Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.11.1988; Aktenzeichen 8 AZR 12/86)

 

Tenor

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin.

3.) Der Streitwert wird auf 676,43 DM festgesetzt.

4.) Gegen dieses Urteil wird die Berufung zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte ist seit Jahren als Gebäudereinigerin bei der Klägerin beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis wurde auf der Basis des schriftlichen Arbeitsvertrages wie aus Bl. 4 der Akte ersichtlich abgewickelt. § 5 des Arbeitsvertrages lautet wie folgt:

Die Vertragsschließenden sind sich dahingehend einig, daß für dieses Arbeitsverhältnis Versicherungsfreiheit in allen Zweigen der Sozialversicherung besteht.

Es wird eine weitere Nebenbeschäftigung ausgeübt Nein

Falls ja:

Arbeitnehmer …

Entgelt …

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die Aufnahme einer weiteren Nebenbeschäftigung unverzüglich anzuzeigen. Für den Fall der Verletzung der Anzeigepflicht entsteht ein Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitnehmer bzw. der Finanzverwaltung in voller Höhe der vom Sozialversicherungsträger nachgeforderten Beträge einschl. Kosten, Strafen usw.

In der Zeit vom 1. Juni 1981 bis 31. März 1982 nahm die Beklagte eine weitere Beschäftigung bei der Gebäudereinigungsfirma … auf. Diese Tätigkeit zeigte die Beklagte der Klägerin nicht an. Die Klägerin erfuhr hiervon durch eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen der AOK Aachen in Höhe von insgesamt 1.352,86 DM. Die Beklagte zahlte im Verlaufe des Rechtsstreits die auf sie entfallenden Arbeitnehmerbeiträge in Höhe von 676,43 DM an die Klägerin.

Die Klägerin begehrt auch die Erstattung des Arbeitnehmeranteils und beruft sich hierbei auf die Regelung des § 5 des Arbeitsvertrages. Sie trägt vor, sie hätte das Arbeitsverhältnis der Beklagten sogleich gekündigt, wenn sie von der weiteren Tätigkeit erfahren hätte. Ihre Kalkulation basiere nämlich darauf, daß die Tätigkeit der Klägerin versicherungsfrei sei. Die Versicherungsfreiheit sei beiderseitige Geschäftsgrundlage des Vertrages gewesen, denn insbesondere die Klägerin habe auch hieran ein Interesse gehabt, da der ausgezahlte Lohn hierdurch höher gewesen sei. Die Beklagte habe durch Verletzung der Offenbarungspflicht dem Arbeitgeber einen Schaden zugefügt, den sie ersetzen müsse.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 676,43 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, sie sei trotz der schuldhaften Nichtanzeige der weiteren Tätigkeit nicht zur Erstattung der Arbeitgeberanteile verpflichtet. Die entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag sei nichtig.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben, obwohl es sich hier, um die Erstattung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung handelt, wegen derer gewöhnlich der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben ist.

Vgl. Beschluß des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4. Juni 1974 in AP Nr. 3 zu § 405 RVO.

Die Klägerin beruft sich vorliegend nämlich auf eine privatrechtliche Vereinbarung über die Erstattung der Arbeitgeberanteile im Wege des Schadensersatzes. Derartige Schadensersatzansprüche aus dem Arbeitsvertrag zählen zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte.

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf § 5 des Arbeitsvertrages stützen. Diese Vertragsbestimmung ist, da sie gegen zwingendes Gesetzesrecht verstößt, nichtig (§ 134 BGB). Nach § 20 SGB 4 werden die Mittel der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die Einzelfälle der Versicherungszweige u.a. durch Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und Dritter aufgebracht. Wer in welchem Umfange Beiträge zu zahlen hat, ist dabei für die Krankenversicherung in §§ 380 ff RVO und für die Rentenversicherung in §§ 1380, 1385 RVO geregelt. Hiernach tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge jeweils zur Hälfte. Gemäß § 32 SGB 1 kann von diesen Bestimmungen zu Lasten der Arbeitnehmer nicht abgewichen werden. Die vorgenannte Bestimmung regelt kategorisch, daß privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften des Gesetzbuches abweichen, nichtig sind. Die Vorschrift hat Schutzfunktion. Sie soll sicherstellen, daß die Regelungen des Sozialgesetzbuches über Rechte und Pflichten und der von ihr beabsichtigte soziale Schutz des einzelnen nicht die privatrechtliche Vereinbarungen beeinträchtigt werden. Ihr Zweck ist es, im einzelnen sicherzustellen, daß potentiell Sozialleistungsberichtigte das erhalten, was ihnen gesetzlich zusteht und daß sie andererseits nicht über das gesetzlich vorgesehene Maß hinaus belastet werden. Sie schützt also vor Rechtsminderung und Pflichtenvermehrung.

Vgl. Blei in Sozialgesetzbuch, Sozialversicherung Gesamtkommentar Anm. 1 cbb zu § 32 Sozialgesetzbuch 1.

Die Regelung des § 5 des Arbeitsvertrages stellt ein...

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