Leitsatz

Ob nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH die Kostenverteilung für das laufende Jahr geändert werden kann, obwohl bereits ein Wirtschaftsplan existiert, ist offen

 

Normenkette

§ 280 BGB

 

Das Problem

  1. Eine Wohnungseigentümerin macht gegen ihren Rechtsanwalt wegen einer nach ihrer Meinung unzutreffenden anwaltlichen Beratung in einer Wohnungseigentumssache Schadensersatzansprüche im Wege der Feststellungsklage geltend.
  2. Die Klägerin wirft ihrem Rechtsanwalt vor, er habe ihr nicht zur Anfechtung eines Beschlusses über die Erhöhung ihres Kostenanteils geraten, obwohl dieser Beschluss wegen fehlender Bestimmtheit, seiner Rückwirkung zum Jahresbeginn und der willkürlichen Ungleichbehandlung gegenüber anderen zu Wohnzwecken genutzten Hobbyräumen anfechtbar gewesen sei.
  3. Die Klägerin bringt insoweit vor, Aufgabe ihres Rechtsanwalts sei es gewesen, zu überprüfen, ob eine Anfechtung des Beschlusses hinreichend Erfolg versprechend sei. Da der Beschluss für sie mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden gewesen sei, liege ein Beratungsfehler vor, wenn die Anfechtung Erfolg versprochen hätte. So sei es im Fall. Im Beschluss werde unklar und widersprüchlich geregelt, auf welche Kostenarten sich der geänderte Verteilungsschlüssel beziehe. Der Wortlaut nehme einerseits auf die wirtschaftlichen Kosten nach den Vorschriften der Gemeinschaftsordnung Bezug, wozu auch die Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten gehörten. Zugleich werde jedoch geregelt, dass die Gemeinschaft diese Regelung "unter Anwendung der Vorschriften von § 16 Abs. 3 WEG" treffe, der ausschließlich zu einer Änderung des Anteils an laufenden Betriebskosten ermächtige. Ein Verweis auf § 16 Abs. 4 WEG fehle. Dies habe ihr Rechtsanwalt auch erkannt. Eine weitere Unklarheit des Beschlusses liege darin, dass ihr Kostenanteil von 4,5/1.000 auf 15/1.000 erhöht wurde, ohne die Anteile der übrigen Eigentümer zu verringern. Eine Festsetzung auf 15/1.010,50 sei gerade nicht erfolgt. Der Beschluss habe auch eine unzulässige Rückwirkung enthalten, was ihr Rechtsanwalt übersehen habe. Durch den Beschluss werde sie ferner willkürlich ungleich behandelt. Zahlreiche andere Wohnungseigentümer würden ihre Hobbyräume nämlich ebenfalls dauerhaft zu Wohnzwecken nutzen. Die fehlende Belastung der anderen Wohnungseigentümer führe zu ihrer ungerechtfertigten Benachteiligung. Die Hinnahme des Beschlusses sei auch nicht durch die vom Rechtsanwalt genannten taktischen Erwägungen zu rechtfertigen.
 

Entscheidung

  1. Der Wohnungseigentümerin stehe gegenüber ihrem Rechtsanwalt kein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB zu. Seine Empfehlung, den Beschluss nicht anzufechten, sei nicht pflichtwidrig, sondern juristisch zutreffend und zudem aus praktischen Erwägungen sinnvoll gewesen.
  2. Eine Anfechtung des Beschlusses wegen mangelnder Bestimmtheit sei im Fall nicht geboten gewesen. Der Beklagte sei in seiner Beratung auf die Problematik des Beschlusses in Bezug auf die Abgrenzung von Bewirtschaftungskosten zu Instandhaltungsaufwendungen eingegangen. Er habe den Beschluss dahin gehend interpretiert, dass dieser nur die Bewirtschaftungskosten erfasst, hielt Auseinandersetzungen hierüber aber für möglich. Es sei also nicht so, dass der Rechtsanwalt das Problem übersehen habe. Er sei nur entgegen der jetzigen Auffassung der klagenden Wohnungseigentümerin zu der Wertung gekommen, dass im Ergebnis die Auslegung des Beschlusses zu einem eindeutigen, für sie durch den Ausschluss von Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten letztlich günstigen Ergebnis komme. Diese Analyse sei auch zutreffend. Eine Anfechtung wegen mangelnder Bestimmtheit hätte nach der im Regressprozess maßgeblichen Auffassung des Senats keinen Erfolg gehabt. Eine Auslegung, wie sie der beklagte Rechtsanwalt vorgenommen habe, sei wegen der ausdrücklichen Angabe der Rechtsgrundlage durch Verweis auf § 16 Abs. 3 WEG geboten. Eine Vermengung mit Instandhaltungskosten sei nicht erfolgt. Dass die Änderung der Umlage "unter Berücksichtigung der Vorschriften der Gemeinschaftsordnung" erfolgt sei, bedeute keine Einbeziehung des Instandhaltungsaufwands nur deshalb, weil er dort neben den Betriebskosten ebenfalls behandelt wird.
  3. Der Beschluss sei auch nicht wegen unzulässiger Rückwirkung unwirksam. Ob nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH die Kostenverteilung für das laufende Jahr geändert werden könne, obwohl bereits ein Wirtschaftsplan existiert, sei offen. Möglicherweise handle es sich dabei um eine grundsätzliche Rechtsfrage. Dies sei hier aber nicht relevant, sondern nur, ob die Beratung des Rechtsanwalts aus der maßgeblichen Sicht des Jahres 2008 sachgerecht war, also der damaligen Gesetzeslage und damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprochen habe (BGH v. 28.9.2000, IX ZR 6/99, NJW 2001 S. 146). Dies sei der Fall gewesen. Zur Frage, ob eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels durch einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer während und für die laufende Abrechnungsperiode möglich war, habe im September 2008 keine...

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