Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonntagsarbeit von Wartungstechnikern an Flugsimulatoren

 

Leitsatz (amtlich)

  • Das Luftverkehrsgesetz verdrängt für Luftverkehrsunternehmen nicht die Vorschriften der GewO über die Arbeit an Sonntagen (§§ 105a bis 105i).
  • Die Wartungstechniker von Flugsimulatoren können zur Sonntagsarbeit verpflichtet werden, wenn sie Arbeiten verrichten sollen, die nach der Natur eines Luftverkehrsunternehmens einen Aufschub nicht gestatten. Dies ist der Fall, wenn für die Arbeit am Sonntag eine besondere Dringlichkeit besteht. Der Arbeitgeber hat in nachvollziehbarer Weise die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die Unaufschiebbarkeit der Sonntagsarbeit ergibt.
 

Normenkette

BetrVG § 76 Abs. 5 S. 4, § 87 Abs. 1 Nr. 2; GewO § § 105i, §§ 105a, 105b, 105c; LuftVG §§ 1-11, 13-31, 32b; DVLuftBO 2. § 8 Abs. 4, § 10; GG Art. 140 i.V.m. WRV Art. 139

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Beschluss vom 02.06.1992; Aktenzeichen 5 TaBV 142/91)

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 22.05.1991; Aktenzeichen 9 BV 29/90)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Juni 1992 – 5 TaBV 142/91 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Spruchs einer Einigungsstelle. Gegenstand des Einigungsstellenspruchs ist ein Schichtplan, der für Wartungstechniker an Flugsimulatoren Sonntagsarbeit vorsieht.

Der Arbeitgeber betreibt ein großes deutsches Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Frankfurt am Main. Antragsteller ist der beim Arbeitgeber gebildete Betriebsrat.

Der Arbeitgeber hat in seinem Landbetrieb in Frankfurt am Main in der Abteilung FRA NT 3 u. a. Flugübungsgeräte, sog. Flugsimulatoren, im Einsatz. An diesen Flugsimulatoren unterziehen sich die zum fliegenden Personal gehörenden Cockpitbesatzungen des Arbeitgebers den behördlich vorgeschriebenen sog. Checks sowie den Einweisungen und eventuellen Umschulungen. Auch der Erwerb und die Verlängerung von Fluglizenzen (Musterzulassungen) sind an Übungsstunden am Flugsimulator geknüpft.

Die Pilotenausbildung und die Durchführung von Checks der Piloten hat sich inzwischen weltweit zunehmend vom Fluggerät auf Simulatoren verlagert. Dadurch werden Trainingsflüge ohne Passagiere und Gepäck entbehrlich. Es entfallen einerseits Gefährdungen sowie Lärm- und Abgasbelastungen der Bevölkerung, andererseits erspart der Arbeitgeber Treibstoff und Personal für das Fluggerät. Schließlich bietet der Flugsimulator die Möglichkeit der Simulation aller denkbaren Gefahrensituationen sowie der besonderen Gegebenheiten der Flugplätze der ganzen Welt, die durch reine Trainingsflüge nicht vermittelt werden können.

Ein Training des fliegenden Personals am Flugsimulator ist nur möglich, wenn gleichzeitig ein zum Bodenpersonal des Arbeitgebers gehörender Wartungstechniker anwesend ist. Die hochkomplizierten Flugsimulatoren und die elektronische Datenverarbeitung erfordern eine ständige Wartung und Kontrolle durch Techniker.

In der Vergangenheit hat der Arbeitgeber einen Teil seiner Simulatorkapazitäten an andere Flugunternehmen verkauft. Der Anteil der verkauften Kapazitäten ist jedoch gesunken. Zusätzlich zu den vorhandenen Simulatorkapazitäten hat der Arbeitgeber in der Vergangenheit auch seinerseits bei Fremdfirmen Simulatorkapazitäten eingekauft.

Der Arbeitgeber bemüht sich seit Anfang der achtziger Jahre, die Flugsimulatoren auch an Sonntagen zu nutzen. Die Beteiligten einigten sich auch einige Male auf eine jeweils zeitlich begrenzte Nutzung der Flugsimulatoren an Sonn- und Feiertagen. Durch die Betriebsvereinbarungen vom 6. November 1984 und vom 30. Oktober 1987 sowie vom 7. August 1989 wurde der Einsatz der Wartungstechniker an Sonntagen geregelt. In der Betriebsvereinbarung vom 30. Oktober 1987 stimmte der Betriebsrat auch für einen näher festgelegten Umfang der Anordnung von Überstunden zu (§ 2 der Betriebsvereinbarung). Hierzu wurde am 7. August 1989 eine ergänzende Betriebsvereinbarung geschlossen. Am 16. Juli 1990 wurde schließlich im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens von den Beteiligten der Einsatz der Simulatortechniker an den Sonntagen des Monats September 1990 geregelt.

Im Anschluß an die letzte Betriebsvereinbarung vom 16. Juli 1990 wurde erneut eine Einigungsstelle zur Frage der Beschäftigung von Technikern im Bereich der Flugsimulatoren an Sonntagen einberufen. Diese Einigungsstelle faßte am 29. November 1990 den folgenden Beschluß:

“Der Schichtplan für die Mitarbeiter im Bereich FRA NT 3 enthält – wie im Schichtplan vom 29.11.1990 vorgesehen – 3-Schichtbetrieb zwischen 5.30 Uhr und 3.00 Uhr an 5 Werktagen sowie 2-Schichtbetrieb zwischen 5.30 Uhr und 2.15 Uhr am Samstag und am Sonntag, wobei pro Mitarbeiter 1,5 Sonntagsschichten in einem Vier-Wochenzeitraum anfallen. Auf Wunsch erhält der betroffene Mitarbeiter den anderen Wochenendtag bei Arbeit am Samstag bzw. Sonntag frei. Vorstehende Schichtplanregelung wird ab 14.01.1991 durchgeführt und ist erstmals kündbar zum 31.12.1992.”

