Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvorbehalt. Einigungsstellenspruch zur Arbeitszeit. Betriebsverfassungsrecht

 

Orientierungssatz

§ 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 TV Nr. 75c für Zustellerinnen und Zusteller der Deutschen Post AG vom 11. Oktober 2000 sind abschließende tarifvertragliche Regelungen. Sie stehen Regelungen durch Betriebsvereinbarung oder Spruch der Einigungsstelle über die Schwankungsbreite der Abweichungen von der individuellen Wochenarbeitszeit entgegen.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 3 Sätze 1-2, § 87 Abs. 1 Eingangssatz, Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Sätze 1-2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1; Tarifvertrag Nr. 75c für Zustellerinnen und Zusteller der Deutschen Post AG vom 11. Oktober 2000 § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 4 Unterabs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 28.10.2002; Aktenzeichen 2 TaBV 2/02)

ArbG Neubrandenburg (Beschluss vom 07.11.2001; Aktenzeichen 2 BV 10/01)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. Oktober 2002 – 2 TaBV 2/02 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über einen Einigungsstellenspruch zur Arbeitszeit.

Die Arbeitgeberin betreibt ein bundesweites Netz von Niederlassungen, über das sie Briefsendungen zustellt. Der in den Niederlassungen geltende Tarifvertrag Nr. 75a vom 28. April 2000 sieht eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von durchschnittlich 38,5 Stunden sowie die Verpflichtung vor, Abweichungen innerhalb von zwölf Monaten auszugleichen. Der von der Arbeitgeberin im Rahmen eines Pilotprojekts geschlossene, am 1. Oktober 2000 in Kraft getretene TV Nr. 75c vom 11. Oktober 2000 enthält besondere Arbeitszeitregelungen für ca. 5.000 Zusteller, die in bestimmten Zustellstützpunkten beschäftigt sind. In diesen Organisationseinheiten ist nach § 1 Satz 2 TV Nr. 75c die “Gruppenarbeit mit Ist-Zeit-Erfassung die Regelarbeitsform”. Nach § 2 TV Nr. 75c sind für alle Arbeitnehmer Dienstpläne aufzustellen, deren Grundlage die tarifvertraglich oder einzelvertraglich vereinbarte Arbeitszeit ist. Der TV Nr. 75c enthält ferner ua. folgende Regelungen:

“§ 3

Zeiterfassung

(1) Über- bzw. Unterschreitungen der täglichen dienstplanmäßigen Arbeitszeit gemäß § 2 sind unter Berücksichtigung der nachstehenden Regelungen in IT-gestützten Arbeitszeitkonten als Mehr- oder Minderleistung zu erfassen. Die Ist-Zeit-Erfassung beginnt für die Zustellerinnen und Zusteller mit dem zwischen den Betriebsparteien festgelegten Dienstbeginn.

(2) Die maximal zulässige Schwankungsbreite der Abweichungen gemäß Abs. 1 beträgt jeweils das Dreifache der tarifvertraglich bzw. einzelarbeitsvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit.

§ 4

Zeitausgleich

(1) Die Arbeitszeitkonten werden nicht zu bestimmten Zeitpunkten abgerechnet. Innerhalb eines Zeitraums von längstens 12 Monaten ist das Arbeitszeitkonto einmal auszugleichen. Erfolgt ein Ausgleich beginnt der 12-Monats-Zeitraum erneut.

(2)…

(3) Der Arbeitnehmer kann mehrtägige, eintägige oder stundenweise Abweichungen vom Dienstplan unter Anrechnung der dienstplanmäßig ausfallenden Arbeitszeit auf sein Arbeitszeitkonto beanspruchen.

(4) Über Anträge auf Freizeitgewährung ist innerhalb von einer Woche zu entscheiden. Eine Ablehnung des Antrags ist dem Arbeitnehmer unter Angabe der Gründe mitzuteilen.

Soweit das Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers Mehrleistungen über die Höhe der einfachen individuellen Wochenarbeitszeit hinaus ausweist, sind Anträge auf Freizeitgewährung zu genehmigen, soweit keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen.

