Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Unterlassung von Überstunden

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Betriebsparteien können eine formlose Abrede, durch die für einen längeren Zeitraum ein mitbestimmungspflichtige Angelegenheit im Sinne von § 87 Abs 1 BetrVG geregelt wird, ordentlich mit einer Frist von drei Monaten (analog § 77 Abs 5 BetrVG) kündigen, sofern keine andere Kündigungsfrist vereinbart worden ist.

 

Orientierungssatz

Auslegung des Manteltarifvertrages für die Metallindustrie in Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein vom 18. Mai 1990 § 6 Nr 4 Abs 3.

 

Normenkette

TVG § 1; BetrVG § 77 Abs. 5, § 83 Abs. 3; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 25.09.1990; Aktenzeichen 2 TaBV 6/90)

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 06.02.1990; Aktenzeichen 3a BV 46/89)

 

Gründe

A.Die Beteiligten streiten darüber, ob der antragstellende Betriebsrat die Unterlassung von solchen Überstunden verlangen kann, die ohne seine vorherige Zustimmung angeordnet werden.

Der Antragsteller ist der beim Arbeitgeber, einer Schiffswerft mit ca. 200 eigenen Beschäftigten, gebildete Betriebsrat. Insbesondere infolge von Reparaturaufträgen fällt im Betrieb des Arbeitgebers eine Vielzahl von Überstunden an. Der Betrieb unterfällt dem Anwendungsbereich des Manteltarifvertrages für die Metallindustrie in Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein vom 6. Mai 1987/29. Februar 1988 (MTV 1988). Dieser MTV 1988 enthielt in § 6 Nr. 4 folgende Regelung:

4. Anordnung von Mehrarbeit

Mehrarbeit ist grundsätzlich zu vermeiden. Ist

Mehrarbeit (auch an Sonn- und Feiertagen) er-

forderlich, so ist sie mit dem Betriebsrat

rechtzeitig zu vereinbaren und bekanntzugeben.

Diese Vereinbarung ist für die betroffenen Ar-

beitnehmer verbindlich, soweit der Leistung

der Mehrarbeit nicht wichtige persönliche Hin-

derungsgründe entgegenstehen.

Erforderliche Mehrarbeit kann bis zu 20 Mehr-

arbeitsstunden im Monat mit dem Betriebsrat

vereinbart werden. Durch Betriebsvereinbarung

kann für einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen

von Arbeitnehmern ein Mehrarbeitsvolumen von

mehr als 20 Stunden im Monat zugelassen wer-

den.

Soweit in unvorhergesehenen Fällen (z.B. bei

Reparaturarbeiten) Arbeitnehmer zur Mehr-,

Sonn- oder Feiertagsarbeit herangezogen wer-

den, hat die Unterrichtung des Betriebsrates

nachträglich zu erfolgen.

Mehrarbeit von Jugendlichen ist nur im Rahmen

der Bestimmungen des JASchG gestattet.

Durch Tarifvertrag vom 18. Mai 1990 wurde der MTV mit Wirkung vom 1. April 1990 geändert (MTV 1990) und lautet in § 6 Nr. 4 Abs. 3 nunmehr:

Die Betriebsparteien stellen durch eine vorsorg-

liche Regelung sicher, daß in Eil- und Notfällen

Mehrarbeit verfahren werden kann.

Zur Ausübung seiner Mitwirkungsrechte bei den Überstunden hat der Betriebsrat in einem Aushang vom 5. Juni 1989 wie folgt Stellung genommen:

"Überstunden im Betrieb:

Es werden vom BR nur noch von Montag - Donnerstag

und am Sonnabend Überstunden genehmigt.

Montag - Donnerstag je 2 Std.

Sonnabend 8 Std.

Für alle weiteren Überstunden kann der Betriebs-

rat keine Zustimmung geben.

Der Betriebsrat

Unterschrift".Zur An- und Nachmeldung von Überstunden entwickelten Betriebsrat und Arbeitgeber ein Formular.

