Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterrichtungsansprüche des Betriebsrats im Arbeitskampf. Unterrichtungsansprüche des Betriebsrats während eines Arbeitskampfs. Feststellungsinteresse. Beschlußberichtigung. Arbeitskampfrecht. Betriebsverfassungsrecht. Prozeßrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Der Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG besteht auch während der Dauer von Arbeitskampfmaßnahmen im Betrieb. Die Arbeitskampffreiheit des Arbeitgebers wird dadurch nicht eingeschränkt.

 

Orientierungssatz

  • Der Tenor eines offensichtlich unrichtigen Beschlusses im Beschlußverfahren kann auch vom Rechtsmittelgericht berichtigt werden, solange das Verfahren noch schwebt.
  • Für das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO genügt es, daß sich ein im Tatsächlichen erledigter Streit über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts im Betrieb jederzeit wiederholen kann.
  • Der Betriebsrat ist während eines Arbeitskampfs im Betrieb nicht generell funktionsuntüchtig. Die Tarifautonomie hat aber Vorrang vor sie einschränkenden Mitbestimmungrechten des Betriebsrats. Einzelne Beteiligungsrechte unterliegen deshalb Einschränkungen, soweit sie die Arbeitskampffreiheit des Arbeitgebers beeinträchtigen. Das Betriebsverfassungsgesetz verlangt dagegen auch im Arbeitskampf Beachtung, soweit dadurch höherrangige Rechtspositionen nicht vereitelt werden.
  • Unterrichtungsansprüche des Betriebsrats aus § 80 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 99, § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG hindern den Arbeitgeber nicht, sich in Ausübung seiner durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit und damit unabhängig vom Willen des Betriebsrats arbeitskampfbezogen zu betätigen. Die bloße Möglichkeit der rechtswidrigen Verwendung oder Weitergabe der Informationen durch einzelne Betriebsratsmitglieder schließt den Unterrichtungsanspruch nicht aus.
 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; BetrVG 1972 § 74 Abs. 2, § 80 Abs. 1-2, § 87 Abs. 1 Nrn. 2-3, § 99; ZPO §§ 319, 253 Abs. 2, § 256; ArbGG § 87 Abs. 2, § 81 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Beschluss vom 21.11.2001; Aktenzeichen 15 TaBV 104/00)

ArbG Braunschweig (Beschluss vom 29.09.2000; Aktenzeichen 7 BV 58/00)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 21. November 2001 – 15 TaBV 104/00 – wird mit der berichtigenden Maßgabe zurückgewiesen, daß die festgestellte Verpflichtung sich auch auf kurzfristige Versetzungen erstreckt.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über Unterrichtungsrechte des Betriebsrats während eines Arbeitskampfs. Die Arbeitgeberin betreibt einen Zeitungsverlag und eine Druckerei. Aus Anlaß von Tarifverhandlungen in der Druckindustrie kam es im Betrieb in der Woche vom 8. bis zum 14. Mai 2000 zu Streikmaßnahmen. Um die dadurch bedingten Personalausfälle auszugleichen, ordnete die Arbeitgeberin gegenüber nicht streikenden Arbeitnehmern Überstunden, Schichtverschiebungen und kurzfristige Versetzungen an.

Nach dem Tarifabschluß am 11. Mai 2000 bat der Betriebsrat mehrfach um eine Mitteilung über die in der Streikwoche erteilten Anordnungen. Die Arbeitgeberin lehnte dies ab. Sie überließ dem Betriebsrat lediglich die Streikwoche betreffende Produktionsübersichten, aus denen die ursprünglich vorgesehenen und die tatsächlichen Druckzeiten zu ersehen seien. Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei zur weitergehenden Information über die von ihr getroffenen Maßnahmen und die davon betroffenen Arbeitnehmer verpflichtet. Auch im Arbeitskampf habe er einen Unterrichtungsanspruch. Nur mit dessen Hilfe könne er seine gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen und überprüfen, ob die Arbeitgeberin Gesetz und Tarifvertrag beachtet habe.

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Arbeitgeberin verpflichtet ist, ihm für den Zeitraum von Arbeitskampfmaßnahmen in ihrem Betrieb unter Namensnennung im Voraus mitzuteilen, welche Überstunden, Schichtverschiebungen, kurzfristige Versetzungen, Einstellungen und Beschäftigung von Mitarbeitern von fremden Firmen beabsichtigt sind;

hilfsweise

festzustellen, daß die Information nach Abschluß des Arbeitskampfs zu erfolgen hat.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe keinen Anspruch auf die begehrten Auskünfte. Während des Arbeitskampfs seien Mitbestimmungsrechte auch insoweit ausgeschlossen, als in ihnen Informationsrechte enthalten seien. Sie könnten anschließend nicht wieder aufleben. Wäre sie gezwungen, im Verlauf oder nach dem Ende des Streiks die von ihr zu seiner Abwehr getroffenen Maßnahmen offenzulegen und die arbeitswilligen Arbeitnehmer namentlich bekanntzugeben, würde die Arbeitskampfparität zu ihren Lasten beeinträchtigt. Die Bekanntgabe von Namen verbiete sich überdies zum Schutz der betroffenen Mitarbeiter vor Reaktionen der Streikteilnehmer. Das bei Tarifabschluß vereinbarte Maßregelungsverbot untersage nicht nur Maßregelungen von Arbeitnehmern, die gestreikt hätten, sondern auch von solchen, die sich an Streikabwehrhandlungen beteiligt hätten.

Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlich gestellten inhaltsgleichen Leistungsantrag des Betriebsrats abgewiesen. Dessen dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen; dem zweitinstanzlich gestellten Feststellungsantrag des Betriebsrats hat es stattgegeben. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptbegehren des Betriebsrats zu Recht entsprochen. Die Arbeitgeberin hat dem Betriebsrat die im Antrag genannten Auskünfte zu erteilen. Der Auskunftsanspruch besteht auch während eines Arbeitskampfs.

I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.

1. Der Antrag bedarf der Auslegung. Wie die Rechtsbeschwerde geltend gemacht hat, kann er nach dem Wortlaut dahin verstanden werden, der Betriebsrat verlange die gewünschten Informationen lediglich bezogen auf die Mitarbeiter fremder Firmen. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts begehrt der Betriebsrat dagegen die Feststellung, daß die Arbeitgeberin ihn über beabsichtigte Überstunden, Schichtverschiebungen, kurzfristige Versetzungen und Einstellungen bezogen auf eigene Mitarbeiter iSd. § 5 BetrVG und zusätzlich über die Beschäftigung von Mitarbeitern fremder Firmen zu unterrichten habe. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Schon der Wortlaut legt sie näher als die Lesart, die die Arbeitgeberin für zutreffend hält. Hätte der Betriebsrat die fraglichen Informationen nur bezüglich der Mitarbeiter fremder Firmen verlangen wollen, hätte es nahe gelegen, das Wort “Beschäftigung” dem Wort “Überstunden” voranzustellen, weil erst im Rahmen einer Beschäftigung Überstunden, Schichtverschiebungen etc. angeordnet werden. Hinzukommt, daß die im Antrag genannten Anordnungen typischerweise die eigenen Arbeitnehmer betreffen. So macht es nur mit Blick auf eigene Mitarbeiter der Arbeitgeberin Sinn, von einer betriebsüblichen Arbeitszeit, die vorübergehend verlängert werden soll, und von Schichtverschiebungen zu sprechen.

2. Der Antrag wurde wirksam gestellt. Zwar ist er erstmals in der Beschwerdeinstanz angebracht worden. Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 3 iVm. § 81 Abs. 3 ArbGG ist dies aber zulässig, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Beschwerdegericht die Sachdienlichkeit des Antrags bejaht (BAG 19. Februar 1991 – 1 ABR 36/90 – BAGE 67, 236). Im vorliegenden Fall hat die Arbeitgeberin der Antragsänderung zugestimmt, indem sie ohne Widerspruch auch den neuen Antrag erörtert hat (vgl. dazu BAG 19. Februar 1991 – 1 ABR 36/90 – aaO).

3. Der Antrag genügt dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Antrag, mit dem Handlungspflichten des Arbeitgebers festgestellt werden sollen, muß die eindeutige Bestimmung des vom Arbeitgeber erwarteten Verhaltens zulassen. Der Arbeitgeber muß wissen, mit welchem Verhalten er seinen betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten nachkommt (BAG 13. März 2001 – 1 ABR 34/00 – AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 34 = EzA BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 8). Das ist der Fall.

a) Der Betriebsrat begehrt die Feststellung, daß er – unter Namensnennung – im Voraus über die im einzelnen aufgeführten Maßnahmen zu unterrichten ist. Er hat dabei die Zeitspanne zwischen seiner Unterrichtung und der Durchführung der Maßnahmen nicht näher konkretisiert. Dies ist unschädlich. “Im voraus” ist der Betriebsrat auch dann unterrichtet, wenn er jedenfalls bei Beginn der beabsichtigten Maßnahme – wie kurzfristig vorweg und auf welchem Wege auch immer – die entsprechenden Informationen bereits erhalten hat. Damit steht die zeitliche Mindestvorgabe, die die Arbeitgeberin ggf. einzuhalten hat, hinreichend bestimmt fest.