Der Beschluß der Einigungsstelle nebst Begründung wurde dem Betriebsrat am 11. Dezember 1990 zugeleitet.

In der Begründung des Einigungsstellenspruchs wird ausgeführt, das Verbot der Sonntagsarbeit nach § 105a GewO finde keine Anwendung, weil die von den Technikern zu verrichtenden Tätigkeiten in einem Verkehrsgewerbe geleistet würden und gem. § 105 i Abs. 2 GewO nach der Natur dieses Gewerbes keinen Aufschub gestatteten. Die Verzahnung von Personaleinsatzplanung für den Flugbetrieb mit der Planung von Simulatorstunden rechtfertige die Einführung von Sonntagsarbeit. Den Belangen der betroffenen Arbeitnehmer sei dadurch Rechnung getragen worden, daß an Wochenenden mit einer deutlich verringerten Anzahl von Mitarbeitern gearbeitet werde, die Arbeitszeit während der Nachtstunden an den Wochenenden früher ende und insbesondere in einem Vier-Wochen-Zeitraum nur 1,5 Sonntagsschichten pro Arbeitnehmer anfielen. Schließlich sorge die Regelung dafür, daß auf Wunsch wenigstens einer der beiden Wochenendtage von Arbeit frei bleibe.

Mit einem am 27. Dezember 1990 per Telefax beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle habe das Verbot der Sonntagsarbeit in den §§ 105a ff. GewO mißachtet. Außerdem sei der Beschluß der Einigungsstelle ermessensfehlerhaft, weil die mit der Sonntagsarbeit der Arbeitnehmer verbundenen Belastungen gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers nicht genügend berücksichtigt worden seien.

Der Betriebsrat hat beantragt

festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle betreffend die Regelung von Schichtplänen im Bereich FRA NT 3 vom 29. November 1990 insgesamt rechtsunwirksam ist.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag des Betriebsrats zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber hat die Ansicht vertreten, die Gewerbeordnung sei auf Luftfahrtunternehmen nicht anwendbar. Das Luftverkehrsgesetz (LuftVG) sei das speziellere Gesetz, das die GewO verdränge. Da im LuftVG kein Verbot der Sonntagsarbeit enthalten sei, sei sie erlaubt. Selbst wenn man jedoch die GewO für anwendbar halten würde, sei die Sonntagsarbeit gem. § 105i Abs. 2 GewO zulässig, weil die Tätigkeit der Wartungstechniker an Flugsimulatoren einen Aufschub oder eine Unterbrechung nicht gestatte. Dies ergebe sich insbesondere aus wirtschaftlichen und betrieblichen Gründen. Ein Sonntagsarbeitsverbot führe zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen gegenüber ausländischen Luftfahrtunternehmen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag teilweise stattgegeben und festgestellt, daß der Spruch der Einigungsstelle betreffend die Regelung von Schichtplänen im Bereich FRA NT 3 vom 29. November 1990 insoweit rechtsunwirksam sei, als dort Sonntagsarbeit zugelassen werde und im übrigen den Antrag abgewiesen. Gegen diesen Beschluß haben sowohl der Betriebsrat als auch der Arbeitgeber Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat den Beschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber seinen Abweisungsantrag weiter, während der Betriebsrat Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet, da das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, daß der Beschluß der Einigungsstelle vom 29. November 1990 gegen § 105i Abs. 2 GewO verstößt und deshalb unwirksam ist.

I. Der Feststellungsantrag des Betriebsrats ist zulässig.

Halten Arbeitgeber oder Betriebsrat einen Einigungsstellenspruch für unwirksam, so ist dies mit einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit dieses Spruchs gerichtlich geltend zu machen. Die gerichtliche Entscheidung über die Unwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs hat nur rechtsfeststellende, aber keine rechtsgestaltende Bedeutung. Aus diesem Grunde kann nur die Feststellung der Unwirksamkeit beantragt werden und nicht die Aufhebung des Einigungsstellenspruchs (vgl. BAG Urteil vom 30. Oktober 1979 – 1 ABR 112/77 – AP Nr. 9 zu § 112 BetrVG 1972; BAGE 52, 88, 95 = AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu B I der Gründe).

II. Der Antrag des Betriebsrats ist begründet.

1. Sprüche der Einigungsstelle unterliegen einer umfassenden Rechtskontrolle (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 76 Rz 32 ff.; Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 76 Rz 113). Entscheidet die Einigungsstelle – wie hier – im Rahmen einer Regelungsstreitigkeit über die Anwendung von Rechtsnormen, so unterliegt ihr Spruch insoweit einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die Gerichte für Arbeitssachen haben die Rechtslage selbst zu prüfen und zu entscheiden, ob der Spruch der Einigungsstelle gegen höherrangiges Recht verstößt.

2. Das Landesarbeitsgericht hat unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes zu Recht einen Verstoß des Einigungsstellen spruchs gegen § 105i Abs. 2 GewO angenommen. Mit zutreffender Begründung ist es dabei davon ausgegangen, daß auf den Betrieb des Arbeitgebers § 105i GewO Anwendung findet und diese Bestimmung nicht durch das Luftverkehrsgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen verdrängt wird.

a) Das Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 1981 (BGBl I S. 61; im folgenden LuftVG) steht neben den Sonn- und Feiertagsschutzbestimmungen der GewO und schließt deren Anwendung auf Luftverkehrsunternehmen nicht aus. Das LuftVG hat eine andere Schutzrichtung als die GewO. Aus dem Schweigen des LuftVG zur Arbeit an Sonn- und Feiertagen kann daher entgegen der Auffassung des Arbeitgebers nicht geschlossen werden, Sonntagsarbeit sei in Luftverkehrsunternehmen generell erlaubt. Die Zulässigkeit der Sonntagsarbeit in Luftverkehrsunternehmen ergibt sich vielmehr aus § 105i GewO.

aa) Unter Luftverkehrsrecht wird im allgemeinen die Summe aller Rechtsnormen verstanden, die auf die mit der Luftfahrt verknüpften Sondertatbestände Anwendung finden (so etwa Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 1981, S. 2). Das deutsche Luftrecht beruht dabei im wesentlichen auf dem Luftverkehrsgesetz. Luftrecht ist das mit der Luftfahrt zusammenhängende Recht (Hofmann/Grabherr, LuftVG, 1992, § 1 Rz 1).

