Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg, nachträgliche Korrektur einer Lohnsteuerbescheinigung

 

Leitsatz (amtlich)

Für Klagen auf Berichtigung unrichtiger Eintragungen in der Lohnsteuerbescheinigung sind nicht die Gerichte für Arbeitssachen, sondern die Finanzgerichte zuständig.

 

Orientierungssatz

  • Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Arbeitspapiere. Wegen dieses eindeutigen, die Zuständigkeit auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten beschränkenden Wortlauts kann trotz der Entstehungsgeschichte nicht angenommen werden, es sei für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Arbeitspapiere eine ausdrückliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen kraft Zuweisung ohne Rücksicht darauf begründet, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche oder um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt (Bestätigung von Senat 13. Juli 1988 – 5 AZR 467/87 – BAGE 59, 169 = AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 11 = EzA AFG § 133 Nr. 2).
  • Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmS-OGB 4. Juni 1974 – GmS-OGB 2/73 – BSGE 37, 292 = AP RVO § 405 Nr. 3). Maßgebend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Arbeitsrechts oder des öffentlichen Rechts geprägt ist.
  • Prägend für die inhaltliche Ausgestaltung der Lohnsteuerbescheinigung ist nicht die auf § 242 BGB beruhende Nebenpflicht des Arbeitgebers, sondern die lohnsteuerrechtliche Verpflichtung aus § 41b EStG. Die arbeitsrechtliche Nebenpflicht wird inhaltlich durch Regelungen des EStG ausgestaltet. Es gibt keine konkrete arbeitsrechtliche Vorschrift, die bestimmt, wie eine Lohnsteuerbescheinigung auszusehen hat. Demzufolge liegt hier keine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, sondern eine steuerrechtliche Streitigkeit vor.
  • Nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte kann die Berichtigung etwaiger Fehler beim Lohnsteuerabzug nach Abschluß des Lohnsteuerabzugs gemäß § 42b Abs. 3 Satz 1 EStG durch den Arbeitgeber nur noch im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung des Arbeitnehmers durchgeführt werden. Für eine Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr (vgl. BFH 19. Oktober 2001 – VI R 36/96 – DStRE 2002, 434).
 

Normenkette

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3e; EStG § 41b

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Beschluss vom 05.12.2002; Aktenzeichen 6 Ta 96/02)

ArbG Cottbus (Beschluss vom 12.06.2002; Aktenzeichen 8 Ca 836/02)

 

Tenor

  • Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 5. Dezember 2002 – 6 Ta 96/02 – aufgehoben.
  • Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Cottbus vom 12. Juni 2002 – 8 Ca 836/02 – aufgehoben.
  • Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist unzulässig. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Finanzgericht des Landes Brandenburg in Cottbus verwiesen.
  • Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
  • Streitwert: 200,00 Euro.
 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten im Ausgangsverfahren über eine Korrektur der Lohnsteuerbescheinigung.

Die Klägerin stand ab 1. September 2000 in einem Arbeitsverhältnis zu den Gesellschaftern der Gesellschaft bürgerlichen Rechts “D”, Frau K…, (die Beklagte), und Herrn J…. Die Klägerin war dort als Konditorin beschäftigt. Die Beklagte war Geschäftsführerin der Gesellschaft. Mit Anwaltsschreiben vom 22. August 2001 kündigte Herr J… die Gesellschaft zum 30. August 2001.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 24. Juli 2001, der Klägerin am 3. August 2001 zugegangen, zum 31. August 2001. Der Gesellschafter J… kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 29. Juli 2001, der Klägerin am 30. Juli 2001 zugegangen, gleichfalls zum 31. August 2001. Nach dem 31. August 2001 arbeitete die Klägerin nicht mehr. Nach einer Abmahnung vom 5. Oktober 2001 wegen unentschuldigten Fehlens kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin am 24. Oktober 2001 fristlos.

Auf der Lohnsteuerbescheinigung der Klägerin für das Kalenderjahr 2001 erfolgte unter der Rubrik “1. Dauer des Dienstverhältnisses” folgende Eintragung: “01.01. bis 24.10.2001”. Als Arbeitgeber ist auf der Lohnsteuerbescheinigung angegeben: “D” GbR J… und K…,.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigungen der Beklagten und des Herrn J… vom 24. bzw. 29. Juli 2001 zum 31. August 2001 beendet worden. Auf der Lohnsteuerbescheinigung sei daher als Dauer des Dienstverhältnisses der Zeitraum 1. Januar 2001 bis 31. August 2001 anzugeben. Für den Rechtsstreit seien die Arbeitsgerichte zuständig, weil es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handele.