b) Gegen die Bestimmtheit der im Antrag verwendeten Begriffe bestehen keine Bedenken. Dies gilt auch bezüglich “kurzfristiger” Versetzungen. Der Betriebsrat zielt mit diesem Ausdruck offensichtlich auf die Vorschrift des § 95 Abs. 3 BetrVG. Danach ist eine Versetzung die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder die Dauer eines Monats überschreitet, oder zwar für kürzere Zeit vorgesehen, aber mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden ist. Der Antrag richtet sich auf eine Unterrichtung über kurzfristige Versetzungen iSd. 2. Alternative. Daß der Betriebsrat den Rechtsbegriff “Versetzung” gebraucht und nicht bestimmte tatsächliche Zuweisungssachverhalte beschrieben hat, führt nicht zur Unbestimmtheit des Antrags. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, welche Maßnahmen der Arbeitgeberin während der Streiktage den Versetzungsbegriff erfüllt haben. Sie streiten nicht über die tatsächlichen Voraussetzungen einer Versetzung, sondern über die daraus resultierenden Rechte des Betriebsrats. Dementsprechend ist Streitgegenstand das Bestehen eines Unterrichtungsanspruchs des Betriebsrats für den Fall, daß bestimmte tatsächliche Maßnahmen der Arbeitgeberin den Versetzungsbegriff des § 95 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. BetrVG erfüllen. Mit dieser Maßgabe ist der Antrag insoweit hinreichend bestimmt.

Ausreichend bestimmt ist auch der Begriff “Schichtverschiebung”. Gemeint ist eine Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit oder ihrer Verteilung auf die einzelnen Wochentage nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

Die im Antrag genannte Beschäftigung von Mitarbeitern fremder Firmen erfaßt deren Tätigwerden etwa als Leiharbeitnehmer oder im Rahmen einer Auftragsvergabe an Dritte.

4. Der Betriebsrat besitzt das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können das Bestehen und der Umfang eines betrieblichen Mitbestimmungsrechts trotz der tatsächlichen Erledigung eines aktuellen Konflikts im Wege eines Feststellungsantrags zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden, wenn der betreffende Streit auch künftig im Betrieb auftreten kann (BAG 16. April 2002 – 1 ABR 34/01 – AP BetrVG 1972 § 87 Akkord Nr. 9 = EzA BetrVG 1972 § 87 Leistungslohn Nr. 19; 15. Januar 2002 – 1 ABR 13/01 – AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 12 = EzA BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 12; 24. April 1979 – 1 ABR 43/77 – BAGE 31, 372 für die Feststellung von Mitbestimmungsrechten im Arbeitskampf; 22. Dezember 1980 – 1 ABR 2/79 – BAGE 34, 331). Das ist hier der Fall. Im Betrieb der Arbeitgeberin kann es anläßlich künftiger Tarifauseinandersetzungen erneut zu Arbeitsniederlegungen kommen. Dabei können sich Maßnahmen der Arbeitgeberin wie während der Streikwoche im Mai 2000 ohne weiteres wiederholen. Der Streit der Beteiligten darüber, ob insoweit Unterrichtungsansprüche des Betriebsrats bestehen, kann deshalb jederzeit wieder auftreten.

Dies gilt auch im Hinblick auf die Einstellung eigener und die Beschäftigung fremder Mitarbeiter. Zwar mag es anläßlich des Streiks im Mai 2000 zu solchen Maßnahmen von Seiten der Arbeitgeberin nicht gekommen sein. Sie sind jedoch im Rahmen künftiger Arbeitskämpfe ohne weiteres zu besorgen. Die Arbeitgeberin hat weder vorgetragen, sie werde auch zukünftig zur Abmilderung von Streikfolgen keine Neueinstellungen vornehmen oder Mitarbeiter fremder Firmen beschäftigen, noch hat sie erklärt, sie werde in einem solchen Fall dem Unterrichtungsbegehren des Betriebsrats nachkommen. Damit ist auch ein solcher Konflikt möglich. Zum Zwecke einer umfassenden Beilegung des Streits der Beteiligten ist ein Interesse des Betriebsrats an einer alsbaldigen Feststellung der in Anspruch genommenen Informationsrechte auch insoweit zu bejahen.

III. Der Antrag ist begründet. Der Betriebsrat hat auch während der Dauer von Arbeitskampfmaßnahmen im Betrieb Anspruch auf vorherige Unterrichtung über die im Antrag genannten Maßnahmen der Arbeitgeberin. Hierdurch wird die verfassungsrechtlich gewährleistete Arbeitskampffreiheit der Arbeitgeberin nicht beeinträchtigt.

1. Ohne Rücksicht auf einen im Betrieb ausgetragenen Arbeitskampf wird ein Recht des Betriebsrats auf Unterrichtung über die im Antrag genannten Maßnahmen nicht in Frage gestellt. Es folgt aus § 80 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 und § 99 BetrVG sowie der allgemeinen Überwachungsaufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 und § 99 BetrVG gehört zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats iSd. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG (BAG 15. Dezember 1998 – 1 ABR 9/98 – BAGE 90, 288, 295). Inwieweit sich daneben unmittelbar aus den Vorschriften der §§ 87 Abs. 1, § 9 BetrVG Informationsansprüche ergeben, kann dahinstehen.

