Entscheidungsstichwort (Thema)

Vornamen der Sachbearbeiter in Geschäftsbriefen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anweisung an Sachbearbeiter, in Geschäftsbriefen auch ihre Vornamen anzugeben, betrifft das Arbeitsverhalten und ist daher nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig.

2. Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen die Pflicht, seine Arbeitnehmer in der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu schützen und zu fördern (§ 75 Abs. 2 BetrVG), vermag kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu begründen.

 

Normenkette

BetrVG § 75 Abs. 2, § 87 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Zwischenurteil vom 25.08.1998; Aktenzeichen 13 TaBV 17/98)

ArbG Bonn (Zwischenurteil vom 21.01.1998; Aktenzeichen 4 BV 79/97)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats und des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 25. August 1998 – 13 TaBV 17/98 – wird zurückgewiesen.

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob Gesamtbetriebsrat und Betriebsrat von den Arbeitgeberinnen verlangen können, es zu unterlassen, ohne ihre Zustimmung in der Geschäftskorrespondenz die Vornamen der Sachbearbeiter anzugeben.

Die Arbeitgeberinnen gehören sämtlich dem von der D AG geführten Konzern an. Sie führen – jedenfalls im Raum Bonn – gemeinsame Betriebsstätten. Es besteht ein Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG über eine von § 4 BetrVG abweichende Zuordnung von Betriebsteilen, auf dessen Grundlage für die Region Bonn der verfahrensbeteiligte Betriebsrat errichtet wurde. Die Betriebsräte aller Betriebe der Arbeitgeberinnen zu 3 bis 6 haben den beteiligten Gesamtbetriebsrat gebildet.

Aufgrund von Vorgaben der Konzernobergesellschaft vereinheitlichten die Arbeitgeberinnen seit 1997 die äußere Form ihrer Geschäftsbriefe. Dabei ist u.a. vorgesehen, daß unter dem Betreff die sachbearbeitenden Angestellten jeweils mit Vornamen, Nachnamen und betrieblichem Telefonanschluß angegeben sind. Es besteht eine entsprechende Anweisung. Aufgrund der Programmierung des Computersystems gibt es – je nach der technischen Ausstattung der Arbeitsplätze – für einen Teil der Arbeitnehmer keine Möglichkeit, hiervon abweichend zu verfahren. Weder der Betriebsrat noch der Gesamtbetriebsrat hat der Neuregelung zugestimmt. Für die in Bonn vorher übliche Praxis, die Sachbearbeiter nur mit dem Nachnamen zu nennen, bestand ebenfalls keine mitbestimmte Regelung. Insoweit hatten der Betriebsrat und der Gesamtbetriebsrat auch kein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen. In der Geschäftsstelle Wiesbaden der Arbeitgeberinnen bestand eine andere Praxis. Dort waren die Sachbearbeiter schon seit einigen Jahren mit Vor- und Nachnamen bezeichnet worden.

Gesamtbetriebsrat und Betriebsrat haben die Auffassung vertreten, ohne ihre Zustimmung seien die Arbeitgeberinnen nicht befugt, die Arbeitnehmer anzuweisen, in der Geschäftskorrespondenz ihre Vornamen preiszugeben. Ein entsprechender Unterlassungsanspruch folge zum einen daraus, daß insoweit ein Mitbestimmungsrecht bestehe. Es handele sich nämlich um eine Frage des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. In diesem Zusammenhang seien die Vorgaben über die Namensnennung in Geschäftsbriefen nicht anders zu bewerten als etwa Anweisungen über eine einheitliche Kleidung der Arbeitnehmer. Selbst wenn aber ein Mitbestimmungsrecht zu verneinen wäre, so ergebe sich ein Unterlassungsanspruch aus dem Gebot des § 75 Abs. 2 BetrVG, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Indem die Arbeitgeberinnen an Außenstehende die Vornamen der Arbeitnehmer preisgäben, übermittelten sie in unzulässiger Weise personenbezogene Daten. Hierin liege eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer. Dadurch, daß die Sachbearbeiter leichter zu individualisieren seien, wachse die Gefahr von Belästigungen. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch stehe sowohl dem Gesamtbetriebsrat als auch dem Betriebsrat zu.

