Entscheidungsstichwort (Thema)

Kirchliche Mitarbeitervertretung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Entscheidung der Rechtsfrage, welche Anforderungen die Religionsgesellschaften an die Wählbarkeit von Arbeitnehmern zu kirchlichen Mitarbeitervertretungen aufstellen dürfen, sind staatliche Gerichte nicht befugt.

 

Normenkette

GG Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3; GVG § 13; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 2a Abs. 1 Nr. 1; Ordnung für die Mitarbeitervertretungen in diakonischen Einrichtungen vom 24. September 1973 i.d.F. vom 8. Oktober 1982 Präambel, §§ 5, 28

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Beschluss vom 20.03.1984; Aktenzeichen 2 Ta BV 8/83)

ArbG Osnabrück (Beschluss vom 01.09.1983; Aktenzeichen 2 BV 8/83)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Arbeitnehmers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 20. März 1984 – 2 Ta BV 8/83 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Arbeitgeber und Arbeitnehmer streiten darüber, ob der Arbeitnehmer zu der beim Arbeitgeber gebildeten Mitarbeitervertretung wählbar ist.

Der Arbeitgeber betreibt ein Kinderheim. Er ist dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen. Der Arbeitnehmer wird aufgrund eines Arbeitsvertrags in diesem Kinderheim beschäftigt. Er gehörte bis 1984 der gewählten Mitarbeitervertretung an. Die Mitarbeitervertretung wurde gebildet aufgrund der Ordnung für die Mitarbeitervertretungen in diakonischen Einrichtungen (MVO) vom 24. September 1973. Diese Ordnung wurde zum 1. April 1983 geändert; die Wählbarkeit von Mitarbeitern wurde eingeschränkt (§ 5 Abs. 1 Buchst. b) neu). Präambel, § 5 (Wählbarkeit) und § 28 (Aufgaben) der MVO in der Fassung vom 8. Oktober 1982 lauten:

“Präambel

Diakonie geschieht wie aller kirchlicher Dienst unter der Verheißung und dem Auftrag des Evangeliums und setzt vertrauensvolle Zusammenarbeit auch bei verschiedenartigen Dienst- und Lebensformen voraus. Zu dieser Dienstgemeinschaft sollen alle Mitarbeiter verantwortlich beitragen. Der gerechten Gestaltung ihrer Dienstverhältnisse und der Fürsorge für den einzelnen Mitarbeiter dient diese Ordnung, die der Vielfalt diakonischer Einrichtungen zu entsprechen sucht. Sie wird erlassen aufgrund des Rechts der Kirchen, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln.

§ 5

  • Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die am Wahltag

    • voll geschäftsfähig sind,
    • einer Kirche angehören, die in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) mitarbeitet,
    • und
    • der Einrichtung seit mindestens 6 Monaten angehören oder seit einem Jahr im kirchlichen bzw. diakonischen Dienst stehen.

§ 28

Die Mitarbeitervertretung soll die Verantwortung für die Aufgaben der Einrichtung mittragen und bei den Mitarbeitern das Verständnis für den Auftrag der Diakonie stärken. Sie soll sich um eine gute Zusammenarbeit innerhalb der Dienstgemeinschaft bemühen und Maßnahmen anregen, die der Arbeit der Einrichtung und dem Wohl der Mitarbeiter dienen.

…”

Der Arbeitnehmer erfüllt nicht die zu § 5 Abs. 1 Buchst. b) MVO genannten Voraussetzungen; er gehört keiner Kirche an, die in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) mitarbeitet.

Im Jahre 1984 fand die Wahl zur Mitarbeitervertretung statt. Der Arbeitnehmer wurde nicht als Wahlbewerber zugelassen. Er beschwerte sich bei der nach § 38 MVO gebildeten Schlichtungsstelle. Diese Schlichtungsstelle wies seinen Antrag, festzustellen und den Wahlvorstand anzuweisen, daß er als Wahlbewerber zugelassen werde, als unzulässig ab; das Wahlverfahren müsse erst durchgeführt werden (Beschluß vom 13. Juni 1984). Nach der Wahl hat der Arbeitnehmer vor der Schlichtungsstelle die Wahl erfolgreich angefochten. Die im Jahre 1985 durchgeführte Neuwahl hat der Arbeitgeber angefochten. Hierüber hat die Schlichtungsstelle noch nicht entschieden.

Der Arbeitnehmer hat die Auffassung vertreten, das Diakonische Werk und der ihm angeschlossene Arbeitgeber seien zwar zum Erlaß einer eigenen Mitarbeitervertretungsordnung befugt. Sie seien aber bei der rechtlichen Ausgestaltung an allgemeine Rechtsgrundsätze gebunden. Die Mitarbeitervertretung sei eine Interessenvertretung der Mitarbeiter. Es sei deshalb Sache der Mitarbeiter, darüber zu bestimmen, wen sie zu ihrem Vertreter wählten. Der Arbeitgeber dürfe daher das freie Wahlrecht nicht einschränken. Der Tendenzschutz rechtfertige die Einschränkung nach § 5 Abs. 1 Buchst. b) MVO nicht.