Das LuftVG enthält dementsprechend im ersten Abschnitt in den §§ 1 bis 32b Regelungen über den Luftverkehr. Dabei wird in den §§ 1 bis 5 LuftVG im einzelnen die Zulassung von Luftfahrzeugen für den Luftverkehr und die Erlaubnis zum Führen eines Luftfahrzeugs geregelt. Die §§ 6 bis 19b LuftVG bestimmen die Anforderungen an die Genehmigung von Flugplätzen und enthalten darüber hinaus Regelungen zum Planfeststellungsverfahren einschließlich der Entschädigungsansprüche von Eigentümern im Bauschutzbereich. In den §§ 20 bis 24 LuftVG wird bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Luftfahrtunternehmen und Luftfahrtveranstaltungen zu genehmigen sind. Die §§ 25 bis 27 LuftVG enthalten Verkehrsvorschriften, § 28 LuftVG regelt die Zulässigkeit von Enteignungen, die §§ 29 bis 32b LuftVG regeln Aufgaben und Zuständigkeiten der Luftfahrtbehörden. Im zweiten Abschnitt des LuftVG ist in den §§ 33 bis 56 die Haftpflicht geregelt. Der dritte und letzte Abschnitt des LuftVG enthält schließlich Straf- und Bußgeldvorschriften.

Das LuftVG regelt damit allein Fragen, die unmittelbar mit der Luftfahrt zusammenhängen. Das LuftVG dient dem Schutz der Öffentlichkeit und der Luftfahrt vor Gefahren und Belastungen, die mit dem Betrieb von Flugzeugen zusammenhängen. Sonn- und feiertagsspezifische Regelungen sind im LuftVG nicht enthalten. Da das Gesetz nach seinem Gesamtinhalt die öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen eines ordnungsgemäßen, gefahrlosen Flugbetriebs regelt, kann aus dem Schweigen des Gesetzes zur Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit nicht geschlossen werden, diese sei erlaubt. Nach Sinn und Zweck des LuftVG, so wie er sich aus dem Regelungsgehalt des Gesetzes im ganzen ergibt, ist vielmehr davon auszugehen, daß die Vorschriften der §§ 105a ff. GewO durch das LuftVG unberührt geblieben sind (a.A., allerdings ohne Begründung, Stahlhacke/Bleistein, GewO, Stand April 1993, § 105i Rz 23; Landmann/Rohmer/Neumann, GewO, Stand Mai 1992, § 105i Rz 18; Sieg/Leifermann/Tettinger, GewO, 5. Aufl., § 105i Rz 4).

Richtig ist, daß das LuftVG in vielen Bereichen lex specialis gegenüber der GewO ist. So regeln die §§ 20 ff. LuftVG die Genehmigungspflichtigkeit des Betriebes eines Luftverkehrsunternehmens, eine Materie die grundsätzlich der GewO zugewiesen ist (§§ 24 ff. GewO). Daraus kann aber nicht entnommen werden, das LuftVG verdränge die GewO auch in den Teilen, in denen diese Regelungen mit arbeitsschutzrechtlicher Zielrichtung enthält. Das LuftVG verdrängt die GewO nur insoweit, wie es von der GewO abweichende Regelungen enthält. Eine ältere Rechtsnorm (hier: GewO) weicht der jüngeren Rechtsnorm (hier: LuftVG), wenn durch die jüngere Norm die ältere aufgehoben werden sollte. Dies wiederum bestimmt sich nach Sinn und Zweck der konkurrierenden Regelungen (vgl. dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 266 ff.). Das LuftVG und seine ergänzenden Verordnungen bezwecken den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor den Gefahren des Luftverkehrs. Eine arbeitsschutzrechtliche Zielrichtung enthält das Luftrecht nicht. Daraus folgt, daß die GewO durch die speziellen luftrechtlichen Vorschriften nur soweit verdrängt wird, wie sie ihrerseits den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor den Gefahren beim Betreiben von Gewerben regelt. Arbeitsschutzrechtliche Vorschriften, namentlich die Vorschriften über die Sonntagsruhe in den §§ 105a ff. GewO werden durch das LuftVG daher nicht verdrängt, weil das LuftVG insoweit eine Regelung nicht beinhaltet und nicht bezweckt. Die §§ 105a ff. GewO sind deshalb auf Luftverkehrsunternehmen als unmittelbar geltendes Recht anzuwenden. Einer “entsprechenden Anwendung” durch Rechtsfortbildung, wie der Arbeitgeber meint, bedarf es nicht.

§ 41 Abs. 1 BundesbahnG, der die Unanwendbarkeit der GewO auf Betriebe der Deutschen Bundesbahn festlegt, ist auch unter Berücksichtung der Parallelen zwischen dem Verkehr in der Luft und dem auf der Schiene eine generelle Ausklammerung der GewO in Betrieben der Luftfahrt nicht zu entnehmen. Gerade weil das Bundesbahngesetz und auch andere Spezialgesetze ausdrücklich vorsehen, daß die GewO in ihrem jeweiligen Geltungsbereich unanwendbar ist, kann angenommen werden, daß das Fehlen einer entsprechenden Regelung im LuftVG für die grundsätzliche Anwendbarkeit der GewO auf Luftverkehrsunternehmen spricht. Der Gesetzgeber hat die mögliche Kollision von speziellen verkehrsrechtlichen Gesetzen mit der GewO gesehen, aber unterschiedlich gelöst. Der Vergleich des LuftVG mit anderen Gesetzen des Verkehrsrechts ist daher zur Lösung des Falles nicht ergiebig.

