Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung übertariflicher Zulagen auf Tariferhöhung

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 50

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 24.05.1995; Aktenzeichen 2 TaBV 5/94)

ArbG Stuttgart (Beschluss vom 22.04.1994; Aktenzeichen 20 BV 20/93)

 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24. Mai 1995 – 2 TaBV 5/94 – aufgehoben, soweit er die Anrechnung von Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen zum Gegenstand hat.

Im Umfang der Aufhebung wird auf die Beschwerde der Arbeitgeberin der Beschluß des Arbeitsgerichts Stuttgart – Kammern Ludwigsburg – vom 22. April 1994 – 20 BV 20/93 – abgeändert und der Antrag des Betriebsrats abgewiesen.

2. Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat im Werk S. bei der Anrechnung der Tariferhöhung im Jahre 1993 auf übertarifliche Zulagen mitzubestimmen hatte.

Die Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Betrieb in S. rund 4000 Arbeitnehmer mit Forschungs- und Entwicklungsaufgaben. Sie ist kraft Verbands Zugehörigkeit an die Tarifverträge der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden gebunden. Die – monatlich zu zahlenden – Tariflöhne und -gehälter wurden zum 1. April 1993 um 3 % erhöht. Gleichzeitig verkürzte sich die tarifliche Wochenarbeitszeit von 37 auf 36 Stunden.

Im Betrieb bestehen verschiedenartige Arbeitszeit- und Entgeltregelungen. Insoweit läßt sich die Belegschaft in Gruppen einteilen, deren Arbeitsentgelte sich im Zusammenhang mit der Tariferhöhung 1993 in unterschiedlicher Weise änderten:

  • Die Arbeiter und Angestellten, deren regelmäßige Arbeitszeit mit der normalen tariflichen Wochenarbeitszeit übereinstimmt, erhalten neben ihrem Tarifentgelt eine übertarifliche Zulage. Diese ist bei den einzelnen Arbeitnehmern unterschiedlich hoch. Die Arbeitgeberin hat sich die Anrechnung mit „Erhöhungen der tariflichen … Lohnbestandteile” bzw. „Erhöhungen des Tarifgehalts” einzelvertraglich vorbehalten. Die Tariferhöhung von 3 % wurde bei diesen Arbeitnehmern in vollem Umfang auf die Zulage angerechnet.
  • Auch die Arbeiter und Angestellten, mit denen eine individuelle regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden oder Teilzeitarbeit vereinbart ist, erhalten zum Tarifentgelt eine übertarifliche Zulage in unterschiedlicher Höhe. Die Anrechnung mit Tariferhöhungen ist in gleicher Weise wie bei der ersten Gruppe vorbehalten. Die individuelle Arbeitszeit dieser Arbeitnehmer blieb nach der tariflichen Arbeitszeitverkürzung auf 36 Wochenstunden unverändert. Deswegen stand ihnen ein tariflicher Arbeitszeitverkürzungsausgleich in Höhe von 2,78 % des wöchentlichen Arbeitsentgelts zu. Dieser Ausgleich entspricht rechnerisch ungefähr dem Entgelt für eine Arbeitsstunde. Die Arbeitgeberin rechnete den Ausgleich ebenso wie die dreiprozentige Entgelterhöhung in vollem Umfang auf die Zulagen an, soweit deren Höhe das zuließ.
  • Die etwa 700 Angestellten auf Gruppenleiterebene (sog. EG-1-Angestellte) erhalten ein „Festes Monatsgehalt”, das nicht unerheblich über der höchsten tariflichen Gehaltsgruppe liegt. Es ist nicht in tarifliche und übertarifliche Bestandteile aufgegliedert. Die Arbeitsverträge dieser Angestellten enthalten folgende Bestimmung:

    „Treten aufgrund tariflicher Vereinbarungen generell Änderungen der Effektivgehälter unserer Stuttgarter Tarifangestellten ein, so ändert sich auch Ihr Festes Monatsgehalt, und zwar um den Betrag, um den sich das Tarifgehalt der obersten Tarifgruppe verändert.”

    Die Wochenarbeitszeit der EG-1-Angestellten beträgt 40 Stunden. Bis zu zwölf Mehrarbeitsstunden monatlich sind mit dem Gehalt abgegolten. Die Arbeitgeberin erhöhte die Gehälter zum 1. April 1993 um einen Betrag, der 3 % des bisherigen höchsten Tarifgehalts entsprach, sowie um weitere 2,78 % als Arbeitszeitverkürzungsausgleich. Zugleich bat sie die EG-1-Angestellten, freiwillig auf 3 % des Festen Monatsgehalts, berechnet nach dessen bisheriger Höhe, zu verzichten. Dieser Aufforderung folgten fast alle Betroffenen.

