Die Vergleichsrechnung nach § 31 EStG, also die Günstigerprüfung zwischen

  • der ESt-Entlastung aus dem Abzug des Kinderfreibetrags und des Bedarfsfreibetrags und
  • dem Anspruch auf Kindergeld bzw. auf vergleichbare ausländische Leistungen für den gesamten VZ[1]

ist auch für Auslandskinder durchzuführen. Die Vergleichsrechnung ist für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen gesondert durchzuführen, beginnend mit dem ältesten Kind.

Der Anspruch auf Kindergeld bzw. auf die vergleichbare ausländische Leistung ist bei der Vergleichsrechnung im selben Umfang zu berücksichtigen, wie der Kinderfreibetrag abgezogen wird.

Kindergeld, das wegen der 6-Monatsfrist[2] nicht ausgezahlt wird, wird bei der Vergleichsrechnung nicht berücksichtigt und auch nicht ggf. der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet.[3]

Im Fall, dass der Abzug der Freibeträge für Kinder günstiger ist als der Anspruch auf Kindergeld bzw. ausländische Leistungen, erfolgt die Hinzurechnung des Anspruchs-Betrags zur tariflichen Einkommensteuer ebenfalls im selben Umfang wie der Kinderfreibetrag abgezogen wird.[4]

Der Anspruch des anderen Elternteils auf ausländische Familienleistung ist immer in vollem Umfang bei der Vergleichsrechnung für den barunterhaltspflichtigen, unbeschränkt steuerpflichtigen Elternteil anzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn die Barunterhaltsverpflichtung nicht um die Hälfte der ausländischen Familienleistung gekürzt wird[5], weil es in dem betreffenden Staat keine dem zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch vergleichbare Regelung gibt (z. B. Österreich, Dänemark).[6]

 
Praxis-Beispiel

Beispiel
Vergleichsrechnung

Zahlung von Kindergeld nach Abkommensrecht und Wohnsitzwechsel eines Kindes:

Nazim H. ist türkischer Arbeitnehmer und hat seinen Wohnsitz in Köln. Seine von ihm nicht dauernd getrennt lebende Ehefrau Emine wohnt mit den 3 Kindern (17, 15 und 13 Jahre) in der Familienwohnung in Izmir. Das älteste Kind zieht ab 10.8.2023 dauerhaft zum Vater nach Köln um.

Nazim hat Anspruch auf Kindergeld nach Inlandssätzen für das älteste Kind ab August 2023 und im Übrigen Anspruch auf Kindergeld nach dem Sozialabkommen mit der Türkei.

Das zu versteuernde Einkommen (ohne Abzug eines Kinderfreibetrags) von Nazim H. beträgt im Jahr 2023 35.500 EUR.

Wie erfolgt der Familienleistungsausgleich bei Nazim H. im VZ 2023 für die 3 Kinder?

Lösung:

1. Anspruch auf Kindergeld:

Nazim hat Anspruch auf Kindergeld in folgender Höhe:

 
  Monats­betrag Anzahl der Monate Jahresbetrag
  EUR   EUR EUR
1. Kind 5,11 7 35,77  
250,00 5 1.250,00


1.286
2. Kind 12,78 12   153
3. Kind 30,68 12   368

2. Vergleichsrechnung:

Für jedes Kind ist die Vergleichsrechnung gesondert durchzuführen.

Die Vergleichsrechnung ist auch bei wechselnder Höhe von Kinderfreibetrag und Kindergeld in den einzelnen Kalendermonaten stets auf das zu versteuernde Einkommen (Jahresbetrag) zu beziehen. Dies folgt aus § 31 Satz 1 EStG.[7]

 
1. Kind: EUR EUR EUR
zu versteuerndes Einkommen I   35.500  
ESt nach Grundtarif     6.373
abzüglich Kinderfreibetrag und Bedarfsfreibetrag:      
– 8.952 EUR/2 = 4.476 EUR (Ländergruppe 3) für 7 Monate = 2.611    
– 8.952 EUR für 5 Monate (Inland) =
3.730

./. 6.341
 
zu versteuerndes Einkommen II   29.159  
ESt nach Grundtarif     4.454
ESt-Entlastung aus Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag   1.919
Kindergeldanspruch     1.286
Übersteigender Betrag     633

Danach führt der Abzug von Kinderfreibetrag und Bedarfsfreibetrag zu einer höheren Entlastung als der Anspruch auf Kindergeld im VZ. Demzufolge werden bei der ESt-Veranlagung Kinderfreibetrag und Bedarfsfreibetrag vom Einkommen abgezogen und der Anspruch auf Kindergeld der tariflichen ESt hinzugerechnet. Ein Solidaritätszuschlag fällt 2023 nicht mehr an.

 
2. Kind: EUR EUR
zu versteuerndes Einkommen II 29.446  
ESt nach Grundtarif   4.538
abzüglich    
Kinderfreibetrag und Bedarfsfreibetrag insgesamt 8.952 EUR/2 = ./. 4.476  
zu versteuerndes Einkommen III 24.970  
ESt nach Grundtarif   3.271
ESt-Entlastung aus Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag 1.267
Kindergeldanspruch (12,78 EUR × 12)   153
Übersteigender Betrag   1.114

Für das 2. Kind ist ebenfalls der Abzug des Kinderfreibetrags und des Bedarfsfreibetrags bei der ESt-Veranlagung günstiger. Der Anspruch auf Kindergeld i. H. v. 153 EUR wird der tariflichen ESt hinzugerechnet.

 
3. Kind: EUR EUR
zu versteuerndes Einkommen III 25.172  
ESt nach Grundtarif   3.327
Abzüglich:    
Kinderfreibetrag und Bedarfsfreibetrag insgesamt: 8.952 EUR/2 = ./. 4.476  
zu versteuerndes Einkommen IV 20.696  
ESt nach Grundtarif   2.134
ESt-Entlastung durch Kinderfreibetrag/Bedarfsfreibetrag 1.193
Kindergeldanspruch (30,68 EUR × 12)   368
Übersteigender Betrag   825

Auch beim 3. Kind ist der Abzug von Kinderfreibetrag und Bedarfsfreibetrag günstiger. Der Kindergeldanspruch ist danach der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen.

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