bb) Auch die aufgrund von § 32 Abs. 1 Nr. 1, 2, 8, 10 und Abs. 3 Satz 3 LuftVG erlassene Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (Luft-BO) vom 4. März 1970 (BGBl I S. 262) enthält keine Bestimmungen über die Zulässigkeit von Arbeiten an Sonn- und Feiertagen. Die LuftBO regelt allgemeine und besondere technische Betriebsvorschriften wie zulässige Betriebszeiten, Instandhaltung und technische Dienste der Luftfahrtunternehmen, die Ausrüstung der Luftfahrtfahrzeuge sowie allgemeine und besondere Flugbetriebsvorschriften. Aus den Regelungen der LuftBO ist nicht erkennbar, daß hierdurch die Vorschriften über den Sonn- oder Feiertagsschutz verdrängt werden sollten (ebenso Mattner, Sonn- und Feiertagsrecht, 2. Aufl., S. 161).

cc) Die auf der Grundlage der LuftBO erlassene 2. Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (2. DVLuftBO) vom 12. November 1974 (BGBl I S. 3181), zuletzt geändert durch Verordnung vom 10. März 1982 (BAnz 1982, 63), enthält ebenfalls keine speziellen feiertagsrechtlichen Vorschriften. Soweit dort Höchstflugzeiten und Höchstflugdienstzeiten festgelegt sind (z.B. § 8 Abs. 4 und § 10 2. DVLuftBO), bezwecken diese den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor Gefährdungen, die bei der Bedienung von Flugzeugen durch überbeanspruchtes Personal entstehen. Für diesen öffentlich-rechtlichen Schutzzweck spricht der systematische Zusammenhang zwischen der 2. DVLuftBO und der Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß dieser Durchführungsverordnung in der LuftBO und wiederum deren Ermächtigungsgrundlage in § 32 Abs. 1 und 3 LuftVG.

Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß der LuftBO ist § 32 LuftVG. In Abs. 3 des § 32 LuftVG wird der Bundesminister für Verkehr ermächtigt, die ihm erteilte Ermächtigung weiter zu übertragen. Hiervon hat er in § 56 LuftBO Gebrauch gemacht. In dieser Bestimmung wird das Luftfahrtbundesamt ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Einzelheiten zu regeln, die zur Durchführung der in der LuftBO enthaltenen Verhaltensvorschriften nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftVG (Verhalten im Luftraum und am Boden) und der Bau-, Prüf- und Betriebsvorschriften der LuftBO zur Gewährleistung der Sicherheit des Luftverkehrs und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung notwendig sind.

Entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgabe aus Art. 80 Abs. 1 GG konkretisiert § 32 Abs. 1 Nr. 1 bis 16 LuftVG Inhalt, Zweck und Ausmaß der zur Durchführung des LuftVG notwendigen Rechtsverordnungen. Da § 32 Abs. 1 LuftVG jedoch selbst keine feiertagsrechtliche Vorschrift enthält und den Bundesminister für Verkehr auch nicht zum Erlaß entsprechender Rechtsverordnungen ermächtigt, kann nicht angenommen werden, daß die zu § 32 Abs. 1 LuftVG ergangene LuftBO die Zulässigkeit der Sonntagsarbeit im Luftfahrtgewerbe regelt.

Gleiches gilt für die 2. DVLuftBO. Aus § 56 LuftBO, der Ermächtigungsgrundlage für die 2. DVLuftBO, ergibt sich vielmehr im Gegenteil eindeutig, daß Zweck dieser 2. DVLuftBO allein die nähere Regelung der Sicherheit des Luftverkehrs und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist. Eine Regelung der Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit wird in der Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß der 2. DVLuftBO nicht als Regelungszweck erwähnt. Aus dem Fehlen einer entsprechenden ausdrücklichen Vorschrift kann daher entgegen der Auffassung des Arbeitgebers nicht der Schluß gezogen werden, daß in Luftfahrtbetrieben Sonntagsarbeit zulässig ist. Aus dem Fehlen einer Regelung über die Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit ist vielmehr zu schließen, daß sich diese nach §§ 105a ff. GewO richtet.

Luftfahrtunternehmen sind auch nicht durch den in § 6 GewO geregelten Anwendungsbereich von der Geltung der GewO ausgenommen. Die Sonn- und Feiertagsschutzbestimmungen der §§ 105a ff. GewO finden daher grundsätzlich auch auf Luftfahrtunternehmen Anwendung.

3. Gemäß § 105i GewO finden allerdings die Vorschriften der §§ 105a und 105b bis 105g GewO auf den Arbeitgeber keine Anwendung. Der Arbeitgeber betreibt ein Verkehrsgewerbe, weshalb sich die Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit nach § 105i GewO richtet.

a) Der Begriff Verkehrsgewerbe ist in § 105i GewO nicht definiert, er kommt auch sonst nicht in der GewO vor (Landmann/Rohmer/Neumann, aaO, § 105i Rz 18). Er ist daher ausgehend vom Wortlaut insbesondere unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs der GewO auszulegen (BVerwG Urteil vom 7. April 1983 – 1C 15.82 – GewArch 1983, 225, zu 2.1 der Gründe).

Ein Unternehmen betreibt nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Verkehrsgewerbe, wenn seine Tätigkeit auf die gewerbsmäßige Beförderung von Personen, Gütern oder Nachrichten für andere gerichtet ist. Der Begriff des Verkehrsgewerbes entspricht insoweit dem Begriff des Verkehrswesens in § 12 Abs. 1 und § 17 Abs. 3 AZO (vgl. dazu und zu den sich hieraus ergebenden Problemen BVerwG Urteil vom 7. April 1983, aaO, zu 1 der Gründe; Denecke/Neumann/Biebl, AZO, 11. Aufl., § 17 Rz 7).

b) Der Begriff des Verkehrsgewerbes ist von dem des Handelsgewerbes in § 105b Abs. 2 GewO abzugrenzen. Dies folgt aus der Systematik der §§ 105a bis 105j GewO. Da nach § 105b Abs. 2 GewO im Handelsgewerbe ein Beschäftigungsverbot an Sonntagen besteht, gem. § 105i Abs. 1 GewO aber u.a. § 105b GewO auf Verkehrsgewerbe keine Anwendung findet und deshalb in Betrieben des Verkehrsgewerbes unter den Einschränkungen des § 105i Abs. 2 GewO an Sonntagen gearbeitet werden kann, schließt die Qualifizierung einer Tätigkeit als Handelsgewerbe im Sinne des § 105b Abs. 2 GewO die Einordnung als Verkehrsgewerbe im Sinne des § 105i Abs. 1 GewO aus (BVerwG Urteil vom 14. November 1989 – 1C 29.88 – GewArch 1990, 64, zu II 1 der Gründe).