  • Weiter gibt es im Werk S. etwa 150 Angestellte auf Abteilungsleiterebene (EG-2-Angestellte) und 50 bis 60 Angestellte auf höherer Ebene (EG-3-Angestellte). Die letzteren sind weit überwiegend leitende Angestellte; unter ihnen befinden sich aber auch wenigstens zwei nicht leitende Angestellte. Mit den EG-2- und den EG-3-Angestellten ist ein Richteinkommen vereinbart. Die Vergütung besteht aus einem festen und einem variablen Anteil, die so bemessen sind, daß das Richteinkommen nicht um mehr als 10 % (bei den EG-3-Angestellten: 15 %) über- oder unterschritten wird. Die Arbeitszeit richtet sich nach den Erfordernissen der übertragenen Aufgaben. Mehrarbeit ist durch das Gehalt abgegolten. Die Arbeitgeberin erhöhte die Richteinkommen zum 1. April 1993 um unterschiedliche Beträge. Sie ging dabei so vor, daß sie jedem Betrieb des Unternehmens ein bestimmtes Volumen für die Erhöhung der EG-2- und der EG-3-Gehälter zuwies, über dessen Verteilung auf die einzelnen Angestellten dann die jeweilige Betriebsleitung entschied. Die Gehaltserhöhung wurde den Angestellten durch ein Schreiben mitgeteilt, in dem es hieß:

    „zu Ihrem Anstellungsvertrag teilen wir Ihnen folgendes mit:

    1. Einkommen

    Wir bitten Sie um Verständnis, daß aufgrund der unbefriedigenden Ertragslage 1992 und der ungünstigen konjunkturellen Aussichten für das Jahr 1993 die Erhöhungen der Richteinkommen erst zum 1. April 1993 wirksam werden.

    Vom 1. April 1993 an erhöhen wir Ihr Richteinkommen – § 3 (1) Ihres Anstellungsvertrages – von … DM brutto auf … DM brutto.

    …”

    Auf entsprechende Aufforderung verzichteten fast alle EG-2- und EG-3-Angestellten auf 3 % ihres festen Gehaltsanteils.

Das System der EG-Gehälter beruht auf einer im Jahr 1977 zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarung, in der die Gruppen EG 1 bis 3 als „außertarifliche Einkommensgruppen” bezeichnet sind. Die Voraussetzungen für die Zuordnung zu den verschiedenen EG-Gruppen und die Höhe der Entgelte sind in der Betriebsvereinbarung nicht geregelt.

Die Arbeitgeberin unterrichtete den Betriebsrat über die beabsichtigte Anrechnung der Tariferhöhung auf die in den beiden unteren Arbeitnehmergruppen gezahlten Zulagen, holte aber nicht seine Zustimmung dazu ein. Eine von ihr vorgeschlagene Betriebsvereinbarung, nach der die Anrechnung des Arbeitszeitverkürzungsausgleichs von 2,78 % unterbleiben sollte, lehnte der Betriebsrat ab. Auch bei der Erhöhung der EG-Gehälter bestimmte er nicht mit.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Anrechnung der Tariferhöhung auf die übertariflichen Zulagen in den beiden unteren Arbeitnehmerkategorien sowie die Erhöhung der EG-Gehälter seien mitbestimmungspflichtig gewesen. Zwar sei die Anrechnung bei isolierter Betrachtung vollständig und damit mitbestimmungsfrei gewesen. Eine solchermaßen beschränkte Sicht sei aber verfehlt, denn die Anrechnung könne nicht unabhängig von der gleichzeitigen Gehaltserhöhung im EG-Bereich beurteilt werden. Sowohl die Anrechnung als auch die durch Gehaltsverzicht teilweise zurückgenommene Erhöhung der EG-Gehälter hätten dem Ziel gedient, die Personalkosten möglichst stabil zu halten. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß die EG-1-Angestellten teilweise Gewerkschaftsmitglieder seien, deren Gehälter sich aus einem tariflichen und einem übertariflichen Bestandteil zusammensetzten. Eine gemeinsame Bewertung der zum 1. April 1993 in den verschiedenen Gruppen vorgenommenen Änderungen der Gehälter sei auch geboten, um eine Umgehung der Mitbestimmung zu verhindern. Anderenfalls könnte die Arbeitgeberin dadurch, daß sie den Kreis der Empfänger übertariflicher Gehaltsbestandteile in möglichst viele Gruppen aufspaltete, die Mitbestimmung bei der Anrechnung sachwidrig beschränken. Der Betriebsrat hat weiter gemeint, die Ausübung des Mitbestimmungsrechts obliege ihm, nicht dem Gesamtbetriebsrat. Es bestehe keine Notwendigkeit, die Anrechnung der Zulagen und die Gehaltserhöhungen im EG-Bereich unternehmenseinheitlich zu regeln.

