Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 28.08.2002 weder außerordentlich noch ordentlich zum 31.12.2002 aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Erzieherin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die der Klägerin mit Schreiben vom 26.07.2002 und 19.08.2002 erteilten Abmahnungen zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Der Streitwert wird auf 16.051,– EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Die am … in … geborene Klägerin steht seit dem Jahre 1994 bei der beklagten Stadt in einem Arbeitsverhältnis. Zunächst leistete sie dort ihr Anerkennungsjahr als Erzieherin. Seit dem 01.05.1995 ist sie in wechselnden befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt und wird im Kindergarten … eingesetzt. Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige, verheiratet und hat einen 2-jährigen Sohn. Das Arbeitsverhältnis als Erzieherin ist als Sonderurlaubsvertretung befristet bis zum 31.03.2005.

Die Klägerin ist Muslimin und trägt seit ihrem 12. Lebensjahr ein Kopftuch. Bis Ende 2001 hat die Klägerin das Kopftuch jedoch bei der Arbeit im Kindergarten nicht getragen, sondern bei Betreten des Kindergartens das Kopftuch abgelegt.

Anfang des Jahres 2002 entschloss sich die Klägerin das Kopftuch auch während der Arbeitszeit im Kindergarten zu tragen.

Am 15.07.2002 führte der Jugendamtsleiter im Beisein der Kindergartenleiterin mit der Klägerin ein Gespräch über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Konfliktsituation „Kopftuchtragen aus religiösen Gründen”. Ihr wurde mitgeteilt, dass die Stadt als Arbeitgeberin das weitere Tragen des Kopftuches nicht dulden werde. In diesem Gespräch teilte die Klägerin mit, dass sie aus religiöser Überzeugung nicht in der Lage sei, das Kopftuch während des Dienstes abzulegen und dass das Kopftuch ein Teil ihrer persönlichen Identität sei. Es sei ihre ganz persönliche Entscheidung gewesen, sich so zu kleiden und sie sei sich etwaiger Konsequenzen, die sich aus diesem Verhalten ergeben könnten, durchaus bewusst und sei bereit, diese Konsequenzen zu tragen. Nach Beteiligung des Personalrates mahnte die Beklagte die Klägerin wegen des Verstoßes gegen das Neutralitätsgebotes aufgrund des Tragens eines Kopftuchs aus religiösen Gründen während der Dienstausübung ab und kündigte für die Zuwiderhandlung eine fristlose Kündigung an.

Nach Erkrankung nahm die Klägerin am 12.08.2002 ihre Tätigkeit als Erzieherin in der Kindertagesstätte wieder auf, trug allerdings kein Kopftuch, sondern einen Hut.

Daraufhin mahnte die Beklagte die Klägerin nach Beteiligung des Personalrats mit Schreiben vom 19.08.2002 erneut ab und teilte ihr mit, dass die Klägerin mit einer fristlosen Kündigung zu rechnen habe.

Da die Klägerin auch danach auf eine Kopfbedeckung im Kindergarten während der Arbeitszeit nicht verzichtete, informierte die Beklagte den bei ihr gewählten Personalrat mit Schreiben vom 22.08.2002 darüber, dass beabsichtigt sei, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos zu kündigen. Zur Begründung berief sich die Beklagte im Wesentlichen darauf, dass die Klägerin zweimal abgemahnt worden sei, jedoch nicht bereit sei, die Kopfbedeckung im Kindergarten nicht zu tragen. Im Hinblick auf die Rechtslage verwies die Beklagte auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.07.2002. Die positive Bekenntnisfreiheit des Einzelnen oder der Einzelnen finde dort ihre Grenze, wo ihre Ausübung durch den Grundrechtsträger auf kollidierende Grundrechte Andersdenkender treffe.

Mit Schreiben vom 27.08.2002 teilte der Personalrat mit, dass er aufgrund der zurzeit geltenden Rechtsprechung keine Möglichkeit sehe, der fristlosen Kündigung nicht zuzustimmen.

Mit Schreiben vom 28.08.2002 bat die Beklagte den Personalrat auch um eine Zustimmung zur hilfsweise fristgemäßen Kündigung der Klägerin. Diese wurde noch am 28.08.2002 erteilt. Anschließend kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 31.12.2002. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin einen Tag später zu.

Hiergegen richtet sich die bei Gericht am 19.09.2002 eingegangene Kündigungsschutzklage. Die Klägerin ist der Auffassung, die Kündigung sei weder außerordentlich noch ordentlich wirksam. Auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts könne sich die Beklagte nicht berufen. Es gehe zwar um die staatliche Neutralitätsverpflichtung in einer öffentlichen Einrichtung, einem staatlichen Kindergarten, jedoch fänden die beamtenrechtlichen Grundsätze, auf die es im Wesentlichen in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts angekommen sei, auf sie als Arbeitnehmerin keine Anwendung. Im übrigen gehe es nicht um die Neutralität einer öffentlichen Pflichtschule, sondern um eine Kindertagesstätt...

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