Für zu berücksichtigende Kinder des Anspruchsberechtigten, die ihren Wohnsitz in einem anderen EU-/EWR-Staat oder in der Schweiz haben, wird vorbehaltlich der Vorrangregelungen Kindergeld i. H. d. inländischen Sätze gezahlt.[1]

 
Vorrangregelungen zum Ausschluss von Doppelleistungen

Besteht für ein Kind, das in einem anderen EU-/EWR-Staat seinen Wohnsitz hat, gleichzeitig sowohl

  • Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG im Inland als auch
  • Anspruch auf Familienleistungen im Wohnland des Kindes,

liegen konkurrierende Ansprüche vor.

 
Hinweis

Anwendbarkeit des ausländischen Rechts auf den im Inland lebenden Elternteil

Konkurrierende Ansprüche i. S. d. Art. 68 der VO (EG) Nr. 883/2004 sind nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil auf den im Inland lebenden Elternteil deutsches Recht anwendbar ist, wenn der andere Elternteil unter die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats fällt, in dem er aber selbst keinen Anspruch auf Familienleistung besitzt. Aufgrund der geltenden Familienbetrachtung[2] wird nicht nur fingiert, dass der im Inland lebende Elternteil auch im anderen Mitgliedstaat wohnt, sondern auch, dass er den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliegt.

In diesem Fall ist zu prüfen, ob der im Inland lebende Elternteil ggf. auch im anderen Mitgliedstaat einen Anspruch auf Familienleistung besitzt und sich dadurch eine Anspruchskonkurrenz ergibt.[3]

a) Bisherige VO (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72:

Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und die Durchführungsverordnung (EWG) Nr. 574/72 enthalten die Regelungen zum Vorrang bzw. zum Ruhen von Ansprüchen. Seit dem 1.6.2002 wird die Schweiz hinsichtlich der Familienleistungen so behandelt, als wäre sie ein Mitgliedstaat der EU. Die Verordnungen gelten auch im Verhältnis zu den EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen.

Die Verordnungen sind größtenteils aber abgelöst von den am 1.5.2010 in Kraft getretenen Verordnungen VO (EG) Nr. 883/2004 und DVO (EG) Nr. 987/2009. Sie haben ihre Wirkung mittlerweile auch größtenteils verloren, was die Übergangsbestimmungen betrifft.[4] Die aktuellen Verordnungen gelten bereits im Verhältnis zu den EWR-Staaten und der Schweiz und mit der VO (EU) Nr. 1231/2010 (gilt seit 1.1.2011) wurde die VO (EG) Nr. 883/2004 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter die Bestimmmungen fallen, ausgedehnt und die VO (EG) Nr. 859/2003 aufgehoben.

Die weitere Anwendbarkeit für Altfälle, d. h. solange der zugrunde liegende Sachverhalt bereits bis 30.4.2010 verwirklicht wurde und sich nicht geändert hat (z. B. durch Aufnahme einer Beschäftigung durch einen Elternteil, Trennung der beiden Eltern), bzw. der Kindergeldberechtigte nicht beantragte, den nach Art. 11 bis 16 VO (EG) Nr. 883/2004 anzuwendenden Rechtsvorschriften unterstellt zu werden, galt bis längstens 30.4.2020.[5]

Für Drittstaatsangehörige, die unter das Austrittsabkommen im Rahmen des Brexits fallen, ergibt sich noch ein Anwendungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71. Insoweit und zu Besonderheiten mit Dänemark wird u. a. auf die DA-üzV 2015 verwiesen.[6]

Grundlegende Ausführungen zu den Vorrangregeln finden sich in EuGH, Urteil v. 7.6.2005[7], und im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts v. 8.6.2004.[8]

b) Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009[9]:

Die Verordnungen VO (EG) Nr. 883/2004 und DVO (EG) Nr. 987/2009 gelten im Verhältnis zu EU-Staaten seit dem 1.5.2010, im Verhältnis zu den EWR-Staaten seit dem 2.6.2012 und im Verhältnis zur Schweiz seit dem 1.4.2012.

Zur Klärung des Vorrangs des Kindergeldanspruchs zwischen den EU- und EWR-Staaten sowie der Schweiz sind die Verordnung (EG) Nr. 883/2004, die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 sowie die Verordnung (EG) Nr. 859/2003 und (EU) Nr. 1231/2010 maßgebend.[10]

Zu den beiden ab 1.5.2010 anzuwendenden Verordnungen hat die Familienkasse Direktion die Durchführungsanweisung zum über- und zwischenstaatlichen Recht, DA-üzV (Stand: Juni 2015), erlassen.[11]

Zur Anwendung der VO (EG) Nr. 883/2004:

Die Vorrangregeln (Prioritätsregeln) zur Auflösung von Anspruchskonkurrenzen, wenn Kindergeld von mehreren Staaten (EU, EWR, Schweiz) zu gewähren ist, lauten wie folgt[12]:

  • an 1. Stelle: die Beschäftigung[13] im Wohnland des Kindes,
  • an 2. Stelle: die Beschäftigung außerhalb des Wohnlandes des Kindes,
  • an 3. Stelle: Rentenanspruch im Wohnland des Kindes,
  • an 4. Stelle: Rentenanspruch außerhalb des Wohnlandes des Kindes und
  • an 5. Stelle: Wohnsitz im Wohnland des Kindes.

Ist Kindergeld von mehreren Staaten (EU, EWR, Schweiz) aus denselben Gründen zu gewähren, ist damit immer der Staat vorrangig zuständig, in dem das Kind wohnt.

Die Koordinierungsregel nach Art. 68 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 883/2004 ist nur dann anwendbar und kann einen inländischen Kindergeldanspruch somit auch nur dann ausschließen, wenn tatsächlich konkurrierende Ansprüche auf Familienleistungen in dem anderen Mitgliedstaat bestehen. Im Urteilsfall ging es zudem um einen Anspruch aufgrund eines Zweitwohnsitzes des Kindsvaters in De...

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