1.

1Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. 2Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn der Sachbearbeiter den Eingabewertbogen falsch ausfüllt oder Daten versehentlich nicht oder falsch in ein Computerprogramm eingibt.

3Ein mechanisches Versehen wird ferner angenommen, wenn der Sachbearbeiter es versehentlich unterlassen hat, die für die Veranlagung eines Jahres vorliegenden Unterlagen auszuwerten, die ihm vom Steuerpflichtigen unterjährig übersandt wurden (vgl. BFH-Urteil vom 27.5.2009 - X R 47/08 - BStBl II, S. 946). 4Gleiches gilt für das Übersehen einer für den Veranlagungszeitraum einschlägigen Kontrollmitteilung, eines relevanten Grundlagenbescheides (vgl. dazu auch zu § 175, Nr. 1.2 2. Tiret) oder von Punkten eines Betriebsprüfungsberichts bzw. dessen widersprüchliche oder gar unterlassene Auswertung (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 27.11.2003 - V R 52/02 - BFH/NV 2004, S. 605).

 

2.

1Keine offenbaren Unrichtigkeiten im Sinne von § 129 sind Fehler bei der Auslegung oder (Nicht-) Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehlers, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. der Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen. 2Eine Berichtigung nach § 129 ist ausgeschlossen, wenn auch nur die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit besteht, dass ein derartiger Fehler vorliegt.

 

3.

1Ein Fehler ist dann "offenbar" i. S. des § 129, wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist, d.h. sich für einen unvoreingenommenen Dritten ohne weiteres aus der Steuererklärung, deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 27.05.2009 - X R 47/08 - BStBl II, S. 946). 2In den objektivierten Erkenntnishorizont des Dritten sind daneben regelmäßig aber auch im konkreten Fall einschlägige interne Arbeits- und Dienstanweisungen einzubeziehen (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 13.6.2012 - VI R 85/10 - BStBl II, S. XX). 3Es kommt nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte.

 

4.

1Die offenbare Unrichtigkeit muss beim Erlass des Verwaltungsakts unterlaufen sein. 2Daher können nur Fehler berichtigt werden, die der Finanzbehörde unterlaufen sind. 3Eine offenbare Unrichtigkeit kann aber auch dann vorliegen, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung oder dieser beigefügten Anlagen enthaltene offenbare, d.h. für das Finanzamt erkennbare Unrichtigkeit als eigene übernimmt.

4Sind dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Fehler (insbesondere Schreib- oder Rechenfehler) unterlaufen und hat er demzufolge dem Finanzamt bestimmte Tatsachen nicht oder mit einem unzutreffenden Wert mitgeteilt, kann der Steuerbescheid nicht nach § 129 berichtigt werden, da das Finanzamt den Fehler nicht erkennen und diesen sich somit auch nicht zu eigen machen konnte. 5Allerdings kommt bei steuerermäßigenden Tatsachen eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 in Betracht, wenn den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der zutreffenden Tatsachen trifft (vgl. zu § 173, Nr. 5) und diese Tatsachen auch bei Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids rechtserheblich waren (vgl. zu § 173, Nr. 3). 6Dafür, dass die ursprüngliche Nichterklärung auf einem mechanischen Versehen beruht, trägt der Steuerpflichtige die Beweislast (vgl. zu § 173, Nr. 5.1 und 5.1.3). 7Die Form der Steuererklärung ist hierbei unerheblich (vgl. zu § 173, Nr. 5.6).

 

5.

Bei einer Berichtigung nach § 129 können im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung unter sinngemäßer Anwendung des § 177 materielle Fehler korrigiert werden (BFH-Urteil vom 8.3.1989 - X R 116/87 - BStBl II, S. 531).

 

6.

1Die Berichtigung zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen ist

  • bei Steuerfestsetzungen und Zinsbescheiden nur innerhalb der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 1 Satz 2),
  • bei Aufteilungsbescheiden nur bis zur Beendigung der Vollstreckung (§ 280),
  • bei Verwaltungsakten, die sich auf Zahlungsansprüche richten, bis zum Ablauf der Zahlungsverjährung (§ 228),
  • bei anderen Verwaltungsakten zeitlich unbeschränkt

zulässig. 2Auf die besondere Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 2 wird hingewiesen.

 

7.

1Zur Korrektur von Haftungs- und Duldungsbescheiden vgl. zu § 191. 2Zur Anfechtungsbeschränkung vgl. zu § 351, Nr. 3.

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