2. Der Betriebsrat ist während eines Arbeitskampfs im Betrieb nicht etwa funktionsuntüchtig. Aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ergibt sich jedenfalls mittelbar, daß Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien die Rechte und Pflichten des Betriebsrats grundsätzlich unberührt lassen. Der Betriebsrat bleibt mit allen Rechten und Pflichten im Amt und hat dieses auch während eines Arbeitskampfs – neutral – wahrzunehmen. Der Fortbestand des Betriebsratsamts und die Fortexistenz eines betrieblichen Regelungspartners liegen dabei auch im wohlverstandenen Interesse des Arbeitgebers, etwa bei der Aufrechterhaltung der betrieblichen Ordnung oder der Vereinbarung eines Notdienstes bei fehlender Regelung durch die Kampfparteien selbst (BAG 21. April 1971 – GS 1/68 – BAGE 23, 292, 313, zu III C 5 der Gründe; 26. Oktober 1971 – 1 AZR 113/68 – BAGE 23, 484; 14. Februar 1978 – 1 AZR 54/76 – BAGE 30, 43, 48, zu 3 der Gründe; 14. Februar 1978 – 1 AZR 76/76 – BAGE 30, 50, 62, zu 7 der Gründe; 25. Oktober 1988 – 1 AZR 368/87 – BAGE 60, 71, 75, zu III 2 der Gründe). Das Schrifttum ist dem ganz überwiegend gefolgt (vgl. die Nachweise bei Kreutz GK-BetrVG 7. Aufl. § 74 Rn. 58, 59; weitere Nachweise bei Kissel Arbeitskampfrecht § 36 Rn. 5 dort zu Fußnote 7).

3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterliegen allerdings einzelne Beteiligungsrechte des Betriebsrats trotz Fortbestands des Betriebsratsamts in einem vom Arbeitskampf unmittelbar betroffenen Betrieb arbeitskampfbedingten Einschränkungen. In Betrieben, die von einem Streik betroffen sind, entsteht regelmäßig eine Konfrontation zwischen Belegschaft und Arbeitgeber. In einer solchen Konfliktsituation besteht bei Aufrechterhaltung der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte die Gefahr, daß der Betriebsrat eine dem Arbeitgeber sonst mögliche Abwehrmaßnahme vereitelt und dadurch zum Nachteil des Arbeitgebers in das Kampfgeschehen eingreift (BAG 22. Dezember 1980 – 1 ABR 76/79 – BAGE 34, 355, 364, zu C II 2 der Gründe). Die Tarifautonomie und der aus ihr abzuleitende Grundsatz der Kampfmittelparität verlangen in diesen Fällen eine arbeitskampfkonforme Auslegung und damit eine Einschränkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats (BAG 14. Februar 1978 – 1 AZR 54/76 – BAGE 30, 43, zu 3 der Gründe).

a) Ein rechtmäßiger Streik und die gegen seine Auswirkungen gerichteten rechtmäßigen Abwehrmaßnahmen sind Ausdruck der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit (BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – BVerfGE 84, 212, 225 = AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 97, zu C I 1a der Gründe). Diese schließt die Möglichkeit des Arbeitskampfs ein, um Interessenkonflikte über Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen austragen und ausgleichen zu können. Zur Aufrechterhaltung der Tarifautonomie bedarf es dabei der Chancengleichheit für beide Kampfparteien. Es muß sichergestellt sein, daß nicht eine Tarifvertragspartei der anderen von vornherein ihren Willen aufzwingen kann, sondern annähernd gleiche Verhandlungschancen bestehen. Andernfalls ist nicht gewährleistet, daß die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag wirklich aushandeln (BAG 21. April 1971 – GS 1/68 – BAGE 23, 292). Die Tarifautonomie hat deshalb Vorrang gegenüber Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats, die ihre Ausübung behindern würden. Sie gründet in ihrer hohen Bedeutung für das Arbeits- und Wirtschaftsleben unmittelbar auf der Verfassung; vom Arbeitskampfrecht wird sie erforderlichenfalls gesichert. Soweit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats geeignet ist, die Kampffähigkeit des Arbeitgebers zu beeinflussen, muß es weichen (BAG 22. Dezember 1980 – 1 ABR 76/79 – BAGE 34, 355, 364, zu C II 2 der Gründe mwN).

