Leitsatz

Allein nach Kaufrecht zu beurteilende Ansprüche auf Minderung und "kleinen" Schadensersatz unterfallen jedenfalls dann nicht dem Anwendungsbereich des § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG, wenn ein gebrauchtes Wohnungseigentum (Eigentumswohnung) unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel verkauft wird und eine Beschaffenheitsgarantie nicht vereinbart worden ist.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG

 

Das Problem

  1. K kauft von B ein Wohnungseigentum. Die Haftung für Sachmängel ist ausgeschlossen. Das Wohnungseigentum liegt in einem Haus, das zu einer größeren – in den 1950er-Jahren errichteten – Mehrhausanlage gehört. Die Mehrhausanlage war 1987 im Auftrag der Muttergesellschaft der B auf ihre Standsicherheit hin untersucht worden. Die darauf bei einigen Gebäuden vorgenommene Sanierung blieb hinter den Vorgaben eines Sachverständigen zurück. 2003 führte ein weiterer Sachverständiger zu einem anderen Gebäude der Wohnungseigentumsanlage aus, es sei als kritisch zu bewerten, dass es kein geschlossenes Abdichtungssystem für das Kellergeschoss gebe. Im Kaufvertrag wies B vor diesem Hintergrund auf erhöhte Feuchtigkeitswerte an den Kelleraußenwänden hin und führte in diesem Zusammenhang aus, es sei "durch die Wohnungseigentümergemeinschaft" beabsichtigt, auf der nächsten ordentlichen Eigentümerversammlung einen Beschluss zur Beseitigung der Undichtigkeit an den Kelleraußenwänden zu fassen. Der in der Folgezeit gefasste Beschluss über die Sanierung der Pfeiler, der tragenden Wände sowie der Kelleraußenwände auf Kosten der Beklagten bzw. ihrer Muttergesellschaft focht B erfolgreich an.
  2. K verlangt von B als Hauptforderung Schadensersatz in Höhe einer Verkehrswertminderung von 45.000 EUR und behauptet hierzu, er sei von B bei Vertragsschluss arglistig getäuscht worden. Die unzureichende Sanierung und die darauf beruhende mangelnde Standfestigkeit des Hauses sei ebenso vorsätzlich verschwiegen worden wie Durchfeuchtungen im Kellergeschoss. Land- und Kammergericht weisen die Klage ab. Das Kammergericht hält die Klage schon deshalb für unbegründet, weil es bei den Rechten auf Minderung und sogenannten kleinen Schadensersatz um gemeinschaftsbezogene Rechte nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG gehe, die ein eigenständiges Vorgehen des einzelnen Wohnungseigentümers nicht zuließen. Für deren Geltendmachung und Durchsetzung sei allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuständig. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Werkvertragsrecht. Für kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche gelte nichts anderes. Mit der Revision verfolgt K seinen Anspruch weiter.
 

Die Entscheidung

  1. Mit Erfolg! Die Erwägungen hielten einer revisionsrechtlichen Überprüfung bereits deshalb nicht stand, weil die angenommene Alleinzuständigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG zur Verneinung der Prozessführungsbefugnis und damit zur Abweisung der Klage als unzulässig hätte führen müssen. Auch wenn der Wohnungseigentümer Rechtsinhaber bleibe, stehe die materielle Ausübungs- und die Prozessführungsbefugnis bei den unter § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG fallenden Rechten allein der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu (Hinweis auf BGH v. 5.12.2014, V ZR 5/14, NJW 2015 S. 1020 Rn. 5 ff.). Diese Rechte könnten vom Rechtsinhaber im eigenen Namen nur noch unter den Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemacht werden (Hinweis auf BGH v. 12.4.2007, VII ZR 236/05, BGHZ 172 S. 42 Rn. 22).
  2. Davon abgesehen fiele der Klageanspruch mangels Gemeinschaftsbezogenheit aber gar nicht unter § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG. Richtig sei allerdings, dass Rechte auf Minderung und sogenannten kleinen Schadensersatz wegen behebbarer Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum (Hinweis unter anderem auf BGH v. 15.2.1990, VII ZR 269/88, BGHZ 110 S. 258, 261) jedenfalls bei dem nach Werkvertragsrecht zu beurteilenden Erwerb einer neu errichteten Wohnung vom Bauträger als gemeinschaftsbezogen qualifiziert werden würden und infolgedessen die Befugnis des einzelnen Wohnungseigentümers zur Geltendmachung seiner individualvertraglichen Rechte ausnahmsweise ausgeschlossen sei (Hinweis unter anderem auf BGH v. 23.2.2006, VII ZR 84/05, NJW 2006 S. 2254 Rn. 15 und 18 und BGH v. 12.4.2007, VII ZR 236/05, BGHZ 172 S. 42 Rn. 19). Maßgeblich dafür sei vor allem die Erwägung, dass die Wohnungseigentümer nur gemeinschaftlich darüber befinden könnten, wie das Wahlrecht zwischen Minderung und Schadensersatz auszuüben ist und wie die vom Gewährleistungsschuldner erlangten Mittel verwendet werden sollen (Hinweis auf BGH v. 10.5.1979, VII ZR 30/78, BGHZ 74 S. 258, 265). Sei der Mangel noch behebbar, sei die Wahl zwischen Minderung und Schadensersatz im Wesentlichen davon abhängig, ob und inwieweit der Mangel beseitigt werden soll. Die Entscheidung darüber falle gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2 WEG "in die Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft". Darüber hinaus diene diese Rechtsprechun...

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