Der Betriebsrat hat, soweit für die Rechtsbeschwerde von Interesse, beantragt

festzustellen, daß die Arbeitgeberin durch die betriebliche Lohngestaltung im Werk S. ab 1. April 1993, die in der Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen sowie in Gehaltserhöhungen der Einkommensgruppen 1 bis 3 bestand, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt hat.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Nach ihrer Auffassung war die Anrechnung nicht mitbestimmungspflichtig. Sie sei vollständig erfolgt, so daß kein Spielraum für eine abweichende Gestaltung bestanden habe. Auch wenn man davon ausgehe, daß die Gehaltserhöhung in den Gruppen EG 1 und EG 2 mitbestimmungspflichtig gewesen sei, könne die Anrechnung der Tariferhöhung in den beiden unteren Gruppen mitbestimmungsrechtlich nicht mit dieser Gehaltserhöhung in Zusammenhang gebracht werden. Insoweit bestünden verschiedenartige Vergütungssysteme. Die zwischen diesen vorhandenen Unterschiede seien sachlich gerechtfertigt. Ein Mitbestimmungsrecht könne immer nur innerhalb des Dotierungsrahmens bestehen, der sich auf ein einheitliches Vergütungssystem beziehe. Was die Erhöhung der EG-3-Gehälter angehe, so scheide ein Mitbestimmungsrecht aus, weil es sich bei den wenigen betroffenen nicht leitenden Angestellten nicht um einen kollektiven Tatbestand gehandelt habe. Ihnen seien vielmehr individuell unterschiedliche Gehaltserhöhungen zugesagt worden. Im übrigen könne ein mögliches Mitbestimmungsrecht nur vom Gesamtbetriebsrat ausgeübt werden, da es hier um freiwillige Leistungen gehe, die sie, die Arbeitgeberin, nur unternehmenseinheitlich zu gewähren bereit sei.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag, soweit er auf die Anrechnung der Zulagen und die Erhöhung der EG-1- und EG-2-Gehälter bezogen ist, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und auf die Anschlußbeschwerde des Betriebsrats festgestellt, daß die Arbeitgeberin auch bei der Erhöhung der EG-3-Gehälter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht beachtet habe. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag, bezogen auf die Anrechnung der Zulagen und auf die Erhöhung der EG-3-Gehälter, weiter. Soweit der zweitinstanzliche Beschluß eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei der Erhöhung der EG-1- und EG-2-Gehälter festgestellt hat, greift sie ihn nicht an.

 

Entscheidungsgründe

B. Der Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin war stattzugeben, soweit die Vorinstanzen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anrechnung der Tariferhöhung auf die übertariflichen Zulagen in den beiden unteren Arbeitnehmerkategorien bejaht haben (I). Dagegen war die Rechtsbeschwerde erfolglos, soweit sie sich auf das Mitbestimmungsrecht bei der Erhöhung der EG-3-Gehälter bezog (II).

I. Bei der Anrechnung der Tariferhöhung vom 1. April 1993 auf die übertariflichen Zulagen hatte der Betriebsrat nicht mitzubestimmen. Die Erhöhung wurde vollständig angerechnet, so daß kein mitbestimmungspflichtiger Gestaltungsspielraum verblieb (vgl. auch Senatsbeschluß vom 19. September 1995 – 1 ABR 20/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

1. Nach den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen besteht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anrechnung einer Tariferhöhung auf übertarifliche Zulagen dann, wenn sich durch die Anrechnung die bisherigen Verteilungsgrundsätze ändern. Das ist dann der Fall, wenn sich das Verhältnis der Zulagenbeträge zueinander verschiebt. Weiter ist das Mitbestimmungsrecht davon abhängig, daß für eine anderweitige Regelung der Anrechnung innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens ein Gestaltungsspielraum verbleibt. Deshalb ist die Anrechnung mitbestimmungsfrei, wenn sie das Zulagenvolumen völlig aufzehrt. Das gleiche gilt, wenn die Tariferhöhung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vollständig und gleichmäßig auf die übertariflichen Zulagen angerechnet wird (BAGE 69, 134, 164 ff. = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu C III 4–6 der Gründe).

2. Zwar haben sich durch die Anrechnung im vorliegenden Fall die Verteilungsrelationen geändert, da die übertariflichen Zulagen bei den betroffenen Arbeitnehmern unterschiedlich hoch waren. Für eine anderweitige Regelung blieb aber kein Gestaltungsspielraum. Die Arbeitgeberin hat, soweit ihr das rechtlich möglich war und die Zulagenbeträge hierfür ausreichten, die Tariferhöhung vollständig auf die übertariflichen Zulagen angerechnet.

a) Im Ergebnis zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß innerhalb der ersten Arbeitnehmergruppe, also bei den Arbeitern und Angestellten mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von zunächst 37 und dann 36 Wochenstunden, die Anrechnung vollständig war. Insoweit haben die Vorinstanzen, ebenso wie die Arbeitgeberin und der Betriebsrat, allein auf die Erhöhung des Monatsentgelts um 3 % abgestellt und die gleichzeitige Arbeitszeitverkürzung außer Betracht gelassen, obwohl die Arbeitgeberin bei den Arbeitnehmern der zweiten Gruppe auch den Arbeitszeitverkürzungsausgleich von 2,78 % als Teil der Tariferhöhung behandelt und angerechnet hat.