b) Eine Einschränkung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei Maßnahmen zur Abwehr von Folgen eines Arbeitskampfs kommt dementsprechend in Betracht, wenn die Mitbestimmung des Betriebsrats unmittelbar und zwangsläufig zur Folge hätte, daß die Freiheit des Arbeitgebers, Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen oder Folgen eines Arbeitskampfs zu begegnen, ernsthaft beeinträchtigt würde (BAG 10. Februar 1988 – 1 ABR 39/86 – BAGE 57, 295, 307, zu B II 3c der Gründe; 19. Februar 1991 – 1 ABR 36/90 – BAGE 67, 236, 242, zu B II 1 der Gründe). In den vom Bundesarbeitsgericht bisher entschiedenen Fällen ging es stets um ein vom Betriebsrat uneingeschränkt geltend gemachtes Mitbestimmungsrecht.

aa) Bei personellen Einzelmaßnahmen wie Einstellungen, Versetzungen und Entlassungen hat der Betriebsrat danach nicht mitzubestimmen. Hinsichtlich derartiger Maßnahmen ist der Betriebsrat wegen ihrer Wirkungen auf das Kampfgeschehen funktionsunfähig, unabhängig davon, ob sich seine Mitglieder sämtlich, teilweise oder gar nicht am Streik beteiligen (BAG 26. Oktober 1971 – 1 AZR 113/68 – BAGE 23, 484, 504, zu A III 1 der Gründe). Dies folgt aus Gründen der Kampfparität und in Kündigungsfällen daraus, daß dem Betriebsrat Entscheidungen nach § 102 und § 103 BetrVG unter diesen Umständen nicht zuzumuten sind; er wäre vom Neutralitätsgebot überfordert (BAG 14. Februar 1978 – 1 AZR 54/76 – BAGE 30, 43 und – 1 AZR 76/76 – BAGE 30, 50, 62, zu 7 der Gründe).

bb) Für die Mitbestimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 BetrVG gelten die gleichen Grundsätze. Will der Arbeitgeber während eines Streiks in seinem Betrieb für arbeitswillige Arbeitnehmer aus streikbedingten Gründen vorübergehend die betriebsübliche Arbeitszeit verlängern, so bedarf er dazu nicht der Zustimmung des Betriebsrats (BAG 24. April 1979 – 1 ABR 43/77 – BAGE 31, 372). Andernfalls könnte der Betriebsrat eine dem Arbeitgeber sonst mögliche Abwehrmaßnahme verhindern oder zumindest bis zur Herbeiführung einer Entscheidung der Einigungsstelle erheblich hinauszögern (BAG 24. April 1979 – 1 ABR 43/77 – aaO).

c) Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Einschränkung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 99 Abs. 1 BetrVG während eines Arbeitskampfs als verfassungskonforme Auslegung in Form der teleologischen Reduktion gebilligt (BVerfG 7. April 1997 – 1 BvL 11/96 – AP GG Art. 100 Nr. 11 = EzA BetrVG 1972 § 99 Einstellung). Das gesetzgeberische Unterlassen einer ausdrücklichen Einschränkung der in § 99 Abs. 1 BetrVG festgelegten Beteiligungsrechte für Fälle des Arbeitskampfs zwinge nicht zu dem Schluß, der Gesetzgeber sei notwendig von der uneingeschränkten Geltung der Vorschrift auch während des Arbeitskampfs ausgegangen. Das Fehlen einer gesetzgeberischen Festlegung arbeitskampfrechtlicher Grundsätze sei Ausdruck einer sehr bewußten Zurückhaltung der Legislative, die die Entwicklung dieses Rechtsgebiets der Rechtsprechung überlassen habe.

d) Das Schrifttum hat sich der Rechtsprechung des Senats überwiegend angeschlossen (vgl. die Nachweise bei Kreutz GK-BetrVG 7. Aufl. § 74 Rn. 70, 71). Teilweise wird ihre dogmatische Begründung kritisiert. Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, das Arbeitskampfrecht habe Verfassungsqualität und sei damit gegenüber dem Betriebsverfassungsgesetz höherrangig, sei nicht begründet. Die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommenen Einschränkungen der Mitbestimmungsrechte seien stattdessen aus § 74 Abs. 2 BetrVG abzuleiten (vgl. Heinze DB 1982 Beilage Nr. 23,S 2; Kreutz aaO Rn. 72; Fitting BetrVG 21. Aufl. § 74 Rn. 20). Diese Kritik überzeugt nicht. Angesichts des fast völligen Schweigens des Gesetzgebers zum Arbeitskampfrecht kann ohne hinreichende Anhaltspunkte nicht angenommen werden, § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG solle das Verhältnis zwischen Betriebsverfassungs- und Arbeitskampfrecht abschließend regeln. Der Wortlaut und der Regelungszusammenhang der Norm enthalten solche Anhaltspunkte nicht. Allein das Fehlen der Erwähnung von Beteiligungsrechten in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG reicht dazu nicht. Einer weitergehenden Auseinandersetzung bedarf es hier mangels Entscheidungserheblichkeit nicht.

