Mit Inkrafttreten des neuen Bauvertragsrechts zum 1.1.2018 wurden durch die neu eingeführten §§ 650p bis 650t BGB erstmals spezielle gesetzliche Normen zum Architekten- und Ingenieurvertragsrecht geschaffen. Bis dahin wurde die vom Architekten/Ingenieur zu erbringenden Leistungen zumeist (fälschlicherweise) aus der HOAI abgeleitet, die bis Ende des Jahres 2020 jedoch lediglich Honorarrecht darstellte und keine Leistungspflichten begründete. Folgende wesentlichen Neuerungen gab es durch das neue Bauvertragsrecht:

  • Vereinbarung von Planungs- und Überwachungszielen

    Der neue § 650p Abs. 1 BGB enthält zunächst eine Legaldefinition für den Architekten- und Ingenieurvertrag: "Durch einen Architekten- oder Ingenieurvertrag wird der Unternehmer verpflichtet, die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen."

    Damit stellt § 650p Abs. 1 BGB aber zudem klar, dass ein Architektenvertrag bereits in dem Zeitpunkt geschlossen sein kann, zu dem die Vertragsparteien die grundlegende Konzeption des zu planenden Bauwerks erst noch erarbeiten müssen, sodass schon in dieser Vorvorplanungsphase ("Zielfindungsphase" oder "Leistungsphase 0") ein Honoraranspruch begründet werden kann, auch wenn die HOAI für diese Tätigkeit (noch) kein Honorar regelt.

    § 650p Abs. 2 BGB erweitert daher den Aufgabenbereich des Architekten wie folgt:

    "Soweit wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat der Unternehmer zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen. Er legt dem Besteller die Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zur Zustimmung vor".

    Hinweis: Das nachfolgende Vertragsmuster setzt voraus, dass die wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele zwischen den Parteien bereits vereinbart sind und dem Besteller die nach der "Nullphase" zu erstellende Planungsgrundlage samt Kostenschätzung (§ 650p Abs. 2 BGB) nicht mehr zur Zustimmung vorgelegt werden muss.

  • Sonderkündigungsrecht

    Der neue § 650r Abs. 1 BGB enthält ein Sonderkündigungsrecht für den Besteller: Hat der Architekt gem. § 650p Abs. 2 BGB eine Planungsgrundlage mit Kosteneinschätzung erstellt, soll der Besteller entscheiden können, ob er am Vertrag festhält oder diesen innerhalb von 2 Wochen nach Vorlage der Unterlagen kündigt. Dieses Kündigungsrecht gilt auch für den Architekten, wenn der Besteller trotz angemessener Frist keine Zustimmung abgibt oder diese verweigert. Ist der Besteller Verbraucher, erlischt das Kündigungsrecht nur dann, wenn der Architekt ihn bei Vorlage der Unterlagen in Textform über das Kündigungsrecht, die Frist, in der es ausgeübt werden kann, und die Rechtsfolgen der Kündigung unterrichtet hat.

  • Teilabnahme

    Der neue § 650s BGB regelt, dass Architekten und Ingenieure künftig auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung ab der Abnahme der letzten Leistung der bauausführenden Unternehmer die Teilabnahme der von ihnen bis dahin erbrachten Leistungen verlangen können, auch wenn die Leistungen, die die HOAI in der Leistungsphase 8 (Bauüberwachung) umschreibt und die ggf. zudem beauftragte Leistungsphase 9, noch nicht abgeschlossen sind.

    Die Teilabnahme hat – begrenzt auf die teilabgenommenen Leistungen – die gleichen Rechtsfolgen wie die Abnahme (z. B. Gefahrübergang, Verjährungsbeginn, Fälligkeit der Vergütung), sodass die Verjährungsfristen für Ansprüche des Bestellers gegenüber den Bauunternehmern wegen Ausführungsmängeln und Planern wegen Planungs- und Bauüberwachungsmängeln nunmehr weitgehend parallel laufen. Für die nach der Teilabnahme noch erbrachten Leistungen erfolgt dann gemäß § 640 BGB die Schlussabnahme.

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