Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung im Flugbetrieb

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Rechtsstreitigkeiten über Angelegenheiten einer gemäß § 117 Abs 2 BetrVG durch Tarifvertrag errichteten Vertretung des fliegenden Personals eines Luftfahrtunternehmens sind im Beschlußverfahren zu entscheiden.

2. Die durch einen solchen Tarifvertrag (hier: Tarifvertrag Personalvertretung für das Bordpersonal der Hapag- Lloyd Flug GmbH vom 12.10.1979 § 67) errichteten Vertretungen sind im Beschlußverfahren beteiligungsfähig.

3. § 117 BetrVG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

 

Normenkette

TVG § 1; GG Art. 3 Abs. 1; BetrVG §§ 106, 117; ArbGG § 83 Fassung: 1979-07-02

 

Verfahrensgang

LAG Bremen (Entscheidung vom 31.05.1983; Aktenzeichen 4 TaBV 34/82)

ArbG Bremen (Entscheidung vom 28.04.1982; Aktenzeichen 7 BV 5/82)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Personalvertretung des fliegenden Personals berechtigt ist, Mitglieder ihres Vertrauens in den Wirtschaftsausschuß zu entsenden.

Die beteiligte Fluggesellschaft ist ein Unternehmen des Bedarfsluftverkehrs mit Landbetrieben in Hamburg, Hannover, Düsseldorf und München. Die in den Landbetrieben gewählten Betriebsräte haben einen Gesamtbetriebsrat gebildet, der seinerseits einen Wirtschaftsausschuß gebildet hat. Die im Flugbetrieb der Fluggesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer haben entsprechend dem "Tarifvertrag Personalvertretung für das Bordpersonal" vom 12. Oktober 1979 (im folgenden: Tarifvertrag), abgeschlossen zwischen der Fluggesellschaft, der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, eine Personalvertretung gewählt. Der Tarifvertrag sieht für das Bordpersonal nicht die Errichtung eines Wirtschaftsausschusses vor, bestimmt vielmehr in § 67, daß die Unterrichtung und Beratung des Bordpersonals in wirtschaftlichen Angelegenheiten durch einen besonderen Tarifvertrag geregelt werden soll. Zum Abschluß eines solchen Tarifvertrages ist es bislang nicht gekommen.

Im Juni 1981 schlug die Personalvertretung dem Gesamtbetriebsrat vor, den Wirtschaftsausschuß paritätisch mit je drei Arbeitnehmern des fliegenden Personals und der Landbetriebe zu besetzen und benannte gleichzeitig im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer zu Mitgliedern bzw. Ersatzmitgliedern des Wirtschaftsausschusses. Der Gesamtbetriebsrat lehnte diesen Vorschlag ab und bestimmte seinerseits am 7. Juli 1981 vier - andere - Arbeitnehmer des fliegenden Personals zu Mitgliedern bzw. Ersatzmitgliedern des Wirtschaftsausschusses. Die Bestimmung der von der Personalvertretung vorgeschlagenen Arbeitnehmer zu Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses lehnte er ab. Der Wirtschaftsausschuß selbst hat anläßlich einer Sitzung vom 9. September 1981 dem von der Personalvertretung bestimmten Arbeitnehmer die Teilnahme an der Sitzung verweigert.

Die Personalvertretung ist der Ansicht, § 117 Abs. 2 BetrVG, wonach Regelungen über eine betriebliche Vertretung des Bordpersonals und deren Beteiligungsrechte nur durch einen Tarifvertrag geschaffen werden können, sei verfassungswidrig. Der Gesetzgeber könne die Regelung der Betriebsverfassung für das fliegende Personal von Luftfahrtunternehmen nur solange den Tarifvertragsparteien überlassen, wie diese von ihrer Regelungsbefugnis auch innerhalb einer vertretbaren Zeit Gebrauch machten. Die Tarifvertragsparteien seien jedoch hinsichtlich einer Regelung der Beteiligung des fliegenden Personals am Wirtschaftsausschuß untätig geblieben, was zu einer mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr zu vereinbarenden Benachteiligung geführt habe, da das fliegende Personal von der Unterrichtung über wirtschaftliche Angelegenheiten und deren Beratung ausgeschlossen werde. Eine gleichberechtigte Teilhabe des fliegenden Personals an der Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten erfordere die paritätische Besetzung des Wirtschaftsausschusses mit Arbeitnehmern des fliegenden Personals und der Landbetriebe. Entsprechend § 107 Abs. 1 BetrVG müsse zumindest ein Mitglied der Personalvertretung in den Wirtschaftsausschuß entsandt werden.

