten Festsetzung der Höchstgrenze von wahrzunehmenden Vertretungsstunden ergibt sich nur als Reflex, daß sich die Auswahlmöglichkeit etwas reduziert, weil nicht ein (der tüchtigste und belastbarste) Lehrer ständig mit Vertretungsstunden beauftragt werden kann. Dadurch wird aber die Maßnahme nicht zu einer tendenzbezogenen. Auch ohne Mitbestimmung des Betriebsrats müßte der Arbeitgeber versuchen, die Lehrer in etwa gleich zu belasten. Er hat dies auch – wie er selber vorträgt – durch die Aufnahme einer unentgeltlichen Verpflichtung zur Erteilung von Vertretungsstunden im Rahmen von 10 % der Wochenpflichtstundenzahl für einen Monat versucht. Die Festlegung von Höchstgrenzen für Vertretungsstunden ist also keine tendenzbezogene Maßnahme, sondern eine Regelung, die den organisatorisch-technischen Arbeitsablauf betrifft. Dementsprechend ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, das den Schutz der Arbeitnehmer vor Sonderbelastungen und der gleichmäßigen Verteilung unvermeidbarer Sonderbelastungen auf die einzelnen Arbeitnehmer dient, nicht ausgeschlossen.

Daher war die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Matthes, Dr. Weiler, Kehrmann, Dr. Münzer

 

Fundstellen

Haufe-Index 436743

RdA 1989, 380

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