rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Herausgabe der Arbeitspapiere. Schadensersatz wegen Nichtherausgabe

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitnehmer kann als Eigentümer der Arbeitspapiere jederzeit deren. Herausgabe verlangen.

Der Arbeitgeber ist auch im Falle einer nicht gerechtfertigten fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers nicht berechtigt, die Arbeitspapiere bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zurückzuhalten.

Findet ein Vertragsbrüchiger Arbeitnehmer wegen fehlender Arbeitspapiere keine neue Arbeitsstelle oder verliert er sie wieder, so kann er den früheren Arbeitgeber jedenfalls solange nicht auf Schadensersatz wegen der verweigerten Herausgabe der Arbeitspapiere in Anspruch nehmen, solange die ordentliche Kündigungsfrist noch läuft.

 

Normenkette

BGB §§ 286, 985

 

Tenor

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3) Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.817,– festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin war beim Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Am 29.9.1988 kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis zum 1.10.1988, weil sie eine andere Arbeit bei der Firma W. gefunden hatte. Ihrer Bitte auf Aushändigung der Arbeitspapiere hat der Beklagte nicht entsprochen, diese vielmehr erst am 13.10.1988 herausgegeben.

Mit der vorliegenden Klage behauptet die Klägerin, sie habe die neue Arbeitsstelle verloren, weil sie die Arbeitspapiere nicht habe vorlegen können. Sie verlangt daher den ihr entgangenen Lohn bei der Firma W. für Oktober 1988 in Höhe von 1.817 DM brutto.

Die Klägerin beantragt mit der am 12.10.1988 zugestellten Klage,

den Beklagten zur Zahlung von 1.817 DM brutto nebst 4 % Zinsen ab Klagezustellung zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin hätte ihr Arbeitspapiere erst nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 14.10.1988 verlangen können. Mit der Ausfüllung der Arbeitspapiere habe er einen Steuerberater beauftragt, dem für die Erledigung eine angemessene Zeit eingeräumt werden müsse.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Es ist eine Auskunft der Firma W. eingeholt worden, in der es u. a. heißt: Frau B.-G. sollte am Dienstag, den 4.10.1988 nach Vorlage der Personalpapiere (Lohnsteuerkarte, Versicherungsheft etc) die Arbeit in unserem Hause aufnehmen. Da sie sich an diesem Tag nicht gemeldet hatte, waren wir der Meinung, daß Frau B.-G. an der Einstellung nicht mehr interessiert war. Wir haben bis Freitag, den 7.10.1988 auf eine Nachricht von Frau B.-G. gewartet, jedoch ohne Erfolg, worauf dann von unserer Seite die Kündigung erfolgte.

Nach Klärung mit Frau B.-G. haben wir sie mit dem heutigen Tag (26.10.1988) als gewerbliche Mitarbeiterin eingestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage konnte keinen Erfolg haben.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Der Beklagte war als Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitspapiere der Klägerin auf deren Verlangen unverzüglich auszuhändigen. Der Arbeitnehmer ist gem. § 985 BGB Eigentümer seiner Arbeitspapiere, dh. der Lohnsteuerkarte und des Versicherungsheftes, und kann daher deren Herausgabe jederzeit verlangen. Der Beklagte war daher nicht berechtigt, die Arbeitspapiere bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zurückzuhalten. Allerdings muß jedem Arbeitgeber für die Herausgabe eine angemessene Zeit eingeräumt werden; denn schließlich wird die Herausgabe der ordnungsgemäß ausgefüllten Papiere geschuldet. Für die Fertigstellung der Schlußabrechnung benötigt jeder Arbeitgeber ausreichend Zeit und zwar insbesondere dann, wenn er – wie hier – diese Aufgabe einem Steuerberater Überträgen hat. In diesem Zusammenhang war auch zu berücksichtigen, daß die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis ohne Ankündigung am 29.9.1988 zum 1.10.1988 gekündigt hat, so daß sich der Beklagte auf die Herausgabe der ausgefüllten Arbeitspapiere nicht einrichten konnte.

Es kann dahinstehen, ob die Herausgabe der Arbeitspapiere am 13.10.1988 die vorstehenden Anforderungen beachtet; denn die Klägerin kann den Beklagten auch aus einem anderen Grund nicht schadensersatzpflichtig machen. Wie der Auskunft der Firma W. zu entnehmen ist, sollte die Klägerin ihre Arbeit dort am 4.10.1988 aufnehmen; sie ist jedoch zum vereinbarten Termin nicht erschienen, sondern hat sich bis zum 7.10.1988 nicht mehr gemeldet. Die Klägerin hat es daher selbst zu vertreten, daß es nicht zu Einstellung durch die Firma W. kam. Wie jedem Arbeitgeber bekannt, bedarf es zur Arbeitsaufnahme keineswegs der Vorlage der Arbeitspapiere; denn sowohl die Anmeldung zur Sozialversicherung als auch der Abzug von Lohnsteuern kann ohne Vorlage der Lohnsteuerkarte und des Versicherungsheftes erfolgen. Es war also zu erwarten, daß die Firma W. die Klägerin auch dann eingestellt hätte, wenn sie diese auf die Verzögerung der Herausgabe ihrer Arbeitspapiere hingewiesen hätte. Die Schadensersatzklage war aber noch aus einem weiteren Grund abzuweisen. Die Klägerin hat ihr Arbei...

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