Der Begriff des Handelsgewerbes ist in der Gewerbeordnung ebenso wie der des Verkehrsgewerbes nicht bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts umfaßt das Handelsgewerbe ganz allgemein den Umsatz von Waren aller Art und von Geld (vgl. BVerwG Urteil vom 14. November 1989, aaO, zu II 1 der Gründe sowie Urteil vom 17. Dezember 1985 – 1C 1.85 – GewArch 1986, 93).

Da sich Handels- und Verkehrsgewerbe ausschließen, gehören zum Verkehrsgewerbe Betriebe oder Betriebsteile, deren Zweck unmittelbar auf die Beförderung von Personen, Gütern oder Nachrichten für andere gerichtet ist, sowie die dazu gehörenden unselbständigen oder selbständigen Neben- oder Hilfsbetriebe, soweit die Betriebe oder Betriebsteile nicht als Handelsgewerbe eingestuft werden können.

c) Unter Zugrundelegung dieser Begriffsbestimmung erfüllt der Arbeitgeber die Voraussetzungen eines Verkehrsgewerbes. Der Arbeitgeber betreibt gewerbsmäßig ein Luftfahrtunternehmen und befördert dabei insbesondere Personen und Güter. Die Tätigkeit des Arbeitgebers kann auch nicht einem Handelsgewerbe zugeordnet werden. Die Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit beim Arbeitgeber richtet sich daher nach § 105i GewO.

4. Durch den Spruch der Einigungsstelle konnten die hiervon betroffenen Arbeitnehmer gem. § 105i Abs. 2 GewO nicht zur Arbeit an Sonntagen verpflichtet werden. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt und begründet.

a) Nach § 105i Abs. 2 GewO können die Gewerbetreibenden Arbeitnehmer in den in Abs. 1 bezeichneten Gewerben nur zu solchen Arbeiten an Sonn- und Feiertagen verpflichten, welche nach der Natur des Gewerbes einen Aufschub oder eine Unterbrechung nicht gestatten. Bei § 105i Abs. 2 GewO handelt es sich um eine zivilrechtliche Bestimmung, die sich auf die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verpflichtungen zur Sonn- und Feiertagsarbeit bezieht (BVerwG Urteil vom 7. Oktober 1965 – I C 61.63 – GewArch 1966, 34). Wird der Arbeitnehmer an Sonn- oder Feiertagen zu Arbeiten verpflichtet, die aufschiebbar sind oder unterbrochen werden können, ist diese Vereinbarung gem. § 134 BGB nichtig (Stahlhacke/Bleistein, aaO, § 105i Rz 25).

Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit bei Verstößen gegen § 105i Abs. 2 GewO gilt auch für Verpflichtungen, die sich aus einer Betriebsvereinbarung ergeben (ebenso Landmann/Rohmer/Neumann, aaO, § 105i Rz 24). Aufgrund ihrer normativen Wirkung wirkt die Betriebsvereinbarung nämlich auf die Arbeitsverhältnisse ein und regelt die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien. Die Betriebspartner bzw. die Einigungsstelle haben daher die Vorschrift des § 105i Abs. 2 GewO zu beachten. Verstößt eine Betriebsvereinbarung bzw. ein Spruch der Einigungsstelle gegen diese Bestimmung, so führt dies zur Unwirksamkeit der Regelung.

b) Die Verpflichtung zu Arbeiten an Sonn- und Feiertagen besteht nach § 105i Abs. 2 GewO für Arbeitnehmer nur dann, wenn diese Arbeiten nach der Natur des Gewerbebetriebs einen Aufschub oder eine Unterbrechung nicht gestatten. Das Gesetz stellt damit hohe Anforderungen an die Zulässigkeit der Sonn- und Feiertagsarbeit.

aa) Zutreffend hat in diesem Zusammenhang das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß es sich in § 105i Abs. 2 GewO um Arbeiten handeln muß, die mit dem ausgeübten Gewerbe eng zusammenhängen und deshalb einen Aufschub oder eine Unterbrechung nicht gestatten. Da das Gesetz weiterhin in § 105i Abs. 2 GewO auf die “Natur” des Gewerbebetriebes abstellt, kommt es für die Frage der Aufschiebbarkeit der Arbeiten auch nicht auf die beim konkreten Arbeitgeber bestehende Arbeitsorganisation an; entscheidend ist vielmehr ein objektivierter Maßstab, bei dem nicht auf die besonderen Verhältnisse des einzelnen Arbeitgebers abzustellen ist. Von Bedeutung sind die in der Branche des Gewerbebetriebes üblichen Verhältnisse.

bb) Die Arbeiten dürfen gem. § 105i Abs. 2 GewO nach der Natur des Gewerbebetriebes einen Aufschub oder Unterbrechung nicht gestatten. In dieser Formulierung kommt zum Ausdruck, daß nur solche Arbeiten zulässig sind, ohne die der Arbeitgeber sein Gewerbe nicht ausüben kann. Dazu gehört beispielsweise bei der Ausübung eines Gaststättengewerbes die Tätigkeit eines Kochs oder eines Kellners oder beim Fußballbundesligaverein das Fußballspiel am Sonntag (vgl. dazu BAG Urteil vom 5. Februar 1986 – 5 AZR 564/84 – AP Nr. 12 zu § 339 BGB, zu B III 1c der Gründe, wo auch die Teilnahme am Sonntagstraining als unaufschiebbar angesehen wurde; kritisch dazu Löwisch, Anm. zu BAG, aaO).

