Rz. 157

Die Befristung von Arbeitsverträgen mit Bühnenkünstlern entspricht langjährigem Bühnenbrauch. Bereits der Normalvertrag Solo (NV Solo) vom 1.5.1924, der für Solisten galt, ging vom befristeten Bühnenarbeitsverhältnis als Regelfall aus. An dieser tariflichen Regelung hat sich bis heute nichts geändert. Die Tarifvertragsparteien haben in § 2 Abs. 2 des am 1.1.2003 in Kraft getretenen, nicht nur für Solisten, sondern auch für andere Bühnenkünstler, z. B. Chorsänger, Mitglieder einer Tanzgruppe und künstlerisch tätige Bühnentechniker geltenden Normalvertrag Bühne (NV Bühne) bestimmt, dass der Arbeitsvertrag mit Rücksicht auf die künstlerischen Belange der Bühne ein Zeitvertrag ist.

 

Rz. 158

Der Arbeitsvertrag wird in der Regel für die Dauer eines Jahres (Spielzeit) abgeschlossen. Für die Solisten ist in § 61 Abs. 2 NV Bühne geregelt, dass ein mindestens für 1 Jahr (Spielzeit) abgeschlossener Arbeitsvertrag sich zu den gleichen Bedingungen um 1 weiteres Jahr (Spielzeit) verlängert, wenn nicht eine Vertragspartei der anderen bis zum 31. Oktober der Spielzeit, mit deren Ablauf der Vertrag endet, schriftlich mitteilt, dass sie nicht beabsichtigt, den Arbeitsvertrag zu verlängern (Nichtverlängerungsmitteilung). Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit ununterbrochen mehr als 8 Jahre, muss die Nichtverlängerungsmitteilung der anderen Vertragspartei bis zum 31. Juli der vorangegangenen Spielzeit zugegangen sein.

 

Rz. 159

Entsprechendes gilt für Bühnentechniker (§ 69 Abs. 2 NV Bühne), für Chormitglieder (§ 83 Abs. 2 NV Bühne) und für Mitglieder einer Tanzgruppe (§ 96 Abs. 2 NV Bühne).

 

Rz. 160

Gegenüber Solisten, Bühnentechnikern und Mitgliedern einer Tanzgruppe kann nach mehr als 15-jährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses eine Nichtverlängerungsmitteilung nur ausgesprochen werden, wenn das Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen fortgesetzt werden soll (§§ 61 Abs. 3, 69 Abs. 3, 96 Abs. 3 NV Bühne). Eine Nichtverlängerungsmitteilung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt dann nicht mehr in Betracht.

Die mit der Änderungsnichtverlängerungsmitteilung vorgesehene Änderung der Arbeitsbedingungen muss billigem Ermessen i. S. v. § 315 BGB entsprechen. Die Änderungsnichtverlängerungsmitteilung muss ein rechtlich zulässiges Ziel anstreben. Verstoßen die geänderten Arbeitsbedingungen gegen zwingende gesetzliche oder zwingend anwendbare tarifliche Vorschriften, muss der Arbeitnehmer die Änderung nicht hinnehmen, sodass die Änderungsnichtverlängerungsmitteilung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen fortbesteht.[1]

Das Änderungsangebot kann nach den tariflichen Bestimmungen im NV Bühne auch eine nicht künstlerische Tätigkeit – u. U. auch außerhalb der Bühne – zum Gegenstand haben. Sieht der angebotene Änderungsvertrag eine Befristung vor, ist die Änderungsnichtverlängerungsmitteilung nur wirksam, wenn hierfür ein sachlicher Grund nach § 14 Abs. 1 TzBfG besteht. Ansonsten ist das Änderungsangebot unbillig und muss vom Arbeitnehmer nicht hingenommen werden. Hat das Änderungsangebot eine nicht künstlerische Tätigkeit zum Gegenstand, kann die Befristung – anders als bei einer künstlerischen Tätigkeit – nicht mit Erfolg auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gestützt werden.[2]

 

Rz. 161

Für Chorsänger gilt dieser Bestandsschutz nach 15-jährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses nach den tariflichen Regelungen nicht. Allerdings hat der Arbeitgeber eines Opernchormitglieds zu prüfen, ob und inwieweit dem Chormitglied – ggf. nach einer Umschulung – eine andere angemessene Beschäftigung an der Bühne oder in der Kulturverwaltung am Sitz der Bühne angeboten werden kann (§ 83 Abs. 11 NV Bühne), wenn das Chormitglied bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 40. Lebensjahr überschritten hat und länger als 15 Jahre bei dem Arbeitgeber oder seinem Rechtsvorgänger beschäftigt war.

Außerdem ist für Chormitglieder in § 83 Abs. 8 NV Bühne bestimmt, dass die Nichtverlängerungsmitteilung des Arbeitgebers unwirksam ist, wenn künstlerische Belange der Bühne durch die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nicht beeinträchtigt werden und die Interessen des Opernchormitglieds an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gebieten.

 

Rz. 162

Die tarifliche Regelung, nach der sich das für eine Spielzeit begründete Arbeitsverhältnis um ein weiteres Jahr verlängert, wenn nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen eine Nichtverlängerungsmitteilung ausgesprochen wird, kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit jährlicher Kündigungsmöglichkeit entsteht. Der Arbeitsvertrag verlängert sich nur dann um ein weiteres Jahr, wenn keine Nichtverlängerungsmitteilung ausgesprochen wird. Das Arbeitsverhältnis ist daher befristet. Unterbleibt eine Nichtverlängerungsmitteilung, kommt ein weiterer befristeter Arbeitsvertrag für die Dauer eines Jahres zustande. Da die Nichtverlängerungsmitteilung nicht die gleichen Wirkungen hat wie eine Kündigun...

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