Der Arbeitnehmer hat in dem seit dem 10. August 1983 anhängigen Beschlußverfahren beantragt

festzustellen, daß er zu Wahlen der Mitarbeitervertretung das passive Wahlrecht habe.

Der Arbeitgeber hat beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, in diakonischen Einrichtungen der evangelischen Kirche seien Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gemeinsamer Arbeit in der Diakonie verpflichtet. Die Mitarbeitervertretung sei nicht nur Interessenvertreter der Mitarbeiter. Sie habe auch den Auftrag, bei den Mitarbeitern das Verständnis für den Auftrag der Diakonie zu stärken und Leitgedanken der kirchlichen Diakonie gegenüber Mitarbeitern zu vertreten. Das könnten die Mitglieder der Mitarbeitervertretung sachgerecht nur, wenn sie sich eine christlichen Kirche und deren Zielen verpflichtet fühlten. Der Mitarbeitervertretung würden auch weitergehende Rechte als einem nach dem Betriebsverfassungsgesetz gebildeten Betriebsrat eingeräumt. Das beruhe auf der Erwägung, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf ein gemeinsames Ziel, nämlich die christliche Diakonie, verpflichtet seien.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Arbeitnehmers abgewiesen. Die Beschwerde des Arbeitnehmers ist ohne Erfolg geblieben. Das Landesarbeitsgericht hat seinen Antrag als unzulässig abgewiesen mit der Begründung, für die Streitigkeit sei der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht eröffnet. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitnehmer seinen Sachantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitnehmers ist nicht begründet. Staatliche Gerichte können die Frage, ob ein Arbeitnehmer, der keiner christlichen Kirche angehört, zur Mitarbeitervertretung wählbar ist, nicht entscheiden. Der Senat folgt der Auffassung des Landesarbeitsgerichts.

1. Rechtsstreitigkeiten zwischen Bürgern und Kirchen, anderen Religionsgesellschaften und deren Einrichtungen, können im Grundsatz durch staatliche Gerichte entschieden werden. Insoweit gelten für Rechtsstreitigkeiten dieser Art keine Besonderheiten bezüglich des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten (vgl. Kissel, GVG, § 13 Rz 212).

Arbeitnehmer, die Ansprüche aus ihrem Arbeitsverhältnis mit Kirchen, anderen Religionsgesellschaften oder deren Einrichtungen geltend machen, können Rechtsschutz im staatlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren beanspruchen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Arbeitsgerichte zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Soweit sich die Kirchen der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen bedienen, findet auf diese Arbeitsverhältnisse das staatliche Arbeitsrecht Anwendung. Staatliche Arbeitsgerichte haben deshalb zu Recht auch ihre Zuständigkeit in Kündigungsschutzprozessen dieser Arbeitnehmer bejaht (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 21. Oktober 1982 – 2 AZR 591/80 – AP Nr. 14 zu Art. 140 GG; BAG 45, 250 = AP Nr. 16 zu Art. 140 GG). Insoweit kann das den Religionsgesellschaften nach Art. 140 GG in Verb. mit Art. 137 Abs. 3 WRV eingeräumte Recht, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten, nur den Inhalt des anwendbaren materiellen Arbeitsrechts beeinflussen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgesellschaften bleibt für die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse von Bedeutung (vgl. BVerfG Beschluß vom 4. Juni 1985 – 2 BvR 1703, 1718/83 und 2 BvR 856/83 – NJW 1986, 367, 368). Das ermöglicht es den Kirchen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer zu umschreiben und verbindlich zu machen. Die Kirchen können so das besondere Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft den Arbeitsverträgen ihrer Arbeitnehmer zugrunde legen (vgl. BVerfGE 53, 366, 403 f.; BVerfG Beschluß vom 4. Juni 1985, aaO, S. 368).

2. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgesellschaften führt nur in Ausnahmefällen zu einer Einschränkung des staatlichen Rechtsschutzes. Ausgenommen von der staatlichen Gerichtsbarkeit sind innerkirchliche Maßnahmen, die im staatlichen Zuständigkeitsbereich keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfalten. Bei diesen innerkirchlichen Angelegenheiten sind die Kirchen nicht an das für alle geltende Gesetz gebunden (BVerfGE 18, 385, 387 f.; 42, 312, 334). Zu dem innerkirchlichen Bereich, in dem staatliche Gerichtsbarkeit in das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nicht eingreifen kann, gehören vor allem geistlichseelsorgerische Angelegenheiten, Maßnahmen der Kirchenverfassung und -organisation (vgl. Beispiele und Nachweise bei Kissel, GVG, § 13 Rz 214). Nach Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV gehört zum innerkirchlichen, nicht nachprüfbaren Bereich auch das kirchliche Ämterrecht. Jede Religionsgesellschaft verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. Staatliche Gerichte dürfen die Besetzung kirchlicher Ämter nicht kontrollieren.