Bei Luftfahrtunternehmen ist zweifelsfrei der Flugbetrieb nach der Natur des Gewerbes unaufschiebbar, weil das Luftfahrtgewerbe auf die Beförderung von Personen und Gütern gerichtet ist. Welche weiteren Tätigkeiten hierher gehören, hängt davon ab, inwieweit ein Aufschub oder eine Unterbrechung der Arbeiten die Beförderung von Personen oder Gütern beeinträchtigt. Dies kann letztlich nur im Einzelfall entschieden werden.

Der Auffassung des Arbeitgebers, für die Unaufschiebbarkeit im Sinne des § 105i Abs. 2 GewO komme es nicht auf eine besondere Dringlichkeit der Tätigkeiten an, hat der Senat nicht folgen können. Die vom Arbeitgeber wiedergegebene Entstehungsgeschichte und der allgemeine Sprachgebrauch der Wendung “einen Aufschub nicht gestatten” sprechen vielmehr dafür, daß nach § 105i Abs. 2 GewO nur Arbeiten zulässig sind, die besonders dringlich sind.

Soweit vom Arbeitgeber die Auffassung vertreten wird, die Ausnahmevorschrift des § 105i GewO gebe nur dann einen Sinn, wenn die unaufschiebbaren Arbeiten gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung deutlich weiter gefaßt werden als die unverzichtbaren Notarbeiten im Sinne des § 105c GewO, kann dem nur teilweise gefolgt werden.

Die Regelung des § 105c GewO ist im Zusammenhang mit § 105b GewO zu sehen. § 105c GewO enthält eine Ausnahme von § 105b GewO (§ 105c Abs. 1 GewO: “Die Bestimmungen des § 105b finden keine Anwendung …”). § 105b GewO wiederum enthält ein öffentlich-rechtliches Verbot der Sonntagsarbeit, das gemäß § 147 Abs. 2 Nr. 1 GewO bußgeldbewehrt ist. Dieses öffentlich-rechtliche Verbot ist zur Verstärkung des rein zivilrechtlich wirkenden § 105a GewO eingeführt worden.

Aus der Unanwendbarkeit des § 105b GewO in den Ausnahmefällen des § 105c GewO folgt weiter, daß auch § 105a GewO in diesen Fällen nicht zur Anwendung kommen kann. Arbeitnehmer können also in den Ausnahmefällen des § 105c GewO auch zu Arbeiten an Sonn- und Feiertagen verpflichtet werden. Hieraus kann allerdings nicht der Schluß gezogen werden, daß in Luftverkehrsunternehmen aus jeglichen wirtschaftlichen Gründen Sonntagsarbeit zulässig ist.

Richtig ist zwar, daß aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 105c GewO und § 105a GewO einerseits und § 105i GewO andererseits gefolgert werden muß, daß die nach § 105i Abs. 2 GewO zulässigen Arbeiten nicht nur unverzichtbare Notarbeiten im Sinne des § 105c GewO sein können. Ansonsten gäbe die Regelung des § 105i Abs. 1 GewO, der bestimmt, daß die §§ 105a bis 105g GewO auf Verkehrsgewerbe keine Anwendung finden, keinen Sinn. Der systematische Zusammenhang zwischen § 105c GewO und § 105i GewO führt indes nicht dazu, daß undifferenziert jegliche wirtschaftlichen und wettbewerbspolitischen Interessen des Arbeitgebers zur Zulässigkeit der Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Sonntagsarbeit führen. Erforderlich ist vielmehr, daß sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalles die Notwendigkeit von Sonntagsarbeit nach der Natur des Gewerbes ergibt.

Dies erkennt letztlich auch der Arbeitgeber an, wenn er ausführt, die Sonntagsarbeit von Simulatortechnikern sei nicht ausnahmslos von § 105i Abs. 2 GewO gedeckt. Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers reichen jedoch nicht abstrakte wirtschaftliche Überlegungen und Wettbewerbsinteressen aus, um die Zulässigkeit von Sonntagsarbeit im Sinne des § 105i Abs. 2 GewO begründen zu können, sondern hierfür sind vom Arbeitgeber konkrete Anhaltspunkte darzulegen.

c) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze erweist sich im vorliegenden Fall die Tätigkeit der Simulatortechniker am Sonntag nicht als eine Arbeit, die nach der Natur des Gewerbebetriebes des Arbeitgebers einen Aufschub oder eine Unterbrechung nicht gestattet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß Simulatorschulungen und der Flugbetrieb zwar in einem Zusammenhang stehen, dieser Zusammenhang aber nicht soweit reicht, daß Personen oder Sachen nicht befördert werden können, wenn an Sonn- oder Feiertagen kein Simulatortraining erfolgen kann.

aa) Die Auffassung der Einigungsstelle und im Anschluß daran des Arbeitgebers, die Arbeiten der Simulatortechniker seien unaufschiebbar, weil der Arbeitgeber in die ohnehin schon eingeengte Personaleinsatzplanung die notwendig werdenden Simulatorstunden für die einzelnen Cockpit-Mitarbeiter integrieren müsse und insofern die Planung von Simulatorkapazität auf die Belange des Flugbetriebes selbst Rücksicht nehmen müsse, da andernfalls dessen geordnete Durchführung nicht möglich sei, ist rechtlich nicht haltbar. Der Arbeitgeber hat weder konkret anhand von Zahlen noch in sonstiger Weise nachvollziehbar dargelegt, warum die uneingeschränkte Durchführung des Flugbetriebs nicht möglich sein soll, wenn die Simulatortechniker sonntags nicht arbeiten. Sein Vortrag erschöpft sich insoweit in bloß pauschalen Behauptungen.

bb) Entgegen der Ansicht des Arbeitgebers kann auch nicht aus der Zulässigkeit der Sonntagsarbeit von Piloten und Copiloten sowie der inzwischen erfolgten weitgehenden Verlagerung des Flugtrainings und der Flugausbildung vom Flugzeug auf den Flugsimulator geschlossen werden, daß in bezug auf die Zulässigkeit der Verpflichtung von Simulatortechnikern zur Sonntagsarbeit – und nur um die geht es hier – das Training am Simulator vom fliegerischen Einsatz nicht getrennt werden kann.