Allerdings hat sich auch in der ersten Gruppe das Entgelt pro Arbeitsstunde nicht nur um 3 %, sondern aufgrund der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Entgeltausgleich rechnerisch um weitere 2,78 % erhöht. Dennoch war die auf 3 % beschränkte Anrechnung vollständig. Eine Verrechnung der übertariflichen Zulagen mit dem Gegenwert der Arbeitszeitverkürzung war nicht möglich. Der Anrechnungsvorbehalt umfaßte diesen Teil der Erhöhung nicht, sondern nur die dreiprozentige Erhöhung der Monatslöhne und -gehälter. Jede Arbeitszeitverkürzung mit vollem oder teilweisem Entgeltausgleich führt zwar bezogen auf die Zeiteinheit zu einem entsprechend erhöhten Arbeitsentgelt, im allgemeinen Sprachgebrauch wird dieser Effekt aber nicht als Tariferhöhung verstanden und bezeichnet. Er gilt nur als unselbständige Folge der Arbeitszeitverkürzung. Hiervon ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch bei der Auslegung der im Betrieb formularmäßig vereinbarten Anrechnungsklauseln auszugehen. Bei einem Arbeitsentgelt, das als Monatslohn oder -gehalt geschuldet wird, ist unter einer Tariflohn- (oder -gehalts-)Erhöhung nur die Erhöhung des monatlichen Entgeltbetrages zu verstehen (im Ergebnis ebenso für den Fall einer Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Entgelt BAGE 55, 322, 328 = AP Nr. 58 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie).

b) Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß die Tariferhöhung innerhalb der zweiten Arbeitnehmergruppe, also bei den Arbeitern und Angestellten mit einer individuellen regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden oder mit Teilzeitarbeit, im Rahmen des Möglichen vollständig auf die übertariflichen Zulagen angerechnet worden ist. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob auch der tarifliche Arbeitszeitverkürzungsausgleich von 2,78 %, den die Arbeitgeberin in die Anrechnung einbezogen hat, eine Erhöhung des Tarifentgelts im Sinne des vereinbarten Anrechnungsvorbehalts war. Die Vorinstanzen haben dies ohne weiteres angenommen, auch der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in einem insoweit vergleichbaren Fall in diesem Sinn entschieden (BAGE 55, 322 = AP, a.a.O., mit ablehnender Anm. von Lund). Zweifel könnten sich daraus ergeben, daß es sich hierbei nur um den Gegenwert der im Einzelfall nicht in Anspruch genommenen Arbeitszeitverkürzung handelt. Aber selbst wenn die Arbeitgeberin insoweit individualrechtlich nicht zur Anrechnung befugt gewesen sein sollte, hätte dies mitbestimmungsrechtlich keine Bedeutung. Daß sie mehr angerechnet hätte, als sie durfte, würde nichts daran ändern, daß sie jedenfalls alles das angerechnet hat, was ihr möglich war.

3. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats steht der Annahme, die Arbeitgeberin habe vollständig angerechnet, auch nicht der Umstand entgegen, daß sie gleichzeitig die Gehälter der EG-Angestellten erhöht hat. Diese Gehaltserhöhungen sind mitbestimmungsrechtlich von der gleichzeitigen Anrechnung zu trennen. Eine zusammenfassende Würdigung, wie sie der Betriebsrat für richtig hält, ist deshalb nicht möglich, weil für die zwei unteren Arbeitnehmergruppen einerseits und die Gruppen der EG-Angestellten andererseits unterschiedliche Entgeltsysteme bestehen, die bezüglich des hier interessierenden Bestandteils – der übertariflichen Leistungen – keine Gemeinsamkeiten aufweisen.

a) Die Zulagen, mit denen die Arbeitgeberin die Tariferhöhung verrechnet hat, haben in den Gehältern der EG-Angestellten keine Entsprechung. Diese Gehälter können nicht in einen tariflichen Bestandteil und eine übertarifliche Zulage in Höhe des über das Tarifgehalt hinausgehenden Betrags zerlegt werden. Nach den Kriterien, die der Senat in seinem Urteil vom 28. September 1994 (– 1 AZR 870/93 – AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu III der Gründe) entwickelt hat, kann nicht angenommen werden, die Arbeitsvertragsparteien hätten mit den EG-Gehältern zugleich stillschweigend vereinbart, daß diese sich aus dem Tarifgehalt und einer übertariflichen Zulage zusammensetzen sollten. Auch soweit es sich bei den EG-Angestellten um Tarifangestellte handelt, bauen ihre Gehälter nicht auf einem Tarifgehalt auf. Insoweit besteht vielmehr ein betriebliches Vergütungssystem oberhalb der tariflichen Gehaltsskala, die offenbar für gehobene Angestelltenpositionen als unzureichend empfunden wird.