Gesamtbetriebsrat und Betriebsrat haben zuletzt beantragt,

den Arbeitgeberinnen zu untersagen, in ihrer Geschäftskorrespondenz den Vornamen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Zustimmung der Antragsteller zu verwenden.

Die Arbeitgeberinnen haben beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Nach ihrer Meinung besteht kein Unterlassungsanspruch. Die Anweisung, in Geschäftsbriefen auch den Vornamen des Bearbeiters anzugeben, sei nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Sie betreffe nicht die Ordnung des Betriebs, sondern allein die Arbeitsleistung. Auch aus § 75 Abs. 2 BetrVG ergebe sich kein Anspruch. Die dort geregelte Förderpflicht begründe kein Mitbestimmungsrecht. Im übrigen greife die Verpflichtung zur Angabe des Vornamens nicht in unzumutbarer Weise in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer ein. Sie diene dem Zweck, im Interesse des Unternehmens Transparenz, Offenheit und Kundennähe darzustellen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats und des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen Gesamtbetriebsrat und Betriebsrat ihr Begehren weiter. Die Arbeitgeberinnen bitten, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde ist erfolglos. Der Antrag ist unbegründet. Dabei bedarf es keiner Erörterung, ob ein Anspruch beiden Antragstellern gemeinsam, ausschließlich dem Betriebsrat oder, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat, ausschließlich dem Gesamtbetriebsrat zustehen könnte. Der streitige Anspruch hat keine Rechtsgrundlage.

I. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht etwa daraus, daß die Arbeitgeberinnen das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verletzt hätten. Ihr Vorgehen ist nicht mitbestimmungspflichtig.

1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. An dessen Gestaltung soll den Arbeitnehmern eine gleichberechtigte Teilhabe gewährleistet werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen mitbestimmungspflichtigem Ordnungsverhalten und mitbestimmungsfreiem Arbeitsverhalten. Letzteres wird von allen Weisungen betroffen, die bei der Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten sind. Das Arbeitsverhalten ist berührt, wenn der Arbeitgeber kraft seiner Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll. Mitbestimmungsfrei sind danach nur Anordnungen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert wird. Hingegen betreffen Anordnungen, die dazu dienen, das sonstige Verhalten der Arbeitnehmer zu koordinieren, die Ordnung des Betriebs (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Beschluß vom 21. Januar 1997 – 1 ABR 53/96 – AP Nr. 27 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, zu B I 1 der Gründe; Beschluß vom 23. Juli 1996 – 1 ABR 17/96 – AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, zu B II 2 a aa der Gründe).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat entschieden, daß der Betriebsrat bei der Ausgestaltung einer einheitlichen Arbeitskleidung, die das äußere Erscheinungsbild des Unternehmens verbessern soll, mitzubestimmen hat; insoweit gehe es um das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer (BAGE 72, 40, 43 = AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, zu I 2 der Gründe; Beschluß vom 8. August 1989 – 1 ABR 65/88 – AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, zu B I 3 der Gründe).

2. Zu Unrecht berufen sich die Antragsteller auf diese Entscheidungen. Im vorliegenden Fall betrifft die Anweisung der Arbeitgeberinnen nicht die Ordnung des Betriebes, sondern das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer.

Allerdings folgt das entgegen der Auffassung der Arbeitgeberinnen nicht bereits daraus, daß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ausschließlich das innerbetriebliche Verhalten der Arbeitnehmer beträfe, so daß Regeln über das Auftreten gegenüber Geschäftspartnern des Arbeitgebers nie der Mitbestimmung des Betriebsrats unterlägen. Eine derartige Trennung kann nicht einschränkungslos vorgenommen werden. So mag das Tragen einer einheitlichen Kleidung, in der die Arbeitnehmer auch Kunden gegenübertreten, zu dem Zweck angeordnet werden, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Arbeitnehmer und ihre Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken. Dennoch ist auch das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betroffen.