3. Das vom Arbeitgeber betriebene Kinderheim ist eine kirchliche Einrichtung, die das Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht nach Art. 140 GG in Verb. mit Art. 137 Abs. 3 WRV für sich in Anspruch nehmen kann. Die Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie kommt nicht nur den verfaßten Kirchen und deren rechtlich selbständigen Teilen zugute, sondern allen der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (vgl. BVerfG Beschluß vom 4. Juni 1985 – NJW 1986, 367, mit weiteren Nachweisen). Das Kinderheim ist dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen. Es ist eine karitative Einrichtung einer evangelischen Landeskirche. Das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

4. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es geht allein um die Frage, ob und welche Anforderungen die Religionsgesellschaften an Arbeitnehmer stellen dürfen, die zu einem kirchlichen Amt gewählt werden sollen.

a) Das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland und damit auch der ihm angeschlossene Arbeitgeber sieht in der Mitarbeitervertretung ein kirchliches Amt. Nach dem Selbstverständnis der evangelischen Landeskirchen geschieht Diakonie “wie aller kirchlicher Dienst unter der Verheißung und dem Auftrag des Evangeliums und setzt vertrauensvolle Zusammenarbeit auch bei verschiedenartigen Dienst- und Lebensformen voraus”. Nach kirchlichem Verständnis wird durch diese Zusammenarbeit eine “Dienstgemeinschaft” begründet (vgl. Präambel zur Ordnung für die Mitarbeitervertretungen in diakonischen Einrichtungen in der Fassung vom 8. Oktober 1982). Nach § 28 MVO soll die Mitarbeitervertretung die Verantwortung für die Aufgaben der Einrichtung mittragen. Jedes Mitglied dieser Vertretung soll bei den Mitarbeitern das Verständnis für den Auftrag der Diakonie stärken. Der Arbeitgeber hat damit zu erkennen gegeben, daß er in der Mitarbeitervertretung nicht nur eine Interessenvertretung der Arbeitnehmer sieht, sondern auch ein durch Aufgaben und Verantwortung hervorgehobenes innerkirchliches Amt. Die Regelungen über das passive Wahlrecht in den Mitarbeitervertretungsordnungen im Bereich der katholischen Kirche machen dies noch deutlicher. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 der Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) vom 24. Januar 1977 sind nicht wählbar zu Mitarbeitervertretungen die Mitarbeiter, die nicht die Fähigkeit besitzen, ein kirchliches Wahlamt einnehmen zu können.

b) Für ein solches Verständnis des Art. 137 Abs. 3 WRV spricht auch die ergänzende gesetzliche Regelung in § 118 Abs. 2 BetrVG und in § 112 BPersVG. Nach diesen Bestimmungen finden weder das Betriebsverfassungsgesetz noch das Bundespersonalvertretungsgesetz Anwendung auf Religionsgesellschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform. Den Religionsgemeinschaften bleibt die selbständige Ordnung eines Mitarbeitervertretungsrechts überlassen (§ 112 Halbsatz 2 BPersVG). Damit erwartet zwar der Staat, daß die Kirchen ein eigenständiges Mitarbeitervertretungsrecht schaffen. Dieses im einzelnen auszugestalten, ist jedoch Sache der Religionsgesellschaften und ihrer karitativen und erzieherischen Einrichtungen. Die Religionsgesellschaften entscheiden selbst darüber, ob solche Mitarbeitervertretungen errichtet werden sollen, wie sie zusammengesetzt sind und welche Befugnisse sie haben (vgl. aus der Sicht der Kirchen Beschluß der Bischöflichen Schlichtungsstelle Berlin vom 13. März 1984 – 6/83 – MAVO – AP Nr. 22 zu Art. 140 GG, der die in § 8 MAVO (kath. Regelung) enthaltene gleiche Einschränkung der Wählbarkeit für unwirksam erklärte). Das Betriebsverfassungsgesetz, das die Religionsgesellschaften und ihre Einrichtungen ausdrücklich vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausnimmt, ist daher kein “für alle geltendes Gesetz” im Sinne von Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV. Es nimmt vielmehr mit diesem Vorbehalt auf das verfassungsrechtlich Gebotene Rücksicht (vgl. BVerfGE 46, 73, 95; ähnlich auch BAG 29, 405, 411 = AP Nr. 10 zu § 118 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe, in einem Verfahren, in dem es um die Bestellung eines Wahlvorstands nach dem Betriebsverfassungsgesetz in kirchlichen Stiftungen ging).