4. Trotz dieser der Koalitionsfreiheit geschuldeten Begrenzung betrieblicher Mitbestimmungsrechte entfallen bloße Unterrichtungsansprüche des Betriebsrats, jedenfalls soweit sie hier in Rede stehen, auch während eines Arbeitskampfs nicht.

a) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats scheiden arbeitskampfbedingt nur insoweit aus, als sie die Arbeitskampffreiheit des Arbeitgebers tatsächlich einschränken (BAG 10. Februar 1988 – 1 ABR 39/86 – BAGE 57, 295, 307, zu B II 3c der Gründe). Dazu müssen sie geeignet sein, den Arbeitgeber an der Durchführung einer beabsichtigten kampfbedingten Maßnahme zumindest vorübergehend zu hindern und auf diese Weise zusätzlichen Druck auf ihn auszuüben (Fitting BetrVG 21. Aufl. § 74 Rn. 21). Das vermögen sie nur, wenn sie die Rechtmäßigkeit des vom Arbeitgeber beabsichtigten Handelns an die Einhaltung einer Frist oder ein positives Votum des Betriebsrats und ggf. dessen Ersetzung durch die Einigungsstelle knüpfen.

b) Mit Unterrichtungsansprüchen des Betriebsrats sind solche Beeinträchtigungen nicht verbunden. Sie hindern den Arbeitgeber nicht, sich in Ausübung seiner durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit und damit unabhängig vom Willen des Betriebsrats arbeitskampfbezogen zu betätigen. Bloße Mitteilungspflichten beschränken die Handlungsfreiheit nicht. Sie machen die rechtmäßige Durchführung beabsichtigter Maßnahmen nicht von der Wahrung bestimmter Fristen oder der Zustimmung des Betriebsrats abhängig. Sie hindern den Arbeitgeber nicht am sofortigen autonomen Handeln; sie legen ihm nur die Pflicht auf, zuvor den Betriebsrat zu informieren. Damit kann ein gewisser Aufwand verbunden sein. Eine geringfügige tatsächliche Beschwernis ist jedoch nicht geeignet, die Handlungsfreiheit des Arbeitgebers im Ergebnis zu beeinträchtigen. Durch sie wird die Kampfparität nicht zu Lasten des Arbeitgebers verschoben. Eine solche Beschwernis rechtfertigt es deshalb nicht, mit Rücksicht auf die Arbeitskampffreiheit auch Informationspflichten des Arbeitgebers entfallen zu lassen (so im Ergebnis auch LAG Köln 23. Juni 1992 – 14 TaBV 17/92 – LAGE GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 47; LAG Frankfurt am Main 22. Februar 1990 – 12 TaBVGa 1/90 – DB 1991, 707; Fitting BetrVG 21. Aufl. § 74 Rn. 21; Hess/Schlochauer/Glaubitz 5. Aufl. 1997 § 99 Rn. 12 mwN; DKK-Berg 8. Aufl. § 74 Rn. 20a; Kittner ebenda § 99 Rn. 24; Löwisch/Kaiser BetrVG 5. Aufl. § 74 Rn. 8; Löwisch/Rumler in Löwisch Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht 1997 S 295 Teil IV Rn. 33; Kreutz GK-BetrVG 7. Aufl. § 74 Rn. 76; Kraft ebenda § 99 Rn. 15; Heinze DB 1982 Beilage Nr. 23 S 15 f., unter IV 1c; Herbst AiB 1987, 4).

c) Unterrichtungsansprüche des Betriebsrats beeinträchtigen die Arbeitskampfparität regelmäßig auch nicht etwa dadurch, daß sie angesichts der Kurzzeitigkeit arbeitskampfrechtlicher Vorgänge und der jeweiligen Reaktionen Auswirkungen auf die Arbeitskampftaktik haben können (so aber Kissel Arbeitskampfrecht § 36 Rn. 66).

aa) Die Arbeitgeberin sieht solche Auswirkungen von Informationsrechten des Betriebsrats insbesondere darin, daß sie mit der Benennung der arbeitswilligen Arbeitnehmer zugleich ihre Abwehrstrategie offenbaren müsse. In den Betrieben der Druckindustrie bestehe diese Strategie häufig nicht in einer Aussperrung oder der streikbedingten Stillegung des Betriebs, sondern darin, daß der Arbeitgeber mit arbeitswilligen Mitarbeitern versuche, den Streik zu unterlaufen und sein Produkt – die Tageszeitung für den nächsten Tag – trotz des Streiks herauszubringen. Die Durchführbarkeit eines solchen Vorhabens setze voraus, daß der Arbeitgeber – oft sehr kurzfristig – arbeitswillige Arbeitnehmer gewinne, die ihn dabei unterstützten. Wenn vorzeitig bekannt werde, wer zu welcher Zeit arbeitswillig sei, bestehe die Möglichkeit einer massiven und gezielten Einflußnahme auf diese Mitarbeiter. Angesichts dessen gelte es, sowohl deren Entscheidungsfreiheit als Ausfluß ihrer negativen Koalitionsfreiheit als auch die Arbeitskamfparität zu schützen; beides verlange nach einer Einschränkung der Auskunftspflicht.