Darum geht es hier aber nicht. Vielmehr beschränkt sich die Anweisung der Arbeitgeberinnen auf die Gestaltung eines Arbeitsprodukts, nämlich von Briefen an Kunden. Soweit die Arbeitspflicht der Arbeitnehmer die Korrespondenz mit Außenstehenden umfaßt, wird sie in der Weise konkretisiert, daß die Schreiben eine bestimmte äußere Form erhalten sollen. Vorgaben für die Form von Geschäftsbriefen sind indessen unerläßlich für Unternehmen, die sich gegenüber ihren Kunden als kompetente und seriöse Geschäftspartner darstellen wollen. Bliebe es dem jeweiligen Sachbearbeiter überlassen, welche äußere Gestalt er geschäftlichen Schreiben gibt, so könnte die hieraus resultierende Vielfalt bei den Adressaten sogar zu Unsicherheit darüber führen, ob sie es überhaupt mit autorisierten Äußerungen des jeweiligen Unternehmens zu tun haben. Insoweit machen auch die Antragsteller keine Zweifel geltend.

Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich hinsichtlich der Angabe der Namen der jeweiligen Bearbeiter keine Besonderheit. Die Korrespondenz ist Teil der Kommunikation mit den Kunden, die zu der von den Sachbearbeitern geschuldeten Arbeitsleistung gehört. Dieser Verkehr wird durch die Angabe des zuständigen Ansprechpartners im Unternehmen erleichtert. Dabei macht es für die rechtliche Bewertung keinen Unterschied, ob diese Angabe auf die betriebliche Telefonnummer beschränkt ist oder auch Vor- und Familiennamen zu erkennen gibt. Die Arbeitgeberinnen machen geltend, die Nennung des vollständigen Namens der Bearbeiter solle Offenheit signalisieren und dadurch die Kommunikation mit den Kunden fördern; dieser Zweck betrifft die Leistung der geschuldeten Arbeit.

Zwischen der bloßen Nennung des Nachnamens, die auch von den Antragstellern als mitbestimmungsfreie Vorgabe der Arbeitgeberinnen akzeptiert wird, und der zusätzlichen Bezeichnung der Bearbeiter mit dem Vornamen ist insoweit kein Unterschied zu erkennen. Weder das eine noch das andere betrifft das betriebliche Zusammenwirken und Zusammenleben der Arbeitnehmer.

II. Der von den Antragstellern geltend gemachte Unterlassungsanspruch läßt sich auch nicht aus § 75 Abs. 2 BetrVG herleiten. Es kann dahinstehen, ob ein Verstoß gegen diese Vorschrift vorliegt, und ob der Betriebsrat in einem solchen Fall außerhalb des Anwendungsbereichs des § 23 Abs. 3 BetrVG einen Anspruch auf Unterlassung hätte (bejahend z.B. Berg in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 75 Rz 42; verneinend z.B. GK-BetrVG/Kreutz, 6. Aufl., § 75 Rz 68). Auf einen derartigen Anspruch kann der vorliegende Antrag nicht gestützt werden. Er bekämpft die Anweisung der Arbeitgeberinnen nämlich nur deshalb, weil sie einseitig ergangen ist, und erstrebt eine mitbestimmte Regelung. Die Schutz- und Förderpflichten des § 75 Abs. 2 BetrVG bestehen aber für Arbeitgeber und Betriebsrat in gleicher Weise. Verletzt eine vom Arbeitgeber getroffene Regelung diese Vorschrift, so kann der Verstoß nicht dadurch geheilt werden, daß der Betriebsrat zustimmt. Vielmehr wäre eine entsprechende Betriebsvereinbarung nichtig (z.B. GK-BetrVG/Kreutz, 6. Aufl., § 75 Rz 92).

 

Unterschriften

Dieterich, Rost, Wißmann, Gentz, Schneider

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 08.06.1999 durch Klapp, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436277

BB 1999, 2357

DB 1999, 1275

DB 1999, 2218

DStR 2000, 1706

EBE/BAG 1999, 162

FA 1999, 265

FA 1999, 335

SAE 2000, 84

ZTR 1999, 573

AP, 0

AuA 1999, 374

DuD 2000, 45

RDV 2000, 23

VersR 1999, 1566

RdW 2000, 22

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge