Tenor

Gemäß Art. 177 Abs. 2 EGV werden dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft zur Auslegung von Art. 119 EGV, der Richtlinie 92/85 EWG und der Richtlinie 96/34/EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

1. Ist eine Gratifikation aus Anlaß des Weihnachtsfestes Entgelt i.S. von Art. 119 EGV bzw. „Arbeitsentgelt” i.S. von Art. 11 Ziff. 2 b der Richtlinie 92/85 EWG für geleistete Dienste im Jahr der Gewährung der Gratifikation auch dann, wenn diese vom Arbeitgeber überwiegend oder ausschließlich zum Anreiz für zukünftige Dienstleistung und/oder Betriebstreue gewährt wird. Ist ein solcher Entgeltcharakter zumindest dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber nicht vor Beginn des Jahres der Gewährung angekündigt hat, daß er im folgenden Jahr zu Weihnachten ausschließlich auf zukünftige Arbeitsleistung abstellen, also Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse im Auszahlungszeitpunkt und weiterhin ruhen, von der Leistung ausnehmen wolle.

2. Stellt es einen Verstoß gegen Art. 119 EGV, Art. 11 Ziff. 2 der Richtlinie 92/85 EWG und § 2 Ziff. 6 der (umzusetzenden) Richtlinie 96/34/EG dar, wenn ein Arbeitgeber Frauen, die sich im Ausszahlungszeitpunkt der Weihnachtsgratifikation im Erziehungsurlaub befinden, im vollen Umfang von dem Bezug der Gratifikation ausschließt, ohne im Jahr der Gewährung geleistete Arbeit und zurückgelegte Mutterschutzfristen (Beschäftigungsverbote) zu berücksichtigen?

3. Falls die Frage zu 2) zu bejahen ist:

Ist ein Verstoß gegen Art. 119 EGV, Art. 11 Ziff. 2 b der Richtlinie 92/85 EWG und § 2 Ziff. 6 der Richtlinie 96/34/EG gegeben, wenn ein Arbeitgeber bei Gewährung einer Weihnachtsgratifikation an eine sich im Erziehungsurlaub befindende Frau folgende Zeiten anteilig leistungsmindernd berücksichtigt

  • Zeiten des Erziehungsurlaubes
  • Zeiten der Mutterschutzfristen (Beschäftigungsverbote)
 

Tatbestand

I.

Mit ihrer bei Gericht am 10.01.1997 eingegangenen Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1996 in Höhe von 5.500,– DM brutto.

Die am 03.03.1965 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 01.09.1990 als Zahntechnikerin gegen ein Monatsgehalt von 5.500,– DM brutto innerhalb der 39,25 Stundenwoche bei dem Beklagten beschäftigt, bei dem auch männliche Arbeitnehmer tätig sind.

Die zu Beginn des Jahres 1996 schwangere Klägerin erbrachte ihre Arbeitsleistung vom 01.01. bis 08.04.1996 sowie vom 15. bis 18.04.1996. In der Zeit vom 09.04. bis 12.04. sowie vom 19.04. bis 15.05.1996 erhielt sie Urlaub. Am 16.05.1996 begann die sechswöchige Mutterschutzfrist nach § 3 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG), wobei als Geburtstermin der 27.06.1996 errechnet worden war. Tatsächlich wurde die Tochter der Klägerin am 12.07.1996 geboren. Die Mutterschutzfrist lief gem. § 6 Abs. 1 MuSchG am 06.09.1996 ab. Die Klägerin befindet sich seit dem 07.09.1996 in dem von ihr beantragten Erziehungsurlaub gemäß §§ 15 ff. Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG), der am 12.07.1999 enden wird.

Der Beklagte hatte in den Jahren vor 1996, jeweils zum 01.12. eines Jahres, der Klägerin (wie auch den übrigen Beschäftigten) eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehalts gewährt und sich dabei von der Klägerin folgende Erklärung unterschreiben lassen:

„WEIHNACHTSGRATIFIKATION”

Bei der Gewährung der Gratifikation handelt es sich um eine einmalige, freiwillige und jederzeit widerrufliche soziale Leistung, die auf das Weihnachtsfest dieses Jahres beschränkt ist. Durch diese Zahlung wird für die Zukunft daher weder dem Grunde noch der Höhe nach, auch nicht bezüglich der Auszahlungsmodalitäten sowie der Zusammensetzung der Gratifikation ein Rechtsanspruch begründet.

Die Weihnachtsgratifikation wird weiter ausdrücklich unter dem Vorbehalt gewährt, daß Sie ihr Arbeitsverhältnis nicht vor dem 01. Juli des Folgejahres aufkündigen oder schuldhaft einen Grund setzen, der uns berechtigt, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Das gleiche gilt für den Fall des Arbeitsvertragsbruches. Die Gratifikation ist nach diesem Vorbehalt bei Ausscheiden voll zurückzuzahlen.

Durch die Annahme der Gratifikation werden obige Vereinbarungen anerkannt.

Unter Hinweis auf diese Erklärung verweigerte der Beklagte der Klägerin sowie zwei weiteren sich im Dezember 1996 im Erziehungsurlaub befindlichen Arbeitnehmerinnen die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1996, ohne dies im Jahr 1995 angekündigt zu haben. Hiergegen wendet sich die Klägerin.

Sie trägt u.a. vor:

Bis einschließlich 1995 sei vom Arbeitgeber unabhängig von Zeiten der tatsächlichen Beschäftigung Eine Weihnachtsgratifikation gezahlt worden.

Bei einer Weihnachtsgratifikation handele es sich um Entgelt im Sinne von Art. 119 Abs. 1 EGV.

Die Verweigerung der Weihnachtsgratifikation Frauen gegenüber, die sich im Auszahlungszeitpunkt im Erziehungsurlaub befinden, stelle eine mittelbare Diskriminierung dar, da sowohl im Betrieb wie auch im Anwendungsbereich des Bundeserziehungsgeldgesetzes Erziehungsurlaub praktisch ausschließlich von Fraue...

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