bb) Diese Auffassung überzeugt nicht. Sie beruht zum einen auf einem unzutreffenden Normenverständnis. Das Betriebsverfassungsrecht stellt keine Materie dar, die dem Arbeitskampfrecht schlechthin untergeordnet wäre. Nicht bei jeder Berührung einer vom Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitskampfs beabsichtigten Maßnahme mit betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten müssen letztere zurücktreten; die Mitbestimmungsrelevanz arbeitskampfbedingten Verhaltens bliebe andernfalls gänzlich unbeachtet. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit ist zwar vorbehaltlos gewährleistet und sein Schutz ist nicht von vornherein nur auf einen Kernbereich beschränkt (BVerfG 14. November 1995 – 1 BvR 601/92 – BVerfGE 93, 352, 359, zu B I 3b der Gründe; 20. April 1999 – 1 ABR 72/98 – BAGE 91, 210, 227, zu B II 2b bb der Gründe). Damit ist aber nicht jede Einschränkung schlechterdings ausgeschlossen. Sie kann durch Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechte gerechtfertigt sein (BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – BVerfGE 84, 212, 228 = AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 97, zu C I 3a der Gründe; 8. April 1981 – 1 BvR 608/79 – BVerfGE 57, 70, 98 f., zu C II 3 der Gründe – mit Bezug auf die Wissenschaftsfreiheit). Auch bedarf die Koalitionsfreiheit der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung, soweit das Verhältnis der Tarifvertragsparteien zueinander berührt wird, die beide den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG genießen (BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – aaO). Die Betätigungsfreiheit der Koalitionen läßt eine Ausgestaltung durch den Gesetzgeber jedenfalls zu (BVerfG 14. November 1995 – 1 BvR 601/92 – aaO).

Das Betriebsverfassungsgesetz ist Ausprägung des Demokratie- und Sozialstaatsprinzips in einem Teilbereich des Rechts. Es kann deshalb grundsätzlich auch im Arbeitskampf Beachtung verlangen, soweit dadurch nicht höherrangige Rechtspositionen vereitelt werden. Die Rechtsordnung verlangt die Herbeiführung einer möglichst weitgehenden Konkordanz beider Rechtsmaterien und deren wechselseitige Berücksichtigung. Danach wird der Ausschluß von gesetzlichen Informationsansprüchen des Betriebsrats vom Arbeitskampfrecht nicht gefordert. Durch bloße Unterrichtungsansprüche wird die Arbeitskampffreiheit des Arbeitgebers, wie dargelegt, nicht eingeschränkt. Die gebotene Rücksichtnahme des Arbeitskampfrechts auf das Betriebsverfassungsrecht hat unter dieser Voraussetzung zur Folge, daß der Arbeitgeber bei seiner Arbeitskampfstrategie diejenigen gesetzlichen Rechte des Betriebsrats zu berücksichtigen hat, die diesem verblieben sind, weil sie die beabsichtigten Arbeitskampfmaßnahmen des Arbeitgebers gerade nicht nennenswert zu behindern vermögen. Der Arbeitgeber hat seine Strategie an den zu beachtenden Informationsrechten des Betriebsrats auszurichten. Dagegen fallen nicht umgekehrt diese weg, weil sie eine bestimmte Strategie erschweren könnten.

Zum anderen beruht die Argumentation der Arbeitgeberin auf einer Überschätzung der Auswirkungen, welche die streitigen Unterrichtungsrechte auf das Kampfgeschehen haben können. Die Befürchtung, der Betriebsrat werde versuchen, auf die arbeitswilligen Mitarbeiter einzuwirken und sie von ihrer Arbeitsbereitschaft abzubringen, steht dem Unterrichtungsanspruch nicht entgegen. Die Arbeitgeberin übersieht, daß der Betriebsrat nach § 74 Abs. 2 BetrVG zur Neutralität verpflichtet ist. Mitglieder des Betriebsrats würden das Neutralitätsgebot verletzen, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Amtsträger versuchten, auf arbeitswillige Mitarbeiter Einfluß zu nehmen. Auch eine Weitergabe der Informationen an Dritte, etwa die kampfführende Gewerkschaft, wäre pflichtwidrig. Ihr stünde nicht nur das auch insoweit geltende Neutralitätsgebot, sondern unter den Voraussetzungen des § 79 Abs. 1 BetrVG auch die dort statuierte Geheimhaltungspflicht entgegen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß Betriebsratsmitglieder, auch wenn sie sich am Streik beteiligen, von den erhaltenen Informationen generell in rechtswidriger Weise Gebrauch machen. Im übrigen bedürfen Mitglieder des Betriebsrats, die Arbeitnehmer von zusätzlicher, arbeitskampfbedingter Arbeit abhalten wollen, dazu nicht der hier streitigen Unterrichtung. Unabhängig von dieser haben sie auf Grund ihrer Anwesenheit im Betrieb vielfältige Möglichkeiten, auf arbeitswillige Arbeitnehmer Einfluß zu nehmen.

