Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.10.2003; Aktenzeichen 6 AZR 512/02)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 85,68 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 01.01. 2002 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, 12,5 % der Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während der angeordneten Rufbereitschaft zusätzlich mit der Überstundenvergütung von 125 % (§§ 15 Abs. 6 b), 35 Abs. 3 UA 2 BAT) zu vergüten.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Streitwert: 1.547,54 EUR.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) auf Vergütung von Rufbereitschaft.

Die 31 Jahre alte Klägerin ist seit 1.10.1993 bei der Beklagten als Kranken-schwester beschäftigt und nach dem BAT eingruppiert in die Vergütungsgruppe Kr VI Stufe 6 der Anlage 1 b. Sie bezog danach bis August 2001 einen Stun-denlohn von 25,37 DM und ab September 2001 infolge einer Tariflohnerhöhung einen Stundenlohn von 25,98 DM brutto.

Die Klägerin arbeitet normalerweise montags bis freitags von 7:00 bis 15:30 Uhr. Die Beklagte ordnet regelmäßig Rufbereitschaft nach § 15 Abs. 6 b BAT an montags bis freitags für die Zeit von 15:30 bis 7:00 Uhr des Folgetages so-wie Samstags und Sonntags von 7:00 bis 7:00 Uhr des Folgetages.

Für die Klägerin ordnete die Beklagte Rufbereitschaft zwischen 15:30 und 7:00 Uhr an u.a. für den 13.8.2001 sowie für den 2., 15. und 19.11.2001. Des wei-teren ordnete sie Rufbereitschaft an für den 3. und 4.11. von jeweils 7:00 bis 7:00 Uhr am Folgetag.

An diesen Tagen nahm die Beklagte die Klägerin während der Rufbereitschaft wie folgt in Anspruch für Dienste als Krankenschwester:

13.8.

21:30 bis 7:00 Uhr

2.11.

22:00 bis 1:00 Uhr

3.11.

18:00 bis 7:00 Uhr

4.11.

7:00 bis 16:00 Uhr

15.11.

4:30 bis 7:00 Uhr

19.11.

2:30 bis 7:00 Uhr

Aus diesen Tagen ergeben sich unstreitig 9,5 Stunden im August 2001 und 32 Stunden im November 2001, während derer die Klägerin aus der Rufbereit-schaft zur Arbeit herangezogen wurde.

Diese insgesamt 41,5 Stunden vergütete die Beklagte der Klägerin gem. § 15 Abs. 6 b Unterabs. 3 iVm. § 35 Abs. 1 b und Abs. 3 Unterabs. 2 BAT als Über-stunden mit 25 % Zuschlag. Entgegen der bis Sommer 2001 gängigen Praxis bei der Beklagten vergütete die Beklagte der Klägerin für diese Stunden nicht mehr zusätzlich die Rufbereitschaftsvergütung nach § 15 Abs. 6 b Unterabs. 2 BAT und begründete dies damit, Rufbereitschaftsvergütung und Überstunden-vergütung für die Zeiten tatsächlicher Inanspruchnahme schlössen sich ge-genseitig aus.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe für Zeiten tatsächlicher Inanspruchnahme neben der Überstundenvergütung auch die Rufbereitschaftsvergütung zu. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut „daneben” in § 15 Abs. 6 b Unterabs. 3 BAT.

Sie beantragt zuletzt noch,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 85,68 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 01.01.2002 zu zahlen;
  2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, 12,5 % der Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während der angeordneten Rufbereitschaft zusätzlich mit der Überstundenvergütung von 125 % (§ 15 Abs. 6 b, 35 Abs. 3 UA 2 BAT) zu vergüten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, eine Rufbereitschaftsvergütung neben der Überstundenver-gütung für die Zeiten tatsächlicher Inanspruchnahme sei vom BAT nicht vor-gesehen, insbesondere sei eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich. Während der Zeiten tatsächlicher Inanspruchnahme bestehe kein Rufbereitschaft mehr.

Ergänzend wird auf die wechselseitigen vorbereitenden Schriftsätze verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, sowie auf die Sitzungsprotokolle.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist auch begründet.

I.

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 85,68 EUR brutto (dazu unten 2.) und auch auf die begehrte Feststellung (dazu sogleich 1.). Beide Ansprüche hängen davon ab, wie § 15 Abs. 6 b BAT auszulegen ist.

1. Die Klägerin hat Anspruch auf die begehrte Feststellung. Denn die Beklagte ist verpflichtet bei einer tatsächlichen Inanspruchnahme während der an-geordneten Rufbereitschaft die Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme nicht nur mit der Überstundenvergütung sondern zusätzlich auch als Rufbereitschaft zu vergüten.

Dies ergibt sich aus der Regelung des § 15 Abs. 6 b Unterabs. 2 und 3 BAT. Daran kann angesichts des Wortlautes (dazu sogleich a) und auch des Re-gelungszweckes (dazu unten b) kein Zweifel bestehen.

a) Bereits der Wortlaut des § 15 Abs. 6 b BAT deutet darauf hin, dass neben der Überstundenvergütung für Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme auch die Rufbereitschaftsvergütung zu zahlen ist.

aa) In § 15 Abs. 6 b Unterabs. 2 ist geregelt, dass Zeiten der Rufbereitschaft mit 1/8 oder 12,5 % ihrer Zeit vergütet werden und zwar als Überstunden. Darüber besteht unter den Parteien kein Streit und insoweit ist der Wortlaut eindeutig.

In Unterabs. 3 S. 1 ist...

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