Leitsatz

Im Rahmen der Entscheidung über den Antrag des Kindesvaters auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für einer 11-jährigen Tochter auf ihn hatte sich das OLG Brandenburg mit der Frage der Geschwistertrennung und der Maßgeblichkeit dieses Faktors bei der Frage des weiteren Verbleibs des Kindes auseinanderzusetzen.

 

Sachverhalt

Die Kindeseltern hatten im August 1994 geheiratet und sich im April 2008 getrennt. Die Trennung erfolgte zunächst innerhalb des gemeinsamen Hauses. Aus der Ehe waren zwei in den Jahren 1991 und 1998 geborene Töchter hervorgegangen. Die ältere Tochter hatte sich eindeutig für einen Verbleib beim Vater ausgesprochen. Ihr Verhältnis zur Mutter war sehr angespannt. Das Sorgerecht bzw. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für sie war kein Streitpunkt zwischen den Eltern.

Nach der Trennung der Eltern eskalierte die Situation zwischen ihnen, worunter beide Töchter sehr litten. Es wurden von ihnen diverse Verfahren beim FamG anhängig gemacht, so u.a. ein Verfahren auf Zuweisung der Wohnung und ein von der Ehefrau betriebenes Verfahren zum Gewaltschutz. Schließlich begehrte der Vater die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für die jüngere Tochter auf sich und begründete sein Begehren damit, dass die Kindesmutter ohne jegliche Absprache mit ihm die Tochter manchmal tagelang ohne Angabe des Aufenthaltsortes mit sich nehme.

Nach zunächst nur vorläufiger Entscheidung durch einstweilige Anordnung wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die jüngere Tochter auf den Vater übertragen. Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens bestätigte das FamG diese Entscheidung mit Beschluss vom 20.2.2009.

Hiergegen hat die Kindesmutter Beschwerde eingelegt und beantragt, ihr unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die jüngere Tochter zu übertragen.

Ihr Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Ebenso wie das erstinstanzliche Gericht kam auch das OLG nach Anhörung der Beteiligten - einschließlich des betroffenen Kindes - zu dem Ergebnis, dass es dem Wohl der jüngeren Tochter am ehesten entspreche, das gemeinsame Sorgerecht der Kindeseltern hinsichtlich des Teilbereichs des Aufenthaltsbestimmungsrechts aufzuheben und dieses auf den Kindesvater allein zu übertragen.

Beide Elternteile seien zur Pflege und Erziehung des Kindes gleichermaßen geeignet, obgleich beiderseits Defizite erkennbar geworden seien. Auch nach längerer Zeit der Trennung bestehe ein Paar-Konflikt fort, der die Kindeseltern daran hindere, die erforderlichen Entscheidungen im Interesse ihres Kindes einvernehmlich und nach gehöriger Absprache zu treffen und wenigstens in simplen Alltagsfragen zu einer wechselseitige Ansichten respektierenden Verständigung zu gelangen. Aufgrund dessen müsse es bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu einer Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge kommen, weil nur so dem Wohl des Kindes entsprochen werden könne.

Weder der Grundsatz der Kontinuität noch das sog. Förderungsprinzip spreche für einen der Elternteile mit entsprechender Deutlichkeit.

Bezüglich der gefühlsmäßigen Bindung des Kindes könne festgestellt werden, dass es sich beiden Elternteilen emotional verbunden fühle. Anders als ihre ältere Schwester, in deren Beziehung zur Mutter eine tief greifende Störung eingetreten sei, habe die jüngere Tochter die emotionale Verbundenheit zu beiden Eltern betont. Gerade angesichts der fortdauernden Auseinandersetzungen der Eltern sei für die jüngere Tochter ganz offenkundig ihre knapp 7 Jahre ältere Schwester zu einer Bezugsperson von zentraler Bedeutung geworden. Die ältere Tochter nehme sich sehr fürsorglich aller Sorgen und Nöte ihrer kleineren Schwester an. Von daher komme der Geschwisterbindung im vorliegenden Fall eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Da die ältere Tochter sich dezidiert für einen Verbleib im väterlichen Haushalt ausgesprochen habe, könne der Geschwisterbindung nur in der Weise Rechnung getragen werden, dass auch die jüngere Tochter im väterlichen Haushalt bleibe.

Jede andere Entscheidung würde die jüngere Tochter ihrer derzeit wichtigsten Stütze berauben und deshalb nicht dem Kindeswohl entsprechen.

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 06.08.2009, 9 UF 41/09

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