Bei der hier gebotenen typisierenden Betrachtungsweise bleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Abwendung von Streikfolgen auch bei Bestehen einer Unterrichtungspflicht ohne spürbare Beeinträchtigungen erhalten. Für den konkreten Streitfall hat die Arbeitgeberin nichts vorgetragen, was davon abweichend jedenfalls mit Blick auf ihren Betrieb die Annahme rechtfertigen könnte, die Kampfparität werde schon auf Grund der vom Betriebsrat gewünschten Informationen beeinträchtigt.

d) Die arbeitswilligen Arbeitnehmer selbst haben keinen Anspruch darauf, daß ihre Arbeitsbereitschaft dem Betriebsrat unbekannt bleibt, unabhängig davon, ob dies ohne Unterrichtung überhaupt gewährleistet wäre.

Es kommt hinzu, daß die Informationsansprüche des Betriebsrats gerade auch dem Interesse der arbeitswilligen Arbeitnehmer dienen. Der Betriebsrat wird durch sie in die Lage versetzt, seine Überwachungspflichten nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG wahrzunehmen und beispielsweise zu überprüfen, ob der Arbeitgeber die gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen und weitergeltende Tarifvorschriften einhält, ob Einstellungen oder Versetzungen beabsichtigt sind, gegen die Gründe des § 99 Abs. 2 Nr. 6, Nr. 4 BetrVG sprechen, uä. Zwar vermag der Betriebsrat die beabsichtigten Maßnahmen trotz Unterrichtung wegen des arbeitskampfbedingten Wegfalls seines Mitentscheidungsrechts nicht zu verhindern. Er kann aber den Arbeitgeber auf Normverstöße oder entsprechende Bedenken jedenfalls hinweisen. Überdies vermag der Betriebsrat nur auf der Grundlage entsprechender Informationen zu erkennen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitskampfs Maßnahmen beabsichtigt, die durch diesen selbst nicht bedingt sind, so daß ggf. Mitbestimmungsrechte nicht entfallen. Auch dieser Prüfung dient der Unterrichtungsanspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG (BAG 15. Dezember 1998 – 1 ABR 9/98 – BAGE 90, 288, 295 f., zu B II 1 der Gründe).

e) Der von der Arbeitgeberin vorgebrachte Einwand, es könnten Informationsrechte nicht wieder aufleben, nachdem das jeweilige Mitbestimmungsrecht als Ganzes wegen des Arbeitskampfs entfallen sei, greift nicht durch. Es geht im Rahmen des Hauptantrags um Unterrichtungsansprüche des Betriebsrats schon während des Arbeitskampfs. Diese leben nicht erst nach dessen Abschluß wieder auf, sondern sind gar nicht erst entfallen.

f) Ein von den Tarifvertragsparteien nach Abschluß eines Arbeitskampfs im Einzelfall vereinbartes Verbot von Maßregelungen vermag den generellen Wegfall von Unterrichtungsrechten während des Arbeitskampfs unter keinem Gesichtspunkt zu begründen.

III. Der Tenor des angefochtenen Beschlusses war gemäß § 80 Abs. 2, § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 319 Abs. 1 ZPO dahin zu berichtigen, daß die vom Landesarbeitsgericht festgestellte Unterrichtungspflicht sich auch auf beabsichtigte kurzfristige Versetzungen bezieht. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über dieses Begehren des Betriebsrats ist nur auf Grund eines offensichtlichen Versehens im Tenor nicht zum Ausdruck gekommen. Die Berichtigung kann auch vom Rechtsmittelgericht vorgenommen werden, solange der Rechtsstreit noch schwebt (BAG 12. Mai 1964 – 3 AZR 412/63 – NJW 1964, 1874; BGH 18. Juni 1964 – VII ZR 152/62 – NJW 1964, 1858; Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 319 Rn. 5).

 

Unterschriften

Wißmann, Linsenmaier, Kreft, Wißkirchen, Peter Berg

 

Fundstellen

BAGE 2004, 175

BB 2003, 1900

DB 2003, 2072

NWB 2003, 2373

EBE/BAG 2003, 106

AiB 2003, 513

FA 2003, 277

FA 2003, 278

FA 2003, 57

NZA 2004, 223

SAE 2003, 343

ZTR 2003, 468

AP, 0

AuA 2003, 45

DSB 2003, 18

EzA-SD 2002, 4

EzA-SD 2003, 8

EzA

ArbRB 2003, 1

ArbRB 2003, 236

BAGReport 2003, 244

GuS 2003, 63

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