Die Klägerin hat folgenden Antrag angekündigt:

Die Beklagte wird verurteilt, die Angaben auf der Lohnsteuerbescheinigung der Klägerin für das Kalenderjahr 2001 dahin zu korrigieren, daß als Dauer des Dienstverhältnisses nicht der Zeitraum 1. Januar bis 24. Oktober 2001, sondern der Zeitraum 1. Januar bis 31. August 2001 angegeben wird.

Die Beklagte hat die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gerügt.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Für eine Klage, die auf die Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung gerichtet ist, sind die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig.

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Arbeitspapiere. Nach der Gesetzesbegründung soll sich eine Streitigkeit über Arbeitspapiere wegen des engen Sachzusammenhangs nicht nur auf die Herausgabe der Arbeitspapiere, sondern auch auf deren Berichtigung beziehen (BT-Drucks. 8/2535, S. 34). Damit hat der Gesetzgeber aber nicht bewirkt, daß ein Arbeitnehmer eine Klage auf Berichtigung einer Arbeitsbescheinigung vor den Gerichten für Arbeitssachen verfolgen kann. Denn nach den Eingangsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG werden nur “bürgerliche Rechtsstreitigkeiten” zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern “über Arbeitspapiere” erfaßt. Wegen dieses eindeutigen, die Zuständigkeit auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten beschränkenden Wortlauts kann trotz der Entstehungsgeschichte nicht angenommen werden, es sei eine ausdrückliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen kraft Zuweisung ohne Rücksicht darauf begründet, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche oder um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt (Senat 13. Juli 1988 – 5 AZR 467/87 – BAGE 59, 169 = AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 11 = EzA AFG § 133 Nr. 2).

2. Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmS-OGB 4. Juni 1974 – GmS-OGB 2/73 – BSGE 37, 292 = AP RVO § 405 Nr. 3; BGH 23. Februar 1988 – VI ZR 212/87 – BGHZ 103, 255 = ZIP 1988, 676). Maßgebend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Arbeitsrechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (Senat 13. Juli 1988 – 5 AZR 467/87 – BAGE 59, 169 = AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 11 = EzA AFG § 133 Nr. 2; BFH 29. Juni 1993 – VI B 108/92 – BFHE 171, 409 = AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 20).

3. Die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen, dh. richtigen Ausfüllung der Lohnsteuerkarte ist eine Nebenpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis. Daneben ist der Arbeitgeber aber auch nach § 41b EStG öffentlich-rechtlich verpflichtet, auf der Lohnsteuerkarte ua. die Dauer des Dienstverhältnisses zu bescheinigen und die Lohnsteuerbescheinigung dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Die Berichtigung etwaiger Fehler beim Lohnsteuerabzug kann nach Abschluß des Lohnsteuerabzugs gemäß § 42b Abs. 3 Satz 1 EStG durch den Arbeitgeber nur noch im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers durchgeführt werden. Für eine Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr (BFH 19. Oktober 2001 – VI R 36/96 – DStRE 2002, 434). Prägend für die inhaltliche Ausgestaltung der Lohnsteuerbescheinigung ist damit nicht die auf § 242 BGB beruhende Nebenpflicht des Arbeitgebers, sondern die lohnsteuerrechtliche Verpflichtung. Die arbeitsrechtliche Nebenpflicht wird inhaltlich durch Regelungen des EStG ausgestaltet. Es gibt keine konkrete arbeitsrechtliche Vorschrift, die bestimmt, wie eine Lohnsteuerbescheinigung auszusehen hat. Demzufolge liegt hier keine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, sondern eine steuerrechtliche Streitigkeit vor. Hierfür sind nicht die Gerichte für Arbeitssachen, sondern die Finanzgerichte zuständig. Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind daher aufzuheben und der Rechtsstreit an das zuständige Finanzgericht des Landes Brandenburg in Cottbus zu verweisen.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Unterschriften

Müller-Glöge, Mikosch, Linck

 

Fundstellen

Haufe-Index 954241

BFH/NV Beilage 2003, 253

BAGE 2004, 269

BB 2003, 1960

DB 2003, 2132

HFR 2003, 1209

WPg 2003, 1316

NJW 2003, 2629

NWB 2003, 2845

EBE/BAG 2003, 114

FA 2003, 286

FA 2003, 307

JR 2004, 396

NZA 2003, 877

SAE 2004, 124

ZAP 2003, 1106

ZAP 2004, 113

AP, 0

AuA 2003, 44

AuA 2004, 55

EzA-SD 2003, 15

EzA

MDR 2003, 1359

PERSONAL 2003, 61

BFH/NV-Beilage 2003, 253

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