Die Personalvertretung hat daher im vorliegenden Verfahren beantragt

1. festzustellen, daß der Beschluß des Ge-

samtbetriebsrats vom 7. Juli 1981 über

die Benennung der Herren P. und L. als

ordentliche Mitglieder sowie Vertreter

der Angehörigen des fliegenden Personals

im Wirtschaftsausschuß sowie des Herrn

Ho. und der Frau He. als Ersatzmitglieder

für den Wirtschaftsausschuß rechtswidrig

ist,

2. festzustellen, daß anstelle der im Be-

schluß des Gesamtbetriebsrats vom 7. Ju-

li 1981 benannten ordentlichen und Er-

satzmitglieder die folgenden - namentlich

genannten - Personen als Vertreter des

fliegenden Personals der Personalvertre-

tung in den Wirtschaftsausschuß gewählt

worden sind,

3. hilfsweise, den Gesamtbetriebsrat zu ver-

pflichten, jeweils drei ordentliche und

drei Ersatzmitglieder der Personalvertre-

tung für die Teilnahme an allen ordentli-

chen und außerordentlichen Sitzungen des

Wirtschaftsausschusses zu benennen,

4. den Wirtschaftsausschuß zu verpflichten,

die Teilnahme der vom Gesamtbetriebsrat

zu benennenden ordentlichen Mitglieder,

im Falle der Verhinderung der ordentli-

chen Mitglieder die Teilnahme der benann-

ten Ersatzmitglieder, an allen ordentli-

chen und außerordentlichen Sitzungen des

Wirtschaftsausschusses zu dulden.

Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Fluggesellschaft und der Wirtschaftsausschuß haben keine Anträge gestellt.

Der Gesamtbetriebsrat hält die Anträge für unbegründet. Er und die Fluggesellschaft haben vorgetragen, daß Verhandlungen über einen Abschluß eines die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Personalvertretung regelnden Tarifvertrages aufgenommen worden seien. In der Vergangenheit seien im Wirtschaftsausschuß stets Angehörige des fliegenden Personals vertreten gewesen. Die Fluggesellschaft hat sich bereit erklärt, die Personalvertretung nach jeder Wirtschaftsausschußsitzung entsprechend zu unterrichten.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Anträge der Personalvertretung abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt diese ihre Anträge weiter, während der Gesamtbetriebsrat um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge der Personalvertretung im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Die Anträge sind mit Ausnahme des zweiten Hilfsantrages zulässig.

1. Die Anträge der Personalvertretung bedürfen der Auslegung, ihr Begehren wird nicht ohne weiteres deutlich.

Der Gesamtbetriebsrat hat mit Beschluß vom 7. Juli 1981 vier Angehörige des fliegenden Personals zu Mitgliedern bzw. Ersatzmitgliedern des Wirtschaftsausschusses bestimmt. Diese Personen genießen nicht das Vertrauen der Personalvertretung. Ihre Benennung erfolgte ohne Rücksicht auf die Vorschläge der Personalvertretung vom 25. Juni 1981. Die Personalvertretung ist der Ansicht, daß dieser Beschluß des Gesamtbetriebsrats rechtsunwirksam ist und begehrt mit seinem ersten Antrag eine entsprechende Feststellung.

Mit dem zweiten Antrag will die Personalvertretung festgestellt wissen, daß nicht die vom Gesamtbetriebsrat am 7. Juli 1981 bestimmten Angehörigen des fliegenden Personals, sondern die von ihr selbst benannten sechs Personen unmittelbar aufgrund dieser Benennung Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder des Wirtschaftsausschusses geworden sind.

Mit dem ersten Hilfsantrag soll für den Fall, daß nicht schon die Personalvertretung unmittelbar Mitglieder in den Wirtschaftsausschuß entsenden kann, der Gesamtbetriebsrat verpflichtet werden, drei Angehörige des fliegenden Personals, die zugleich Mitglieder der Personalvertretung sein sollen, als Mitglieder des Wirtschaftsausschusses zu bestimmen. Eine gleiche Verpflichtung soll hinsichtlich der zu bestimmenden Ersatzmitglieder bestehen.

Der zweite Hilfsantrag richtet sich gegen den Wirtschaftsausschuß selbst. Er soll verpflichtet werden, die Teilnahme der vom Gesamtbetriebsrat bestimmten Wirtschaftsausschußmitglieder an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses auch zu dulden.

2. Über die Anträge ist im Beschlußverfahren zu entscheiden. Es handelt sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne von § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Mit dieser Vorschrift ist das Beschlußverfahren für alle Streitigkeiten eröffnet worden, die aus dem Betriebsverfassungsrecht schlechthin entstehen können. Immer dann, wenn die durch das Betriebsverfassungsgesetz geregelte Ordnung des Betriebes und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Betriebspartner als Träger dieser Ordnung im Streit sind, soll darüber im Beschlußverfahren als der dafür geschaffenen und besonders geeigneten Verfahrensart entschieden werden. Das gilt auch dann, wenn Rechte betriebsverfassungsrechtlicher Organe im Streit sind, die sich nicht aus dem Betriebsverfassungsgesetz selbst ergeben, ihre Grundlage vielmehr in einem Tarifvertrag haben können (vgl. zuletzt Beschluß des Senats vom 16. Juli 1985 - 1 ABR 9/83 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). § 117 Abs. 2 BetrVG überläßt die Schaffung und Ausgestaltung der Betriebsverfassung für die Angehörigen des fliegenden Personals der Luftfahrtunternehmen einer tariflichen Regelung. Auch eine tariflich geregelte Betriebsverfassung und daraus sich ergebende Streitigkeiten sind daher Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne von § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Das gilt umso mehr als - wie der vorliegende Fall zeigt - Streitigkeiten aus einer tariflich geregelten Betriebsverfassung auch Rechte und Pflichten der nach dem Betriebsverfassungsgesetz gebildeten Organe und Stellen berühren können. Auch für Streitigkeiten nach § 117 BetrVG ist daher das Beschlußverfahren gegeben (vgl. BAG Beschluß vom 10. September 1985 - 1 ABR 28/83 -zu B III 1 der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt; ebenso Wiese, GK- BetrVG, 2. Bearbeitung, § 117 Rz 9; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 117 Rz 9).

3. a) Die Personalvertretung ist gemäß § 10 ArbGG beteiligungsfähig. Zwar ist sie keine unmittelbar nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder einer dazu ergangenen Rechtsverordnung gebildete Stelle, ihre Errichtung beruht jedoch auf einem durch § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zugelassenen Tarifvertrag. Sollen - wie dargelegt - Streitigkeiten aus einer tariflich geregelten Betriebsverfassung im Beschlußverfahren entschieden werden, müssen die nach der tariflichen Regelung errichteten Organe und Stellen im Beschlußverfahren auch beteiligungsfähig sein. Auch für die durch Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 BetrVG errichteten besonderen und anderen Vertretungen der Arbeitnehmer ist anerkannt, daß sie eine im Beschlußverfahren beteiligungsfähige Stelle im Sinne von § 10 ArbGG sind (Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 10 Rz 24).

Gegen die Beteiligungsfähigkeit des Gesamtbetriebsrats, des Wirtschaftsausschusses und der Fluggesellschaft bestehen keine Bedenken. Die Fluggesellschaft ist als juristische Person parteifähig und damit beteiligtenfähig. Der Gesamtbetriebsrat und Wirtschaftsausschuß sind nach dem Betriebsverfassungsgesetz gebildete Stellen und damit unmittelbar nach § 10 ArbGG beteiligtenfähig.

b) Gesamtbetriebsrat und Wirtschaftsausschuß sind auch Beteiligte des vorliegenden Verfahrens. Der Gesamtbetriebsrat wird durch die begehrte Entscheidung unmittelbar in seinen Rechten betroffen. Ein von ihm gefaßter Beschluß soll rechtsunwirksam sein, seine Befugnis, alle Mitglieder des Wirtschaftsausschusses zu bestimmen, soll beschnitten werden.

Gleiches gilt für den Wirtschaftsausschuß. Auch er soll - wenn auch nur hilfsweise - zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet werden.

Daß das Landesarbeitsgericht damit die Beteiligung des Wirtschaftsausschusses zu Unrecht aufgehoben hat, ist für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ohne Bedeutung. Dieser Verfahrensfehler ist von keinem Beteiligten gerügt worden. Der Senat hat den Wirtschaftsausschuß in der Rechtsbeschwerdeinstanz am Verfahren beteiligt.

4. Mit Ausnahme des zweiten Hilfsantrages ist das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben. Es folgt für den zweiten Hauptantrag schon daraus, daß die Beteiligten darüber streiten, ob die Personalvertretung berechtigt ist, unmittelbar Angehörige des fliegenden Personals als Mitglieder des Wirtschaftsausschusses zu benennen. Die Personalvertretung hat auch ein rechtliches Interesse daran, daß die Angehörigen des fliegenden Personals nicht durch Mitglieder des Wirtschaftsausschusses vertreten werden, die der Gesamtbetriebsrat entgegen ihren Vorstellungen bestimmt hat. Das begründet das Feststellungsinteresse für den ersten Hauptantrag.