In der Folgezeit ordneten der Arbeitgeber bzw. einzelne Meister über den vom Betriebsrat in seinem Aushang bezeichneten Rahmen hinaus Überstunden ohne Mitwirkung des Betriebsrates an, deren Häufigkeit und Umfang zwischen den Beteiligten im einzelnen streitig ist.

Der Betriebsrat hat vorgetragen, der Arbeitgeber habe beispielsweise in den Monaten Juni bis August 1989 für 111 Arbeitnehmer Überstunden angeordnet, wobei allein auf den Monat Juni 1.000 ungenehmigte Überstunden entfallen seien. Im vorliegenden Verfahren möchte der Betriebsrat erreichen, daß künftig keine Überstunden mehr ohne seine vorherige Zustimmung oder ohne den Beschluß einer Einigungsstelle angeordnet oder abgeleistet werden. Der Betriebsrat hat daher vor dem Arbeitsgericht beantragt,

der Beteiligten zu 2. - bei Meidung eines Ord-

nungsgeldes in Höhe von bis zu 20.000,-- DM in

jedem Einzelfall - zu untersagen, kollektivbezo-

gene Überstunden für Beschäftigte des Betriebes

der Beteiligten zu 2. anzuordnen oder zu dulden,

ohne daß vorher eine Zustimmung des Betriebsrates

dazu vorliegt oder ohne daß der Beschluß einer

Einigungsstelle die verweigerte Zustimmung des

Betriebsrates ersetzt hat,

hilfsweise,

der Beteiligten zu 2. - bei Meidung eines Ord-

nungsgeldes in Höhe von bis zu 20.000,-- DM in

jedem Einzelfall - zu untersagen, kollektivbezo-

gene Überstunden für Beschäftigte des Betriebes

der Beteiligten zu 2. für Reparaturarbeiten und

Vorbereitung der Reparaturarbeiten inklusive Dok,c-

ken und Slippen anzuordnen oder zu dulden, ohne

daß vorher eine Zustimmung des Betriebsrates dazu

vorliegt oder ohne daß der Beschluß einer Eini-

gungsstelle die verweigerte Zustimmung des Be-

triebsrates ersetzt hat.

Vor dem Landesarbeitsgericht hat der Betriebsrat zuletzt beantragt,

1. der Beteiligten zu 2. - bei Meidung eines Ord-

nungsgeldes in Höhe von bis zu 20.000,-- DM in

jedem Einzelfall - zu untersagen, kollektivbe-

zogene Überstunden für Beschäftigte des Be-

triebes der Beteiligten zu 2. anzuordnen oder

zu dulden, ohne daß vorher eine Zustimmung des

Betriebsrates dazu vorliegt oder ohne daß der

Beschluß einer Einigungsstelle die verweigerte

Zustimmung des Betriebsrates ersetzt hat,

2. hilfsweise,

der Beteiligten zu 2. - bei Meidung eines Ord-

nungsgeldes in Höhe von bis zu 20.000,-- DM in

jedem Einzelfall - zu untersagen, kollektivbe-

zogene Überstunden für Beschäftigte des Be-

triebes der Beteiligten zu 2. für Reparaturar-

beiten inklusive Docken und Slippen anzuordnen

oder zu dulden, ohne daß vorher eine Zustim-

mung des Betriebsrates dazu vorliegt oder ohne

daß der Beschluß einer Einigungsstelle die

verweigerte Zustimmung des Betriebsrates er-

setzt hat,

3. äußerst hilfsweise,

der Beteiligten zu 2. - bei Meidung eines Ord-

nungsgeldes in Höhe von bis zu 20.000,-- DM in

jedem Einzelfall - zu untersagen, Überstunden,

die darauf zurückzuführen sind, daß die anfal-

lende Arbeit nicht mit den vorhandenen Ar-

beitskräften bewältigt werden kann, für Be-

schäftigte des Betriebes der Beteiligten zu 2.