Soweit das Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers Mehrleistungen in Höhe der 2,5-fachen individuellen Wochenarbeitszeit ausweist, darf der Arbeitnehmer zu keinen weiteren Mehrleistungen herangezogen werden, bis zwischen den Betriebsparteien eine Freizeitausgleichsplanung vorgenommen wurde. Durch Betriebsvereinbarung können Mehrleistungen, die auf Grund der täglichen Verkehrsmengenschwankung entstehen, ausgenommen werden. Ein für einen späteren Zeitpunkt festgelegter Freizeitausgleich wird wie eine bereits erfolgte Freizeitgewährung gewertet. Eine Veränderung der Freizeitausgleichsplanung kann nur zwischen den Betriebsparteien vereinbart werden.”

Die nach dem TV Nr. 75c zu bildenden Zustellgruppen regeln gemäß § 11 Abs. 1 TV Nr. 75c grundsätzlich eigenverantwortlich den Personaleinsatz. Nach § 11 Abs. 4 TV Nr. 75c unterliegen Entscheidungen der Gruppe über Abweichungen von Dienstplänen nicht der Beteiligung des Betriebsrats, soweit das Arbeitszeitkonto des betroffenen Arbeitnehmers sich innerhalb der einfachen individuellen Wochenarbeitszeit befindet.

Im Bereich der Niederlassung Brief N.… werden von dem TV Nr. 75c die Zustellstützpunkte N.… -Ost und D.… erfasst. Die Ist-Zeit-Erfassung wurde hier zum 1. März 2001 eingeführt. Da der Arbeitgeberin und dem für die Niederlassung Brief N.… gebildeten Betriebsrat zunächst keine einvernehmliche Betriebsvereinbarung zur Anwendung des TV Nr. 75c gelang, wurde im Sommer 2001 die Einigungsstelle angerufen. Vor dieser schlossen die Beteiligten am 4. September 2001 eine “Betriebsvereinbarung zur Umsetzung des TV 75c” (BV). § 4 BV enthält Regelungen zum Freizeitausgleich. Über einen Punkt konnten sich die Betriebsparteien nicht einigen und vereinbarten in § 4 Abs. 2 folgendes:

“Thema: Schwellenwerte für Mehrarbeitsverbot in Abhängigkeit vom Stand des Stundenkontos und vom Stand der Freizeitausgleichsplanung – Verfahren: Über diesen Punkt soll die Einigungsstelle durch Beschluss entscheiden.”

Beide Beteiligte stellten sodann in der Einigungsstellensitzung vom 4. September 2001 Anträge zu § 4 Abs. 2 BV. Nachdem sich ohne Beteiligung des Vorsitzenden für keinen der Anträge eine Mehrheit gefunden hatte, fasste die Einigungsstelle in einem weiteren Abstimmungsgang unter Beteiligung des Vorsitzenden mit 4 zu 3 Stimmen entsprechend dem Antrag des Betriebsrats folgenden Beschluss:

“§ 4 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung zu TV 75c in der Kompromissfassung aus der Sitzung der Einigungsstelle vom 04.09.2001 erhält folgende Fassung:

‘Wird für Beschäftigte, deren Mehrarbeitshöhe die einfache WAZ erreicht oder überschritten hat und die einen Antrag auf Freizeitabwicklung gestellt haben, nicht innerhalb einer Woche nach Antragstellung im Verfahren nach Absatz 3 zwischen den Betriebsparteien der Freizeitausgleich einvernehmlich geregelt, darf der Beschäftigte zu weiterer Mehrleistung nicht herangezogen werden.

Beschäftigte, deren Mehrleistungshöhe die 1,5fache WAZ erreicht hat, dürfen ohne einvernehmliche Freizeitausgleichsplanung nach Absatz 3 nicht zu Mehrleistungen herangezogen werden.’”

Die Arbeitgeberin hat die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs geltend gemacht. Es fehle an einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Zumindest sei es auf Grund abschließender tarifvertraglicher Regelung gemäß § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle bei der Niederlassung Produktion Brief N.… vom 4. September 2001 unwirksam ist.

Der Betriebsrat hat um Zurückweisung des Antrags gebeten. Er hat die Auffassung vertreten, er habe ein durch den TV Nr. 75c nicht ausgeschlossenes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin zu Recht entsprochen. Der Einigungsstellenspruch ist unwirksam. Ihm steht die abschließende tarifvertragliche Regelung in § 4 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 TV Nr. 75c entgegen.

I. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig.

1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die von der Einigungsstelle am 4. September 2001 zu § 4 Abs. 2 BV beschlossene Regelung. Dagegen hatte der Senat nicht darüber zu entscheiden, welche Folgen eine Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs für die restliche BV hat.

2. Die Arbeitgeberin hat an der begehrten Feststellung das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse. Bei einem Streit der Betriebsparteien über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs ist der im Beschlussverfahren angebrachte Feststellungsantrag jedenfalls dann zulässig, wenn die Einigungsstelle eine Regelung in der Sache getroffen hat (vgl. BAG 28. Mai 2002 – 1 ABR 37/01 – AP BetrVG 1972 § 87 Urlaub Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 87 Bildungsurlaub, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe). Durch die Entscheidung über einen auf die Feststellung der Unwirksamkeit eines derartigen Einigungsstellenspruchs gerichteten Antrag wird geklärt, ob die von der Einigungsstelle getroffene Regelung zwischen den Betriebsparteien sowie gegenüber den Arbeitnehmern zur Anwendung kommt.

II. Der Antrag ist begründet. Der Spruch der Einigungsstelle ist unwirksam. Dabei kann dahin stehen, ob überhaupt und ggf. unter welchen Voraussetzungen innerhalb eines Regelungsgegenstands ein Einigungsstellenspruch zu einer (Detail-)Frage ergehen kann, die in wechselseitiger Abhängigkeit zu anderen von den Betriebsparteien bereits einvernehmlich geregelten Fragen desselben Regelungsgegenstands steht. Jedenfalls verstößt der Einigungsstellenspruch, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.

1. Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein.

a) Die Vorschrift gewährleistet die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang zur Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Diese Befugnis soll nicht durch ergänzende oder abweichende Regelungen der Betriebspartner ausgehöhlt werden (BAG 20. Februar 2001 – 1 AZR 233/00 – BAGE 97, 44, 49 = AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 15 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 65, zu II 1 der Gründe mwN; 29. Oktober 2002 – 1 AZR 573/01 – AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 72, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 1a aa der Gründe). Eine gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist – schwebend oder endgültig –unwirksam, wenn auch nicht nichtig (BAG 20. April 1999 – 1 AZR 631/98 – BAGE 91, 244, 257 f. = AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 12 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 64, zu II 3b der Gründe). Ein die Einigung der Betriebsparteien ersetzender Spruch der Einigungsstelle ist in gleicher Weise unwirksam. Die Normsetzungsmacht der Einigungsstelle reicht nicht weiter als diejenige der Betriebsparteien.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt die Sperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG allerdings dann nicht, wenn es um Angelegenheiten geht, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen (BAG GS 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – BAGE 69, 134, 150 ff. = AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 51 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 30, zu C I 4 der Gründe; BAG 24. Januar 1996 – 1 AZR 597/95 – BAGE 82, 89, 94 = AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 55, zu I 2 der Gründe; 5. März 1997 – 4 AZR 532/95 – BAGE 85, 208, 218 = AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 58, zu II 2b der Gründe). Diese ist aber nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG dann ausgeschlossen, wenn ein Gesetz oder ein Tarifvertrag, an den zumindest der Arbeitgeber gebunden ist, die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit abschließend und zwingend regelt und damit schon selbst dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts Genüge tut (BAG GS 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – aaO, zu C II 1b der Gründe mwN; BAG 17. November 1998 – 1 ABR 12/98 – BAGE 90, 194, 201 = AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 79 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 59, zu B II 2a aa der Gründe mwN). Die Tarifvertragsparteien dürfen sich allerdings nicht darauf beschränken, das gesetzliche Mitbestimmungsrecht durch ein Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers zu ersetzen (vgl. BAG 17. November 1998 – 1 ABR 12/98 – aaO).

c) Nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG außerdem dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Dies muss nicht wörtlich geschehen. Die Zulassung muss aber im Tarifvertrag deutlich zum Ausdruck kommen (BAG 29. Oktober 2002 – 1 AZR 573/01 – AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 72, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 1a cc der Gründe mwN).

