Die Möglichkeiten der Ehegatten, durch Manipulationen Einfluss auf den Zugewinn zu nehmen, sind vielfältig. Sie beschränken sich – wie die Entscheidung des BGH deutlich macht – nicht auf Vermögensverminderungen vor der Zustellung des Scheidungsantrags, sondern können sich unter Umständen auch dadurch ergeben, dass ein Ehegatte vorzeitig, d.h. vor Ablauf des Trennungsjahres, Scheidungsantrag stellt.

Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, haben einen Anspruch auf den in der Ehe erworbenen Zugewinn. Dabei wird der Ausgleichsanspruch – wie sich aus § 1375 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausdrücklich ergibt – vor allen Handlungen geschützt, die in der Absicht vorgenommen werden, den anderen Ehegatten zu benachteiligen. Die Schutzvorschrift des § 1375 BGB bezieht sich jedoch auf Benachteiligungshandlungen, die vor dem Bewertungsstichtag vorgenommen worden sind.

Die Frage, ob es im Einzelfall bei einem vorzeitig gestellten Scheidungsantrag gerechtfertigt sein kann, eine Korrektur des Stichtages für die Berechnung des Zugewinns vorzunehmen, hat der BGH bisher nicht ausdrücklich entschieden. In einem obiter dictum hat er unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung[1] darauf hingewiesen, dass es aus Gründen übergeordneter allgemeiner Rechtsgrundsätze in besonderen Ausnahmefällen gerechtfertigt sein kann, die Stichtage des Gesetzes im Hinblick auf eine verfrühte Antragstellung zu modifizieren.[2]

Die Entscheidung BGH FamRZ 1986, 335 bezog sich auf ein Versorgungsausgleichsverfahren, in dem die Eheleute nach Zustellung des Scheidungsantrags das Ehescheidungsverfahren übereinstimmend – irrig – als erledigt angesehen und langfristig (sechs Jahre) wieder ehelich zusammengelebt hatten, bevor der Ehemann das Scheidungsverfahren wieder aufnahm. Für diesen Fall wurde es als treuwidrig angesehen, dass sich der ausgleichspflichtige Ehegatte später auf das durch die Zustellung des Scheidungsantrags bestimmte Ehezeitende berief, weil beide Parteien während der jahrelangen Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft darauf vertraut hatten, dass sie an der nunmehr weiter aufgebauten Alterssicherung gemeinsam teilhaben würden.

Die jetzt ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt nunmehr auch für den Zugewinnausgleich ausdrücklich klar, dass unter Vorliegen besonderer Umstände im Ausnahmefall eine Modifikation der gesetzlichen Stichtage und eine hierauf begründete Auskunftsverpflichtung gerechtfertigt sein können. Die Entscheidung des BGH macht allerdings auch deutlich, dass dies nur in extremen Ausnahmefällen möglich sein soll. Notwendig ist der Nachweis, dass ein Festhalten an den gesetzlichen Bewertungsstichtagen grob unbillig ist und die Gewährung des hierauf errechneten Ausgleichsanspruchs dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde. Ausdrücklich nennt der BGH in der Entscheidung zwei Fallgruppen, nämlich

erheblichen Zeitablauf oder
den Nachweis einer illoyalen Manipulationsabsicht.

Das sog. Zeitmoment für eine Korrektur der Zugewinnausgleichsberechnung ist nach einem Ablauf von acht Monaten nach der jetzt vorliegenden Entscheidung noch nicht erfüllt. Der BGH verweist vielmehr auf seine Entscheidung zum Versorgungsausgleich, die eine Verschiebung von mehreren Jahren zum Gegenstand hatte.[3]

Ebenfalls sehr eng begrenzt sind nach der Entscheidung des BGH die Möglichkeiten einer Stichtagskorrektur wegen illoyal verfrüht gestellten Scheidungsantrags: So reicht die verfrühte Stellung des Scheidungsantrags allein nicht aus, sondern es kommt auf den Nachweis einer subjektiven Bösgläubigkeit und eines hierdurch erlangten wirtschaftlichen Vorteils an, der im Ergebnis zu einem nach § 242 BGB nicht mehr hinnehmbaren Gesamtergebnis führt.

Die im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit vom BGH aufgestellten strengen Maßstäbe für eine Korrektur des Bewertungsstichtages begründen die Gefahr, dass künftig häufiger als bisher durch verfrühte Scheidungsanträge Manipulationen und Veränderungen eines Zugewinnausgleichsanspruchs stattfinden.

Sie eröffnen dem potentiell Ausgleichsberechtigten bei Vermögenssubstanzverbrauch in der Trennungsphase eine Verbesserung seiner Ausgleichsansprüche und ermöglichen dem potentiell Ausgleichsverpflichteten eine Reduzierung möglicher Zugewinnausgleichsansprüche bei zu erwartender Vermögenssteigerung.

Es ist auch nicht überzeugend, wenn der BGH den Nachweis einer Manipulationsabsicht schon zur Voraussetzung für einen erweiterten Auskunftsanspruch (bezogen auf den fiktiven Bewertungsstichtag) macht.

Vielmehr sollte die objektive Feststellung eines mehrere Monate vor Ablauf des Trennungsjahres gestellten Scheidungsantrags als Indiz für eine illoyale Manipulationsabsicht ausreichen, um einen erweiterten Auskunftsanspruch zu begründen. Es ist nicht sachgerecht, den Auskunftsanspruch mit subjektiven Tatbestandsmerkmalen zu überfrachten, weil erst die erteilte Auskunft Rückschlüsse darauf zulässt, ob eine Vermögensverschiebung tatsächlich stattgefunden hat ...

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