anzuordnen oder zu dulden, ohne daß vorher

eine Zustimmung des Betriebsrates dazu vor-

liegt oder ohne daß der Beschluß einer Eini-

gungsstelle die verweigerte Zustimmung des Be-

triebsrates ersetzt hat,

4. äußerst hilfsweise,

der Beteiligten zu 2. - bei Meidung eines Ord-

nungsgeldes in Höhe von bis zu 20.000.-- DM in

jedem Einzelfall - zu untersagen, Überstunden

für Reparaturarbeiten inklusive Docken und

Slippen, die darauf zurückzuführen sind, daß

die anfallende Arbeit nicht mit den vorhande-

nen Arbeitskräften bewältigt werden kann, für

Beschäftigte des Betriebes der Beteiligten zu

2. anzuordnen oder zu dulden, ohne daß vorher

eine Zustimmung des Betriebsrates dazu vor-

liegt oder ohne daß der Beschluß einer Eini-

gungsstelle die verweigerte Zustimmung des Be-

triebsrates ersetzt hat oder soweit nicht ein

Sonderfall des § 6 Ziff. 4 Abs. 3 MTV vorliegt

oder Notstandsfälle im Sinne der Rechtspre-

chung vorliegen.

Der Arbeitgeber hat jeweils beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Er hat eingeräumt, daß durch Meister seines Betriebes Überstunden ohne Beteiligung des Betriebsrates angeordnet wurden. Dies sei jedoch aufgrund des mit der Ausführung von Reparaturarbeiten verbundenen Termin- und Wettbewerbsdruckes erforderlich gewesen. Er meint, die vom Betriebsrat gestellten Anträge seien alle wegen fehlender Angabe der konkret zu unterlassenden Handlungen zu unbestimmt und damit unzulässig. Darüber hinaus müßten die Anträge zurückgewiesen werden, weil die Beteiligten am 21. Mai 1990 für den Bereich der Reparaturarbeiten eine Vereinbarung getroffen hätten, wonach in diesem Betrieb durch den jeweiligen Meister Überstunden bei Bedarf angeordnet werden dürften, der Betriebsrat hierbei lediglich nachträglich zu informieren sei. Des weiteren sei zu beachten, daß § 6 MTV in der jeweiligen Fassung einem umfassenden Globalantrag entgegenstehe, da dort eine Regelung für unvorhergesehene Fälle enthalten sei, die festlege, wie der Betriebsrat zu beteiligen sei.

Der Betriebsrat hat erwidert, die Vereinbarung, die am 21. Mai 1990 zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung für den Bereich der Reparaturarbeiten getroffen worden sei, stelle eine Zustimmung des Betriebsrats zu den entsprechenden Überstunden dar. Die Anträge des Betriebsrats im vorliegenden Verfahren würden dadurch nicht hinfällig.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Anträge des Betriebsrates abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde (Beschluß vom 5. März 1991 - 1 ABN 36/90 -) verfolgt der Betriebsrat seine zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Anträge weiter, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B.Die vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Anträge sind zulässig, aber nicht begründet.

I.1.Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, sämtliche Anträge des Betriebsrates entsprächen nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 ZPO und seien deshalb unzulässig.