2. Hiernach ist der Einigungsstellenspruch nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam.

a) Allerdings betrifft er eine nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG grundsätzlich mitbestimmungspflichtige Angelegenheit. Das nach dieser Bestimmung dem Betriebsrat zustehende Mitbestimmungsrecht besteht auch bei der Einführung und Ausgestaltung variabler Arbeitszeitmodelle (vgl. BAG 18. April 1989 – 1 ABR 3/88 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 33 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 35; Fitting BetrVG 21. Aufl. § 87 Rn. 115; Richardi BetrVG 8. Aufl. § 87 Rn. 279; Wiese GK-BetrVG 7. Aufl. § 87 Rn. 334 ff.). Hier geht es um ein typisches Element solcher Modelle, den Ausgleich von Zeitguthaben, die durch Schwankungen der Arbeitszeit entstehen.

b) Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats steht aber die Binnengrenze des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG entgegen. Der TV Nr. 75c enthält in § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 4 Unterabs. 3 eine abschließende und zwingende Regelung des durch den Spruch der Einigungsstelle – in anderer Weise – geregelten Gegenstands.

aa) Nach § 3 Abs. 2 TV Nr. 75c beträgt die maximal zulässige Schwankungsbreite der Abweichungen gemäß Absatz 1 jeweils das Dreifache der tarifvertraglich oder einzelarbeitsvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit. Damit ist zunächst die absolute Obergrenze festgelegt, die selbst bei vorgesehenem Freizeitausgleich und mit Zustimmung des Betriebsrats nicht überschritten werden darf. Eine weitere Grenze enthält sodann § 4 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 TV Nr. 75c. Danach darf der Arbeitnehmer, soweit sein Arbeitszeitkonto Mehrleistungen in Höhe der 2,5-fachen individuellen Wochenarbeitszeit ausweist, zu keinen weiteren Mehrleistungen herangezogen werden, bis zwischen den Betriebsparteien eine Freizeitausgleichsplanung vorgenommen wurde. Die tarifliche Bestimmung regelt ausdrücklich, wann eine Heranziehung der Arbeitnehmer zu weiteren Mehrleistungen nicht mehr zulässig ist. Damit betrifft sie genau dieselbe Frage wie der Spruch der Einigungsstelle. Die tarifvertragliche Regelung ist abschließend. Eine noch unterhalb der 2,5-fachen individuellen Wochenarbeitszeit liegende, von den Betriebsparteien einzuführende Obergrenze sieht der TV Nr. 75c nicht vor. Er eröffnet vielmehr in § 4 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 2 lediglich die Möglichkeit, durch Betriebsvereinbarung Mehrleistungen, die auf Grund der täglichen Verkehrsmengenschwankung entstehen, auszunehmen und so die Grenze des § 4 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 TV Nr. 75c nach oben, nicht aber nach unten zu verschieben. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ergibt sich aus § 11 Abs. 4 TV Nr. 75c nichts Gegenteiliges. Danach unterliegen Entscheidungen der Gruppe über Abweichungen von nach § 87 Abs. 1 BetrVG zustande gekommenen Dienstplänen nicht der Beteiligung des Betriebsrats, soweit das Arbeitszeitkonto des betroffenen Arbeitnehmers sich innerhalb der einfachen individuellen Wochenarbeitszeit befindet. Dies rechtfertigt nicht den Schluss, § 4 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 2 TV Nr. 75c enthalte lediglich einen Rahmen und belasse dem Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu Regelungen über eine niedrigere als die tarifliche Schwankungsbreite.

bb) In § 4 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 TV Nr. 75c haben die Tarifvertragsparteien auch nicht etwa die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in unzulässiger Weise ausgeschlossen, beschränkt oder durch die Alleinentscheidungsbefugnis der Arbeitgeberin ersetzt. Der Betriebsrat kann vielmehr sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der jeweiligen Aufstellung der Dienstpläne effektiv ausüben.

c) Eine den Spruch der Einigungsstelle ermöglichende Öffnungsklausel iSv. § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG enthält der TV Nr. 75c nicht.

 

Unterschriften

Wißmann, Kreft, Linsenmaierm, Peter Berg, Metz

 

Fundstellen

EzA

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