Daß die EG-Angestellten keine übertarifliche Zulage erhalten, ergibt sich daraus, daß die Arbeitsvertragsparteien bei der Vereinbarung der „Festen Monatsgehälter” und der „Richtgehälter” im Unterschied zur Gehaltsregelung für die Angestellten der beiden unteren Gruppen weder eine Zulage ausgewiesen noch sonst in irgendeiner Form an das Gehalt angeknüpft haben, das den betreffenden Angestellten nach dem tariflichen Gehaltsgruppenschema jeweils zustünde. Wer eine übertarifliche Zulage vereinbart, muß auch die tarifliche Basis klären, auf welche sie aufgestockt werden soll. Daran fehlt es hier. Vielmehr stellt die Vergütungsstruktur der EG-Angestellten ein eigenständiges betriebliches Eingruppierungssystem dar, das auf einer Betriebsvereinbarung der Arbeitgeberin mit dem Gesamtbetriebsrat beruht. Die Unabhängigkeit dieses Systems von den Tarifgehältern zeigt sich schon daran, daß die EG-Gruppen in dieser Betriebsvereinbarung als außertarifliche Einkommensgruppen bezeichnet sind, für sie also nach den Vorstellungen der Betriebspartner eine tarifliche Eingruppierung nicht in Betracht kommen soll. Bestätigt wird dies durch die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, daß schon die niedrigsten EG-Gehälter über der höchsten Tarifgruppe liegen.

Nach dem angeführten Senatsurteil vom 28. September 1994 (a.a.O.) kann es allerdings gegen die Annahme eines tarifunabhängigen Entgeltsystems sprechen, wenn die betrieblich festgelegten Gehälter jeweils anläßlich von Tariferhöhungen angehoben werden und dabei der relative Abstand zum obersten Tarifgehalt gewahrt bleibt. Diese Voraussetzung liegt hier indessen nicht vor. Die EG-1-Angestellten haben zwar einen vertraglichen Anspruch auf eine derartige Anpassung. Die Bedeutung dieses Anspruchs beschränkte sich aber nach der dem Senat aus dem Parallelverfahren 1 ABR 20/95 bekannten bisherigen Handhabung im Unternehmen, die nach § 291 ZPO zu berücksichtigten ist, darauf, einen Sockel der jeweiligen Gehaltserhöhung abzusichern. Tatsächlich war diese nicht etwa bei allen betroffenen Angestellten auf das Ausmaß der Tariferhöhung beschränkt und damit gleich hoch. Vielmehr gab die Arbeitgeberin für die Erhöhung der EG-1-Gehälter jeweils einen Gesamtbetrag vor, über dessen Verteilung in den einzelnen Betrieben unterschiedlich entschieden werden konnte. Daß die Arbeitgeberin bei den Gehaltserhöhungen zum 1. April 1993 anders verfahren und auch bei den EG-1-Angestellten nur der Tarifentwicklung gefolgt ist, steht dem Grundsatz der Unabhängigkeit des Systems der EG-Gehälter vom Tarifvertrag nicht entgegen.

b) Der Einwand des Betriebsrats, der Arbeitgeberin dürfe nicht gestattet werden, durch Schaffung verschiedenartiger Vergütungssysteme die Reichweite der betrieblichen Mitbestimmung zu beschränken, greift hier nicht durch.

Allerdings weist der Betriebsrat zutreffend auf den Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hin. Er besteht darin, die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmers orientierten oder willkürlichen Lohngestaltung zu schützen. Die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges und die Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sollen gesichert werden (BAGE 69, 134, 158 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu C III 1 a der Gründe). Damit dient das Mitbestimmungsrecht der Verteilungsgerechtigkeit im Betrieb die im Grundsatz nur mit Hilfe einer vergleichenden Wertung des gesamten betrieblichen Entgeltgefüges zu erreichen ist. Der Arbeitgeber kann den Gegenstand eines solchen Vergleichs und damit die Tragweite des Mitbestimmungsrechts nicht dadurch einschränken, daß er die Belegschaft beliebig in Gruppen von Arbeitnehmern aufspaltet, für die er jeweils verschiedenartige Entgeltsysteme vorsieht.

