1 Leitsatz

Auch in einer (zerstrittenen) Zweiergemeinschaft, in der ein Verwalter nicht bestellt ist und in der wegen des Kopfstimmrechts keine Mehrheitsbeschlüsse möglich sind, kann der Eigentümer, der Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer getilgt hat, von dem anderen Eigentümer nicht unmittelbar (anteilige) Erstattung seiner Aufwendungen verlangen. Entsprechendes gilt, wenn der andere Eigentümer zwischenzeitlich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeschieden ist und er für die während seiner Zugehörigkeit entstandenen oder während dieses Zeitraums fällig gewordenen Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Anspruch genommen werden soll.

2 Normenkette

§§ 9a Abs. 4 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 WEG

Sachverhalt

In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es 3 Wohnungseigentumsrechte. 2 gehören Wohnungseigentümer K, das andere gehörte im zu betrachtenden Zeitraum dem B. Es gab und gibt keinen Verwalter. Beschlüsse werden nicht gefasst. K verlangt von B daher unmittelbar Aufwendungsersatz für seine Zahlungen an einen Versorger.

2.1 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Tilge ein Wohnungseigentümer Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, könne er nur von dieser einen Aufwendungsersatz verlangen. Einen Erstattungsanspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer habe der tilgende Wohnungseigentümer nicht. Aus § 9a Abs. 4 Satz 1 WEG folge nichts anderes. Diese Vorschrift sei auf Ansprüche anderer Wohnungseigentümer, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis herrühren (Sozialverbindlichkeiten), nicht anwendbar. Dass es sich um eine zerstrittene Zweiergemeinschaft ohne Verwalter handle, ändere nichts.

Hinweis

  1. Die Entscheidung klärt, dass selbst in einer (zerstrittenen) Zweiergemeinschaft, in der ein Verwalter nicht bestellt ist und in der wegen des Kopfstimmrechts keine Beschlüsse möglich sind, der Wohnungseigentümer, der Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer getilgt hat, von dem anderen Wohnungseigentümer nicht unmittelbar (anteilige) Erstattung seiner Aufwendungen verlangen kann. Diese Frage war bislang umstritten. Zum Teil wurde ein Durchgriff des Wohnungseigentümers gegen den anderen Wohnungseigentümer aus prozessökonomischen Erwägungen bejaht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass es eine bloße Förmelei wäre, müsste der Wohnungseigentümer zunächst die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Anspruch nehmen und insoweit einen zusätzlichen Prozess führen. Nach der Gegenauffassung, der der BGH folgt, schied auch bereits bislang ein Direktanspruch aus. Prozessökonomische Überlegungen rechtfertigten kein Absehen von dem in dem Wohnungseigentumsgesetz vorgesehenen Verfahren. Komme es nicht zu einem Beschluss, bestehe für den Wohnungseigentümer die Möglichkeit, über § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG durch gerichtliche Hilfe zu Vor- und/oder Nachschüssen zu gelangen; notfalls müsste auch die Erhebung einer Sonderumlage auf diesem Wege herbeigeführt werden, damit berechtigte Erstattungsansprüche des in Vorleistung getretenen Wohnungseigentümers befriedigt werden könnten. Eine Differenzierung zwischen Zweiergemeinschaften und anderen Wohnungseigentümergemeinschaften lasse sich dem Wohnungseigentumsgesetz nicht entnehmen.
  2. Der BGH verkennt nicht, dass in der Praxis viele Zweiergemeinschaften ohne einen Verwalter und ohne Fassung von Beschlüssen nur deshalb "funktionieren", weil die Wohnungseigentümer, losgelöst von einer genaueren juristischen Prüfung, das Tätigwerden des jeweils anderen für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dulden und die geforderten Zahlungen leisten. Dies ändert aber nichts daran, dass in einem Streitfall ein Anspruch der Wohnungseigentümer auf Erstattung nur in dem von dem Wohnungseigentumsgesetz gesetzten Rahmen und in dem darin vorgesehenen Verfahren durchgesetzt werden kann.
  3. Der Fall zeigt, dass sich der Aufwand für die Wohnungseigentümer reduzieren lässt, wenn – gleichsam als neutrale Instanz – ein Verwalter bestellt wird. Hierauf haben die Wohnungseigentümer gemäß § 18 Abs. 2 WEG einen Anspruch, da die Bestellung eines Verwalters stets ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dies gilt auch bei Zweiergemeinschaften. Dem Verwalter obliegt es unter anderem, durch die Aufstellung eines Wirtschaftsplans (§ 28 Abs. 1 WEG), nach dem die Vorschüsse berechnet werden können, für die nötige Finanzausstattung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu sorgen und am Ende des Jahres über die getätigten Ein- und Ausnahmen unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften abzurechnen und damit die Nachschüsse zu benennen. Die "Bündelung" der sich im Zusammenhang mit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums stellenden Fragen durch den Verwalter führt gegenüber der wechselseitigen Inanspruchnahme der Wohnungseigentümer im Wege von Direktansprüchen zu einer deutlichen Verfahrensvereinfachung.
  4. Ein Verwalter sollte zwar vor Zweiergemeinschaften zurückschrecken, kann sich aber durch ein angemessen hohes Honorar hier einen Markt erschließen.

3 Entscheidung

BGH, Urteil v. 25.9.2020, V ZR 288/19

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