Seit seiner Entscheidung vom 10. Juni 1986 (BAGE 52, 160 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit) geht der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt den unveröffentlichten Beschluß des Senats vom 12. November 1991 - 1 ABR 12/91 - m.w.N.) von der Zulässigkeit sog. "Globalanträge" aus, mit denen umfassend dem Arbeitgeber untersagt werden soll, für Arbeitnehmer seines Betriebes ohne vorliegende Zustimmung des Betriebsrats Überstunden anzuordnen oder zu dulden. Nach dieser Rechtsprechung, die auch derjenigen des Sechsten Senats (BAGE 48, 246 = AP Nr. 5 zu § 23 BetrVG 1972) und des Siebten Senats (Beschluß vom 18. September 1991 - 7 ABR 63/90 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) entspricht, genügen solche Anträge dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 ZPO. Sie gehen zwar in der Sache weit, sind jedoch eindeutig bestimmt, weil sie die Anordnung oder Duldung aller Überstunden erfassen. Dem Arbeitgeber wird deutlich, was von ihm verlangt wird. Ob ein grober Verstoß gegen die betriebsverfassungsrechtliche Pflicht, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung von Überstunden zu beachten, vorliegt und zur zukünftigen Sicherung des Mitbestimmungsrechts ein so weit gehendes Unterlassungsgebot rechtfertigt, ist eine Frage der Begründetheit des Antrags, nicht seiner Bestimmtheit und damit auch nicht seiner Zulässigkeit. Gerade in der von der Vorinstanz angeführten unveröffentlichten Entscheidung des Senats vom 22. November 1988 (- 1 ABR 16/87 - zu B I 1 der Gründe) hat sich der Senat mit den vom Landesarbeitsgericht angeführten Bedenken auseinandergesetzt und klargestellt, daß die inhaltliche Reichweite des Unterlassungsgebotes eine Frage der Begründetheit der Anträge ist. Das Landesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung keine neuen Gesichtspunkte dargelegt, die es rechtfertigen könnten, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Zumindest hätte es die Rechtsbeschwerde zulassen müssen, um dem Senat Gelegenheit zu geben, sich mit seiner abweichenden Rechtsansicht auseinanderzusetzen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (aaO) entsprechen alle Anträge des Betriebsrates dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 ZPO, da die Anträge für sich genommen jeweils nur eine räumliche und funktionale Einschränkung beinhalten. Dem Bestimmtheitserfordernis entsprechen auch die Einschränkungen in den Hilfsanträgen 3) und 4), wonach nur solche Überstunden betroffen sein sollen, die darauf zurückzuführen sind, daß die anfallende Arbeit nicht mit den vorhandenen Arbeitskräften bewältigt werden kann. Insoweit hat der Betriebsrat lediglich an die Entscheidung des Senats vom 10. Juni 1986 (BAGE 52, 160 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit) angeknüpft.

2.Die Anträge sind auch nicht unzulässig geworden, weil Arbeitgeber und Betriebsrat am 21. Mai 1990 eine formlose Abrede getroffen haben, nach der für Zwischen- und Endabnahmen von Reparaturaufträgen bzw. für "wirtschaftlich abzuschließende Teilfertigungen" zusätzliche Überstunden bei Bedarf durch den jeweiligen Meister angeordnet werden können und der Betriebsrat hierüber nur nachträglich zu informieren ist.

a)Nach allgemeiner Ansicht können die Betriebspartner nicht nur in einer Betriebsvereinbarung, sondern auch in einer formlosen Regelungsabrede mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 BetrVG regeln (Senatsurteil vom 20. November 1990 - 1 AZR 643/89 - DB 1991, 1229; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 64; Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 8; Fitting/Auffarth/ Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 77 Rz 90; Däubler/Kittner/ Klebe/Schneider, BetrVG, § 77 Rz 9). In einer solchen Vereinbarung kann der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG in der Weise ausüben, daß der Arbeitgeber ermächtigt wird, für bestimmte Fallgestaltungen Überstunden ohne jeweils im voraus erteilte Zustimmung des Betriebsrats anzuordnen (BAG Beschluß vom 12. Januar 1988 - 1 ABR 54/86 - AP Nr. 8 zu § 81 ArbGG 1979, zu B II 2 c der Gründe; unveröffentlichter Beschluß vom 12. November 1991 - 1 ABR 12/91 - zu B II 2 der Gründe).

b)Haben - wie vorliegend - die Betriebsparteien eine Regelung getroffen, nach der Überstunden für einen bestimmten Bereich des Betriebs ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats angeordnet und abgeleistet werden können, werden die entsprechenden Unterlassungsanträge des Betriebsrats nicht unzulässig, sondern unbegründet. So hat der Senat in seinem Beschluß vom 12. Januar 1988 (- 1 ABR 54/86 - AP Nr. 8 zu § 81 ArbGG 1979) einen Unterlassungsanspruch für unbegründet erachtet, weil unstreitig die in der Vergangenheit umstrittenen mitbestimmungsrechtlichen Fragen zwischenzeitlich in einer Betriebsvereinbarung geregelt worden waren. Die gleiche Auffassung hat der Senat in seiner unveröffentlichten Entscheidung vom 22. November 1988 (- 1 ABR 16/87 -) vertreten. Auch in diesem Fall führte der Abschluß einer Betriebsvereinbarung nach Einleitung des Beschlußverfahrens zur Unbegründetheit des Antrages.

II.Der Hauptantrag und die Hilfsanträge sind unbegründet. 1.Ziel des Hauptantrages ist es, dem Arbeitgeber kollektivbezogene Überstunden für Beschäftigte des Betriebes zu untersagen, die ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates oder diese ersetzenden Beschluß der Einigungsstelle angeordnet oder abgeleistet werden. Ein so weitgehender Antrag ist nur dann begründet, wenn kein einziger Fall denkbar ist, in dem die Anordnung von Überstunden ohne Beteiligung des Betriebsrats möglich ist (vgl. nur BAG Beschluß vom 22. November 1988 - 1 ABR 16/87 - zu B II 3 der Gründe).

a)Eine Ausnahme vom Erfordernis der vorherigen Zustimmung ergibt sich nicht aus § 6 Nr. 4 Abs. 3 MTV 1990, nach dem die Betriebsparteien durch eine vorsorgliche Regelung sicherstellen sollen, daß in Eil- und Notfällen Mehrarbeit verfahren werden kann.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat bei der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit nur mitzubestimmen, soweit es sich um kollektive Überstunden handelt und soweit eine tarifliche Regelung nicht besteht (zum Erfordernis eines kollektiven Tatbestandes vgl. zuletzt BAG Beschluß vom 12. November 1991 - 1 ABR 12/91 - zu B II 1 der Gründe, m.w.N.). Hinsichtlich der Anordnung von Überstunden in Eil- und Notfällen schreibt § 6 Nr. 4 Abs. 3 MTV 1990 den Betriebsparteien vor, eine vorsorgliche Regelung zu treffen. Die Regelung setzt das Mitbestimmungsrecht voraus und gibt den Betriebsparteien nur auf, eine umfassende Regelung für Eil- und Notfälle zu treffen. Solange eine derartige Vereinbarung nicht besteht, hat der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten, soweit ein kollektiver Bezug der Überstunden gegeben ist.

b)Der Hauptantrag des Betriebsrats auf Unterlassung jeglicher Überstunden ohne seine vorherige Zustimmung ist aber deshalb unbegründet, weil Arbeitgeber und Betriebsrat für den Reparaturbereich am 21. Mai 1990 in einer formlosen Abrede geregelt haben, daß die Meister Überstunden anordnen dürfen, wenn nachträglich der Betriebsrat informiert wird. Der Betriebsrat hat also in einer sehr weitgehenden Rahmenregelung sein Mitbestimmungsrecht ausgeübt. Hat der Betriebsrat für einen Teilbereich des Betriebes eine Regelung getroffen, nach der die Zustimmung des Betriebsrats vor der Anordnung von Überstunden nicht erforderlich ist, so fehlt eine Anspruchsgrundlage für einen Globalantrag, mit dem dem Arbeitgeber generell aufgegeben werden soll, die Anordnung von Überstunden zu unterlassen, solange der Betriebsrat nicht zugestimmt hat bzw. die Einigungsstelle die Zustimmung nicht ersetzt hat.

c)Der Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats im Rechtsbeschwerdeverfahren, die Regelungsabrede sei nicht durch einen Beschluß des Betriebsrats als Gremium gedeckt, außerdem habe der Betriebsrat sich vorbehalten, die Regelungsabrede fristlos zu kündigen, ist neues Tatsachenvorbringen, das der Senat nicht mehr hat berücksichtigen können.

d)Auch daß der Betriebsrat nach dem Vortrag seines Verfahrensbevollmächtigten dem Arbeitgeber mit Schreiben vom 20. Januar 1992 mitgeteilt hat, an der Vereinbarung ab 27. Januar 1992 nicht mehr festhalten zu wollen, ändert nichts daran, daß der Hauptantrag unbegründet ist, denn der Betriebsrat hat die Regelungsabrede nur mit einer Frist von drei Monaten kündigen können, so daß der Arbeitgeber auf jeden Fall noch bis zum 20. April 1992 im Reparaturbereich Überstunden anordnen darf, ohne vorher die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen.

Mit welcher Frist Regelungsabreden gekündigt werden können, ist vom Bundesarbeitsgericht bisher nicht abschließend entschieden worden. Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. November 1990 (- 1 AZR 643/89 - DB 1991, 1229, zu II der Gründe) von der Möglichkeit einer Kündigung von Regelungsabreden ausgegangen, hat jedoch nicht entschieden, mit welcher Frist eine solche Kündigung wirkt.

aa)Nach überwiegender Ansicht in der Literatur (Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 19; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 77 Rz 92; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 104; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band II/2, 7. Aufl., S. 1307) können Regelungsabreden einseitig durch Kündigung beendet werden. Allerdings ist für eine ordentliche Kündigung analog des § 77 Abs. 5 BetrVG eine Frist von drei Monaten einzuhalten.

Nach Auffassung von Richardi (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 164) findet § 77 Abs. 5 BetrVG keine, auch keine analoge, Anwendung, weshalb er für eine Kündbarkeit ohne Einhaltung einer Frist eintritt.

bb)Nach Auffassung des Senats sprechen rechtliche wie auch praktische Erwägungen für eine analoge Anwendung des § 77 Abs. 5 BetrVG, also für die Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist.

Die Regelungsabrede ist ein schuldrechtlicher Vertrag der Betriebsparteien. Sie wirkt lediglich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und hat keine normative Wirkung auf den Inhalt der Arbeitsverhältnisse (vgl. nur BAG Urteil vom 20. November 1990, aaO, zu III 2 der Gründe; ferner Dietz/Richardi, aaO, § 77 Rz 160, m.w.N.). Beschränkt sich der Inhalt der Regelungsabrede über die Ausübung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nicht auf einen Einzelfall, sondern soll die Regelung die Betriebsparteien für längere Zeit binden, muß sich jede Partei wie bei jedem anderen Dauerschuldverhältnis bürgerlichen Rechts durch Kündigung von dem schuldrechtlichen Vertrag lösen können. Die sofortige Beendigung des Rechtsverhältnisses bildet jedoch immer die Ausnahme. Sie ist im Regelfall nur in außergewöhnlichen Fällen denkbar. Auch bei der Regelungsabrede muß der kündigende Vertragsteil dem anderen die Möglichkeit geben, sich auf eine Änderung der Verhältnisse einzustellen. Das wird insbesondere im vorliegenden Fall deutlich, in dem der Arbeitgeber seinen Betrieb auf die Durchführung von Reparaturarbeiten mit Hilfe von Überstunden eingerichtet hat. Müßte er von einem Tag zum anderen vor der Anordnung von Überstunden die Zustimmung des Betriebsrats einholen, wäre es für ihn sehr schwer, einen geordneten Betriebsablauf bei der Vielzahl termingebundener Reparaturaufträge aufrechtzuerhalten. Da das Betriebsverfassungsgesetz keinen anderen Anhaltspunkt bietet, liegt es nahe, § 77 Abs. 5 BetrVG für eine Kündigungsregelung heranzuziehen. Danach kann auch die Regelungsabrede, soweit keine kürzere Kündigungsfrist vereinbart ist, nur mit einer dreimonatigen Frist gekündigt werden.

Das hat im Streitfall zur Folge, daß sich der Betriebsrat bis zum 20. April 1992 an der Regelung festhalten lassen muß. Dementsprechend ist der Hauptantrag unbegründet.

2.Die Hilfsanträge sind aus den gleichen Gründen wie der Hauptantrag unbegründet. Dementsprechend war die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Mager Hilgenberg

 

Fundstellen

Haufe-Index 436832

BB 1992, 1489

BB 1992, 1489-1490 (LT1)

DB 1992, 1734-1735 (LT1)

BuW 1992, 536 (K)

AiB 1992, 583-584 (ST1-2)

BetrVG EnnR BetrVG § 87 Abs 1, Nr 3 (6) (LT1)

JR 1993, 44

JR 1993, 44 (S)

NZA 1992, 952

NZA 1992, 952-954 (LT1)

RdA 1992, 285

SAE 1993, 164-167 (LT1)

AP § 77 BetrVG 1972 Regelungsabrede (LT1), Nr 1

EzA § 77 BetrVG 1972, Nr 47 (LT1)

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