Im vorliegenden Fall ist indessen die Gruppenbildung beim Arbeitsentgelt nicht zu beanstanden, obwohl sie die Zahlung anrechenbarer übertariflicher Zulagen auf die beiden unteren Arbeitnehmergruppen beschränkt. Die technischen Unterschiede der Entgeltsysteme sind gerechtfertigt, weil sie auf Unterschieden in der Bewertung der jeweiligen Tätigkeiten beruhen. Herausgehobene Leitungsfunktionen im Betrieb sind anders zu bewerten und rechtfertigen andere Formen von Leistungsanreizen als nachgeordnete Tätigkeiten. Wird aus diesem Grund beim Arbeitsentgelt zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen differenziert, so wird Ungleiches entsprechend ungleich behandelt. Das ist zulässig. Ausnahmen, die es bei Sonderformen des Entgelts geben kann, beispielsweise bei Zulagen für bestimmte Belastungen, die unabhängig von der Art der Tätigkeit für alle Arbeitnehmer eines Betriebs bestehen, können hier außer Betracht bleiben.

Sind die Strukturunterschiede zwischen den Entgeltsystemen der beiden unteren Arbeitnehmergruppen einerseits und der EG-Angestellten andererseits zulässig, so kann auch die weitere Entwicklung dieser Systeme im Verhältnis zueinander, z.B. durch Anrechnungen und sonstige Gehaltsveränderungen, kein Gegenstand der Überprüfung nach den Maßstäben der innerbetrieblichen Entgeltgerechtigkeit sein. Das schließt es aus, daß bei der Anwendung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die beiden Arbeitgeberentscheidungen – einerseits der Anrechnung einer Tariferhöhung auf die in den unteren Arbeitnehmergruppen gezahlten übertariflichen Zulagen und andererseits einer Erhöhung der „Festen Gehälter” und der „Richteinkommen” der EG-Angestellten – als einheitlicher Regelungsgegenstand angesehen und deshalb der Mitbestimmung des Betriebsrats unterworfen werden.

Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ist es in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, daß die Arbeitgeberin mit der Anrechnung der Tariferhöhung auf die übertariflichen Zulagen sowie der – durch die Verzichtsvereinbarungen bewirkten – Beschränkung der Gehaltserhöhung der EG-Angestellten dasselbe Ziel verfolgt hat, nämlich die Stabilisierung der Personalkosten. Kann die Arbeitgeberin mitbestimmungsfrei über die Gewährung, die Zweckbestimmung und den Widerruf übertariflicher Leistungen entscheiden, so kann der Betriebsrat auch nicht darüber mitbestimmen, welche von mehreren zweckverschiedenen Leistungen die Arbeitgeberin kürzt, um ein bestimmtes Einsparvolumen zu erreichen. Das Recht der Arbeitgeberin, über den Zweck der Leistung zu bestimmen, umfaßt auch die Entscheidung darüber, ob ein anderes Ziel ihr so wichtig erscheint, daß demgegenüber der ursprünglich mit der Leistung verfolgte Zweck zurücktreten muß.

II. Bei der Erhöhung der EG-3-Gehälter hat die Arbeitgeberin indessen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt. Die Gehaltserhöhung war mitbestimmungspflichtig, soweit sie nicht leitende Angestellte betraf. Insoweit ist das Landesarbeitsgericht, allerdings mit teilweise unzutreffender Begründung, zum richtigen Ergebnis gelangt.

1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht von der Rechtsprechung des Senats ausgegangen, nach welcher der Betriebsrat bei der generellen Erhöhung der Gehälter außertariflicher Angestellter nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat, solange für diese Angestellten noch kein mitbestimmtes Gehaltsgruppensystem besteht (Beschluß vom 27. Oktober 1992 – 1 ABR 17/92 – AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu II B II der Gründe). Wie der Senat im einzelnen ausgeführt hat, gehört zur mitbestimmungspflichtigen Ausgestaltung betrieblicher Entlohnungsgrundsätze auch die Bildung und Umschreibung von Gehaltsgruppen nach Tätigkeitsmerkmalen sowie die Festsetzung der Wertunterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen. Hat der Betriebsrat an der Ausgestaltung eines solchen Systems noch nicht mitgewirkt, so fehlt es insoweit an mitbestimmten Entlohnungsgrundsätzen, nach denen bei einer Gehaltserhöhung verfahren werden könnte. Der Betriebsrat hat daher bei der Entscheidung darüber, ob die AT-Gehälter linear oder unterschiedlich erhöht werden sollen, mitzubestimmen. Dagegen entscheidet der Arbeitgeber allein über den Umfang der Mittel, die für die Gehaltserhöhung zur Verfügung gestellt werden. Diese Grundsätze gelten nicht nur für AT-Gehälter, sondern auch für übertarifliche betriebliche Gehaltsgruppenordnungen, die auf Tarifangestellte angewandt werden (Senatsurteil vom 28. September 1994 – 1 AZR 870/93 – AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu I 1 der Gründe).

