Leitsatz

Wären die erforderlichen Aufwendungen für die Beseitigung eines Mangels einer Wohnung im Bereich des Gemeinschaftseigentums voraussichtlich unverhältnismäßig hoch und würden sie die "Opfergrenze" für den Vermieter übersteigen, kann der Mieter vom Vermieter nicht die Beseitigung des Mangels verlangen. Grundsätzlich steht dem Verlangen einer Mangelbeseitigung jedoch nicht entgegen, dass der Vermieter der Eigentumswohnung die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer herbeiführen muss.

 

Normenkette

BGB § 535

 

Kommentar

In dem zur Entscheidung stehenden Fall war eine Eigentumswohnung vermietet. Zur Mietsache gehörte außerdem ein Keller sowie ein Pkw-Stellplatz in einer Tiefgarage; dort kam es bei Regenfällen immer wieder zu Wassereinbrüchen. Der Mieter hat u. a. beantragt, den Vermieter zur Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden zu verurteilen. Der Vermieter hat u. a. eingewendet, dass die Sanierung des Kellerbereichs und der Tiefgarage nur mit einem hohen Kostenaufwand möglich sei. Dieser Aufwand stehe in keinem Verhältnis zu den mit der Feuchtigkeit verbundenen Nachteilen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es war zu prüfen, ob der Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung entfällt, wenn die hierfür erforderlichen Kosten unverhältnismäßig hoch sind.

Nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Schuldner eine Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Aus dieser Vorschrift leitet der BGH ab, dass die Verpflichtung des Vermieters zur Wiederherstellung der Mietsache dort endet, wo der erforderliche Aufwand die sog. "Opfergrenze" übersteigt. Diese Opfergrenze ist nicht allgemein zu bestimmen, sondern muss von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der Parteiinteressen ermittelt werden. Es darf "kein krasses Missverhältnis entstehen zwischen dem Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie dem Wert des Mietobjekts und den aus ihm zu ziehenden Einnahmen andererseits". Im vorliegenden Fall war mit Sanierungskosten in Höhe von rund 100.000 EUR zu rechnen. Bei dieser Sachlage muss das Gericht prüfen, ob die Opfergrenze erreicht ist.

Vorliegend kam hinzu, dass die Mietsache Teil einer Wohnungseigentumsanlage war. Der zu sanierende Bereich betraf das Gemeinschaftseigentum. Die Sanierung war deshalb nicht Sache des Vermieters, sondern Angelegenheit der Gemeinschaft. Der BGH führt aus, dass der Mieter gleichwohl den Vermieter auf Beseitigung des Mangels in Anspruch nehmen kann. Jedoch ist eine Ausnahme in Erwägung zu ziehen, wenn die Sanierung eine Größenordnung erreicht, die nicht mehr dem Interesse der Wohnungseigentümer entspricht. Kann die Sanierung nach den Grundsätzen des Wohnungseigentumsrechts nicht durchgesetzt werden, so ist auch der Vermieter gegenüber dem Mieter nicht zur Mangelbeseitigung verpflichtet. Nach Meinung des BGH liegt ein Fall der Unmöglichkeit i. S. d. § 275 Abs. 1 BGB vor. Danach ist der Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen, wenn diese für den Schuldner unmöglich ist.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 20.07.2005, VIII ZR 342/03, GE 2005, 342 = DWW 2005, 422 = ZMR 2005, 935 = NZM 2005, 820 = WuM 2005, 713

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