Es besteht zwar ein Zusammenhang zwischen dem Training am Simulator und dem fliegerischen Einsatz der Piloten. Nicht nachvollziehbar bleibt aber, warum der Flugbetrieb “praktisch lahmgelegt würde”, wenn die Wartungstechniker an Sonn- und Feiertagen nicht arbeiten würden. Der Arbeitgeber hat keinerlei konkrete Zahlen vorgelegt, aus denen sich ergibt, welche Simulatorkapazität er benötigt und warum die Simulatorkapazitäten, die ihm von Montag bis Samstag zur Verfügung stehen, nicht ausreichen.

Es fehlen weiterhin auch nähere Darlegungen dazu, aus welchen konkreten organisatorischen Gründen die Nutzung der Flugsimulatoren an Sonn- und Feiertagen einen Aufschub oder eine Unterbrechung nicht gestattet. Solche genaueren Ausführungen zu den organisatorischen Schwierigkeiten wären erforderlich gewesen, weil nur dann beurteilt werden kann, ob die Arbeiten der Simulatortechniker tatsächlich keinen Aufschub gestatten oder ob die Arbeiten nur nützlich und praktisch für die Organisation des Flugbetriebs sind.

cc) Weiterhin kann auch nicht daraus, daß die Tätigkeit der Piloten am Simulator als Flugdienstzeit bewertet wird, gefolgert werden, daß ein Verbot der Verpflichtung der Simulatortechniker zur Sonntagsarbeit zugleich ein partielles – rechtswidriges – Verbot der Sonntagsarbeit für Piloten darstellt. Hierbei wird der Sinn der Gleichsetzung beider Arbeitszeiten als Flugdienstzeit verkannt.

Die in § 3 Abs. 1 Nr. 4 der 2. DVLuftBO erfolgte Anerkennung der Zeit des Trainings am Simulator als Flugdienstzeit und die damit erfolgte Gleichsetzung mit der Flugzeit im Flugzeug trägt dem Umstand Rechnung, daß die Belastungen des fliegenden Personals in beiden Fällen gleich ist. Schließlich soll das Training am Simulator Übungsstunden der Piloten im Flugzeug ersetzen. Die Tätigkeit der Piloten am Simulator ist Flugtraining ohne wirkliche Bewegung, aber unter realistischen Bedingungen. Sind die Anforderungen an die Piloten am Simulator ähnlich hoch wie im Flugzeug, so muß auch die Trainingszeit der Flugzeit gleichgesetzt werden. Dies dient dem Schutz der Bevölkerung und der Passagiere vor den Gefahren durch übermüdete Besatzungsmitglieder.

Die Gleichsetzung von Flugzeiten mit Zeiten am Flugsimulator hat jedoch keinerlei Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Verpflichtung der Wartungstechiker zur Sonntagsarbeit. Der Anerkennung der Zeiten am Flugsimulator als Flugdienstzeit kann nicht entnommen werden, daß der Verordnungsgeber der 2. DVLuftBO die Wartungstechniker der Flugsimulatoren an Sonn- und Feiertagen zur Arbeit verpflichten wollte. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht insoweit darauf hingewiesen, daß beide Tätigkeiten zwar in einem Zusammenhang stehen, jedoch nicht erkennbar ist, daß das Flugtraining am Sonntag für die Durchführung des Flugverkehrs unerläßlich ist.

dd) Auch die in § 8 Abs. 1 und 5 der 2. DVLuftBO geregelte maximale Flugdienstzeit läßt entgegen der Auffassung des Arbeitgebers nicht den Schluß zu, daß Wartungstechniker an Flugsimulatoren sonntags zur Arbeit verpflichtet werden dürfen. Richtig ist nur, daß der Verordnungsgeber der 2. DVLuftBO offenbar davon ausgeht, daß Piloten an Sonntagen arbeiten dürfen. § 8 Abs. 1 der 2. DVLuftBO bestimmt nämlich – aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung –, daß eine Verlängerung der Flugdienstzeit innerhalb sieben aufeinanderfolgender Tage zulässig ist. In diesem Zeitraum ist zwingend ein Sonntag enthalten.

Flugdienstzeit ist jedoch gem. § 3 Abs. 1 der 2. DVLuftBO nicht nur die am Simulator verbrachte Zeit, sondern auch die Flugzeit der Besatzungsmitglieder. § 8 Abs. 1 der 2. DVLuftBO stellt damit sicher, daß die Belastung der Besatzungsmitglieder durch Flugzeiten und Zeiten am Flugsimulator innerhalb von sieben Tagen ein bestimmtes Maß nicht überschreitet. Der Regelung ist dagegen nicht zu entnehmen, daß an Sonntagen in jedem Falle ein Simulatortraining möglich sein muß. Die Vorschrift behält vielmehr ihren Sinn, wenn nur von Montag bis Samstag am Simulator trainiert werden kann und an Sonntagen nur Flugzeiten anfallen.

ee) Auch aus der Begründung zum Einigungsstellenspruch vom 29. November 1990 lassen sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß die Arbeit der Simulatortechniker an Sonntagen nach der Natur des Gewerbes des Arbeitgebers einen Aufschub oder eine Unterbrechung nicht gestattet.

Soweit auf Seite 1 der Begründung ausgeführt wird, es habe in der Vergangenheit eine erhebliche Anzahl von Überstunden in dem Bereich FRA NT 3 gegeben, reicht dies nicht zur Begründung der Voraussetzungen des § 105i Abs. 2 GewO aus. Unklar ist insbesondere, aus welchen Gründen es zu den Überstunden kam, hat doch der Arbeitgeber in der Vergangenheit einen beträchtlichen Teil seiner Simulatorkapazitäten – wenn auch mit rückläufiger Tendenz – an Fremdfirmen verkauft. Die weiteren Ausführungen in der Begründung des Einigungsstellenspruchs enthalten keine konkreten Tatsachen, aus denen sich die Zulässigkeit der beschlossenen Sonntagsarbeit ergeben könnte.

ff) Soweit die Einigungsstelle und der Arbeitgeber zur Begründung der Zulässigkeit von Sonntagsarbeit Wettbewerbsnachteile des Arbeitgebers gegenüber anderen Luftfahrtunternehmen geltend machen, vermag auch dies im vorliegenden Fall nicht die Zulässigkeit der Verpflichtung der Simulatortechniker zur Sonntagsarbeit zu begründen. Dem Arbeitgeber ist zwar einzuräumen, daß ihm durch das Verbot der Sonntagsarbeit gewisse Nachteile entstehen. Dies ist dem Verbot der Sonntagsarbeit jedoch immanent. Der Arbeitgeber hat in gewissem Umfang Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Konkurrenten, die ihre Simulatortechniker uneingeschränkt zur Sonntagsarbeit verpflichten können, hinzunehmen. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV sind der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Bei diesem verfassungsrechtlichen Sonntagsschutz handelt es sich um eine institutionelle Garantie und nicht nur um einen Programmsatz (vgl. Benda, Probleme der industriellen Sonntagsarbeit, S. 21 ff.; Richardi, Grenzen industrieller Sonntagsarbeit, S. 43 ff.; Loritz, Möglichkeiten und Grenzen der Sonntagsarbeit, S. 19 ff.; Hollerbach, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, § 140 Rz 60; von Mangoldt/Klein/von Campenhausen, Das Bonner Grundgesetz, 3. Aufl., Bd. 14, Art. 139 WRV Rz 12; Däubler, DB 1988, Beil. 7, S. 4). Der in das Grundgesetz inkorporierte Art. 139 WRV enthält einen Gesetzgebungsauftrag an den Gesetzgeber zur Schaffung konkretisierender Rechtsvorschriften (BVerwG Urteil vom 14. November 1989 – 1 C 14.88 – GewArch 1990, 66, zu 1 der Gründe; Däubler, aaO, S. 4; von Mangoldt/Klein/von Campenhausen, aaO, Art. 139 WRV Rz 12).

Die konkrete Ausgestaltung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Sonn- und Feiertagsschutzes liegt im gesetzgeberischen Ermessen, das seine Grenze darin findet, daß die zu diesem Schutz geschaffenen Regelungen nicht unverhältnismäßig sind (BVerwG Urteil vom 14. November 1989, aaO). Durch die Einschränkung der Sonntagsarbeit in § 105i Abs. 2 GewO wird u.a. die Berufsausübungsfreiheit zulässigerweise eingeschränkt, soweit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist (Däubler, aaO, S. 6; von Mangoldt/Klein/von Campenhausen, aaO, Art. 139 WRV Rz 21; Richardi, aaO, S. 53 f.; Jarass/Pieroth, GG, 2. Aufl., Art. 140, Art. 139 WRV Rz 1).

Gewerbetreibende müssen daher bereits von Verfassungs wegen Einschränkungen ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) hinnehmen, die auf einem gesetzlichen Verbot der Sonntagsarbeit beruhen. Unter Berücksichtigung von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ist von der Verfassungsmäßigkeit der §§ 105a ff. GewO auszugehen. Möglichkeiten und Grenzen der Sonntagsarbeit sind im Einzelfall verfassungskonform unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen. Ob dies zur Zulässigkeit der Sonntagsarbeit führt, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab.

Der Arbeitgeber hat im vorliegenden Fall jedoch keine konkreten Umstände vorgetragen, die aus verfassungsrechtlichen Gründen die Zulässigkeit von Sonntagsarbeit für Tätigkeiten der Simulatortechniker begründen. Der Arbeitgeber hat vielmehr sowohl die wirtschaftlichen als auch die organisatorischen Gründe sowie die Wettbewerbsnachteile nur pauschal behauptet, ohne dazu konkrete Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die Intensität und das Ausmaß der Nachteile erkennen läßt.

d) Es wäre im vorliegenden Fall Sache des Arbeitgebers gewesen, konkrete Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die Zulässigkeit der von der Einigungsstelle beschlossenen Sonntagsarbeit ergibt. Die objektive Beweislast trifft hier den Arbeitgeber, weil gem. § 105i Abs. 2 GewO Arbeitnehmer nur für ganz bestimmte Arbeiten an Sonn- und Feiertagen verpflichtet werden können. Die Voraussetzungen für die wirksame Verpflichtung zu Arbeiten an Sonn- und Feiertagen hat der Arbeitgeber zu beweisen, weil es sich hierbei um anspruchsbegründende Tatsachen handelt. Die Darlegungen des Arbeitgebers zur Zulässigkeit der Sonntagsarbeit von Simulatortechnikern in der Abteilung FRA NT 3 sind jedoch – wie oben ausgeführt – nicht substantiiert.

e) Ob das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Aufklärungspflicht weitere Ermittlungen hätte durchführen müssen, kann hier dahinstehen, weil der Arbeitgeber keine Verfahrensrüge erhoben hat (zur Erforderlichkeit der Rüge vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 96 Rz 11 und § 94 Rz 16).

Nach alledem erweist sich der Spruch der Einigungsstelle als unwirksam, weil er gegen § 105i GewO verstößt. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, daß der Einigungsstellenspruch insgesamt unwirksam ist, weil die darin geregelte Arbeitszeit eine Einheit bildet.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Dr. Weller, Dr. Rost, Spiegelhalter, Hilgenberg

 

Fundstellen

Haufe-Index 848120

BAGE, 118

NVwZ 1993, 1024

NZA 1993, 856

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