2. Zu Recht haben die Vorinstanzen angenommen, daß hier ein Mitbestimmungsrecht bei der Gehaltserhöhung in Betracht kommt, weil es für die EG-Angestellten an einem mitbestimmten Gehaltsgruppensystem fehlt. Die von der Arbeitgeberin mit dem Gesamtbetriebsrat 1977 abgeschlossene Betriebsvereinbarung über die Einkommen der EG-Angestellten erfüllt die an ein solches System zu stellenden Anforderungen nicht. Sie regelt weder die Voraussetzungen, unter denen ein Angestellter einer der drei EG-Gruppen zuzuordnen ist, noch die Wertunterschiede zwischen den Gehältern, die den Angehörigen der einzelnen Gruppen zu zahlen sind.

Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht nach den dargestellten Grundsätzen der Senatsrechtsprechung auch davon ausgegangen, daß es hier nicht darauf ankommt, ob die betroffenen EG-3-Angestellten außertarifliche Angestellte sind oder aber Tarifangestellte, die lediglich übertariflich bezahlt werden.

3. Bei der Erhöhung der EG-3-Gehälter handelte es sich um einen kollektiven Tatbestand.

a) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht gemeint, daß diese Gehaltserhöhung (wie übrigens auch diejenige der EG-2-Gehälter) nur deshalb mitbestimmungspflichtig gewesen sei, weil sie im Zusammenhang mit derjenigen der EG-1-Gehälter erfolgte. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts waren die Gehaltserhöhungen in den Gruppen EG 2 und EG 3 bei isolierter Betrachtung mitbestimmungsfrei, weil es sich insoweit um individuelle Maßnahmen gehandelt habe. Erst die vom Landesarbeitsgericht für geboten gehaltene Betrachtung der verschiedenen Gehaltserhöhungen und der Anrechnung als einheitliche Maßnahme begründe die Mitbestimmungspflichtigkeit von deren einzelnen Bestandteilen. Damit hat das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen verkannt, unter denen eine Entscheidung des Arbeitgebers kollektiven Bezug hat und deshalb mitbestimmungspflichtig ist.

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts richtet sich die Abgrenzung zwischen mitbestimmungsfreien Einzelfallgestaltungen und mitbestimmungspflichtigen kollektiven Tatbeständen danach, ob es um Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsform geht. Hierfür ist die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer allein nicht maßgeblich. Sie kann lediglich ein Indiz sein. Es widerspräche nämlich dem Zweck des Mitbestimmungsrechts, wenn es dadurch ausgeschlossen werden könnte, daß der Arbeitgeber mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern jeweils „individuelle” Vereinbarungen über eine bestimmte Vergütung trifft, ohne sich zu allgemeinen Regeln bekennen zu wollen (z.B. Beschluß vom 18. Oktober 1994 – 1 ABR 17/94 – AP Nr. 70 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B I 1 der Gründe; vom 14. Juni 1994 – 1 ABR 63/93 – AP Nr. 69 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, B II der Gründe). Maßgeblich für den kollektiven Bezug einer Entscheidung des Arbeitgebers über die Entgeltgestaltung ist danach, ob sie auf generellen Kriterien – wie z.B. Leistungsgesichtspunkten (Beschluß vom 27. Oktober 1992 – 1 ABR 17/92 – AP Nr. 61 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu II B I 2 b aa der Gründe) – beruht, die einen Vergleich zwischen verschiedenen Arbeitnehmern erfordern.

Danach ist es ausgeschlossen, daß eine bei isolierter Betrachtung individuelle Maßnahme nur dadurch zu einer kollektiven wird, daß sie gleichzeitig mit anderen erfolgt. Ist eine Gehaltserhöhung tatsächlich individuell ausgehandelt worden, etwa weil der Arbeitnehmer durch sie vom Wechsel zu einem anderen Unternehmen abgehalten werden soll (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Juni 1994 – 1 ABR 63/93 – AP Nr. 69 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B III 2 der Gründe), so bleibt sie selbst dann eine individuelle Maßnahme, wenn auch die Gehälter anderer Arbeitnehmer zeitgleich erhöht werden und sich dieser Vorgang als kollektiver Tatbestand erweist. Zwischen der individuell ausgehandelten und den übrigen Gehaltserhöhungen besteht dann nämlich kein innerer Zusammenhang.

c) Die Erhöhung der EG-3-Gehälter hatte kollektiven Bezug. Die Gehaltserhöhung wurde allen EG-3-Angestellten mit einem Einheitsschreiben für denselben Zeitpunkt angeboten, der aus wirtschaftlichen Gründen bei allen später lag als ursprünglich vorgesehen. Allein hieraus folgt schon ihr kollektiver Charakter (Senatsurteil vom 28. September 1994 – 1 AZR 870/93 – AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu I 2 a der Gründe). Überdies fehlen Anhaltspunkte dafür, daß sie etwa mit den Angestellten individuell ausgehandelt worden wäre. Vielmehr hat die Arbeitgeberin den Betriebsleitungen jeweils ein bestimmtes Finanzvolumen für die Gehaltserhöhungen vorgegeben, in dessen Rahmen dann zwischen den einzelnen Angestellten – etwa nach Leistungsgesichtspunkten – differenziert werden sollte. Daß es auf diese Weise bei den EG-3-Angestellten – wie übrigens auch bei den EG-2-Angestellten – zu unterschiedlichen Gehaltserhöhungen kam, ändert entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nichts daran, daß ein kollektiver Tatbestand vorliegt.