Auch der erste Hilfsantrag ist zulässig. Die Personalvertretung erstrebt damit die Verpflichtung des Gesamtbetriebsrats, drei Angehörige des fliegenden Personals zu Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses zu bestimmen, die zudem noch Mitglieder der Personalvertretung selbst sein sollen. Das ist mehr als der Gesamtbetriebsrat bislang freiwillig zugestanden hat, der nur zwei Angehörige des fliegenden Personals, wovon nur einer Mitglied der Personalvertretung war, in den Wirtschaftsausschuß entsandt hat. In Zukunft anders zu verfahren, hat der Gesamtbetriebsrat ausdrücklich abgelehnt.

Für den zweiten Hilfsantrag ist ein Rechtsschutzinteresse nicht ersichtlich. Mit diesem Antrag soll der Wirtschaftsausschuß verpflichtet werden, die Teilnahme der vom Gesamtbetriebsrat benannten Wirtschaftsausschußmitglieder zu dulden. Daß der Wirtschaftsausschuß das je abgelehnt hat, ist nicht ersichtlich. Der Wirtschaftsausschuß hat lediglich dem von der Personalvertretung selbst benannten Arbeitnehmer die Teilnahme verweigert. Auf diesen bezieht sich aber der gegen den Wirtschaftsausschuß gerichtete Antrag nicht. Dieser Antrag ist damit unzulässig.

II. Die zulässigen Anträge sind nicht begründet.

1. Nach § 117 Abs. 1 BetrVG findet dieses Gesetz nur auf die Landbetriebe der Luftfahrtunternehmen und die darin beschäftigten Arbeitnehmer Anwendung. Die Angehörigen des fliegenden Personals sind damit aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgeschlossen. Die Bestellung des nach § 106 BetrVG zu bildenden Wirtschaftsausschusses obliegt daher nach § 107 Abs. 2 Satz 2 BetrVG dem Gesamtbetriebsrat, der gemäß § 47 Abs. 2 BetrVG aus Mitgliedern der in den Bodenbetrieben gewählten Betriebsräte besteht. Zu diesen Betriebsräten gehören nicht die aufgrund eines Tarifvertrages nach § 117 Abs. 2 BetrVG gewählten Vertretungen des fliegenden Personals, solange nicht durch einen genehmigungsbedürftigen Tarifvertrag nach § 117 Abs. 2 Satz 2 BetrVG etwas anderes bestimmt wird.

Welche Arbeitnehmer der Gesamtbetriebsrat zu Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses bestimmt, steht in seinem Belieben. Lediglich ein Mitglied des Wirtschaftsausschusses muß Mitglied eines Betriebsrats sein, wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob es auch Mitglied des Gesamtbetriebsrats sein muß. Damit besteht für den Gesamtbetriebsrat keine Verpflichtung, Angehörige des fliegenden Personals oder gar Mitglieder der Personalvertretung des fliegenden Personals in den Wirtschaftsausschuß zu entsenden. Auf der anderen Seite können vom Gesamtbetriebsrat Angehörige des fliegenden Personals in den Wirtschaftsausschuß entsandt werden. § 107 Abs. 1 BetrVG bestimmt lediglich, daß die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses dem Unternehmen angehören müssen und stellt ausdrücklich klar, daß auch leitende Angestellte zu Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses bestimmt werden können. Die Angehörigen des fliegenden Personals sind Arbeitnehmer des Unternehmens. Daß das Betriebsverfassungsgesetz auf sie keine Anwendung findet, ist insoweit ohne Bedeutung. Das Betriebsverfassungsgesetz findet auch auf die leitenden Angestellten keine Anwendung, gleichwohl können sie zu Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses bestimmt werden.

Der Tarifvertrag Personalvertretung Bordpersonal sieht für das fliegende Personal die Errichtung eines Wirtschaftsausschusses nicht vor und regelt auch nicht die Beteiligung des fliegenden Personals oder der Personalvertretung an dem nach § 106 BetrVG zu bildenden Wirtschaftsausschuß.

Das Verlangen der Personalvertretung findet daher weder im Betriebsverfassungsgesetz noch im genannten Tarifvertrag eine Grundlage.

2. § 117 Abs. 2 BetrVG verstößt dadurch, daß er die Angehörigen des fliegenden Personals vom Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausnimmt, nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Diese Verfassungsbestimmung gebietet, Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit auch ungleich zu behandeln. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gleichheitsgrundsatz nur verletzt, wenn wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die getroffene Differenzierung nicht finden läßt, diese vielmehr als willkürlich bezeichnet werden muß (BVerfGE 1, 14, 52 und von da an in ständiger Rechtsprechung). Die Herausnahme des fliegenden Personals aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ist durch vernünftige, sich aus der Natur der Sache ergebende Gründe geboten und nicht willkürlich.

Der Gesetzgeber hat das fliegende Personal im Hinblick auf dessen besondere, nicht ortsgebundene Art der Tätigkeit aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes herausgenommen (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. VI/1786, S. 58). Die Differenzierung zwischen dem fliegenden Personal und den in den Landbetrieben beschäftigten Arbeitnehmern von Luftfahrtunternehmen beruht damit auf objektiv gegebenen Unterschieden. Diese lassen auch eine unterschiedliche Regelung sachgerecht erscheinen. Die nicht ortsgebundene Tätigkeit des fliegenden Personals macht ihre Zuordnung zu einem Betrieb und ihre Vertretung oder Mitvertretung durch den Betriebsrat schwierig. Das räumt auch die Personalvertretung ein. Sie nennt selbst weitere Besonderheiten, die eine unterschiedliche Ausgestaltung der Betriebsverfassung für das fliegende Personal notwendig machen, wie etwa die Notwendigkeit bestimmter Mindestflugzeiten, die einer Einbeziehung des fliegenden Personals in die gesetzliche Betriebsverfassung entgegenstehen. Eine schematische Gleichbehandlung würde entweder das fliegende Personal bei der Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte vor große Schwierigkeiten stellen oder aber die Bodenbetriebsräte zwingen, in einem ihrer Arbeit abträglichen Ausmaß auf die Besonderheiten des fliegenden Personals Rücksicht zu nehmen. Die Herausnahme des fliegenden Personals aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ist daher sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber das fliegende Personal nicht gänzlich von einer Betriebsverfassung ausgeschlossen, vielmehr den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit gelassen hat, eine den Besonderheiten des fliegenden Personals Rechnung tragende Vertretung zu errichten und dieser Beteiligungsrechte einzuräumen. Von dieser Befugnis haben die Tarifvertragsparteien weitgehend Gebrauch gemacht, wie die Vielzahl der Tarifverträge für die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer der einzelnen Luftfahrtunternehmen beweisen (vgl. die Übersicht bei Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 117 Rz 2). Dabei war der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten, den Tarifvertragsparteien Auflagen hinsichtlich der näheren Ausgestaltung der Regelung zu machen und etwa einen Mindeststandard von Beteiligungsrechten für die Betriebsvertretung des fliegenden Personals vorzuschreiben (BVerfGE 52, 283 = AP Nr. 14 zu § 118 BetrVG 1972). Er konnte den Tarifvertragsparteien die Freiheit lassen, selbst zu bestimmen, welche Beteiligungsrechte einer Vertretung des fliegenden Personals eingeräumt werden sollten. Er konnte es auch der Entscheidung der Tarifvertragsparteien überlassen, ob die Vertretung des fliegenden Personals ihre Befugnisse neben den Organen der Betriebsverfassung wahrnimmt oder ob beide und gegebenenfalls in welcher Weise zusammenarbeiten sollen. Ist damit die vom Gesetzgeber in § 117 Abs. 2 BetrVG getroffene Entscheidung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, so bestehen auch gegen die Regelung des Tarifvertrages Personalvertretung Bordpersonal, wonach für das fliegende Personal (vorerst noch) kein dem Wirtschaftsausschuß vergleichbares Gremium zu errichten ist, keine Bedenken. Der Senat kann diese Entscheidung der Tarifvertragsparteien nicht dadurch korrigieren, daß er dem fliegenden Personal eine irgendwie geartete Beteiligung an dem nach § 106 BetrVG für die Landbetriebe zu errichtenden Wirtschaftsausschuß zuerkennt. Es bleibt den Tarifvertragsparteien überlassen, ob sie dem fliegenden Personal eine solche Beteiligung gewähren wollen oder nicht.

Dr. Kissel Dr. Heither Matthes

Dr. Giese Lappe

 

Fundstellen

NZA 1985, 769

RdA 1986, 135

AP § 117 BetrVG 1972 (LT1-3), Nr 4

EzA § 117 BetrVG 1972, Nr 2 (LT1-3)

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