Tenor

I.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten durch die fristlose Kündigung im Schreiben vom 26. November 2003 nicht aufgelöst worden ist.

II.

Die Beklagte hat die Kosten dieses Teilurteils zu tragen.

III.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für dieses Teilurteil auf 11.250,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Streitfall betrifft eine – fristlose – Kündigung.

Das beklagte Bankunternehmen sucht damit das Arbeitsverhältnis eines betrieblich vielfach engagierten Mitarbeiters zu beenden, das zuvor mehr als fünfzehn Jahre lang beanstandungsfrei verlaufen war. Der Kläger hatte im Namen einer überbetrieblich organisierten Mitarbeitergruppe eine „Website” dieser Gruppe im Internet gestaltet, deren „Sinngehalt” die Parteien höchst unterschiedlich interpretieren. Im („animierten”) Vorspann der betreffenden Website, in dem als Stimmungsbild und zur Kritik an gewissen Maßnahmen der Beklagten binnen Sekunden eine Fülle düsterer, teils kaum erkennbarer Motive am Betrachter vorbeirauschten, erschien für einen Augenblick auch das Abbild jener Inschrift „Arbeit macht frei”, mit der das schmiedeeiserne Portal eines Vernichtungslagers aus der Zeit des „Nationalsozialismus” seine Ankömmlinge empfangen hatte [1]. Das nahm die Beklagte „persönlich” und daran entzündete sich der hiesige Streit.

Dazu der Reihe nach:

I. Der 39-jährige verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit 1988 (wohl [2] ) bei der … Bank beschäftigt, bei der er zuvor auch schon seine Ausbildung absolviert hatte [3] . Nachdem Anfang 1994 der heutige Konzernverbund der Beklagten entstanden war, trat der Kläger im Sommer desselben Jahres [4] in deren Dienste. Er übernahm hier eine Tätigkeit als Betriebsorganisator, für die er zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von ca. 3.750,– EUR erzielte. Seit April 2000 ist der Kläger Mitglied des Betriebsrates.

II. Die Beklagte baut, wie allgemeinkundig ist, konzernweit Personal ab. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2005 insgesamt rund 4.000 Stellen einzusparen. 2.500 Arbeitsverhältnisse konnte sie bereits im Jahre 2002 beenden, davon (nur) etwa 200 durch betriebsbedingte Kündigungen. Die übrigen rund 2.300 Vertragsauflösungen resultieren aus sogenannten „SEV-Maßnahmen”. Darunter verstehen die betrieblichen Sachwalter Aufhebungsverträge, Vorruhestands- und Altersteilzeitregelungen [5] . Zu ihrer Anbahnung sucht die Beklagte zu ausgewählten Beschäftigten aus ihren Personalüberhangsbereichen [6] Unterredungen, für die im Sprachgebrauch der Beteiligten der Ausdruck „Trennungsgespräche” geläufig geworden ist. Diese „Trennungsgespräche” finden – jedenfalls im Grundsatz, nicht notwendig in allen Erscheinungsformen [7] – Akzeptanz auch bei den Belegschaftsvertretungen des Konzernverbundes.

III. Anlässlich anstehender Betriebsratswahlen bei der …bank … formierte sich schon im Dezember 2000 vorwiegend aus Mitarbeitern des Konzerns eine Initiative, die sich den Namen „FrischerWind!” gab. Die Gruppe setzte sich mit der bisherigen Arbeit der gewählten Belegschaftsvertretungen teilweise sehr kritisch auseinander [8] . Ihren Gründungszweck erblickte sie darin, „die bestehenden Strukturen der Arbeitnehmervertretung in unserem Konzern aufzubrechen” [9] . Der „Frische Wind” beteiligt sich mit eigenen Kandidatenlisten an den Wahlen zu den Belegschaftsvertretungen des Konzernverbundes. Er steht nicht zuletzt den „Trennungsgesprächen” [10] und ihren Ergebnissen [11] äußerst reserviert gegenüber [12] .

Dieser Initiative schloss sich auch der Kläger an. Er übernahm für sie unter anderem die Betreuung der von der Gruppe im Internet eingerichteten „Website”. Bei den Betriebsratswahlen im Mai 2002 wurde der Kläger auf der Liste des „Frischen Windes” erneut in das Gremium gewählt. Die Gruppe kam hier auf fünf [13] (der insgesamt 17 [14] ) Mandate.

IV. Im März 2003 gab die Beklagte bekannt [15] , bis Ende des Jahres 2003 weitere 500 Stellen abbauen zu wollen, und kündigte erneute „Trennungsgespräche” an. Im Juli und August 2003 ließ sie für die dafür zuständigen Mitarbeiter(innen) Qualifizierungskurse durchführen, an denen etwa 55 Führungskräfte und 20 Personalmitarbeiter teilnahmen [16] . Erklärtes Ziel der Schulung war die Verbesserung der Befähigung der Adressaten, „Trennungsgespräche wirksam [zu] führen” [17] . In der gleichnamigen Unterrichtsbroschüre, auf deren übrigen Inhalt verwiesen wird, heißt es unter anderem (grafische Gestaltung wie im Original; M. = Mitarbeiter; GF. = Gesprächsführer/in) [18] :

(S. 8) „Die Praxis hat gezeigt, dass der konkrete Ablauf eines Trennungsgespräches von drei Hauptdynamiken geprägt ist:

  • Die emotionalen Reaktionen des Mitarbeiters.
  • Die Frage: ‚Warum ich?’
  • und der Versuch des Mitarbeiters, die Trennung abzuwenden.

Der Schlüssel zum erfolgreichen Trennungsgespräch ist

  • der Umgang mit diesen drei Dynamiken
  • und das Wenden des Gesprächs hin zum Angebot.
  • Nachdem Sie das Angebot erörtert haben, entsteht eine Verhandlungsdynamik, der sich der Mitarbeiter normalerweise ...

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