c) Jedenfalls über die Frage, wer zur kirchlichen Mitarbeitervertretung wählbar ist, können staatliche Gerichte nicht entscheiden. Die von der Verfassung anerkannte Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der kirchlichen Gewalt (Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften) würde beeinträchtigt, wenn staatliche Gerichte Voraussetzungen für die Wählbarkeit zu einer Mitarbeitervertretung anders beurteilen als die Religionsgesellschaften dies tun. Dies entspricht auch der überwiegenden Auffassung in der Literatur (vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, S. 194; Bietmann, Betriebliche Mitbestimmung im kirchlichen Dienst, S. 93). Mit der Verfassungsgarantie, im Bereich des Mitarbeitervertretungsrechts Anforderungen an ein kirchliches Amt in eigener Zuständigkeit bestimmen zu können, ist deshalb den Religionsgesellschaften zugleich garantiert, eine Rechtskontrolle in eigener Verantwortung durchzuführen (s.o. Beschluß der Bischöflichen Schlichtungsstelle Berlin, aaO). Staatlichen Gerichten ist es verwehrt, kirchliche Regelungen insoweit für unbeachtlich und damit für nichtig zu erklären.

Nur über diese Frage war im vorliegenden Verfahren zu entscheiden. Der Senat kann offenlassen, ob andere “betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten” zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung oder zwischen Arbeitgeber und einem einzelnen Arbeitnehmer aus dem Recht der Mitarbeitervertretung vor staatliche Gerichte gebracht werden können. Wer zur kirchlichen Mitarbeitervertretung wählbar ist, hängt nach dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaften entscheidend von der Eigenart des besonderen Dienstes ab, zu dem sich die Arbeitnehmer verpflichtet haben. Staatliche Gesetzgebung und Rechtsprechung müssen es den Religionsgesellschaften ermöglichen, ihre Einrichtungen unter dem besonderen kirchlichen Aspekt und nach kirchlichem Selbstverständnis zu ordnen. Kirchliche Einrichtungen müssen vom Staat in ihrer Eigenständigkeit respektiert werden (BVerfGE 53, 366, 401 = AP Nr. 6 zu Art. 140 GG; BVerfGE 66, 1, 22; BVerfG NJW 1986, 367, 368). Dazu gehört auch der Verzieht des Staates auf Kontrolle der von den Kirchen insoweit erlassenen Bestimmungen.

Der Arbeitnehmer kann auch nicht geltend machen, die Kirche verletze mit der einschränkenden Regelung zur Wählbarkeit ihrer Arbeitnehmer den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer. Denn dieser Grundsatz verbietet aus staatlicher Sicht nicht Differenzierungen bei den Voraussetzungen für die Wählbarkeit zu einer kirchlichen Mitarbeitervertretung. Art. 3 GG und der aus ihm abgeleitete arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, auch der Grundsatz des gleichen Wahlrechts, muß im Lichte der den Religionsgesellschaften durch die Verfassung eingeräumten Rechte gesehen werden. Die Art. 136 bis 139 und 141 WRV bilden mit dem Grundgesetz zusammen ein organisches Ganzes (vgl. BVerfGE 53, 366, 400). Diese Gewährleistung der Eigenständigkeit der Religionsgesellschaften wirkt sich auf den Inhalt des staatlichen Rechts aus. Einerseits gewährleistet Art. 137 Abs. 3 WRV den Religionsgesellschaften das selbständige Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten. Andererseits werden Dritte dadurch geschützt, daß sich die Religionsgesellschaften an das für alle geltende Gesetz halten müssen. Dieser Wechselwirkung ist durch eine entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen. Dabei ist jedoch dem Eigenverständnis der Religionsgesellschaften, soweit es in der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit wurzelt und sich in der durch Art. 4 Abs. 2 GG geschützten Religionsausübung verwirklicht, ein besonderes Gewicht beizumessen (BVerfGE 53, 366, 399 ff.; BVerfGE 66, 1, 22). Diese Güterabwägung führt im vorliegenden Fall dazu, staatlichen Rechtsschutz bei der Nachprüfung von Wählbarkeitsvorschriften – auch im Hinblick auf eine Verletzung von Art. 3 GG – zu versagen. Dies ist eine rein innerkirchliche Angelegenheit.

5. Damit kommt es nicht mehr auf die Frage an, welches staatliche Gericht im vorliegenden Fall zu entscheiden hätte, und ob das Beschlußverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen die richtige Verfahrensart gewesen wäre.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Dr. Heither, Matthes, Dr. Wehr, Janzen

 

Fundstellen

Haufe-Index 872404

BAGE, 238

NJW 1986, 2591

NZA 1986, 252

RdA 1986, 334

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