In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob die Erhöhung der EG-2- und der EG-3-Gehälter mitbestimmungsrechtlich als einheitliche Maßnahme zu betrachten ist, weil sie gleichzeitig in derselben Weise erfolgte und Gehälter betraf, die nach der Betriebsvereinbarung von 1977 im wesentlichen dieselbe Struktur aufweisen. Selbst wenn die EG-3-Gehälter hier isoliert zu betrachten sein sollten, verlöre die Gehaltserhöhung ihren kollektiven Bezug nicht etwa dadurch, daß überwiegend leitende Angestellte betroffen waren und nur einige wenige Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.

Zwar hat der Betriebsrat hinsichtlich der leitenden Angestellten kein Mitbestimmungsrecht. Daraus kann aber im vorliegenden Fall nicht geschlossen werden, daß die Gestaltung der EG-3-Gehälter generell seiner Beteiligung entzogen gewesen wäre. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß es sich insoweit um eine im Grundsatz auf leitende Angestellte beschränkte Gehaltsgruppe handeln würde, zumal für die Abgrenzung der leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 BetrVG in erster Linie die Funktion und nicht die Höhe der Vergütung maßgeblich ist. Im Gegenteil ergibt sich daraus, daß auch die EG-3-Gehälter Gegenstand der Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1977 sind, daß diese Gehaltsgruppe regelmäßig auch für Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes vorgesehen ist.

Selbst wenn eine Maßnahme, die sich auf die EG-3-Gehälter bezieht, nur einige wenige Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes betrifft, so hat sie dennoch kollektiven Charakter, wenn sie auf generellen Kriterien beruht, die regelmäßig bei einer Mehrzahl von Personen in Betracht kommen und einen Vergleich mit anderen Arbeitnehmern erfordern (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Juni 1994 – 1 ABR 63/93 – AP Nr. 69 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B II 2 b der Gründe). Das ist hier bei der Frage, ob die Gehälter linear oder unterschiedlich erhöht werden sollten, der Fall.

4. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß das Mitbestimmungsrecht bei der Erhöhung der EG-3-Gehälter dem Betriebsrat und nicht dem Gesamtbetriebsrat zustand. Zwar ist die Gehaltserhöhung zu demselben Zeitpunkt in allen Betrieben des Unternehmens vorgenommen worden. Auch kann unterstellt werden, daß die Arbeitgeberin dabei an einem im wesentlichen einheitlichen Vorgehen interessiert war. Daraus ergibt sich aber noch nicht die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Sie setzt nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vielmehr voraus, daß eine derartige Angelegenheit, die mehrere Betriebe betrifft, nicht durch deren Betriebsräte geregelt werden kann, weil ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht. Die bloße Zweckmäßigkeit einer einheitlichen Gestaltung reicht nicht aus. Auch das Verlangen des Arbeitgebers kann sie nur dann notwendig machen, wenn er allein unter dieser Voraussetzung zu der regelungsbedürftigen Maßnahme bereit ist und insoweit mitbestimmungsfrei entscheiden kann, z.B. darüber, ob freiwillige Zulagen überhaupt gewährt werden (ständige Senatsrechtsprechung, zuletzt Beschluß vom 30. August 1995 – 1 ABR 4/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B I 2 b der Gründe).

Nach diesen Grundsätzen war hier eine betriebsübergreifende Regelung nicht erforderlich. Die Arbeitgeberin hat die Gehaltserhöhung nicht von einer derartigen Regelung abhängig gemacht, sondern sie ohne Rücksicht hierauf vollzogen. Dafür, daß insoweit ein zwingendes Erfordernis für die Anlegung unternehmenseinheitlicher Verteilungsmaßstäbe bestanden hätte, gibt es keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat die Arbeitgeberin den Betrieben bei der Verteilung des von ihr vorgegebenen Erhöhungsvolumens freie Hand gelassen. Mit der Rechtsbeschwerde hat sie sich auch nicht mehr gegen die Annahme gewandt, für die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts sei der Betriebsrat zuständig.

 

Unterschriften

Dieterich, Rost, Wißmann, K. Feucht, Rose

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1089172

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge